Leonardo Da Vinci: Abendmahl/last supper - Part 7
 
Fortsetzung

Im Jahre 1506 wurde die schon im Altertum berühmte und inzwischen verschollen gewesene Laokoon-Gruppe wieder zutage gefördert. Michelangelo pries sie als ein Wunder der Kunst. Sie hat seitdem viele namhafte Künstler und andere feinempfindende Menschen begeistert. Ich erinnere nur an Winkelmann, Lessing, Goethe, Schopenhauer. Huter bezeichnete diese Gruppe, inbezug auf die Darstellung körperlichen und seelischen Schmerzes, bei Anwendung der schwierigsten Technik, als das vollendetste Meisterwerk der griechischen Plastik.

Vom Standpunkt der modernen, wissenschaftlichen Charakterologie aus ist es wirklich verlockend, die berühmte Gruppe, die schon so viele Diskussionen herausgefordert hat, besonders den psychologischen Mittelpunkt derselben, den Kopf des Vaters, zu besprechen und in den Einzelheiten zu erklären. Durch diese Analyse wird auch dem unserer Wissenschaft ferner Stehenden der Fortschritt in der Formenpsychologie, seit Goethes Tagen, deutlich werden. Es stellt sich heraus, daß man synthetisch, den Gesamtcharakter also, richtig beurteilt hat; aber in der analytischen Beurteilungsfähigkeit, in der Deutung der Einzelheiten fortgeschritten ist.

Nr. 2. Kopf des Laokoon. Rom

Der Kopftypus zeigt die Physiognomie des "Harmonischen-Naturells". Das Hautgewebe, die Haare, die Bildung der Mittelhirnregion künden uns einen heliodareichen Menschen (Geistes- und Edelmensch). Dieses wollten besonders Winckelmann und Lessing betont wissen. Der angeborene Seelenadel Laokoons ist die Ursache, daß er selbst im höchsten Schmerz - im körperlichen und seelischen - noch den Ausdruck erhabener Größe bewahrt.

Die Ausdrucksbewegungen sind vornehmlich die des Schmerzes und des Widerstandes.

Die Stirnhaut und die Augenbrauen hängen seitlich über die Augen und sind in der Mitte hochgezogen (nervöser Kopfschmerz). Unwillkürlich (reflektorisch) zieht sich der ganze  Körper nach der Stelle des Bisses hin zusammen (Ausdruck des örtlichen körperlichen Schmerzes). Die Haare, besonders auf der Oberstirn, sind sehr gespannt und sträuben sich (stark erregtes und tief aufgewühltes Gemüt). Die Augen sind in die Höhlen zurückgesunken (Lebenskraftverlust). Zudem sind sie sehr nach oben gerichtet ("ethisch-religiöser Blick": Ausdruck des Vertrauens auf das Gute).

Laokoon. Rom

Ein Punkt hat immer wieder zur Besprechung herausgefordert, und zwar der: warum Laokoon nicht schreit, sondern nur ächzt und stöhnt, was aus dem fast geschlossenen, nicht weit geöffneten Mund zu folgern ist. Winckelmann hat dafür, vom Ethischen ausgehend, den Geistesadel dieses Mannes, der seine Selbstbeherrschung nicht verliert, selbst im Zustande der größten Tragik, angeführt; denn ein weit aufgerissener Mund würde eben auf Sichgehenlassen deuten. Lessing ging vom Aesthetischen aus. Nach ihm ist die Schönheit, als erstes Gesetz der griechischen bildenden Kunst, die Ursache gewesen, denn ein weitaufgerissener Mund wirkt unschön. Goethe führte eine physiologischen Grund an: durch das Zusammenziehen des ganzen Körpers nach der Stelle des Bisses hin sei ein weit geöffneter Mund mechanisch-biologisch unmöglich. Schopenhauer ging kunstwissenschaftlich von der schwachen Seite der bildenden Kunst aus. Sie kann nur mit den physiognomischen Elementen der Form und Farbe arbeiten und nicht auch, wie die Musik und Dichtkunst, mit dem Ton. Daher sollte die Wiedergabe des Schreiens, Singens usw. in der Malerei und Plastik nach ihm möglichst unterbleiben. Aus diesem Grunde sei die Darstellung des Schreiens beim Laokoon vermieden worden.

Alle Gründe dieser großen Männer sind fraglos richtig. Auch schließen sie sich nicht aus, sondern müssen gemeinsam, als sich ergänzend, ins Auge gefaßt werden. Nach den charakterologischen Merkmalen ist der Grund wohl außerdem in etwas anderem zu suchen: Laokoon kämpft, wehrt und stemmt sich mit ganzer Kraft gegen die auf ihn und sein Knaben eindringenden Schlangen. Er befindet sich also in einem aktiven Willenszustand, in welchem man garnicht schreien kann. Schreiend würde er einen mehr passiven Willen verraten. Der Unterkiefer würde dann herunterhängen. Erkenntlich sind die Merkmale des Kämpfens und Widerstandes im Gesicht, an dem stark angespannten plastischen Zug der Kraft (s. die Plastik von den Nasenflügeln abwärts), dem gespannten Nasenrücken, dem geblähten und stark in die Breite gezogenen Mund mit den gespannten Mundwinkeln; der herausgepreßten Unterlippe und dem gespannten Unterkiefer. Das Verhalten Laokoons entspricht altgriechischer Lebensauffassung: sich nicht willig mit buddhistischer Passivität oder islamischem Fatalismus in sein Schicksal zu ergeben, sondern mit Aufbietung aller Kräfte das Leid zu bezwingen zu suchen. Laokoon tut dieses nicht in wilder und zorniger Erregung (die Augen würden dann gespannt nach unten gerichtet sein), schreiend und gestikulierend, sondern beherrscht und würdevoll. Er beginnt schon zu ermatten und zu erlahmen. Der Stickfluß soll sich bereits eingestellt haben (nach Schopenhauer: Hirt 1797 in den "Horen"). Willensaktivität hat der Schöpfer der Gruppe, nach den charakterologischen Merkmalen zu urteilen, neben dem Schmerz und Seelenadel zum Ausdruck gebracht.

Nr. 3. Tizian: Der Zinsgroschen. Dresden

Auf diesem Bilde haben wir eine der bereits erwähnten Gegenüberstellungen von Gut und Böse durch Schönheit und Häßlichkeit vor uns (s. S.37 - hier web).

Die feingeistigen Gesichtszüge, Christus ("Ideales Naturell", jenes, das auf jeden Fall das Gute erstrebt, auch wenn es nicht genial [schöpferisch] ist), offenbaren ein reiches, seelisches Innenleben. Der Kopf ist allseitig gerundet im Umriß, ohne Ecken und Kanten (Harmonie der inneren Kräfte). Die einzelnen Gesichtsteile sind zart, vornehmlich die Mittelhirnregion mit dem Nasen-Wangen-Zug (zartes, sensibles Empfinden). Der Schädel ist über den Ohren im Verhältnis zur Höhe schmal (Selbstlosigkeit). Die Stirn ist zwar mäßig hoch, aber schön gebildet (Harmonie des Gedankenlebens). Die Unterstirn tritt prägnant hervor, besonders in der Mitte, der Nasenwurzelregion (hervorragende Auffassungs- und Beobachtungsgabe). Die Gesamtphysiognomie der Nase ist von klassischer Feinheit (feinsinniger, edler Gesamtcharakter). Der Blick ist fest auf den Frager gerichtet ("beobachtender, forschender Blick"). Der Mund ist zart zugespitzt (Ausdruck des Prüfens und Forschens). Die Haare sind lang und seidenweich (Gefühlsreichtum).

Der fragende Pharisäer liegt im "Disharmonischen Naturell". Seine Körperformen sind teils hart-breit, eckig, teils massig und schwer (grobes Gefühlsleben). Der Stirnknochen wirkt hart (kalter, realer Verstand, Mangel an feineren Denkkräften). Die Unterstirn ist bis zur vierten Region gut entwickelt (guter praktischer Instinkt). Die Seitenstirn tritt plastisch hervor (starker Gelderwerbssinn). Im Verhältnis zur Höhe ist der Schädel sehr breit (starke, egoistische Selbsterhaltungstriebe). Die Wangenknochen treten kräftig gespannt aus dem Rahmen des Gesichtes heraus (Widersetzlichkeit und Angriffslust). Die Augen sind sehr klein (kleiner geistiger Horizont). Auch liegen sie versteckt in den Höhlen (Hinterhältigkeit und Verschlagenheit). Die Nase ist dort, wo der Gemütszustand sich erkennen läßt, hart herausgebogen (Rohheit und Gewissenlosigkeit). Das Gewebe in der Mittelhirnregion ist massig und faltig (rohes Gefühlsleben). Auch das Ohr ist abnorm. Erstens steht es quer vom Kopf ab (Henkelohr; Angriffslust, Reizbarkeit). Und zweitens ist es sehr massig, besonders im unteren Teil (starker Impuls zum Physischen und Materiellen). Die Haare sind kurz (Nüchternheit).
Der Künstler führt uns im Pharisäer einen Egoisten und Aeußerlichkeitsmenschen vor Augen, dem wirklich ideale Handlungen, Opfer- und Begeisterungssinn für große Ideen von seiner Charakterveranlagung aus unmöglich sind.

Außer den Formen hat Tizian die Farben zur Kennzeichnung dieser beiden gegensätzlichen Charaktere benutzt. Christi Gesicht hat helle, leuchtende /(heliodische), des Pharisäers dagegen dunkle, bräunliche, harte (magnetische) Farbtöne.

Michelangelo hat Moses, dem Haupthelden des alten Testaments, dem großen Ethiker, Reformator, Gesetzgeber, Volkserzieher und Herrführer, durch seine gewaltige Schöpfung, die sein berühmtestes Werk wurde, ein großartiges Denkmal gesetzt. Männliche Tat- und geistige Schöpferkraft sind hier vereint in einer Weise symbolisiert worden, daß diese Plastik wie das Bild eines Halbgottes auf den Betrachter wirkt.

Nr. 4. Michelangelo: Kopf des Moses. Rom

Man hat an Michelangelo bemängelt, er habe feinere ethische Regungen nicht zum Ausdruck bringen können. Ihm sei z.B. eine befriedigende Darstellung der Jesusgestalt nicht gelungen. Bei seinem Moses aber, der ein Ethiker und Denker realistischer Richtung war, hat er aus dieser Not eine Tugend werden lassen. Dessen hygienische Vorschriften waren Lehren, die auf Pflege und Gesundung des körperlichen Wohlbefindens abzielten, um von dieser Grundlage aus - durch körperliche Mittel - eine Vervollkommnung der menschlichen Natur anzubahnen. Dagegen Christus, Buddha oder Plato suchten durch geistige Mittel, als idealistische Ethiker, die menschliche Natur zu vervollkommnen (durch Umgang mit dem Schönen, Menschenliebe, Gerechtigkeit usw). Beide ethischen Richtungen schließen sich, nebenbei bemerkt, nicht aus, sondern ergänzen sich, denn Körper und Seele stehen in einem untrennbaren Verhältnis zueinander (s. die Ausführungen über die Grundansicht S. 12, hier web). In dieser mehr realistischen Geistesbeschaffenheit und im Tatendrang waren Moses und Michelangelo verwandt (kongenial). Darum hat der Künstler den größten Propheten der Juden so vortrefflich verkörpern können.

Nach den Gesetzen der Naturell-Lehre kann Moses gar nicht anders als in dem ihm von Michelangelo gegebenen, nämlich dem "Harmonie-Diktatorischen- und Tat-Naturell" gelegen haben. Ueber das Wesen des diktatorischen Naturells äußert Huter ("Die Naturellehre"), daß es das geborene hypnotische sei, und dieser angeborenen Fähigkeit seine Erfolge im öffentlichen Leben zu verdanken habe. Da mit dieser letzteren Veranlagung bei Moses hohe ethische Qualitäten verbunden sind, haben wir es mit einer besonderen Art dieses Typus zu tun, welchen Huter als "okkultes, gutes diktatorisches Naturell" bezeichnet.

Michelangelo: Moses. Rom

Der Kopf unserer Plastik ist ganz besonders interessant, sowohl physiognomisch als auch mimisch. Die breiten Jochbeine (große Eigengesetzlichkeitskraft und Angriffslust), die große Nase (Herrschergabe), der kräftige Unterstirnknochen, Unterkieferbogen und das Kinn sind wie von eiserner oder steinerner Festigkeit (Merkzeichen suggestiver, hypnotischer Begabung). Die Willensachse (Abstand vom oberen Hinterkopf bis zum Kinn) ist lang (impulsive Natur, große Willenskraft, treibt andere Menschen an). Der "Zug der Kraft" (die starke Plastik von den Nasenflügeln abwärts) ist wie bei einem Athleten. Die diktatorische Charakteranlage wirkt sich aber nicht, wie bereits betont, im egoistischen, sondern im guten Sinne aus; denn das Hautgewebe des Gesichts und das feine, formenreiche, dünne Haar sind sehr weich und heliodisch (reiches Seelenleben, Sensibilität, idealistisches Wollen). Die Seitenansicht des Kopfes zeigt, daß das Vorderhirn, vom Ohrloch aus gemessen, ganz bedeutend größer ist als das Hinterhirn (Innerlichkeitsmensch). Die Unterstirn, besonders in der Gegend der Nasenwurzel, ist hervorragend entwickelt. Sie springt vor und ist fein modelliert (geniale Beobachtungs- und Auffassungsgabe für sinnlich-körperliche Erscheinungen). Die Oberstirn, als Sitz des ethischen Bewußtseins, ist durch schöne Haarlocken und zwei Hörner geschmückt. Durch dieses letztere Attribut wird die Liebesachse - Abstand vom unteren Hinterkopf bis zur Oberstirn - stark betont (starkes Wohlwollen). Neuere Kritiker haben die Hörner bemängelt und meinen, Michelangelo habe nur traditionell eine Meinung übernommen, die durch eine fehlerhafte Bibelübersetzung zustande gekommen sei (2. Mos. 34, Vers 29-32). Solcher Auffassung kann ich nicht teilen, und zwar aus zwei wichtigen Gründen: 1.) war der Künstler dazu berechtigt, die Hörner anzubringen, weil ein großer Teil der Würde und Hoheit, die von diesem Kopf ausgeht, in seiner Wirkung auf diese Hörner beruht. Man verdecke sie und man wird finden, wie der Kopf an Erhabenheit verliert. Dem Künstler kam es darauf an, der Idee, die ihm vom Moses vorschwebte, auf jeden Fall anschaulich Ausdruck zu geben durch alle nur erdenklichen Mittel. Dieses Recht kann und darf wohl niemand einem Künstler absprechen, denn das wäre ein unbefugter Eingriff in dessen Bereich; 2.) führe ich noch einen biologisch-psychologischen Grund für Micherlangelo ins Feld: Gall und andere haben nachgewiesen, daß die Hörner und Geweihe mit den Fortpflanzungsorganen und deren Funktioen korrespondieren (Fortnahme der Geweihe oder Hörner führte zur Impotenz). Der Künstler wollte durch diese Attribute, wie auch durch die auffällige Formenfülle der Haare, die geistige Zeugungskraft (die Genialität) versinnbildlichen. Viele Helden der Bibel wurden durch Tiergestalten symbolisiert. Der geistige Urheber der Lehre, daß ähnliche Physiognomie von Tieren und Menschen auf ähnliche Charaktereigenschaften deuten, ist Aristoteles*) , dessen Lehren durch einen anderen Renaissance-Künstler und Physiognomen, Della Porta, bildliche Illustrationen erhalten haben**). Diese Gedankengänge waren zweifellos Michelangelo geläufig. Auch war der größte Bildhauer der Renaissance ein viel zu selbständiger und eigengesetzlicher Denker, um unüberlegt nachzuahmen, was andere Künstler vor ihm taten, wie z.B. Sluter beim Mosesbrunnen zu Dijon. Zudem gewöhnt man sich leicht an die Hörner. Sie wirken garnicht störend, sondern als selbstverständlicher Bestandteil der Mosesgestalt.

*) "Physiognomika", neu herausgegeben 1929.
**) "Die Physiognomie des Menschen", neu herausgegeben 1930.

Die Mimik des Gesichtes deutet auf eine strenge Gesinnung und den bereits erwähnten diktatorischen Geist. Die gesamte Gesichts- und Unterstirnmuskulatur ist gespannt (cholerisches Temperament). Die Kopfhaltung ist aufrecht (realistische Gedankentätigkeit) und etwas gehoben, wie es bei impulsiven Naturen der Fall ist. Zwischen den Augenbrauen haben sich senkrechte Falten gebildet (Gedanken- und Willenskonzentration). Die Augenbrauen sind seitlich ein wenig in die Höhe gezogen (Aufmerksamkeitsmimik). Der Augapfel ist scharf, streng, fest, bestimmt, forschend hervorgedrängt ("juristischer oder Adlerblick"). Unterstützt wird diese Beobachtungstätigkeit durch den etwas gehobenen Kopf. Der Mund ist fest geschlossen (Willensentschlossenheit). Die Unterlippe ist gespannt (Mut). Daneben hat aber die ganze Mundregion auch etwas vom "prüfenden Zug". Die Mundwinkel sind ganz wenig nach unten gezogen (bitterer Zug); die Augenregion ist leicht verdunkelt und die Haare an der Oberstirn sind gespannt (Unwillen). Die Gesamtmimik ist so zu deuten, wie sie schon viele Erklärer gedeutet haben, daß Moses unwillig, drohend und angriffslustig etwas scharf beobachtet. Man denkt dabei an das um das goldene Kalb tanzende Volk Isarael.

Michelangelo hat die beste plastische Darstellung des Haupthelden des alten und Thorwaldsen die des neuen Testaments geschaffen.

In seiner Naturellehre beschreibt Huter u.a. das "okkulte, diktatorische, böse Naturell". Colleoni ist ein solcher Typus. Er war ein Condottieri. Dies ist ein Söldnerführer des mittelalterlichen Italiens, der mit eigenem Heer gegen Sold und Beute sich heute in den Dienst dieser, morgen jener Partei stellte. Zeitgenossen des Colleoni behaupten, dieser habe anders ausgesehen wie Verrocchio ihn in seinem berühmtesten Werk schilderte. Dem Künstler war es fraglos nicht um die Schöpfung eines naturgetreuen Bildnisses zu tun. Vielmehr wollte er mit unverhüllter Offenheit und Objektivität den Geist jener für seine Zeit charakteristischen Erscheinung symbolisieren. Man könnte wohl sagen, daß in dieser Physiognomie das gerade Gegenteil des Geistes der christlichen Ethik, der in dieser Zeitperiode unübertroffen verherrlicht wurde, dargestellt ist. So läßt denn der Künstler Colleoni mit einer Physiognomie rücksichtsloser Willenstyrannei, wo alles feinere Mitgefühl einem diktatorischen, egoistischen Machtwillen gewichen ist, auf seinem Schlachtroß thronen.

Nr. 5. Verrocchio: Kopf des Colleoni. Florenz

Der ganze Körper, das Gesicht und der Schädel sind lang und markant gebaut (Bewegungs- und Tat-Naturell). Die Schultern sind von gewaltiger Breite (große Tatkraft, starkes Männlichkeitsgefühl). Die große, harte Nase (Herrschsucht); der wuchtige Unterkieferbogen (Durchsetzung auf jeden Fall); das vorgestreckte mächtige Kinn (Brutalität, unbeugsamer, harter Wille, Egoismus); die breiten Jochbeine (große Eigengesetzlichkeitskraft, drängt alles beiseite, was seinen Interessen im Wege steht) und die markante Unterstirn (riesige Willenskonzentration und hervorragende Beobachtungsgabe der sichtbaren Welt) sind wie von Stahl oder Granit (angeboren starker physiologischer Magnetismus, daher große suggestive, hypnotische Fähigkeiten). Das Hautgewebe ist fest, lederartig und dunkel (hartmediomisch: grobes Gefühlsleben, Egoismus). Es sind keine feingeistigen physiognomischen Elemente, sondern nur grobe Massen und Flächen vorhanden (Gefühlsrohheit). Am Seitenhals, wo sich nach Huter das Empfindungsvermögen des Rückenmarks spiegelt, sind grobe massige Falten (Gefühlsrohheit). Die lange Nase in Verbindung mit den Stirnecken in der Region des Ordnungssinnes deuten auf Organisationstalent.

Die Haltung des Kopfes, sowie des ganzen Körpers, ist stark gespannt und etwas nach hinten gebogen (hohe Spannung des physiologischen Magnetismus: große Willensenergie). Die Armhaltung mit den spitzen Ellenbogen, die auf unserem Bilde allerdings nicht mit abgebildet ist, geht stark in die Breite (Rücksichtslosigkeit). Auch die Gesichts- und Unterstirnmuskulatur ist stark gespannt (cholerisches Temperament). Das breite Kinn und die harte Unterlippe sind vorgeschoben (brutaler Angriff). Die Oberlippe ist hart und die Mundwinkel sind herabgezogen (Ausschaltung des Wohlwollens). In den unteren Wangen, wo im Huterschen Kanon "Reservekräfte und -stoffe" verzeichnet sind, haben sich tiefe Falten gebildet, dieses und die eingefallenen Schläfen verraten übermäßigen Verbrauch von Lebensreservekräften. Die Nasenspitze und die Nasenflügel sind nach unten gezogen (Habsucht), und die wie bohrend aus den Augenhöhlen herausdrängenden Augen, wirken in ihrer riesigen Spannung unheimlich finster ("hypnotischer Blick", Blick der Willenslähmung). Die Augäpfel sind zudem stark nach unten und etwas konzentrisch nach innen gerichtet, was in Verbindung mit den harten Falten zwischen den Augenbrauen (Willenskonzentration), den harten Gesichtszügen und dem vorgeschobenen Unterkiefer einen erbarmungslosen, ausbeuterischen Geist kund tut. Mit seiner suggestiven Kraft zwingt solche ein Mensch andere, sogar oft viele Menschen zugleich, unter die Botmäßigkeit seines Willens und macht sie zu willfährigen Werkzeugen seiner egoistischen Absichten, die er furchtlos und unbeirrt zu verwirklichen sucht. Stand bei Moses das Beeinflussungsvermögen im Dienst des Guten, so beim Colleoni im Dienst des Bösen und des Egoismus.

Die wenig differenzierten, hart wirkenden Flächen des fast schmucklosen Panzers unterstreichen noch das nüchterne, egoistische, harte, kalte Seelenleben des Trägers. Im mittleren und unteren Teil des Hinterkopfes, wo die motorischen Triebe im Kleinhirn lokalisiert sind, ist der Helm breit und wuchtig. In der Oberstirnregion dagegen, wo das ethische Bewußtsein lokalisiert ist, ist er flach und scharfkantig. An der Seite, über den Ohren (Sitz der Angriffs-, Widersetzlichkeits- und Gewaltsinne) ist er hart-breit geformt. Diese Physiognomie des Helmes, vom phrenologischen Gesichtspunkt aus beurteilt, zeigt ebenfalls den körperkräftigen und lieblosen, gewalttätigen Menschen.

Das Verrocchio sonst nirgendwo in seinen Schöpfungen eine solche bewundernswerte Objektivität der Charakter-darstellung gezeigt hat, die aber seinen großen Schüler Leonarde da Vinci auszeichnete, so ist die Annahme, letzerer habe beim Colleoni die Hand mit am Werke gehabt, wohl berechtigt.

Nr. 6. Michelangelo: Kopf des Jesaias. Rom

Der Typus des Jesaias Michelangelos ist der des "Sensiblen-Naturells". Dieses erklärt Huter  als das mystische und unterscheidet es vom Genialen Naturell dadurch, daß es nicht intellektuell selbstschöpferisch, sondern nur wiedergebend sei im Halb-, Tief- oder Hochschlaf oder auch im wachen Zustande (Medialer Typus). Es habe ein hochsensibles Nervensystem. Ich erinnere daran, daß die Sensibilität nicht reine Passivität ist, sondern in einem äußerst feinen Reaktionsvermögen der Nerven besteht. Während der Trancezustände ist der innere Grundsinn alles Erkennens, der "Hellsinn", in dem nach Huter die bekannten äußeren fünf Sinne wurzeln, tätig. Psycho-physiologisch gesprochen ist es die Tätigkeit der negativen Helioda. Die Mimik vorliegenden Bildes zeigt Trance im Wachzustande. Der Dargestellte nimmt besonders feine Schwingungen des Weltäthers hellhörend wahr, wodurch ihm neue Erkenntnisse irgendwoher vermittelt werden. Die Nasenflügel, der leicht geöffnete Mund (Mimik des Hörens) und das herüberhängende obere Augenlid, die Oberlippe, überhaupt die ganze Kopfhaltung, zeigen Spannung, die Augäpfel jedoch keine. Sie verraten eine auf das innere Nervensystem des Körpers gerichtete Aufmerksamkeit. Die Augenbrauen sind energisch zusammen und seitlich hochgezogen (aufmerksame Konzentration). Der Nasen-Wangen-Zug ist zart abgeflacht. Auch die Haare haben eine typischen Formencharakter. Sie sind büschelartig und in leichter Spannung wie Antennen. Man könnte dieses Bild auch als Symbolisierung der Inspiration bezeichnen.

Aeußerlich hat der Künstler diesen Zustand durch einen Engel, der dem Propheten etwas ins Ohr flüstert, gekennzeichnet. Dasselbe Motiv ist auch gut zu studieren beim Rembrandts "Evangelist Matthäus“ (Louvre), "Vision Daniels" (Berlin) und auf dem bekannten Selbstbildnis Böcklins mit dem Tod. Die Künstler deuten hier auf ungewöhnliche Quellen ihres Schaffens, indem bei ihnen außer der genialen Veranlagung auch zugleich hohe Sensibilität vorhanden ist (starke positive und negative Helioda). Ueber die Bedeutung der Mimik des Jesaias haben sich viele Forscher vergeblich bemüht. Soweit ich mich in der Michelangelo-Literatur orientiert habe, ist nirgendwo  eine ähnliche Erklärung zu finden, wie auf Grund der Psycho-Physiognomik zu geben ist.. (s. auch A. Kupfer: "Grundlagen der Menschenkenntnis", I. Bd.)

Trance im Schlafzustand ist vorzüglich dargestellt in dem bisher als "Medusa Ludovisi" (Rom), bezeichneten antiken Kopf; dann von D. G. Rossetti in der "Beata Beatrix" (London), und von Rodin in seiner "Jeanne d`Arc" (Kopenhagen).

Mit Kunstwerken, die okkulte, seelische Zustände darstellen, wußten die Forscher bisher wenig anzufangen. Dies scheint mir ein Beweis zu sein, daß man noch stark in der materialistischen Weltanschauung befangen ist, und darum feinere Naturvorgänge (den Okkultismus) ignoriert.

Nr. 7. Michelangelo: Kopf Gott Vaters. Rom

Wie sich fast alle alten Kulturvölker ihren Obergott im "Harmonie-Naturell" vorstellten, so wählte auch Michelangelo für seine Gottvater diesen Typus.

Lernten wir auf dem vorigen Bilde vornehmlich die Mimik, die durch die negative Helioda bedingt ist, kennen, so können wir auf diesem den Ausdruck der positiven und zwar bei angestrengtester, konzentrierter, schöpferischer Denktätigkeit, gut studieren. Die Augäpfel sind nach oben gerichtet ("denkender und weiser Blick"). Der Mund ist etwas zugespitzt ("prüfender Zug" und Konzentration). Der Nasen-Wangen-Zug tritt plastisch hervor. Nach der Nasenwurzel zu sind die Augenbrauen zusammengezogen, so dass sich aufrechte Falten gebildet haben (Willens- und Gedankenkonzentration). Die Stirn ist plastisch gerundet und gespannt, ebenso der Nasenrücken, die Wangenknochen und die Haare. Die quellenden Formen des Hautgewebes (starke Lebenskraftstrahlung) in Verbindung mit der starken Spannung derselben (Wirksamkeit des physiologischen Magnetismus) sind charakteristisch für das Nachdenken. Tiefernstes, angestrengtes, schöpferisches Denken ist wohl kaum irgendwo besser dargestellt, als es hier geschehen ist.

Nr. 8. Leonardo da Vinci: Christus-Studie. Mailand

L. d. Vinci, als Maler wie als Zeichner gleich groß, mit zarter Hand und reichem Schönheitssinn begabt, hat meisterhaft tiefste seelische Erregungen ohne Pathos geschildert. Als echter Tragödie hat er höchste Freude und tiefsten Schmerz mit gleicher Inbrunst darzustellen verstanden.

In dieser Studie führt Leonardo seelischen Schmerz vor Augen, der schon der Ohnmacht nahe ist. Die Mittelhirnregion des Dulders wirkt fast wie leblos. Dies wird besonders deutlich, wenn alle anderen Gesichtsteile um sie verdeckt werden. Der Kopf ist etwas nach der Seite gesunken. Der Unterkiefer und die oberen Augenlider hängen ein wenig herunter (herabgesetzte Spannung des physiologischen Magnetismus, daher geschwächte Willenskraft). Die Augenbrauen sind in der Mitte hochgezogen (nervöser Kopfschmerz). Die bei diesem Vorgang entstehenden wagerechten Falten in der Mitte der Stirn sind vom Künstler aus vornehmer Zurückhaltung fortgelassen. Die weit und sanft herunterhängenden oberen Augenlider unserer Christusstudie spiegeln Wohlwollen und Sanft-mut neben herabgesetzter Lebenskraftstrahlung. Ueberzeugender als in dieser Studie ist der überlieferte Schmerzensausspruch Jesu: "Meine Seele ist betrübt bis in den Tod", wohl sonst nicht mimisch veranschaulicht worden in der ganzen christlichen Kunst.

Der Typus dieser Studie ist weniger ideal. Ja, man möchte bezweifeln, ob ein Mensch mit solch groben Formen (der Nase, Stirn, Kinn usw.) überhaupt in der Lage wäre, so tiefen Schmerz zu empfinden. Der Christus im ausgeführten Gemälde ist auch durch ganz andere, schönere Formen charakterisiert. Bei ihm ist übrigens nicht nur seelischer Schmerz, wie in der Studie, sondern damit vereint eine Reflexion (Nachdenklichkeit) vorhanden. Dessen Mimik ist so zu deuten, daß er voll tiefen Schmerzes sein eigenes Wollen als machtlos empfindet gegenüber der moralischen Verblödung des Judas und der verbrecherischen Menschen überhaupt. Auf diesen seelischen Zustand deutet auch die Gebärde seiner Hände. Hat wohl der große Menschenkenner Leonardo da Vinci sagen wollen, daß die edle Lehre Jesu ohne Einfluß geblieben ist und bleiben wird auf das "Verbrecher-Naturell"?


Nr. 9. Leonardo da Vinci: Studienkopf. Florenz.

Der Typus des vorliegenden Kopfes ist der des geborenen Edelmenschen und Geistesaristokraten (Ideales Naturell; gute Proportionen und feines Hautgewebe). Das Vorderhirn ist sehr groß. Das Untergesicht, wo die Art des Trieblebens physiognomisch zu erkennen ist, tritt zurück. Es ist ein großer Gesichtswinkel (nach Camper) vorhanden (hohe Intelligenz). Das verhältnismäßig kraftvolle, aber fein gerundete Kinn und der schöne Mund, überhaupt das ganze Profil, deuten auf viel Schönheitssinn, guten Geschmack und edles Triebleben. Die Haare in ihrem Formenreichtum geben Kunde von einem reichen Gemütsleben.

Der Gesichtsausdruck ist voller Süße. Aus ihm spricht zartestes Feinempfinden und große Lebensfreude mit edler Sinnlichkeit vereint. Der graziös nach vorn geneigte Kopf (Tätigkeit der Sinne des Wohlwollens, Beglückungsdranges, der Demut und der Verehrungstriebe im oberen Vorderkopf) und die großen, hängenden oberen Augenlider, die sich weit und sanft über den ganzen Augapfel leben ("ethischer Blick"), sowie der Ausdruck der ganzen Mittelhirnregion deuten auf Sanftmut, Milde, Demut, Güte, tiefes Schamgefühl und Bescheidenheit.


Nr. 10. Rubens: Studien zu einem Satyr. Paris.

Durch die Faune und Satyre wurden in der antiken Kunst- und Naturreligion elementare Naturkräfte und niedere seelische Triebe personifiziert. Bis in die Neuzeit hat die Symbolisierung dieser Idee das Interesse großer Künstler gefunden.

Rubens hat in dem breiten und massigen Kopf vorliegender Studie mit der kurzen, fleischigen Nase, der dicken plastischen Nasenspitze, dem breiten und niedrigen Gehirnschädelteil den Typus der "Ernährungs-Naturells" benutzt. Die Physiognomie der Haare sowie die Hörner deuten auf starke sexuelle Impulse, die in Verbindung mit der allseitigen "materiellen Belastung" (gedunsene, wulstige Formen) ein entartetes Geschlechtsempfinden verraten (Perversität).

Die Mimik hat einen vierfachen Ausdruck. Erstens ist es Freude, die sich zeigt (süßer Gesichtsausdruck). Diese ist zweitens gepaart mit diabolischen, boshaften Gefühlen (schlangenartige Formen der Augen und Mundregionen, Augenbrauen und Stirnfalten). Außerdem sind drittens die Merkmale der Willens- und Gedankenkonzentration vorhanden (senkrechte Falten zwischen den Augenbrauen; seitlich hochgezogene Brauen; "beobachtender Blick"). Viertens zeigen die nackten, wenig differenzierten, tier-ähnlichen Augen den Ausdruck des Aufloderns niederer Leidenschaften. Sie scheinen zu glühen vor Lüsternheit. Die Unterlippe ist wulstig vorgeschoben (Gier).



Nr. 11. K. Kollwitz: Arbeiterfrau.

K. Kollwitz, eine Meisterin realistischer Kunst, hat in diesem Bilde die physische und geistige Erschöpfung, mit anderen Worten Lebensmüdigkeit, wiedergegeben. Das matte, magere Hautgewebe und das ausdruckslose Haar sind Zeichen schwacher Heliodastrahlung. Die medizinische Diagnose dürfte zur Erklärung des Bildes daher zuerst heranzuziehen sein. Sie lautet vor allem: schwach vererbte Lebenskraft. Solche Menschen sind lebensunfähig gegenüber unhygienischen Einflüssen und erreichen nur ein mäßig hohes Alter. Aus demselben Grunde ist Disposition vorhanden für das Heer ansteckender Krankheiten. Die Ursachen sind in ungünstigen Lebensverhältnissen, wie Unterernährung, körperliche Ueberanstrengung, zu wenig Schlaf, und schlechten Wohnverhältnissen der Vorfahren zu suchen.

Der Körper ist in sich zusammengesunken (schwacher Lebensmagnetismus, daher wenig Willensenergie). Der wie ein schweres Gewicht nach vorn hängende Kopf, die schwache Spannung und mäßige Heliodastrahlung mit den in die Höhlen zurückgesunkenen Augäpfeln sind Zeichen großer Ermüdung und Erschöpfung. Die eingefallenen hohlen Formen in der Region der Lunge und des Darms (s. Kanon) sind die Folgen erschöpfter Reservekräfte, -stoffe und säfte. Der Gesichtsaussdruck erinnert an einen Totenkopf. Der Typus dieser Studie ist der des "Unentwickelten Naturells".



Nr. 12. Kopf eines Buddha.

In den Schöpfungen, in welchen meditierende indische Buddhas dargestellt sind, spiegelt sich die Geisteshaltung der Buddhisten: Tragen des Leides ohne Wehr (Willenspassivität), Mitleid, Innerlichkeitskultur, tatenlose Selbstbeschaulichkeit und Duldsamkeit. Dieser Kopf hat die Physiognomie des "Harmonie-Naturells" mit vorwiegend entwickeltem Empfindungs- und Ernährungssystem, während die chinesischen Buddhas im Ernährungsnaturell liegen. Die sitzende Lage verrät Willenspassivität (gebrochene magnetische Richtachse). Welch große Tatenfreudigkeit und Kampfeslust kündet dagegen die griechische Plastik! Die weiche Muskulatur des ruhigen Gesichts deutet auf das Vorherrschen des phlegmatischen Temperaments und damit auf innere Ruhe. Die fast geschlossenen Augen zeigen, da der Blick nach innen gerichtet ist, Abneigung gegen die Beobachtung der äußeren Erscheinungswelt: man verspricht sich für die Seinserkenntnis durch Naturforschung nichts, aber alles durch "Innenschau" dadurch, daß man sich "in sich versenkt". Das große, schöne, hängende obere Augenlid deutet auf Harmonie der Gedanken, Barmherzigkeit und Menschenliebe. "Sie forschen und fühlen mit den feinsten Sinnen in ihnen nach dem letzten und heiligsten Geheimnis der Welt". Anstelle der senkrechten Stirnfalten zwischen den Augenbrauen wird oft schematisch eine Verdickung angebracht (Gedankenkonzentration). Die eigentümliche Kopfbedeckung, mit dem besonders erhöhten mittleren Oberkopf, betont die dort lokalisierten Geistesorgane der Verehrung und Andacht.

Der Zweck dieser Buddha-Bildnisse ist, zum "Insichversenken" (Kontemplation) und zur Abwendung von der Welt, zu derjenigen Geisteshaltung anzuregen, die in der Mimik dieser Kunstwerke zum Ausdruck kommt.



Nr. 13. Bernini: Kopf des David. Rom.

Michelangelo hat das David-Motiv gemäßigter und beherrschter behandelt als Bernini. Damit ist er den Forschungen und Lehren großer Kunstforscher (Lessing, Winckelmann, Huter) gerechter geworden als sein Schüler, der eine viel zu heftige Bewegung im Verhältnis zur Schwere und Ruhe des verwendeten Materials (weißer Mamor) gegeben hat. Berninis Schöpfung aber als Kunstwerk abzulehnen, wäre ungerecht, denn es atmet Leben. Es nimmt den Rang eines realistischen Kunstwerkes ein.

Michelangelo hat David unmittelbar vor der Tat, sein Schüler ihn während derselben dargestellt. Dieses Fortschreiten in der Handlung ist auch mimisch mit großer Virtuosität und Realistik wiedergegeben. Die Mimik ist erstens die großer körperlicher Anstrengung und zweitens die der Gewalttat. Das Hautgewebe spannt sich straff über die Knochen. Die Formen gehen sehr in die Breite (Zerstörungswille). Meisterhaft hat der Künstler es verstanden, die Oberfläche so zu bearbeiten, daß der Ausdruck sehr dunkel und finster wirkt (schwache Helioda-Strahlung). Die Modellierung der feingeistigen Physiognomie, die durch die Tätigkeit der Helioda hervorgebracht wird, ist geraden, groben und harten Flächen gewichen; vom physiognomischen Standpunkt aus ganz dem Motiv gemäß: der Lebensmagnetismus und die Lebenselektrizität sind in den Vordergrund der Wirksamkeit, die Helioda in den Hintergrund getreten. Die Einzelheiten dieses Bildes näher zu untersuchen, ist sehr belehrend.

Die Augenbrauen sind energisch nach der Nasenwurzel zusammengezogen (Willenskonzentration). Die beschatteten Augen sollen finstere Gedankentätigkeit symbolisieren. Die Augen sind zusammengepreßt (Zerstörungswillen). Die Oberlippe ist hart herausgebogen (Rücksichtslosigkeit, Brutalität). Die Unterlippe ist sehr eingezogen (starke, körperliche Anstrengung). Die Mundwinkel sind scharf und spitz, und der Munschluß würde im Leben kein Lippenrot zeigen (abnorme Gefühlskälte). Der Unterkieferbogen ist kantig und hart, und die Winkel des Unterkieferastes treten seitlich stark heraus (Brutalität). Das Kinn ist breit, hart, eckig und vorgeschoben (Gewalttat). Selbst die Nasenflügel sind stark in der Richtung der Breite gebläht. Der Nasen-Wangen-Zug ist leicht eingefallen, dunkel und kalt (Ausschaltung des Wohlwollens). Das Haar ist ebenfalls in harter Spannung. Ueber den Ohren steht es ab und in die Oberstirn hängt ein harter Haarzost in der Form von Raubtierkrallen (Rauflocke: Gewalttat). Ueber den Augenbrauen haben sich viele aufrechte Stirnfalten gebildet (Gewalttat). Sturm und Gewitter, Blitzen und Krachen, die Wilheit hat der Künstler hier gewissermaßen personifiziert.



Nr. 14. Michelangelo: Studie zur Sündflut. Florenz.

In dieser Studie hat Michelangelo das Bild furchtbarer Angst, die schon dem Wahnsinn nahe ist, festgehalten. Wenn das Bild so abgedeckt wird, daß nur die Mittelhirnregion mit den Augen und dem geöffneten Mund zu sehen ist, so erscheint sie unheimlich finster, verzerrt, und Entsetzen erregend. Die Helioda ist aus dem Gesicht gewichen (gestörte Kraftrichtungsordnung). Der Unterkiefer hängt herab, so daß der Mund weit geöffnet ist, er zeigt dabei aber doch, wie auch die anderen Gesichtszüge, gleichzeitig Spannung (gelähmter Wille). Man glaubt, ihn herzzerreißend schreien zu hören. Die Haare sind gesträubt und stehen zu Berge (stark erregtes, tief aufgewühltes Gemütsleben). Der seitlich gewendete Kopf mit dem beobachtenden Blick, die senkrechten Falten zwischen den Augenbrauen (Konzentrationsfalten) zeigen an, daß der Grund der Erregung eine furchtbare Gefahr ist, die ihn erstarren macht. Die Augen haben den Ausdruck des "unsteten Blickes", der den Beginn geistiger Verwirrung anzeigt.

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
ENDE KUNST



Erstellt 1998. Update 24. April 2007
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben. Kunst-Physiognomik. Peter Lips                     Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm
 
Das Abendmahl