Menschenkenntnis Lehrbrief V. 12. Teil des Lehrstoffes - Part 55
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

Die Kartendeutekunst und das Wahrsagen.

Die Kartendeutekunst und das Wahrsagen sind ebenfalls auf die Vorhersage der Zukunft gerichtet. Nach den selbst gezogenen Karten werden verschiedene Auslegemethoden angewandt. Der Kartenzieher zieht sich sozusagen selbst die Auskunft über sein Schicksal. Angesichts der Existenz unbewußten Seelenlebens ist es nicht ausgeschlossen, dass dieses Unterbewußtsein mehr als das Oberbewußtsein weiß. Folglich besteht auch die Möglichkeit, wenn das Oberbewußtsein mit dem Wollen gefüllt ist, Zukünftiges aus Karten zu erfahren, daß das Unterbewußtsein den Befragenden beim Kartenziehen leitet. Er zieht dann die Karten so, daß die Deuterin nach ihrer Methode Zukünftiges danach auszulegen imstande ist.
        
Original Visconti-Sforza-Karten (1441): die Mäßigkeit, der Turm, der Narr (v.l.n.r.)
(Hinzugefügt)

Es ist seitens verrohter Naturen eine ungerechte und unwahre Auffassung, alle Kartenlegerinnen als Schwindlerinnen hinzustellen. Die Kartendeuterin deutet nach bestimmten Regeln einfach die Lage der Karten. Sie hat, da sie diese Lage nicht verursacht, sondern solche von dem Zukunftsneugierigen selbst gezogen wird, absolut keinen Einfluß.

Es gibt nun dreierlei Möglichkeiten, durch Auslegung der Karten über bevorstehende Dinge richtige Auskunft zu erhalten. Die erste ist die, daß die eigene Psyche dem Ziehenden zu Hilfe kommt und die Deuterin ganz realmechanisch nach ihrer Regel die Kartenlage berechnet; dann auch, daß eine Deuterin mit ihrer inneren Psyche hellsehend ist und abweichend, unbekümmert um Regeln, nach ihrem mehrwissenden Unterbewußtsein, das ins Hellbewußtsein übergeht, tatsächlich zukünftige Dinge richtig vorhersagt. Schließlich kann beiderseits ein rätselhafter psychischer Vorgang mitspielen, seitens des Ziehenden und seitens der Deuterin, im Zusammengehen beider Unterbewusstseinsvorgänge zur Eröffnung der Wahrheit über die Zukunft. Es gibt nun leider auch eine Anzahl Kartenlegerinnen, die ungebildet sind und nichts weniger als eine feinfühlende Seele haben. Es gibt aber auch sehr bedeutende und ehrenhafte Vertreterinnen dieses Berufs, Personen, die für den Psychologen nicht nur hochachtbare Menschen, sondern auch wertvolle Studienobjekte sind. Der große Napoleon hielt sich besonders eine Kartenlegerin, die berühmte Lenormand. Sie hat ihm jeden Schlachtenausgang, jeden Sieg und auch sein Unglück vorhergesagt.


Die Handlesekunst.

Auch dies hat gute und schlechte Vertreter. Ein bedeutender wissenschaftlicher Anhänger derselben war der ehemalige Professor Dr. Carl Gustav Carus, der Geh. Medizinalrat, Hofarzt und Präsident der Akademie der Wissenschaften in Dresden war. Ich habe auf Seite 111 dieses Bandes eine Studientafel aus Carus´bedeutendstem Werke „Symbolik der menschlichen Gestalt“ gebracht. Carus führt wissenschaftlich ganz korrekt in die Entwicklungsgeschichte der Füße und Hände ein und macht dann auf Grund von Erfahrungen und Vergleichungen seine Schlußfolgerungen.


Studien über die Entwicklungsgeschichte von Fuß und Hand von Carus
Individualität, Charkater und geistiger Ausdruck in der Handform

Tafel XX. Physiognomische Studien über Füße und Hände nach Carus

Tafel XX. Physiognomische Studien über Füße und Hände nach Carus

Tafel XX. Physiognomische Studien über Füße und Hände nach Carus


Wer wird nicht aus den verschiedenen Formen tierischer Füße und Krallen das unwiderlegbare Formgesetz erkennen, daß jeder Teil eines Lebewesens nicht nur dem Zwecke, dem es dient, entspricht, sondern auch seinen Herrscher, dem es bedienstet ist, und der in seinem Gesamtkörper wohnt, zum Ausdruck bringt. Man vergleiche die mitten dazwischen abgebildete edle menschliche Hand! Was spricht diese wunderbare Hand aus an Feingefühl, Geschicklichkeit und Seelenadel! Wieviel roher sind die beiden darüber liegenden Hände? Sind das nicht Hände von Menschen mit einem ganz anderen Geist? Die gerade darüber liegende ist die motorische, die rechtsseitige davon die elementare Hand. Das Ideal der sensiblen Hand ist in der ganz oben rechts abgebildeten gegeben. Die mittlere Hand in der obersten Reihe ist die linke von Dr. Martin Luther. Mir verrät sie wunderbare Gabe für Sprach- und Tonschöpfungen. Aus dieser Hand klingt und singt alles wie Silber und Eisen, Urwaldholz und Felsgestein, bei einer enormen Willens- und Schaffenskraft. Diese Lutherhand ist innerlicher und edler als Bismarcks Gesicht, dabei nicht ohne psychische Verwandtschaft. Die Hand daneben links oben ist die vom Zaren Nikolaus I. von Rußland. Sie ist die typische Herrscherhand, die nichts anrührt, um Bestehendes zu verändern, sie steht im völligen Gegensatz zu Luthers reformatorischem Tatgeist. In der mit Zeichen versehenen Hand studiere man folgendes: a) Lebenslinie, b) Kraftlinie, c) Kopflinie, d) Darmlinie, e) Venus- oder Liebeslinie, f) Glückslinie, g) Magenlinie, h) und i) die Milchstraßen oder Heiratslinien, k), l), m) Ehrenlinien. Diese Aufstellung ist uralt, sie enthält einiges Beachtenswertes, ist aber sonst veraltet. Aus Formen und Linien der Hand ist tatsächlich vieles zu ersehen. Aber ein eigentliche Begründung im exakt wissenschaftlichen Sinne fehlt noch bis heute, soweit der Formtypus nicht in Frage kommt. Ich hoffe auch hierüber in einem größeren Spezialwerke noch einmal gründlichen Aufschluß geben zu können.


Die Handschriftendeutekunst oder Graphologie

Diese ist in der jüngsten Gegenwart außerordentlich verbreitet worden und hat viele schätzenswerte Vertreter. Meinen Erfahrung nach ist die Graphologie viel zu stark überschätzt worden, und abgesehen von den vielen lediglich beschreibenden, gibt es kein logisch und naturwissenschaftlich begründetes System. Tatsache ist, daß, da die Handschrift ein individueller Ausfluß der menschlichen Tätigkeit ist, während intensiven Denkens oder Fühlens auch die Energie, Willenskraft und momentane Geistesverfassung aus der Handschrift erkannt werden kann. Graphologie ist nicht wertlos, sie ist ein beachtenswerter Nebenzweig der Psycho-Physiognomik. Da hier der Platz fehlt, genauer auf sie einzugehen, so werde ich im Ergänzungsbande näher darauf zurückkommen*).

*) [Amandus Kupfer: Der gute Menschenkenner Nr. 23. 1934. Schwaig bei Nürnberg]


L. Die Pantognomik.

Die Körperhaltungs- und Bewegungskunde ist ebenfalls ein besonderer Zweig der Psycho-Physiognomik, welche in den hier dargelegten Ausführungen eine ausführliche Begründung findet. Alle Ausdrucksbewegungen sind entweder automatisch oder von sinnlichen Vorstellungen begleitet und tragen, wenn nicht absolutes Irresein vorliegt, stets den Stempel des Zweckmäßigen. Daher sind so viele Ausdrucksbewegungen bei Tieren und Menschen übereinstimmend. Die Natur hat überall die eine Vernunft und Ordnungsmäßigkeit. Gerade diese Allvernunft, die sich überall in den Dingen spiegelt, kann man ganz besonders bei den Ausdrucksbewegungen studieren. Bei unangenehmen Gedanken und Vorstellungen gibt sich ein bitterer Gesichtsausdruck zu erkennen, welcher mit einer abwehrenden Haltung gepaart ist. Der wohlschmeckende Ausdruck des Mundes ist beim wohlwollenden Gedanken typisch. Ähnlich ist es mit dem Ausdrucke der Augen. Mit dem im Einklang steht die Geneigtheit in der Haltung des Körpers und seiner Bewegungen. Es sind diese seelischen Ausdrucksbewegungen ein wunderbares Spiel, für den Kenner eine Musik von unaussprechlichen Schönheiten. Eine ganze Symphonie von seelischen Ausdrucksbewegungen hoffe ich später in einem eigenen Bande zu bringen. Auf Seite 60 dieses Bandes sind eine Anzahl sehr schöner typischer Seelenstimmungen in körperlicher Darstellung zum Ausdruck gebracht worden: Kummer, Abwehr, Überraschung, Begeisterung, Widerstand, Kritik, Überredung, Zorn, Hochmut, stolzer Herrschersinn, Bedachtsamkeit, selbstbewußte Erwartung.

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1995. Update 9. April 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
Hauptwerk - Lehrbrief 5 (von 5)
 
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