Menschenkenntnis Lehrbrief V. - Part 26
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

Von meinem Heimatsorte kam ich im siebenten Lebensjahre, nach dem Tode meines Vaters, von Mutter und Geschwistern fort zu einem entfernt wohnenden Onkel in eine ganz andere Gegend. Das Beste, was ich mitbekam, und das ich mir gewünscht hatte, waren ein Tuschkasten mit Farben, Zeichenmaterial, Bücher und Papier, um meine Menschentypen zeichnen und mit bunter Tusche malen zu können. Dieser Lieblingswunsch wurde mir von meinem Großmütterchen erfüllt. In der neuen Heimat setzte ich meine Beobachtungen auf neue fort. Mein hochbegabter Lehrer, den ich dort bekam, lag im Empfindungsnaturell, und zwischen mir und diesem entwickelte sich bald eine große gegenseitige Zuneigung, was für meine weitere geistige Entwicklung von der größten Bedeutung wurde. Der Ortsvorsteher in diesem Dorfe, stark im Bewegungsnaturell liegend, war mir das Ideal dieses Typus, dabei war er ein Mann von reichem Empfindungsleben, den ich sehr bald schätzen lernte, als dessen Sohn mein Jugendfreund wurde.

Dorf Heinde - heute Stadtteil von Bad Salzdetfurth
(Huterbüste. Kirche. Gedenkstein. Hinzugefügt)

In der Nachbarschaft meiner Pflegeeltern wohnte ein großer Bauer, dessen Tochter Ida, damals wohl etwa 18 Jahre alt, ganz im Empfindungsnaturell lag. Als 1870 der Krieg ausbrach, hat dieses edle Wesen mit größter Sorge alle Berichte aus Zeitungen und Zeitschriften gelesen und großen Anteil an allen Ereignissen genommen. Dasselbe konnte ich bei meinem vortrefflichen Lehrer beobachten. Frl. Ida St. sammelte fleißig für die Verwundeten Wundwerg, aus gutem Leinen gezupft, neben anderen nützlichen Sachen zusammen. Ihre große, edle, mitempfindende Seele war überall liebevoll und hilfsbereit. Auch mir brachte sie, als sie hörte, wie gern ich zeichnete und Köpfe malte, illustrierte Journale, um mir gute Bilder und Vorlagen zu ermöglichen, und bald verband uns eine geistige Freundschaft, nachdem ich die Gesichter und Köpfe an Bildern und lebenden Personen so richtig zu deuten verstand. Sie interessierte sich fast noch lebhafter für meine psychologische Gabe als mein Lehrer.

Erkenne den Typus des Führers
(Quelle: DgM Nr. 1. Hrsg. Amandus Kupfer. 1932. Hinzugefügt)

Meine immerwährende Neigung, die Gesichter und Köpfe und Bewegungen bei den einzelnen Schulkameraden, wie bei erwachsenen Personen zu beobachten, rief überall die besondere Aufmerksamkeit wach. Hierbei gewann ich die edlen Menschen im ganzen Dorfe als meine Gönner, viele waren es nicht, um so größer aber war die Freude für mich und sie, wenn ich zu ihnen eingeladen wurde. Menschen, die meinen Beobachtungen auswichen oder mich deswegen tadelten, hatten einen üblen Charakter. Unter meinen Schulkameraden berechnete ich aus ihrem Naturelltypus bald ihre Handlungen, und oft fragte mich der Lehrer, wenn er über einen Fall, der ihm dunkel lag, nicht klar werden konnte: „Carl, was sagst du dazu?“ Meine Antwort fiel meist so aus, daß die spätere Lichtung einer Tatsache mein Urteil bestätigte. Als ich bei wiederholten strafbaren Tollheiten einiger Dorfknaben meinem Lehrer Aufklärung gegeben hatte, wodurch er auf die abgeleugneten und verschleierten Spuren der Täter kam, wurde ich von diesen ebenso sehr gefürchtet als auch gehaßt, und ich hatte manchen Strauß mit diesen auszufechten. Bei tollen Streichen suchte ich zu ermahnen, vom Unsinnigen abzuhalten, aber die Masse ließ sich stets von den Tatknaben zu Tollheiten verleiten. Ich stand meist allein mit nur wenigen Freunden da, die sogar noch oftmals abfielen. Diese führte mich schließlich zur Abschließung von allen Knaben und zum eifrigsten einsamen Studien für mich selbst. Vom Lehrer begünstigt und gefördert, lernte ich schnell und eroberte die ersten Plätze. Der edle Mann gab mir aus Anteilnahme für meine psychologische Gabe vier Jahre kostenlosen Einzelunterricht. Ich lernte hier bei eingehender Völker- und Weltgeschichte auch die griechische Philosophie, Kultur- und Kunstgeschichte kennen, und als ich dann weiter meine Charakterstudien und meine Naturellehre auf die großen Persönlichkeiten, wie auch auf die der Geschichte übertrug, und wiederum aus der Geschichte meine Naturellehre und Charakterologie bestätigt fand, da beschloß ich, um dieses später bildlich darstellen zu können, zuerst ein Gymnasium zu besuchen und dann entweder Bildhauer oder Maler zu werden.

Dieses war in meinem elften und zwölften Lebensjahre, 1872 und 1873. Ich möchte daher von dieser Zeit an, wo ich durch vergleichende Geschichtsforschung meine Naturellehre abermals bestätigt fand, diese als wissenschaftlich nachgewiesen betrachten.

Meine kindliche naive Entdeckung über die Naturelltypen machte ich also im sechsten, meine erste wissenschaftliche, durch geschichtliche Vergleichung, im zwölften Lebensjahre. Wie ich zu diesen Vergleichungen kam, möchte ich hier weiter darlegen. Als ich im Jahre 1871 die Bilder von den großen Generalen und Heerführern in der deutschen und französischen Armee in verschiedenen illustrierten Zeitschriften und auf Bilderbogen wiederholt beobachtete, fand ich, daß sie alle mehr oder weniger im Bewegungsnaturell lagen, wenige lagen im Empfindungs- oder in einem noch anderen Naturell. Dahingegen lagen die Staatsmänner mehr im Ernährungs- oder harmonischen Naturell. Als ich bei Graf Moltke, dem großen deutschen Strategen, das ausgesprochene Bewegungsnaturell feststellte, bei dem Diplomaten Bismarck das Ernährungsnaturell, das zum Teil harmonisch, zum Teil disharmonisch im Gesichtstypus war, ging mir ein Licht auf über die Bedeutung des Naturells für den Charakter und das ganze Leben, Tun und Treiben eines Menschen. Im General Roon entdeckte ich die Empfindungsnatur mit Anklang an das Bewegungsleben und in König Wilhelm von Preußen, dem nachherigen Deutschen Kaiser, das harmonische Naturell.

Der General Roon war stets der beste Ratgeber seines Königs gewesen, hier fand ich wieder bestätigt, daß sich das Empfindungs- und das harmonische Naturell am stärksten anziehen und bei ihnen die meiste natürliche Übereinstimmung der Gedanken stattfindet. Diese beiden Naturelle sind gewissermaßen aufeinander angewiesen.


Weshalb wählte nun der König gerade Roon zu seinem nächsten Berater?

Diese Frage beantwortete ich mir dahin, weil er zu allen anderen, die im Bewegungs- oder einem anderen Naturell lagen, weniger Sympathie hatte, im Empfindungsnaturell lag aber kein einziger höherer Militär weiter als General Roon, daher wurde dieser der Vertraute des Königs. Roon hat aber auch durch seine psychologische Gabe, die das Empfindungsnaturell oft fast noch mehr als das harmonische Naturell auszeichnet, dem Könige die besten Männer ausgesucht und ihm geraten, diese in die leitenden Stellungen zu nehmen. Der König, vermöge seiner guten Menschenkenntnisgabe, folgte dem Rate Roons fast immer und aus-schließlich, und so hat König Wilhelm diesem besten und ihm nahestehendsten Manne fast alles zu verdanken. Zunächst, daß Moltke in die maßgebenden Stellungen berufen wurde, dann, daß Bismarck preußischer Gesandter und später Minister und Ministerpräsident wurde, schließlich, daß auch noch viele andere Talente in den rechten leitenden Platz im Heere und im Zivildienst kamen.

Mit diesem Militär- und Zivilstabe, die ausgesucht Tüchtigsten in seiner Nähe, hat König Wilhelm alle Erfolge errungen. Ohne Roon kein Bismarck und Moltke, ohne Moltke kein Sieg der deutschen Armee, ohne Bismarck keine Ausnützung dieses Sieges zu neuen deutschen Einheit und neuen Reichsmachtgestaltung.

Aber auch viele andere, die hier des Raumes wegen nicht aufgeführt werden können, standen als tüchtige mitwirkende Kräfte am rechten Platze. Ohne das Tat- und Bewegungsnaturell von Prinz Friedrich Karl und das harmonische, mit Tatkraft gepaarte Naturell des Kronprinzen Friedrich Wilhelm wäre wohl auch vieles nicht geworden*).

*) Sicher kein siegreiches Königgrätz.


Zukunftsstaat               Erkenne den Typus des Führers
(Quelle: DgM Nr. 12. Hrsg. Amandus Kupfer. 1933. Hinzugefügt)

Dieses führte mich zu der Überzeugung, daß alles Glück, alle großen Umwälzungen im Leben zu besseren Zuständen, nur in der Rangordnung der Geister beruht. Aller Erfolg der preußischen Armeen und des neuen Deutschen Reiches, sowie der Siege der verbündeten deutschen Armeen von 1870-71 wurzeln also ursächlich in einem Manne, der viel zu wenig gewürdigt ist, nämlich in dem, in dem die meiste Menschenkenntnis natürlich verkörpert war, und der die Rangordnung der Geister bei seinem Herrn und Könige durchsetzte, womit dieser dann alle Erfolge errungen hat.

Die besten Militärs liegen im Bewegungs-, die besten Staatsmänner im Ernährungs-, die besten Ratgeber im Empfindungs- und die besten Leiter im Harmonienaturell. Aber auch der Schreckensgeneral Steinmetz, im disharmonischen Naturell liegend, spielte seine notwendige Rolle; trotz der Durchbrechung der obersten Befehle und der Opferung vieler Menschen hat er nicht unnütz auf seinem Platze gestanden. Der harmonische König und der disharmonische Steinmetz stießen sich ab. Also, einen besseren Ratgeber und Reorganisator des preußischen und deutschen Heeres, als es Roon war, konnte er nicht finden, denn das ausgesprochene Empfindungsnaturell, wie es Roon war, ist allein zu solcher Stellung und Rolle befähigt. In Bismarck konnte allein der beste Staatsleiter für die damalige Zeit gefunden werden, denn das Ernährungsnaturell hat die Gabe, alles in Ruhe praktisch auszunützen, und kann lachend bei Seite stehen, wenn sich zwei blutig schlagen, er sucht den Nutzen daraus zu ziehen. Dieses Naturell schweift nie in die Ferne, sondern hat den besten praktischen Blick für das Naheliegende.

Leiter Wirtschaft                                Leiter Heer                            Leiter Wissenschaft
(Quelle: DgM Nr. 69. Hrsg. Amandus Kupfer. 1938. Hinzugefügt)

Die Reichsverfassung und die äußere Politik in bezug auf das gute Einvernehmen mit den Nachbarstaaten bei Vormachtstellung Deutschlands ist der größte Erfolg, den Bismarck errungen hat. Das Ernährungsnaturell ist allem Fernliegenden abhold, daher neigt Bismarck weder zur Kolonialpolitik, noch zur Seeherrschaft, noch zu Anbandelungen mit China oder sonst einem fernliegenden Staate. Ob aber heute noch dasselbe gut wäre, was zur Zeit Bismarcks gut war, ist kaum anzunehmen. Darauf kommt es auch nicht an, wichtig ist es, daß zur rechten Zeit der rechte Mann am rechten Platze steht, das war bei Bismarck der Fall. Immerhin ist heute noch der beste Staatsmann der, welcher im harmonischen oder im Ernährungsnaturell liegt. Darum hat sich auch Fürst Bülow so vortrefflich bewährt.

Gladstone, der große englische Staatsmann und Premierminister, hat Englands Politik so weise geleitet, als sie noch nie geleitet war, er ist mir das Ideal eines Staatsmannes in solchem Falle, wenn ein Staat die nötige Machtstellung, wie sie England besitzt, erreicht hat.

Die Größe Kaiser Wilhelm I. lag in seiner Natur, die sich ergänzte. Napoleon III., im Ernährungsnaturell, und seine ersten Generale und Berater, vielfach im gleichen Naturell, mußten logischerweise den Feldzug verlieren. Viele Ernährungsnaturelle als Heerführer verlieren bei der größten Land- oder Seemacht, gegenüber einem weit schwächeren Gegner, stets eine Schlacht oder einen Feldzug*). Des letzten Napoleons Feigheit und kraftlose Gleichgültigkeit in der ganzen Vorbereitung zum Feldzuge waren dessen Schicksal. Umgekehrt war es bei Napoleon I. Bonarparte war durch und durch Bewegungsnaturell, er suchte sich die Generale, selbst die Garden seiner Natur an Geist und Körper ähnlich aus, daher war er der große Heerführer und Sieger. Dasselbe war bei Hannibal und Julius Cäsar der Fall. Völker, die vorzugsweise im Tatnaturell lagen, wie die alten Assyrer, Spartaner und Römer, auch die Gallier und Araber, sind Kriegs- und Eroberungsvölker, die die Welt zu beherrschen befähigt sind. Mohammed und seine Nachfolger konnten nur mit solchem Menschenmaterial im vorzugsweisen Tatnaturell die damaligen mittelländischen Völker niederwerfen. Auch mußte Spanien von der Weltherrschaft zurücksinken, als die vielen Ernährungsnaturelle in Form der Priester und Klosterbrüder dem Volke eine andere Richtung gegeben hatten. England übernahm die Weltherrschaft zur See von Spanien und hält sie heute  noch fest. Dieses Volk hat die meisten Bewegungstypen, daher neigen die Engländer zur Kolonialpolitik und Seeherrschaft, zu Handel und Industrie.

*) Neueres Beispiel ist der russisch-japanische Krieg.

Anmerkung Timm: Seit Ende des zweiten Weltkrieges Wechsel von England zu den U.S.A. U.S.A ist zur Zeit größte Weltmacht zu See und Land. Nach meiner Privat-Recherche seit 22 Jahren findet tatsächlich seit ca. 1000 Jahren eine Hyper-Metamanipulation der Menschheit statt, die versucht jeden Menschen davon abzuhalten, sich eben genau mit den drei zentralen Fragen Huterscher Menschenkenntnis aufrichtig und intensiv zu beschäftigen, nämlich „Woher komme ich?, Wer bin ich? Wohin gehe ich?„ In Bezug auf genannte Hyper-Metamanipulation der Menschheit über ihren wahren Ursprung und der im Prinzip unbegrenzten individuellen Potentialität von uns Menschen, also wahren Wissens, ist hierbei insbesondere die traditionell enge Verflechtung von „United Kingdom“/UK /Britannien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika zu fokussieren. Entsrpechende Hinweise und dokumentarische Beweismittel bietet in dieser Zusammenstellung weltweit einmalig diese Web-Präsenz, www.beautybomb.de oder www.truthbomb.de !

In China und Rußland sind mehr Ernährungs- und Ruhnaturelle vertreten, deshalb entwickeln sich diese Völker so langsam vorwärts, das Streben zur Ruhe ist stärker als das zur Bewegung. Die alten Babylonier, Chaldäer, Ägypter und Griechen lagen mehr im harmonischen Naturell, daher entwickelte sich dort die hohe Weisheits- und Schönheitskultur, Philosophie, Kunst, Poesie und Menschheitsgröße.

Die alten Inder lagen vorwiegend im Empfindungsnaturell, folglich gingen von dort alle Religionen und mystischen Gebräuche aus. Die Theosophie, der Okkultismus, die Magie, der Spiritualismus sind von jeher in Indien bis auf den heutigen Tag gepflegt worden.

Moses*) mußte stark im Tat- und harmonischen Naturell liegen, wodurch er solche Gesetze geben und ein ganzes Volk durch Wanderungen, Kämpfe und Entbehrungen an eine neue Religion gewöhnen konnte. Jesus musste mehr im Empfindungsvermögen liegen, mit Anklang an Tatendrang, um eine Neukultur verfeinerten Seelenlebens einzuführen, eine Kultur, die die Liebe auf den Thron setzt und sie höher stellt als das Gesetz. Dieses musste allerdings den damaligen Gesetzesmännern als Wahnwitz und Hochverrat erscheinen, daher das tragische Ende dieses edlen Mannes.

*) Dieses hat Michelangelo richtig erfaßt und plastisch in seiner gewaltigen Mosesgestalt verkörpert.

Auch Buddha hat gewiß vorherrschend im Empfindungsnaturell gelegen. In der buddhistischen und christlichen Religion liegt viel Weltfremdes, Überideales, ganz dem Charakter und dem Naturell der Stifter entsprechend. In der mosaischen Religion finden wir viel mehr praktische Lebensweisheit. Mohammed lag sicher im Empfindungs-naturell, das stark mit dem harmonischen gepaart war. In Paulus ist ein christlicher Moses, ein Tatnaturell verkörpert gewesen, der praktische Verwirklicher des Christentums. Der Kirchenvater Augustin ist gewiß ein harmonisches Naturell gewesen, dies beweist sein harmonischer Ausbau der ersten Kirchengesetze. Phydias, der so vollendet den Zeus zur Darstellung brachte, sowie auch Pythagoras und Plato waren Harmonienaturen.

Betrachten wir die große Kunstkultur des Mittelalters, so waren alle großen Meister derselben harmonische oder Empfindungsnaturelle. Völker im harmonischen Naturell haben eine schön, wohlklingende Sprache.

Völker, in denen mehr Bewegungsnaturelle vorherrschen, suchen alles so kurz und knapp als möglich auszusprechen und vermeiden jedes Zeitraubende. Dieses ist bei der lateinischen Sprache und Schrift der Fall, auch bei der englischen Sprache findet man es vor.

Das Französisch ist hingegen von sehr viel Empfindung und Tat zu gleichen Teilen aufgebaut – kurz, elegant, schönklingend. Umständlicher ist das Deutsche, noch umständlicher das Russische und am langweiligsten das Chinesische, je nach dem Grade, als die Ruh- und Ernährungstypen in diesen Völkern in aufsteigender Mehrzahl vertreten sind. Die sozialdemokratischen Lehren, die den Menschen viel Ruhe, Ernährungs- und Sinnengenüsse versprechen, fanden die stärkste Verbreitung in Deutschland und seit einigen Jahren auch in Rußland, ganz analog dem Volkstypus, der vorherrschend zum Ernährungsnaturell hinneigt. In den romanischen Ländern, wo mehr Tatmenschen vorherrschen, findet weniger die Sozialdemokratie als der Tatanarchismus Boden. In England und Amerika, wo viel politische Freiheit herrscht, kann sich jedermann freier betätigen, folglich kann die Sozialdemokratie und der Anarchismus dort weniger Boden gewinnen. Die politische und rechtliche Engherzigkeit in Rußland, Deutschland und Österreich und die kirchliche in Italien und Spanien schaffen die Revolutionsbewegungen. Frankreich beugt durch Brechung der Kirchendespotie und Einräumung großer politischer Freiheiten vor, daher wird dort eine Revolution in Zukunft unmöglich sein.

Der englische Staatsmann Cromwell lag im disharmonischen Naturell, hingegen der Dichter Shakespeare im harmonischen, mit starkem Anklang an das Tatleben.

In dem Naturell, in dem ein Fürst, Dichter oder Künstler liegt, in den schafft er seine Ideale. König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, als ausgesprochenes Bewegungsnaturell, arbeitete in seinem ganzen Leben an seinem Ideale, einen vollkommenen Soldatenstand zu schaffen, die große Potsdamer Garde usw. Friedrich der Große, im Empfindungs- und Tatnaturell, liebte Kunst- und Wissenschaft höher als Soldatentum, ihm waren Militarismus und Krieg nur Mittel zu höheren Zwecken. Bei seinem Vater war Militarismus Selbstzweck. Der Philosoph Leibniz, im harmonischen Naturell, schaffte eine harmonische Philosophie für seine Zeit. Hingegen schaffte Kant, ein Empfindungsnaturell, die feinsten Begriffe und Unterscheidungen in der Philosophie.

Shakespeare, als Tat- und Harmoniemensch, schuf die vollendetsten Dramen. Schiller, mehr ein Tat- und Empfindungsmensch, läßt die höchsten Ideale des Guten und Schönen höher gespannt erscheinen, als sie jemals in den Charakteren lebten, dieses durch seine überfeinerte Empfindungsnatur, und dabei läßt er alles so schauerlich tragisch zugrunde gehen, weil sein Tatleben ebenfalls in seiner Naturanlage überhoch gespannt war. Goethe, eine mehr harmonische Natur, bewegte sich ruhiger in der Sprache und angenehmer in der Dichtung wie Schiller. Daher liebt man Schiller in der stürmischen Jugend, Shakespeare im Mannesalter und Goethe im reiferen, vorgerückten Alter.

Fritz Reuter, im Ernährungsnaturell liegend, schaffte sein höchstes dichterisches Ideal, auch nur in dieser Natur liegend, im Onkel Bräsig. Raffael, im Bewegungs-, Empfindungs- und harmonischen Naturell liegend, schaffte diesem gemäß die höchstschönsten Körpergestalten und Gesichtstypen. Correggio, im reinen Empfindungsnaturell stehend, malte alle Gestalten und Gesichter im Empfindungsnaturell. Tizian, im harmonischen Naturell stehend, malte die harmonischsten körpervollen Gestalten und farbensattesten Bilder.

Leonard da Vinci nenne ich den Shakespeare in der Malerei, weil er, wie dieser, sicher im Tat- und Harmonienaturell lag, daher ist sein Abendmahl voll Harmonie und großer dramatischer Bewegung. Luther, im Ernährungsnaturell stehend, brachte eine natürlichere, weltfreundlichere Kirchenreform. Der Begründer des Jesuitenordens lag im Tat- und Empfindungsnaturell, daher Entsagung gegenüber dem Sinnlichen, aber Macht des Geistigen fordernd. Leider war die innerste Natur dieses Ordensgründers allzu fanatisch einseitig und so auch der Orden.

Karl Maria von Weber schaffte in seinen herrlichen Opern die vollendetste Harmonie bei lebendiger Tatfrische, mit tiefstem, edlem Empfindungsleben, ganz seinem Naturell entsprechend. Wagner, ausgesprochen im Bewegungsnaturell, hat eine gigantische, großartige und besonders bewegliche Musik mit übermenschlichen Heldentypen geschaffen.

Ausgesprochene Ernährungsnaturelle findet man in der höheren Kunst und Dichtung und Wissenschaft wenig oder gar nicht. Die großen Meister liegen vorherrschend im Harmonie- und Empfindungsleben. Diese zwei Naturelle sind daher berufen, überall die leitenden zu sein, falls der ganze übrige Charakter tüchtig ist. Wo nüchterne, praktische Aufgaben tatkräftig durchzuführen sind, da ist das Tatnaturell geeigneter, z.B. zum See- und Militärdienst, zum Großhandel, zur Großindustrie, zum Bergbau, zur Land- und Forstwirtschaft, im Großbetrieb, Eisenbahndienst, Reiseverkehr und dergleichen.

Hingegen ist das Ruh- und Ernährungsnaturell besser zum Kleingewerbe, im Handel, Handwerk und in der Landwirtschaft, zur Viehzucht, zum Büro- und Beamtendienst, Gasthausgewerbe und allen Betrieben, welche in das Nahrungsmittelfach fallen, geeignet.

Das disharmonische Naturell, das dazu neigt, Opposition und Quertreiberei zu machen, auch energische Anregungen zu geben, spannt die übrigen Naturelle dadurch zur stärkeren Kraftanstrengung an und bewirkt bei allen unangenehmen Einwirkungen doch schließlich die Fortentwicklung. Vielleicht wird gerade durch dieses Naturell, das viel Kritik oder Kampf bringt, die Entwicklung vorübergehend gehindert, in Wirklichkeit gefördert.


Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1995. Update 12. April 2007
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.http://www.beautybomb.dehttp://www.truthbomb.deshapeimage_2_link_0shapeimage_2_link_1
Hauptwerk - Lehrbrief 5 (von 5)
 
HAUPTWERK
Menschenkenntnis
Lebensschule
der Zukunft
Status:
Absolute Referenz