Menschenkenntnis Lehrbrief V. - Part 17
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

Wie fand man nun die Proportionen oder Schönheitsverhältnisse?

Der Belgier Quételet hat nachgewiesen, daß die antike klassische Plastik aus der Beobachtung zahlreicher schön gewachsener Individuen bestimmte Einheitsmaße fand, welche als Proportions- oder Schönheits-gesetze angenommen wurden. Quételet hat, von dieser Ansicht ausgehend, auf mathematisch-physikalischem Wege einen ähnlichen Versuch unternommen, indem er die Körperhöhe gleich 1000 setzte und alle Körperformenverhältnisse zu diesem Tausend in einem bestimmten Maßverhältnisse auflöste.

Lambert Adolphe Jacques Quetelet (1796-1874)
(Hinzugefügt)
Born: 22 february 1796 in Ghent, Belgium
Died: 17 february 1874 in Brussels, Belgium
1819: he received his first doctorate on the theory of conic sections
1823: he went to Paris to study astronomy
1828: he founded the Royal Observatory at Brussels
1833: he worked on statistical, geophysical and meteorological data
1835: he wrote ‘sur l’homme et le développement de ses facultés, essai d’une physique sociale.’
1853: he organised the first international statistics conference
1869: his book was republished

Biografie
* Quetelet was born in Ghent on February the 22th. Right before his birth, on October the first, the Belgian provinces which had been submitted to the authorities of Austria since 1713, were now joined to the French Republic and that didn’t change until 1814.The years of education of Quetelet harmonize with the period of the French influence and in his work we can find the reflection of this influence.
* Quetelet lost his father at the age of 7 years. That is why he was forced to earn his money by himself. After his secondary studies he took a job as a professor of maths in Ghent. At that time, Quetelet came in touch with arts like painting, music and literature. This also explains his interest for the measures of taille and weight of men and also for the literary production.
* In 1819 Quetelet received his first doctorate in Ghent for a dissertation on the theory of conic sections. After having received this doctorate, he taught mathematics in Brussels.
* Then, in 1823; he went to Paris to study astronomy at the observatory there. He learnt astronomy from Araga an Bouvard, and the theory of probability under Joseph Fourier and Pierre Laplace. Influenced by Laplace and Fourier, Quetelet was the first to use the normal curve other than as an error law. His studies of the numerical consistency of crimes stimulated wide discussions of free will versus social determinism.
* Then he lectured at the Brussels atheneum, military college and museum.
* In 1828 he founded and directed the Royal Academy.
* For the Dutch, and later the Belgian government he collected and analysed statistics on crime, mortality and other subjects and devised improvements in census taking. His work produced great controversy among social scientists of the 19th century.
* The first publications of Quetelets social sciences were published in 1831. Quetelet also developed methods for simultaneous observations of astronomical, meteorological, and geophysical phenomena from scattered points throughout Europe.
* At an observatory in Brussels which he had established in 1833 at the request of the Belgian government, he worked on statistical, geophysical and meteorological data and he studied meteor showers. Quetelet established methods for the comparison and evaluation of the data.
* Under the influence of Garnier, professor of maths, at the university of Ghent, Quetelet decided to occupy himself with mathematics from now on.
* When Quetelet was 35 years old, he discovered a new curve. Immediately he was called to Brussels to occupy himself with the study of the elementary mathematics of Athene.
* A few months later, he was elected to be a member of the Royal Academy of Science and Literature of Brussels. When Quetelet arrived in Brussels, his activities followed each other at a higher speed. He founded the "Correspondance mathématique et physique", and directed it together with Garnier from 1825 till 1827, and then continued alone until 1839. In "Sur l’homme et le développement de ses facultés, essai d’une physique sociale."(1835) Quetelet presented his conception of the average man as the central value about which measurements of a human trait are grouped according to the normal curve. This book was republished in 1869 as "Physique sociale.". The internationally used measure of obesity is the Quetelet index. This is:
QI = (weight in kilograms)/(height in metres)2
If QI > 30, then a person is officially obese.
* Also nice to know: there is a Crater Quetelet on the moon!
* To end with, we can say that Quetelet played a very importante role in the international scene. He coordinated the collection and the treatment of the statistical data. (Text hinzugefügt)
Solche Untersuchungen bei vielen schönen Persönlichkeiten führten ihn zur Berechnung der mittleren Maße, woraus er vermeintlich das Schönheitsideal! der Belgier festsetzte. Meiner Ansicht nach fand Quételet dadurch aber nur die reale Schönheit, die man mit Gesundheit oder als wirkliche Norm bezeichnen kann, nicht aber das ideal Schöne. Dieses ist bei der klassischen Plastik noch auf anderem Wege gefunden worden, eine Methode, die ich später erklären werden. Die höchste Schönheit fanden aber*) auch selbst die Griechen nicht, jedoch fanden sie das möglichst ideal Schöne bis zu ihrer Ideenbegrenztheit, sie kamen dadurch der Gottheit am nächsten.

*) Sie kamen daher zur höchsten Religion, ihrer Zeit durch höchstmögliche Schönheit ihrer Zeit, die nur durch Innerlichkeit vom Christentum übertroffen worden ist. Ob es aber noch eine höhere Schönheit und Religion gibt, als die klassischen Künstler und christlichen Ethiker schafften, die Frage ist nur für den zu beantworten, der fühlt, daß man das frank und frei bejahen darf. Ich werde den Weg dazu in den Schlußkapiteln zeigen.

Um sich eine Vorstellung davon zu machen, wie die zeitliche Norm niemals als das Ideal der Schönheit, sondern nur als das Ideal der zeitlich bedingten Gesundheit des Typus einer Gattung ist, muß man einen Blick auf die Entwicklungsgeschichte werfen. Zur Zeit, als die höchsten Primaten Halbaffen waren, konnte aus tausend Messungen an Halbaffen der gesund-schöne Halbaffentypus gefunden werden, niemals aber war damit auch zugleich das Ideal der Schönheit gefunden. Dieses nächste Ideal der Schönheit fühlte der Halbaffe im Menschenaffen und er strebte dahin, es zu werden. Als der Menschenaffe oder das halb Tier- halb Menschgebilde erreicht war, strebte dieses Wesen instinktiv zur Entwicklung eines höheren Ideals, zu dem Wildmenschen, dieser erarbeitete sich in seinem Idealismus zu dem Zivilmenschen empor, und aus diesem ging der altgriechische Kulturmensch hervor, der noch höhere Schönheiten als erstrebenswerte Ideale als Götter ahnte, dichtete, bildlich schaffte und sich dann selber darnach bildete. Leben, Idealismus, Wissenschaft, Kunst, Dichtung und Religion arbeiten somit bei allen Weisen stets harmonisch zusammen. Manche Anthropologen sind daher weit hinter dem idealschaffenden Künstler zurück, wenn sie aus einer gegenwärtig lebenden Rasse den Durchschnittstypus heraus messen und diesen als Schönheitsideal aufstellen wollen. Dieses ist nach Huters Kallisophie nur die zeitliche gesund-schöne Norm einer Gattung, nicht aber das Schönheitsideal, das stets werdend ist. Dieses werdende Ideale kann sich nur auf den Grundlagen der idealen Kunstvorbilder entwickeln.

Affe - Wildmensch - Zivilmensch - Kulturmensch
(Hinzugefügt)

Interessant ist es, zu wissen, daß bei den griechischen Statuen der Kopf kleiner und die Beckenbreite eine ge-ringere ist, dagegen ist die Brust breiter und der Rumpf kürzer, die Arme und besonders die Beine sind länger, als dies alles das von Quételet gefundene belgische Körperideal zeigt.

Die alten Griechen legten jeder Darstellung des menschlichen Körpers gewisse Maße nach einer gewissen Regel, die man Kanon nannte, zugrunde.

Im perikleischen Zeitalter war als berühmtester Kanon der von Polykleitos von Sikyon gefundene maßgebend. 

Die Methode, welche Quételet eingeschlagen hat, um aus dem mittleren Maße das Körperideal eines Volkes oder einer Rasse zu finden, möchte ich unbedingt befürworten. Man käme dadurch zu einer Gesundheitsnorm und –lehre einer Rasse, von der aus alle starken Abweichungen als Krankheiten oder Degenerationen der gleichen Rasse aufzufassen seien.

Ein Gesundheitsamt ohne Besitz solcher wissenschaftlichen Methode zur Umgrenzung des Gesundheitsbildes hat nicht hinreichende Orientierungsmittel, um zur Feststellung von Gesundheit und Krankheit berechtigt zu sein, denn es fehlt ihm ja der Wertmesser oder das Gesundheitsmaß. Das real Schöne ist das Gesunde.

Aus diesem Grunde habe ich die kallisophische Gesundheits-, Lebens- und Heillehre auf diese einzig richtige Anschauung vom Gesunden-Schönen aufgebaut und sie als Maßstab angenommen. Nur hierauf läßt sich die vollkommenste Heilwissenschaft und die wahre Heilmethode der Zukunft entwickeln.

Ich möchte hier gleich betonen, daß jede Rasse ein besonderes Durchschnitts- oder Gesundheitsmaß hat, und daraus betonen, daß jede Rasse ebenso wie für jedes Naturell eine besondere Gesundheitslehre und Heilmethode schaffen.

Wir kommen durch die Psycho-Physiognomik zur einzig richtigen, zur kallisophischen Heilmethode**)

**) In der ersten Auflage der Schrift „Carl Huter, Die neueste Heilwissenschaft 1898“ ist der erste Versuch in diesem Sinne gemacht worden. Da das Werk vergriffen ist, wird in einer Neufauflage 1907 diese Heilmethode, weiter ausgebaut, der Öffentlichkeit übergeben werden.

Anmerkung Timm: Hier vollständig als Digitalausgabe in Rubrik „Heilwissen“.

Aus allen gefundenen Rassenmaßen oder Schönheitsgrundmaßen ließe sich dann eine allgemeine Mensch-Gesundheits-, Krankheits- und Heillehre entwickeln. Der Professor der Anthropologie Johannes Ranke in München schreibt in bezug auf diese Idee*): „Erst aus der Verschmelzung aller Rassenideale zu einer mittleren Einheit würden wir das Idealbild der gesamten Menschheit erhalten.  Es ist das ein Problem, von dessen genauer Lösung wir noch außerordentlich weit entfernt sind. Ist doch auch das Ideal der europäischen Menschenform, wenn wir darunter die wahre Mittelform der Bevölkerung Europas verstehen, in naturwissenschaftlichem Sinne noch keineswegs gefunden. Hierzu würden Tausende von genauen, ganz ins einzelne gehenden Messungen an Angehörigen der verschiedenen europäischen, Nationen und Stämme erforderlich sein, die noch nirgends vorliegen.“ Ich meine die europäischen mit staatlichen Mitteln versehenen Gesundheitsämter sollten nichts Eiligeres tun, als sich diese Gesundheits- und Schönheitsmaße**) zu verschaffen. Was sich nun die Wissenschaft mühsam handwerksmäßig zusammensuchen muß, hat die göttliche Kunst längst gefunden. 

*) Der Mensch, Bd.I, Seite 6. 1894.
**) Mit Schönheitsmaße ist nicht die Masse als Substanz, sondern das räumliche Maß gemeint. Nach der neuen Orthographie ist kein Unterschied in der Schreibweise beider grundverschiedener Begriffe gemacht, was meiner Ansicht nach, da zu Mißverständnissen führend, ein Mangel, ja ein Fehler der neuen Orthographie ist.

Raffael, der König der Maler, lag im genialen und idealen Naturell
Grundlagen der Menschenkenntnis Bd.1. Amandus Kupfer 1919. (Hinzugefügt)

Raffael hat selbst gesagt, daß die höchsten Vertreter der Kunst den Zirkel, also auch die Maße für Gesundheit und Schönheit im Auge haben. Die Künstler haben längst die ideale Körperform zur Darstellung gebracht. Um die Auffindung eines neuen Kanons für den mitteleuropäischen Schönheitsbegriff haben sich besonders die deutschen Bildhauer Schadow und Rietschel und die natur- und kunstwissenschaftlichen deutschen Gelehrten Carus und Zeising große Verdienste erworben. Auch der amerikanische Naturforscher B. A. Gould hat sich um diese Sache verdient gemacht.

Schadow hat in seinem Werke, das unter dem Titel „Polyklet“ erschienen ist, die Maße an einer wohlgewachsenen männlichen Gestalt in einem harmonischen Verhältnisse gezeigt. Der Fuß als Maßeinheit ist die Fußlänge eines großen ausgewachsenen Mannes. Der Zoll ist die Länge des Vordergliedes des Daumes. Die Elle ist die Länge des Vorderarmes vom Ellbogen bis zur Handwurzel. Doppelt genommen hat man die Armlänge. Die Palme ist die größte Spannweite der Finger. Die Klafter ist die größte Spannweite der Arme. Die Haarbreite ist die Breite eines Haares. 

Nach Vitruv ist die Kopfhöhe achtmal in der ganzen Körperhöhe enthalten, die Fußlänge hingegen nur sechsmal. Nach Vitruv ist die Gesichtslänge vom Kinne bis zur Grenze des Haarwuchses bei allen heroischen Gestalten des Altertums angenommen.


B. Gesundheits- und Schönheitslehre der Künstler, Anthropologen und Kunstforscher Schadows Proportions-lehre***)

Schadow nimmt den Zoll als Grundmaß an, und zwar dreimal drei Zoll, also 3 x 3 = 9 Zoll. Dieses Grundmaß fand er in Kopf, Rumpf und Gliedern der menschlichen Gestalt als Maßeinheit heraus. Die Hand spreizt 9 Zoll (Palme). Die Kopfhöhe vom Scheitel bis zum Kinn ist eine Palme = 9 Zoll, die Entfernung vom Kinnrand bis zur Herzgrube, also da, wo die beiden Brustwarzen mit einer Linie wagerecht verbunden werden, sind wieder 9 Zoll, von hier bis zum Nabel = 9 Zoll, vom Nabel bis zur Rumpfgrenze, die an der Rückseite des Körpers durch das unterste Ende der Sitzmuskeln markiert wird, = 9 Zoll, die seitliche Dicke des Brustkorbes = 9 Zoll, die Entfernung der Schulterbreite von der einen zur anderen äußersten Schultergrenze sind zweimal 9 Zoll, die Dicke von der Mitte der Wölbung des Sitzmuskels bis zum vorderen Rand des Oberschenkels = 9 Zoll. Die Gesamtkörperhöhe beträgt nach Schadow 66 Zoll = 7 1/2 Kopfhöhen oder Palmen. Die Klafterweite beider seitlich ausgestreckten Arme ist gleich der ganzen Körperlänge. Der rheinländische Fuß ist jedoch nur bei ganz außerordentlich großen Personen 12 Zoll, bei den mittelgroßen Männern nur 10 oder 10 1/2 Zoll lang.

***) Johann Gottfried Schadow, Bildhauer, geboren am 20. Mai 1764 in Berlin, Direktor der Kunstakademie daselbst, gestorben am 25. Januar 1850. Neuauflage des „Polyklett“ 1892.

Man sieht hieran, daß diese Maße nicht absolute, sondern relative sind, daß aber überhaupt im Menschen selbst ein gewisses, nur mit geringen Abweichungen gefundenes Grundmaß vorhanden ist. Das ist für den Künstler, wie auch für den Menschenforscher ein höchst wichtiger Fund, denn das bildet nicht nur eine Grundlage für die Heilwissenschaft, sondern auch, wie wir in dem nächsten Abschnitte noch sehen werden, das Verständigungmittel für die Verbrechertypenlehre.

Die Kopfhöhe teilt Schadow in zwei ungleiche Teile, in den oberen kleineren, von der Horizontallinie der oberen Augenhöhlen beginnend, bis zum Gipfel des Scheitels, diesen nennt er mit der Stirn Schädel, und den unteren längeren, von derselben Grenzlinie bis zum Kinn reichend, nennt er Gesicht.

Das Gesicht mißt 5, der obere Kopfabschnitt 4 Zoll = zusammen sind das 9 Zoll. Schadow teilt das Gesicht durch Parallellinien in sechs Teile, deren erste, die Grund- oder Hauptlinie, das Gesicht vom Schädel trennt, so wie ich es vorhin angegeben habe. Der zweite Teilstrich durchstreicht die Augenwinkel, der vierte berührt den unteren Rand der Nasenflügel, der fünfte durchzieht den Mundschlitz und der sechste begrenzt den Kinnrand. Die Nase mißt in der Breite 1 1/2, der Mund 1 3/4, das Auge 1 Zoll. Der Zwischenraum der beiden inneren Augenwinkel ist der Nasenbreite gleich. 

Tafel XII   Die Körperverhältnisse (Proportion) eines mittelgroßen deutschen Mannes nach Schadow
Tafel XIII  Die Körperverhältnisse (Proportion) eines mittelgroßen deutschen Weibes nach Schadow
                    
Tafel XII. Die Körperverhältnisse eines Mannes nach Schadow
Tafel XIII. Dieselben eines Weibes

Die Entfernung von dem einen äußeren Augenwinkel bis zum anderen beträgt 3 1/3 Zoll. Die größte Länge der Beine von der Standfläche bis zur Sitzfuge ist gleich der größten Länge der hängenden Arme von der Schultergrenze bis zu den Fingerspitzen = 3 x 10 = 30 Zoll. In beistehenden Tafeln ist in je zwei Figuren die Körperproportion nach Schadows Kanon für Mann und Weib gegeben.


Carus´ Proportionslehre

Ganz anders als Schadow hat Carl Gustav Carus*) einen Kanon gefunden, er nimmt als Grundmaß die Länge der Teile, die aus den wahren unverwachsenen Wirbeln der Wirbelsäule bestehen, an. Carus erscheint die Wirbelsäule als Urmaß des gesamten Skelettes und Körpers.

*) Geheimer Medizinalsrat, Hofarzt Professor Dr. med. Carl Gustav Carus, Symbolik der menschlichen Gestalt. Dresden 1852.


Tafel XIV. Carus-Rietschel, Idealfigur und Modul

Er teilt ihre Länge in drei gleiche Teile, von denen jeder das nach ihm gefundene Urmaß enthält. Dieses Grundmaß, also den dritten Teil der Länge des Rückgrates eines Erwachsenen, fand er in der Gesamtlänge des Rückgrates eines gesunden Neugeborenen wieder und nennt es ein Modulus = 1 M.

Die Körperverhältnisse (Proportion) nach dem von Carus entdeckten Modul, auf eine von Bildhauer ge-schaffene geschlechtslose Idealfigur angewendet

Tafel XIV. Carus-Rietschel, Idealfigur und Modul

Der Freund Carus´, einer unserer größten deutschen Bildhauer, Rietschel, hat nach diesem Carusschen Maßsystem eine Figur hergestellt, welche schöne proportionelle, vorbildliche Formen zeigt und als Modellstatue noch heute in den Bildhauer- und Malterateliers beliebt ist. Schadow nahm sein Grundmaß vom Manne, Rietschels Figur ist geschlechtslos gedacht, da sie dem Mittelmaße, das zwischen Mann und Weib liegt, entsprechen soll. Rietschels Figur kommt den Idealfiguren der Antike näher als Schadows Grundgestalt. So sehr ich Schadows Arbeit schätze, möchte ich doch dem von Carus entdeckten und von Rietschel realisierten Kanon den Vorzug geben. Immerhin fehlt dem Carus-Rietschelschen Kanon ein höchst wichtiges entscheidendes Merkmal, nämlich die Geschlechtsdifferenz.

Es muß also der Idealkörper des Mannes und der Idealkörper des Weibes noch gefunden werden, erst dann hätten wir den Idealmenschen als wissenschaftliche Tatsache vor uns. Diese Arbeit habe ich auf Grund kallisophischer Berechnungen vollzogen, und sie wird in einem Spezialwerk mit allen Studien später veröffentlicht werden.

Vergleicht man nun die Maßverhältnisse von Schadow und von Carus- Rietschel, so sind nur geringe Unterschiede zu verzeichnen, und das Ganze hat viel wesentlich Übereinstimmendes. Hieraus kann man den Schluß ziehen, daß, mag man ein Grundmaß aus einem möglichst vollendet schönen Körper wählen, welches man will, ob Kopf, Fuß, Arm, Daumenglied oder Wirbelsäule, es läuft alles so ziemlich auf ein und dasselbe hinaus, nämlich, daß in jedem Einzelteile der Schlüssel zum Ganzen liegt. Das aber ist gerade das Wesen der Harmonie und Schönheit, daß alle Einzelteile im Ganzen und das Ganze in allen Einzelteilen sich in einem bestimmten Verhältnis spiegeln, oder das Große kehrt im Kleinen, das Kleine im Großen wieder*).

*) Bekanntlich haben schon die ägyptischen Künstler nach einem bestimmten Kanon gearbeitet, indem sie den ganzen Körper in 21 1/4 Teile gliederten. Man hat herausgefunden, daß die alten Kunstwerke in drei verschiedene Perioden zu trennen sind, in denen nach drei verschiedenen Kanons gearbeitet wurde. Der älteste aufgefundene Kanon stammt nach Carus aus einer Grabkammer der Pyramidenfelder bei Memphis, welche in die vierte bis sechste Dynastie Manetho gehören (3000 Jahre v. Chr.). Dieser teilt die Höhe der Figur genau in 6 Fußlängen, jedoch so, daß die Scheitelwölbung noch über die sechste Abteilung hinausragt. Der zweite Kanon stammt aus der Blütezeit des pharaonischen Reichs; nach diesem wird die Fußlänge in drei gleiche Teile geteilt. Aus jedem solchem Dritteil bildete man Quadrate, in deren Gesamtzahl die Figur eingeschlossen ist, und zwar derart, daß 18 Quadrate die Höhe der Gestalt bis zu den Augenbrauen abgrenzen. Also auch hier ist dem Künstler über Stirn und Scheitel freier Spielraum gelassen. Der dritte Kanon rührt aus der Ptolemäerzeit her. Nach diesem Maß wird die Gestalt mit Ausschluß der Scheitelwölbung, also mit Einschluß der Stirn, in 7 Fußlängen geteilt. Demnach gegen 21 Quadrate, welche je ein Drittel des Fußes betragen, die Gestalthöhe (Scheitel ausschließend) an. Das wäre also mit dem Scheitel 7 1/4 bis 7 1/2 Fußlängen. Man nimmt an, daß Polyklet eine ähnliche Einteilung gehabt hat. Lepsius meint, dieser letzte Kanon sei eine Entartung des altägyptischen, was ich entschieden bestreite, denn gerade nach diesem sind die langgezogenen Idealgestalten geschaffen, die den Eindruck des Erhabenen machen.

Man wird nun leicht erkennen, daß Schönheit und Vollkommenheit in sich selbst ein Gesetz verkörpern, das das Ganze wie alle Einzelteile gewissermaßen als Seins- oder Wesensprinzip aus sich selbst heraus frei gewählt haben. Ist nun nicht auch im Weltall solches Schönheitsprinzip waltend? Wenn das so ist, nun, dann ist es der neu gefundene Gott, den jeder Materialist genau so wie der Spritist anerkennen muß, es ist der Gott, den die Kallisophie, die Philosophie dieser Lehre, gefunden hat: Das Weltschöpfungsprinzip des sinnlich Idealen und ethisch Heiligen.

Nach diesen Betrachtungen lasse ich die Maßtabelle von Carus folgen. Nach ihm beträgt die Gesamthöhe der ganzen Gestalt 9 1/2 M. (Modulus), das sind 171 cm, da 1 M gleich ungefähr 18 cm ist.

I . Kopfmaße:
Die Höhe des Kopfes ohne Unterkiefer 1 M
Der Längsdurchmesser des Schädels 1 M
Der Bogen der Unterkieferäste 1 M
II. Rumpfmaße:
Das freie Rückgrat, d. i. der Stamm vom Atlas bis zum Anfange des Kreuzbeines 3 M
Jede halbe Schulterbreite längs des Schlüsselbeines 1 M
Länge des Brustbeines 1 M
Vom Brustbeinende bis zum Nabel 1 M
Vom Nabel bis unter den Schambogen 1 M
Schulterblattlänge 1 M
Am Becken:
Länge vom Sitzknochen bis zum Darmbeinkamm 1 M
Von der Schamfuge bis zum Darmbeinkamm 1 M
Beckenbreite von einem vorderen unteren Darbeinstachel zum andern 1 M
III. Glieder- oder Extermitätenmaße:
Des Armes 3 M
Des Oberarmes 1  2/3 M
Des Unterarmes 1  1/3 M
Der Hand 1 M
Des Beines 5 M
Des Oberschenkelbeines 2,5 M
Des Schienenbeines bis Fußrücken 2 M
Des freien vorstehenden Fußrückens 1 M
Der Fußsohle des ganzen Fußes 1 M

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1995. Update 12. April 2007
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
Hauptwerk - Lehrbrief 5 (von 5)
 
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