Menschenkenntnis Lehrbrief V. - Part 29
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

An einem Beispiel möchte ich das erklären, so wie ich in meiner frühesten Jugend beobachtet hatte, daß disharmonische Naturelle auf Bewegungsnaturen unangenehm einwirken und diese wiederum zu unangenehmen Stimmungen kommen und die disharmonischen abstoßen, wodurch die stärksten, eigentlich gar nicht gewollten Differenzen entstehen, so klärt sich psychologisch die gegenseitig ganz natürliche Unmöglichkeit eines Zusammenarbeitens zwischen Kaiser Wilhelm II. und Bismack. Der Kaiser, im ausgesprochenen Bewegungstypus mit regem Empfindungsleben, fühlte sich von der oft zu Kälte (Ernährungstypus) und zur Disharmonie geneigten Natur Bismarcks durchaus nicht angezogen. Bismarck kam aber schon durch die einfache Gegenwart des Kaisers ohne sein Wollen, also ganz durch sein Naturell, in gereizte Stimmung. Zu dieser Stimmung war etwa nicht das cholerische Temperament die Ursache, sondern sie war die Folge der inneren Naturellanlage, die mit dem Naturell seines neuen Herrn nicht harmonierte.

Anmerkung Timm: Vergleiche hierzu auch entsprechende Artikel in der großformatigen Zeitung „Der gute Menschenkenner“, Hrsg. Amandus Kupfer in der Zeit von 1932 bis 1941 mit entsprechendem Bildmaterial. Hier demnächst in Rubrik „Menschenkenner“.

Ein Zusammenarbeiten des Kaisers mit Bismarck war daher unmöglich; daher blieb für Wilhelm II. nur der einzig richtige Weg schneller Entlassung übrig, um diesem unerquicklichen Zustande ein Ende zu machen. Im hervorragenden Maße fühlt sich der hohe Herr durch Fürst Bülows Gegenwart angenehm berührt, da der jetzige Kanzler im Ernährungs- und Empfindungsnaturell liegt, mit starkem Anklang an das harmonische. Im gleichen Grade, wie dort Disharmonie war, ist hier Harmonie. Aus dieser Harmonie entwickelte sich das segensreichste Zusammenarbeiten des dritten Hohenzollernkaisers mit dem vierten Reichskanzler für das Reichswohl.

Ich möchte daher durch meine Naturellehre gern zu dem inneren wohlwollenden Verständnis des Konfliktes zwischen dem dritten Kaiser und dem ersten Kanzler, der seinerzeit viel von sich reden machte, beitragen und die irrige Meinung beseitigen, als habe Wilhelm II. Bismarck unrecht getan, oder Bismarck sei absichtlich übelwollend gewesen. Es hat auf beiden Seiten nicht an gutem Willen gefehlt, aber diese beiden Naturen stießen sich sozusagen scharf ab, durch diejenigen zufälligen Naturellanlagen, die naturgemäß stets disharmonieren. Das herzliche Einvernehmen, das zwischen Bismarck und Wilhelm I. herrschte, war auch nicht zwischen Bismarck und den zweiten Kaiser, Friedrich III., möglich, da auch Kaiser Friedrich III. mehr im Bewegungs-, als im harmonischen Naturell lag. Auffallend ist es nun, dass beide Männer, Bismarck und Wilhelm II., die sich beide gegenseitig wie zwei Pole abstießen, zu Kaiser Wilhelm I. sich ungemein sympathisch angezogen fühlten, weshalb das Volk glaubt, daß bei Wilhelm II. anscheinend nicht die gleichstarke Liebe zu seinem Vater ausgeprägt war, als zu seinen Großvater; das erklärt sich vielleicht aus der Tatsache, daß sich Vater und Sohn in ihrem Naturell zu nahe verwandt waren. Alles zu Nahe und alles zu Ferne stößt sich entweder ab, oder aber es zieht sich nicht sehr stark an. Genau so, wie es bei der Harmonie der Töne ist, die Terz und die Quint harmonieren gut im Verein mit dem Grundton. Also 1 3 5 7 (8=1). Es klingen Ton 1 und 2 und 3 und 4 und 6 weniger gut harmonisch.

Ich nehme das harmonische Naturell als den vollsten Grundton einer lebenden Persönlichkeit an und bezeichne es mit der Farbe Weiß; in ihr sind, wie alle Farben im Weiß, alle Naturelle gut in einer Individualität harmonisch vereinigt.

Es stehen dann das Ernährungsnaturell im Blau, das Bewegungsnaturell im Rot und das Empfindungsnaturell im Gelb. Das disharmonische Naturell bezeichne ich mit Schwarz, als dasjenige, in dem alle Farben disharmonisch vereinigt sind, in dem alle Farben aufgesogen werden. Die übrigen Farben Gelb, Rot, Blau saugen nur gewisse Lichtstrahlen auf. Weiß hingegen strahlt auf alles lichtgebend zurück.

Man kann das harmonische und das disharmonische Naturell auch als polare Naturelle, wie Weiß und Schwarz als die polaren Farben bezeichnen. Die drei anderen Naturelle muß man als primäre kennzeichnen. Nun gibt es bekanntlich auch Sekundärfarben. Es sind solche, die aus zwei primären gemischt sind. Genau so gibt es auch Menschen, in denen zwei primäre Grundnaturelle, zu einem sekundären verschmolzen, in einer Person auftreten. Eine Verschmelzung von Empfindungs- und Bewegungsleben, welches als ein vorherrschender Grundton in einem Menschen auftritt, gibt die heiße Orangefarbe. Ernährung und Bewegung zu einem vorherrschenden Lebenston vermischt, bildet das Violett, und Ernährung mit Empfindung Grün.

Zum besseren Verständnis möchte ich jedoch noch erklären, daß die harmonische, wie auch die disharmonische Natur gewöhnlich nicht völlig harmonisch oder disharmonisch sind, sondern stets in der Nähe der höchsten Harmonie oder niedrigsten Disharmonie liegen. Es würde eine annähernd vollendete Harmonie nur in einem Ideal-Genie oder Gottmensch, eine völlige nur in einem Gottwesen denkbar sein. Vollendete Disharmonie kann nur im total Bösen, das unter dem Begriff Teufel gefaßt wird, gedacht werden. Gott und Teufel sind daher die natürlichen mathematischen Endbegriffe in der Psychologie.

Es gibt nun ferner noch fünf Arten positiv neutrale Naturelle, sie decken sich mit dem Farbencharakter 1. des Hellgrau und 2. des Dunkelgrau im gleichen Farbton bei verschiedener Lichtstärke. Siehe magnetische Achse A B der Naturellharmonielehre. Sodann Kaltgrau und Warmgrau bei gleicher Lichtstärke mit verschiedenem Farbencharakter, und schließlich das absolut-neutrale Grau, das die magnetische und elektrische Achse durchschneidet. Weiter gibt es noch sechs negativ-neutrale Naturelle als: Grau mit 1. blauer, 2. roter , 3. gelber, 4. violetter, 5. grüner, 6. orangener Vorherrschaft. Außerdem gibt es noch eine Anzahl unbestimmt neutrale Naturelle, sie fallen unter alle erdenklichen unreinen graufarbigen Töne. Es sind unbestimmte Typen der elementaren Menschheit, sogenannte charakterlose, bedeutungslose Menschen, die als graue Masse den Hintergrund bilden, auf dem alle Farben so schön hervorleuchten. Ein Farbenton in Grau, der zu Weiß und zu Schwarz ebenso in der Mitte liegt als zu der kältesten Farbe, dem Blau, und zu der wärmsten, dem Orange, ist der absolute neutrale, der Harmonie und Disharmonie auflöst.

Auf beistehender Tafel möchte ich zum näheren Verständnis ein bildliches Schema zur Darstellung bringen, wobei ich die Farbenharmonielehre zum Zwecke der Erläuterung der Naturelltypenharmonielehre herangezogen habe. Ich fand nun sechs Arten Harmonien und sechs Arten Disharmonien, die jeweils durch gegenseitige Neutralität aufgehoben werden.

Hutersches Naturell-Schema
(Hinzugefügt)

Eine einfache Harmonie ist, wenn eine Zuneigung von A zu B stattfindet, die B nur negativ, also schwach erwidert. Eine sehr starke Harmonie ist, wenn A zu B positive Zuneigung hat, die von B zu A positiv erwidert wird. Eine schwache Harmonie ist, wenn A zu B Zuneigung hat, die B nur duldet, aber nicht erwidert, in diesem Falle verhält sich B neutral. Unter Neutralität verstehe ich isolierte Abgrenzung des A und des B und anderer Typen oder Elemente nebeneinander, ohne direkte Gegnerschaft. Es verhalten sich nun die drei primären Farben Gelb, Rot und Blau nebeneinander neutral harmonisch oder disharmonisch, je nachdem sie zueinander gestellt stehen. Rot zu Blau in gleicher Masse und Kraft stoßen sich gegenseitig stark ab, durch Gelb werden sie stark verbunden. Blau und Gelb verhalten sich zueinander neutral. Gelb und Rot ziehen sich schwach an. Unter einfacher Disharmonie verstehe ich, wenn A zu B abgeneigt ist, welche Abneigung B schwach erwidert.

Eine starke Disharmonie ist, wenn A auf B und B auf A abstoßend abgeneigt einwirken. Eine schwache Disharmonie ist, wenn A auf B abgeneigt wirkt, worauf B sich neutral verhält, also nicht reagiert.

Eine unreine Disharmonie ist, wenn A zu B stark hinneigt und B von A stark abneigt. Diese tragischste und furchtbarste aller Disharmonien entsteht beispielsweise durch die Liebezuwendung eines Menschen gegen einen anderen, der diesem stark übelwollend abgeneigt ist, und je liebevoller er hinneigt, desto stärker wird der andere Teil erbost. Eine absolute Harmonie ist, wenn A zu B und B zu A so stark hinneigt, daß mit der Dauer die Neigung beider sich verstärkt. Eine große Harmonie ist, wenn die Liebe des Wohlwollenden den Übelwollenden überwindet. Nach der Farbenharmonielehre kann jeder die Harmonie- und Disharmoniemöglichkeiten zwischen zwei Menschen im verschiedenen Naturell leicht zusammenstellen.


Die Naturell-, Körper- und Seelen-Harmonielehre nach Carl Huter
Zum näheren Verständnis vergleichsweise mit der Farbenharmonie dargestellt

Tafel XXI Die Naturell-, Körper- und Seelen-Harmonielehre nach Carl Huter
Nach diesem von Carl Huter entworfenen Schema hat derselbe seit Jahren alle möglichen harmonischen und disharmonischen, physischen und seelischen Beziehungen zwischen zwei, drei und mehr Menschen genau berechnet. Vom Verfasser im Jahre 1882 entworfen und hier zum ersten Male veröffentlicht

An einigen Beispielen sei dieses dargelegt. Weiß II, harmonisches Naturell, harmoniert mit Gelb B1, Empfindungsnaturell schwach, mit Orange B2, Empindungs- und Bewegungsnaturell nur in absoluter Beherrschung in Verbindung mit den vorhergehenden, sonst schlecht oder neutral. Zu Schwarz III, disharmonisches Naturell, harmoniert Weiß II, harmonisches Naturell, bei absoluter Beherrschung; zu Violett A3, schwach, zu Blau A2 teils gut, zu Grün A1 nicht gut, es steht dazu neutral oder stark abstoßend. Also steht das Harmonienaturell II = (Weiß) harmonisch zu B2 (Orange) Empfindungs- und Bewegungs-Naturell, sehr warm mit dem Gemüt. III (Schwarz) Disharmonisches Naturell, energisch mit dem Willen. A2 (Blau)  Ernährungsnaturell,  gut mit dem Verstand.

Im Drei-Zusammenklang harmoniert in großer Harmonie: 1. Weiß. Harmonisches Naturell. 2. Gelb.  Empfindungsnaturell. 3. Violett.  Ernährungs- und Bewegungsnaturell.

Wir sehen hieran, daß die Harmonie von zwei Individualitäten ganz andere Typen oder Naturelle bedingt als die Harmonie von drei Individualitäten.

Es würde zu weit führen, hier alle Harmonien und Disharmonien wörtlich anzuführen. Man kann sich selber leicht die Naturelle, welche harmonieren, zusammenstellen nach der Regel, daß, wie ein Zeiger der Uhr von rechts nach links sich dreht, irgendeine angenommene beliebige Farbe bezw. Ein beliebiges Naturell gewöhnlich zum dritten, fünften und siebenten in größerer oder geringerer Harmonie steht. In manchen Fällen ist, wie Weiß zu Gelb, auch schon vom ersten zum zweiten Farbenton eine leichte Harmonie da, bezw. möglich.

Zwischen manche Töne können noch die fünf neutralen zwecks Harmonieverstärkung hinzugefügt werden, wenn irgendein Ton von dem völlig neutralen gedeckt wird. Es wären demnach 2 polare, 3 primäre, 3 sekundäre, 8 teritäre, 4 bestimmt neutrale, insgesamt 20 Farbentöne auf unserer Tafel, dem ebenso viel Naturelle entsprechen. Je nach der Neigung der einen zu anderen Farbe entstehen noch die getönten Farbentypen, welche zahllos sein können, der Einfachheit wegen aber in zwei einmal eintönige gehalten werden müssen, um die Übersicht zu bewahren, hierbei wird der völlig neutrale Farbenton nicht berührt. Demnach kämen zu den 20 Farben bezw. Naturelltypen 2 X 20 = 40 geneigte hinzu, das sind 60, mit Einschluß des völlig neutralen Tons, dem Zentral-Grau, 61. Demnach haben wir 61 gut übersichtliche Farbentöne. Alle Menschen lassen sich in diese 61 Farben-Naturelltöne unterbringen.

An diesen Ausführungen wird man ersehen, daß das Naturell etwas Innermenschliches, Innerorganisches ist, das in allen Menschenrassen, ja selbst bei allen tierischen und pflanzlichen Lebewesen auftritt, und daß es der Wegweiser ist zum Verständnis der Individualität, also des Grundton eines Lebewesens. Das Naturell ist der Grundton eines Menschen, wodurch wir dessen Individualität besser verstehen lernen, und haben wir diese Grundtöne oder Typen begriffen, dann erst geht uns ein Licht auf, wie wir zur Seelenharmonie gelangen können.

Diese Seelenharmonielehre ist die Ethik der Huterschen Kallisophie, welche in Zukunft besonders bei der Gattenwahl berücksichtigt werden muß, welche aber auch überall beobachtet werden sollte, wo Menschen gesellschaftlich oder beruflich zusammenwirken wollen oder sollen.

Betrachten wir nun die Moral der Naturellehre, so sehen wir, daß es Menschen gibt, die absolut nicht miteinander harmonieren, die sich unter einem gewissen Typus sogar abstoßen, wodurch Abneigung und Haß entsteht.

Ist nun trotz aller Menschenliebe diese Abneigung nicht gänzlich zu überwinden, so muß in solchen Fällen eine Trennung stattfinden zum Wohle zweier Menschen, die nicht zusammenpassen, die sich aber ehelich oder beruflich oder sonst gesellschaftlich miteinander verbunden haben. Unsegen, Unheil, Tragik und Unglück ist die Folge da, wo nicht Trennung solch disharmonisch aufeinander wirkender Naturen eintritt. Es ist daher Barbarei, zwei Menschen aneinander zu ketten fürs ganze Leben und sie nicht trennen zu wollen, die sich durch ihre innere Natur gegenseitig abstoßen. Dieses Barbarentum beruht natürlich nicht auf bösem Willen, es wurzelt in der Unkenntnis über dieses tief innere Wesen der Naturelle, deren Gesetze man bisher nicht gekannt hat. Das geistige und körperliche Wesen der Naturelle wurzelt in den Kräften des Weltäthers.

Ich möchte nun auf dieses innere Wesen des Naturells selbst eingehen und will zuerst die drei primären Naturelle nach ihrer inneren Natur erklären. Wie ich schon früher darlegte, besteht der menschliche Körper aus verschiedenen Grundsystemen, ich habe in dem fünften Teile des vierten Lehrbriefes vier solcher Systeme angegeben: 1. das Ernährungs-, 2. das Bewegungs-, 3. das Empfindungs- und 4. das Geschlechtssystem.

Das Ernährungssystem verkörpert das Ernährungsprinzip oder den Ernährungswillen in den Eingeweideorganen, das Bewegungssystem in den Knochen und Muskelorganen, das Empfindungssystem das Empfindungsprinzip in den Nervenorganen des Körpers und das Geschlechtssystem den Willen zu geschlechtlicher Betätigung in den Geschlechtsorganen, wodurch Harmonie in sich und Harmonie außer sich, nämlich mit der geliebten Person des anderen Geschlechts, entsteht.



Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1995. Update 4. April 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
Hauptwerk - Lehrbrief 5 (von 5)
 
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