Menschenkenntnis Lehrbrief V. - Part 18
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

Zeisings Proportionslehre, der goldene Schnitt

Im Jahre 1854 gab Professor Dr. A. Zeising bei Rudolf Weigel in Leipzig ein Buch heraus unter dem Titel: „Neue Lehre von den Proportionen des menschlichen Körpers aus einem bisher unerkannt gebliebenen, die ganze Natur und Kunst durchdringenden morphologischen Grundgesetze.“ Dieses Buch erschien zwei Jahre später, als Carl Gustav Carus sein berühmtes und bestes Werk „Symbolik der menschlichen Gestalt“ herausgegeben hatte.

Tafel XV    Illustrationen aus Carus´Symbolik der menschlichen Gestalt

Tafel XV. Studien aus Carus` Symbolik der menschlichen Gestalt


Tafel XV. Studien aus Carus` Symbolik der menschlichen Gestalt


Tafel XV. Studien aus Carus` Symbolik der menschlichen Gestalt

        

        
Tafel XV. Studien aus Carus` Symbolik der menschlichen Gestalt

Vier Jahre früher war die erste Ausgabe „Phrenologische Reisebilder“ von Dr. Scheve erschienen. Diese drei Arbeiten sind sich außerordentlich ergänzend, da sie von drei ganz verschiedenen Grundlagen ausgehen, leider haben die zwei späteren Herausgeber, Carus und Zeising, viel zu wenig die Arbeit Scheves berücksichtigt. Auch hat Scheve in seinen späteren Auflagen die Arbeiten von Carus und Zeising nicht berücksichtigt. Durch diese moralischen Fehler hat eine umfassende Wissenschaft der Psycho-Physiognomik sich nicht früher entwickeln können, weil alle, statt sich zu ergänzen, mit ihren Stückwerken sich voneinander trennten.

Aber eins ist sicher, das Grundgesetz, welches Zeising fand, „der goldene Schnitt“, ist eine der hervorragendsten Entdeckungen in bezug auf die Formen – und Erscheinungswelt, weil dadurch ein mathematisches Seins- und Form-Prinzip der Dinge wissenschaftlich nachgewiesen ist.

Ein Prinzip, das in den Kristallen, Pflanzen, Tieren und am Vollendetsten im Menschen wiederkehrt. Zeising fand also ein noch anderes originales Messungsresultat wie Carus, dessen Grundnorm die wunderbare Eigenschaft hat, daß sie bei höchster Relativität die höchste Absolutheit in sich birgt. Man kann sagen, es ist hierdurch der mathematische Schlüssel zu allen Formen gefunden worden.

Ich möchte aber betonen, daß Zeising damit noch nicht das innere Wesen des goldenen Schnittes ergründet hat. Hierüber werde ich später, wenn hier der Platz mangeln sollte, eine besondere Arbeit veröffentlichen*).

*) Der Schlüssel zum goldenen Schnitt, das heißt die Aufdeckung des letzten Geheimnisses, ist nur durch Carl Huters Weltformel möglich.


Zeisings Proportionsgesetz vom goldenen Schnitt in der Formenentwicklung der Natur der Pflanzen, Tiere und der menschlichen Körperanlage sowie in der Bildne- und Baukunst


Tafel XVI. Zeisigs Proportionsgesetz vom goldenen Schnitt



Tafel XVI. Zeisigs Proportionsgesetz vom goldenen Schnitt


Tafel XVI. Zeisigs Proportionsgesetz vom goldenen Schnitt
Rechtsseitig unten menschliches Ei und erste Fötusform, darüber ein Generalmaßstab für den goldenen Schnitt.

Es haben die höchst begabtesten Menschen dieses Formengesetz im Gefühl bewahrt und doch unbeweisbar stets gehabt, und sie haben nur allein dadurch höhere Schöpfungen vollbringen können, wie Phydias, Raffael, ja, wie selbst die Dichter Homer, Shakespeare, die Komponisten Mozart, Beethoven, die Mathematiker Newton, Kepler usw. Schon Plato kam in seinen philosophischen Betrachtungen auf dieses allen Dingen innewohnende Maßgesetz.

Es lautet: „Wenn von drei wie auch immer beschaffenen Zahlen, Maßen oder Kräften die mittlere sich zur letzten verhält wie die erste zu ihr (also zu mittleren), und umgekehrt wieder die mittlere zu ersten und letzten wird, die letzte und erste aber beide zur mittleren werden, alle so der Notwendigkeit gemäß dasselbe werden, dasselbe aber geworden, alle untereinander eins sein werden.“

Plato erkannte auch, daß alle Verschiedenheiten, Gegensätze oder Polaritäten nicht in der geringsten Anzahl zwei zusammengefügt werden können ohne durch ein drittes. Er sagt im „Timäos“: „Zwei Dinge allein, aber ohne ein drittes zusammenzufügen, ist unmöglich; denn in der Mitte muß ein beide verknüpfendes Band sein. Der Bänder schönstes ist aber das, welches sich und das Verbundene so viel als möglich zu Einem macht. Dies aber auf das Schönste zu bewirken, ist Proportion.

Der goldene Schnitt ist, kurz gesagt, das Gesetz, das zu jeder angenommenen oder vorhandenen Größe ein zweite kleinere oder eine dritte größere Größe sich in einem bestimmten proportionalen, d.h. harmonischen Verhältnis zueinander gestalten. Alles gesunde Leben, Streben und Formen in der Natur neigt nach diesem Weltformprinzip, es ist, als sei dieses überhaupt das Formbildende und Wollende in den Dingen.

Auf die menschliche Gestalt angewendet, würde die Fußlänge zur Beinlänge und diese zur ganzen Körperlänge in einem bestimmten proportionalen Verhältnisse stehen. Dieses hat Zeising durch den goldenen Schnitt nachgewiesen.

Ich möchte nun noch erwähnen, daß die Natur bei aller inneren Arbeit an dem Ausbau der Harmonie doch stets individuelle Unterschiede bei jedem Individuum macht, also Abweichungen frei zuläßt. Demnach ist in der Natur außer dem Welteinheitsgesetz für jedes Individuum noch ein besonderes, für sich begünstigtes Individualgesetz schaffend, das jedoch nie ganz ohne das innere Schönheitsband des Alls lebensfähig ist. Es geht zugrunde, je stärker es von der Allharmonie abweicht oder abweichen will.

Ich komme auf das Wesen der Individualität und das der Universalität näher im Schlußabschnitt zurück und werde daselbst den goldenen Schnitt noch weiter vorführen.

Ich will hier in zwei Tafeln einige Abbildungen aus Zeisings Originalwerk folgen lassen, um gleich dem geschätzten Leser ein anschauliches Bild vom goldenen Schnitt zu geben.

Der Anthropologe Prof. Johannes Ranke sagt: „Die von Schadow, Carus und Zeising gegebenen Proportionen des Menschenkörpers, durch die wir einen so tiefen Eindruck von der Harmonie der menschlichen Formbildung erhalten, sind nicht vollkommen mit den Messungsresultaten zu vergleichen, welche von seiten anthropologischer Forscher gewonnen wurden. Das Auge des Künstlers sucht die doch bis zu einem gewissen Grade flüssigen, zum Teil von der Gestaltung der Weichteile bedingten Formumrisse des lebenden Körpers festzuhalten, zunächst ganz ohne Rücksicht auf das darunterliegende Skelett. Aber gerade das Skelett ist es, von welchem innerhalb der Wellenzüge der wechselnden Konturen der anatomische Anthropologe die „Festpunkte“ zu nehmen bestrebt ist. Freilich gelingt die Reduktion der lebenden Körperform auf die Gliederung des Skeletts vielfach auch dem geschulten Anthropologen nur innerhalb gewisser schwankender Grenzen, so daß auch er, wie der Künstler, die unbestimmten Grenzlinien der äußeren Weichteile für die Messungen des menschlichen Körpers keineswegs entbehren kann, während umgekehrt der Künstler, der nur die Außenlinien zu messen denkt, fast das Skelett mitmißt, welches ja die Hauptgliederung des Körpers bedingt. So nähern sich trotzdem die künstlerische und die anatomische Messung einander und werden innerhalb einer gewissen Breite notwendiger Differenzen miteinander vergleichbar.“

Ich möchte hierzu dreierlei bemerken, einmal, daß sich die künstlerischen und die anatomisch wissenschaftlichen anthropologischen Meßmethoden unbedingt ergänzen müssen. Zweitens ersieht man aus Rankes wohlab-gewogenen Urteilen, daß die auftretenden Abweichungen selbst von den vollkommensten Proportionsgesetzen von Schadow, Carus und Zeising von der Natur gewollte sind, um jeder Individualität, so, wie ich es vorhin erklärt habe, einen gewissen freiheitlichen Spielraum, eine bestimmte Originalität zu verleihen. Das wenigstens lese ich aus diesen Naturtatsachen heraus. Dabei wird das magische Weltharmoniegesetz, das im kleinen im goldenen Schnitt und am Vollendetsten in meiner Weltformellehre zum Ausdruck kommt, keineswegs aufgehoben, sondern es bleibt als leitende Richtschnur in Natur und Kunst immerdar wie ein göttliches Seinsgesetz bestehen. Schließlich hat, im Grunde genommen, der Künstler, der das Ganze, also auch die Weichteile mitmißt, doch den Vorzug vor dem wissenschaftlichen Forscher, daß er viel wahrer die Natur erfaßt, denn die Weichteile sind unbedingt mitwertig bei jeder Form und dürfen nicht vernachlässigt werden*).

*) Wie ich später noch nachweise, muß man sogar über die Weichteile hinaus noch die magnetischen Spannungslinien messen.

Ich möchte hier einen Vergleich vorführen, wie die bisherige wissenschaftliche Anthropometrie bei den genau-esten Messungen nach Zahlen und prozentualen Werten so, wie sie uns der amerikanische Anthropologe B. A. Gould in seinen Forschungen zur militärischen und anthropologischen Statistik während des nordameri-kanischen Sezessionskrieges von 10.876 weißen Soldaten in musterhafter Weise hinterlassen hat, den rein künst-lerischen Maßeinheiten von Schadow Carus in wunderbarer Weise nahe kommt.

Johannes Ranke stellte diese Vergleichung auf und wählte statt Zoll eine Einheit gleich der Zollänge.

Johannes Ranke
                                                                                                Schadow             Gould               Carus
                                                                        Einheiten         Prozent              Prozent            Prozent
Senkrechte Kopfhöhe = 3 x 3                 =            9                    13                        -                     -
Körpergröße 7 1/2 Kopfhöhen               =         67,5                 100                     100                100
Scheitel zum Rumpfende                        =         37,5                  55                       54                   54
Rumpflänge                                             =         25                     37                       39                   39
Schulterbreite                                          =         18                     26                       24                   24
Entfernung der Brustwarzen                  =            9                     13                       12                   13
Hängender Arm mit Hand                       =          30                     44                       43                   43
Oberarm                                                   =         14                     20                       20                   20
Vorderarm mit Hand                                =         16                     23                       23                   23
Freies Bein                                               =         30                     44                       46                   46
Unterschenkel zur Kniescheibe               =         18                     26                       28                   27
Knie zum Rumpfende (Oberschenkel)    =         12                     18                       18                   19
Hand                                                         =           7                     10                         -                    10
Fuß                                                            =         10                     15                       15                   15


(Hinzugefügt)

Hierzu möchte ich weiter bemerken, daß der Unterschied der Formverhältnisse unter den Geschlechtern auf-fallend naturgewollt ist, und daß sogar am gleichen Geschlecht, so wie dieses Schema angibt, die Differenzen ebenfalls weit stärker auftreten, und anatomisch und physiologisch naturbedingte sind, wie ich in meiner Naturellehre in dem siebenten und achten Abschnitte nachweisen werde.


Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1995. Update 24. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
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