DEUTSCHLAND 42 - Staatsbankrott - Part 3
 
Fortsetzung

Den Theorien des englischen Nationalökonomen David Ricardo zufolge habe "die Form der Finanzierung von Staatsausgaben - Steuern oder Staatsschulden - überhaupt keine realwirtschaftlichen Effekte."

"Bei einer Zunft, die für ihr Expertenwissen gerne praktisch-politische Relevanz beansprucht, scheint diese Dreifaltigkeit der Meinungen nicht gerade ein Erfolgsausweis zu sein.", führt der Verfasser hierzu aus und untersucht anschließend die Hintergründe der verschiedenen Einstellungen zu Budgetdefiziten und Staatsverschuldung. "So stecken hinter den drei verschiedenen Thesen zur Staatsverschuldung zu einem wesentlichen Teil jeweils andere Annahmen über Bedingungen, welche den herrschenden wirtschaftlichen Zustand kennzeichnen." "Welche Probleme sind offen, und was läßt sich für die Zukunft erwarten? Vielleicht sind manche Problemaspekte gar nicht rein wissenschaftlich lösbar. Aber auch dies zu wissen, wäre ein Vorteil."

(2) Mit diesen Fragestellungen und Schlussfolgerungen kennzeichnet der Verfasser des Aufsatzes zutreffend die Gründe, weshalb die Wissenschaft in der Frage der Staatsverschuldung bisher nicht zu einem einheitlichen Ergebnis gekommen ist, an dem sich die politisch Verantwortlichen zuverlässig orientieren konnten und können. Die vorstehend unter den Absätzen 2.1 bis 2.3 dargestellten Ursachen für die ausgeuferte Staatsverschuldung, insbesondere das eigendynamische Zinseszinswachstum in Verbindung mit der falschen Bezugsetzung der Neuverschuldung zur Investitionsquote, sind allerdings so evident, dass sie auch ohne detaillierte wissenschaftliche Untersuchungen erkennbar sind.


2.2 Auswirkungen auf der Geberseite (Sparguthaben, Kapitalanlagen)

Eine Untersuchung und Beurteilung der ausgeuferten Staatsverschuldung erfordert auch eine Betrachtung ihrer Auswirkungen auf ihre Kehrseite, nämlich die Geberseite. Wenn die Staatsverschuldung, sofern sie nicht zurückgeführt wird, auf Grund ihres eigendynamischen Zinseszinswachstums zu Lasten nachfolgender Generationen ein irgendwann zum Kollaps führendes Schneeballsystem darstellt, muss dies im Umkehrschluss auch für die Geberseite gelten, nämlich die Sparguthaben und Geldanlagen, aus denen die Staatsverschuldung gespeist wird. Der Schuldenstand des öffentlichen Gesamthaushalts betrug Ende 2005 rd. 1,52 Billionen EUR. Die Gläubiger dieses gewaltigen Schuldenberges sind zu 38,2% das inländische Bankensystem, zu 18,5% inländische Nichtbanken (insbesondere Unternehmen einschl. Versicherungen) und zu 43,3% ausländische Stellen (Quelle: Monatsbericht April 2006 der Deutschen Bundesbank und eigene Berechnungen). Die Auslandsverschuldung Deutschlands in dieser Höhe ist schon deshalb bedenklich, weil die Auszahlungen für den Schuldendienst nicht im Inland verbleiben, sondern ins Ausland fließen. Die Summe der Geldvermögen der Bundesbürger (nur Spareinlagen, Geldanlagen bei Versicherungen und Bausparkassen sowie festverzinsliche Wertpapiere) betrug Ende 1998 rund 1.740 Mrd.EUR, also knapp das 1,5-fache des Schuldenbergs des öffentlichen Gesamthaushalts in Deutschland (Quelle: Bundesverband Deutscher Banken). Ein großer Teil dieser Geldanlagen fließt unmittelbar oder mittelbar (über Banken und Nichtbanken) in die Staatsverschuldung. In der Buchfassung werden die Auswirkungen auf der Geberseite anhand der Sparpläne des Beispielbürgers Alfons Sparfuchs mit verschiedenen Anlagealternativen und Prognoserechnungen veranschaulicht. Dabei strebt Sparfuchs primär ein kapitalgedecktes Altersvorsorgemodell an, das die nachfolgenden Generationen von immer höheren Beiträgen zur Rentenfinanzierung entlastet und das außerdem rentabel und sicher ist. Seine Anlagealternativen und Prognoserechnungen führen ihn zu der Erkenntnis, dass auch bei einem kapitalgedeckten Altersvorsorgemodell die nachfolgenden Generationen die späteren Zins- bzw. Versicherungsleistungen daraus zu einem großen Teil auf dem Umweg über die Banken bzw. Lebensversicherungen aus den Steuermitteln und aus dem Prämienaufkommen ihrer Generation leisten. Das Versicherungsmodell unterscheidet sich insoweit von der umlagefinanzierten Alterssicherung nur durch einen anderen Modus der Umverteilung der Mittel, die von den nachfolgenden Generationen erwirtschaftet werden. Das Ganze nennt sich dann nicht Generationenvertrag, sondern Solidargemeinschaft. "Die Vorstellung, das Kapitaldeckungsverfahren, bei dem eine Versichertenkohorte ihre spaeteren Leistungen anspart, sei immun gegen Veraenderungen der Bevoelkerungs- und Erwerbstaetigenstruktur, ist in der Oeffentlichkeit weit verbreitet, gleichwohl aber falsch". "Allein durch Umstellung des Finanzierungsverfahrens lassen sich die demographisch bedingten Probleme der Altersvorsorge nicht loesen". Diese Zitate aus dem Wochenbericht 46/98 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin (Titel: "Kapitaldeckung: Kein Wundermittel fuer die Altersvorsorge", URL: http://www.diw.de/diwwbd/98-46-1.html#HDR0) bestärken Alfons Sparfuchs in seiner Auffassung. Er beschließt deshalb, die weitere Entwicklung abzuwarten, bevor er sich für ein kapitalgedecktes Alterssicherungsmodell entscheidet.



3. Die Schuldenkrise als Generationenproblem

Von erheblicher Bedeutung ist die Betrachtung des Prozesses der öffentlichen Verschuldung aus der Sicht der Nutzen- und Lastenverteilung zwischen den gegenwärtigen und künftigen Generationen, also als Generationenproblem.


3.1  "Save before you use"

Aus diesem Schlagwort ergibt sich im Grundsatz die Ablehnung jeglicher Staatsverschuldung. Erst sparen, dann finanzieren und nutzen, aber keine Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben, das ist die Devise dieses Kernsatzes. Übertragen auf den einzelnen Bürger bedeutet dies, dass er z. B. ein eigenes Haus erst anschaffen kann, wenn er den Kaufpreis dafür zusammengespart hat. Tut er das, wird er unter Umständen viele Jahre oder gar jahrzehntelang sparen müssen, bis er das Haus anschaffen und nutzen kann. Seine Erben können es dann später insoweit lastenfrei nutzen. In diesem Fall zahlt die gegenwärtige Generation vor der Nutzung durch sie selbst zu Gunsten der nachfolgenden Generationen. Übertragen auf den öffentlichen Sektor bedeutet dieser Kernsatz, dass für Investitionen keine Kredite aufgenommen werden dürfen. Es müssen allerdings im Grundsatz auch keine Mittel angespart werden, um die Investitionen zu tätigen, denn Investitionen sind Daueraufgaben der öffentlichen Gemeinwesen und können Jahr für Jahr im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Steuermittel) finanziert werden. Sie stehen dann den gegenwärtigen und künftigen Generationen während ihrer Nutzungsdauer schuldendienstfrei zur Nutzung zur Verfügung.


3.2  "Pay as you use"

Diese Kernaussage steht für ein anderes Prinzip: Zahlen (nämlich den Schuldendienst, d.h. Tilgung und Zinsen, für Kredite) und gleichzeitig nutzen. Übertragen auf den einzelnen Bürger bedeutet dies, dass er z. B. ein eigenes Haus sofort nutzen kann, wenn er dieses kreditfinanziert und während der Nutzungsdauer den Schuldendienst (Zinsen  und  Tilgung) leistet. Das gilt auch für ein Unternehmen, das Investitionen kreditfinanziert und den wirtschaftlichen Nutzen, den es (hoffentlich) einbringt, längstens bis zur endgültigen Abschreibung anteilig auch für die Leistung des Schuldendienstes einsetzt. Übertragen auf die öffentlichen Haushalte ist dieser Kernsatz, an sich eine Binsenweisheit, ein viel verwendetes Argument zur Rechtfertigung der öffentlichen Verschuldung aus der Sicht einer gerechten Nutzen- und Lastenverteilung zwischen den gegenwärtigen und künftigen Generationen. Aus diesem Kernsatz wird abgeleitet: langlebige Investitionsgüter nutzen den gegenwärtigen und bis zu ihrem Verfall auch den nachfolgenden Generationen, was allerdings für kurzlebige Investitionsgüter (Geräte und Ausstattungsgegenstände) kaum zutrifft. Es wäre daher zu rechtfertigen, dass langlebige Investitionsgüter kreditfinanziert werden und der Schuldendienst während der Nutzungsdauer gleichmäßig auf die Nutznießer (das sind die gegenwärtigen und ggf. auch die künftigen Generationen) verteilt wird. Gegen diesen Grundgedanken ist an sich nichts einzuwenden, aber nur dann nicht, wenn "pay as you use" auch praktiziert wird.


3.3  Pay forever after using

(1) Dies ist die Folge des bisherigen Verschuldungsverhaltens der öffentlichen Gebietskörperschaften zu Lasten künftiger Generationen. Es wurden im Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte bis jetzt keine Steuermittel zur Leistung des Schuldendienstes (Zinsen  und  Tilgung), sondern in vollem Umfang und noch darüber hinaus neue Kredite hierfür eingesetzt, die wieder neue Schuldendienstverpflichtungen auslösten usw. usw. (vgl. "Zinseszinseffekt" im vorst. Abschn. 2.1). Dadurch ist der gigantische Schuldenberg mit seinen gigantischen Schuldendienstverpflichtungen aufgetürmt worden, dessen Abtrag die künftigen Generationen aus Eigenmitteln (Steuermitteln) vornehmen müssen, sobald dieser Schuldenberg "sich nicht mehr aus sich selbst heraus nähren läßt", d. h. der Schuldendienst nicht mehr kreditfinanziert werden kann. Dann müssen die Zinslasten für den  ewigen Schuldenberg anteilig oder voll aus Steuermitteln der davon betroffenen Generationen geleistet werden, und zwar auch noch dann, wenn die Investitionsgüter (insbesondere kurzlebige) nicht mehr nutzbar und längst abgeschrieben sind. So müssen dann die nachfolgenden Generationen exponentiell gewachsene Zins- und Zinseszinsverpflichtungen erfüllen für z. B. längst verschrottete kreditfinanzierte Geräte und Ausstattungsgegenstände, weil die Tilgungs- und Zinsausgaben hierfür von der nutzenden Generation wirtschaftlich nicht aus Steuermitteln, sondern aus neuen Kreditmitteln aufgebracht wurden.

(2) Die nachfolgenden Generationen "erben" allerdings nicht nur einen riesigen öffentlichen Schuldenberg, sondern auch die Gegenpositionen hierfür, nämlich einen Riesenberg an Vermögenstiteln in Form von Kreditforderungen (über die Kreditinstitute) an die öffentlichen Gemeinwesen. Sie sind also zugleich Gläubiger in Höhe ihrer Vermögenstitel und Schuldner in Höhe ihrer öffentlichen "pro-Kopf-Verschuldung". Sie können ihre Gläubigerrechte, nämlich die Realisierung ihres Vermögens, nur wahrnehmen, wenn sie in noch größerem Umfang (nämlich erhöht um die Differenz zwischen Anlagezins und Kreditzins als Marge der Kreditinstitute) als Steuerzahler ihre Schuldendienstverpflichtungen erfüllen. Damit finanzieren sie - über einen hinsichtlich sozialer Gerechtigkeit schwer steuerbaren Umverteilungsprozess - die Einlösung ihrer Vermögensforderungen selbst aus den öffentlichen Mitteln ihrer Generation. Ob dieses progressiv wachsende Problem später mit einem "Crash", also einer Aufrechnung der Vermögenstitel mit den Schuldtiteln (sprich "Währungsreform") oder beizeiten über eine zumindest anteilige Steuerfinanzierung  evolutionär gelöst wird, hängt ganz wesentlich vom weiteren Verschuldungsverhalten der gegenwärtigen Generationen ab.


3.4  Demokratiefeindliche Wirkungen der Staatsverschuldung

Die Darlegungen in den vorstehenden Absätzen (1) bis (2) werfen automatisch Fragen nach der Demokratieverträglichkeit der Staatsverschuldung hinsichtlich ihrer Zukunftswirkungen für die nachfolgenden Generationen auf. Die früheren und gegenwärtigen Generationen haben den Schuldenberg auf der Grundlage demokratischer Entscheidungsprozesse aufgehäuft, allerdings ohne dabei zu bedenken, dass sie damit den nachfolgenden Generationen, die an diesem demokratischen Entscheidungsprozess nicht beteiligt sein konnten, immer höhere Zukunftsbelastungen aufgebürdet haben. Die früheren und gegenwärtigen Generationen durften und dürfen es sich nicht anmaßen, die Kreditfinanzierung mit einem für künftige Generationen unterstellten Nutzen zu rechtfertigen, der möglicherweise gar nicht eintritt, obgleich die Schuldendienstbelastungen anfallen. Die Auswirkungen einer solchen Bevormundung der künftigen Generationen sind für diese zutiefst undemokratisch, weil sie die ohne ihre demokratische Mitwirkung entstandenen erheblichen finanziellen Probleme umso schwerer mit demokratischen Entscheidungen lösen können, je größer die finanziellen Belastungen sind. Die Gefahren, dass diese mittelbar undemokratischen Auswirkungen für die nachfolgenden Generationen sehr schnell unmittelbar in eine Abkehr von demokratischen Prinzipien umschlagen, wenn der unfreiwillig "geerbte" verschuldungsbedingte finanzielle Druck zu groß wird, dürfen nicht unterschätzt werden. Beispiele dafür gibt es in der Geschichte genug.



4. Die Staatsverschuldung im europäischen und internationalen Vergleich

Wegen zunehmender internationaler Verflechtung der Kapital- und Kreditmärkte ist die öffentliche Verschuldung im internationalen Vergleich zur Beurteilung der nationalen Staatsverschuldung unerläßlich.

(1) Die Maastrichter Verträge zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sowie Folgevereinbarungen bzw. -regelungen dazu sehen vor, dass die Mitgliedsstaaten als Voraussetzung zum Beitritt in die Europäische Währungsunion zur Begrenzung ihrer öffentlichen Verschuldung u. a. folgende zwei Stabilitätskriterien (Konvergenzkriterien) erfüllen müssen: das jährliche öffentliche Defizit darf  3% des BIP und der öffentliche Schuldenstand darf 60% des BIP nicht übersteigen. Für die Sammlung und Lieferung aller zur Berechnung und Überwachung der Konvergenzkriterien erforderlichen Daten und Informationen ist EUROSTAT, das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg, zuständig.

(2) Über die Maastrichter Konvergenzkriterien hinaus haben sich die EU-Mitgliedstaaten zur Wahrung der Stabilität des EURO bereits 1997 in Amsterdam in einem Stabilitäts- und Wachstumspakt verpflichtet, ihre jährliche Neuverschuldung nicht nur auf das Konvergenzkriterium 3% des nominalen Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu begrenzen, sondern auf Null zurückzuführen und Haushaltsüberschüsse zu erwirtschaften, um diese in Zeiten einer Rezession ohne Neuverschuldung einsetzen zu können. Zum Vertragswerk gehören zwei Rechtsverordnungen, die Mechanismen zur Kontrolle der Einhaltung der vereinbarten Stabilitätsziele enthalten. Nach der Meldung eines Defizits über 3% werden Sanktionen verhängt, sofern der betreffende Mitgliedstaat keine geeigneten Maßnahmen zur Senkung des Defizits deutlich unter 3% ergreift. Als Sockelbetrag ist zunächst eine unverzinsliche Einlage von 0,2 Prozent des BIP vorgesehen; für jeden weiteren Prozentpunkt der Überschreitung der 3%-Obergrenze erhöht sich die Sanktion um 0,1 Prozent des BIP – bis zu einer Obergrenze von 0,5% des BIP. Aus der Einlage wird eine nicht rückzahlbare Geldbuße, wenn das übermäßige Defizit nicht innerhalb von zwei Jahren korrigiert wird. Die Erlöse aus den Sanktionen kommen nur denjenigen Teilnehmerstaaten zugute, die selbst kein übermäßiges Defizit aufweisen.

(3) Die Maastrichter Grenzwerte für die öffentliche Verschuldung (Defizit maximal 3% und Schuldenstand maximal 60% des BIP) sind nicht willkürlich gesetzt, wie manche meinen. Sie stellen eine notwendige Bremsmarke für die bis dahin auf ein bereits zu hohes Niveau angewachsenen Schuldenberge dar. In Medien und öffentlichen Verlautbarungen wird immer wieder der Eindruck erweckt, dass das Schuldenproblem gelöst sei, wenn das öffentliche Defizit eines EU-Staates bei knapp unter 3% (z.B. 2,9%) des BIP liegt. Das ist nicht der Fall. Es ist ebenso wichtig, dass der öffentliche Schuldenstand nicht über den Grenzwert von 60% des BIP hinaus wächst. In Abhängigkeit von der jeweiligen Höhe des BIP kann dieser Grenzwert in der Regel nur eingehalten werden, wenn die Defizitquote bei weit unter 3% des BIP liegt. Würde sie z. B. ab 2006 auf jährlich 2,9% bemessen, würde bei einem angenommenen jährlichen Wachstum des nominalen BIP von 2,5% und einem Durchschnittszinssatz von jährlich 5% bis 2025 die Zinssteuerquote auf 21,0% und der Schuldenstand in % vom BIP, also der zweite Grenzwert, auf 87,7% des BIP anwachsen. Nur wenn keiner der beiden Grenzwerte von 3% bzw. 60% überschritten wird, können ein BIP-konformes Schuldenwachstum und eine nicht mehr steigende Zinssteuerquote sichergestellt werden (Hinweis auf nachf. Abschnitt 5.2). Ein Stopp des Schuldenwachstums kann nur erreicht werden, wenn die jährlichen Defizite auf null zurückgeführt werden, worauf sich die EU-Mitgliedstaaten im Stabilitäts- und Wachstumspakt 1997 in Amsterdam verpflichtet haben.

(4) Die Einhaltung der Grenzwerte kann ohne Kontroll- und Sanktionsmechanismen nicht gewährleistet werden. Auf Betreiben von EU-Staaten, deren Defizite über mehrere Jahre den Grenzwert von 3% des BIP überschritten haben, hat der Europäische Rat (EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs) auf seiner Sitzung am 23.03.2005 in Brüssel eine Lockerung des bisherigen formalen Sanktionsmechanismus beschlossen. Auf der Webseite http://www.bundesregierung.de (Bundesregierung-online) ist das Ergebnis der beschlossenen "Flexibilisierung" des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wie folgt zusammengefasst worden:

a) "Die Grenzwerte für Defizit und gesamtstaatlichen Schuldenstand bleiben unverändert." b) "Bei Verletzung der 3%-Marke des Defizitkriteriums können die Fristen zur Defizitverminderung gestreckt werden. Das Ziel ist die Rückführung des Defizits an bzw. unter die Obergrenze binnen 3 Jahren". c) "Bei Einleitung eines Defizit-Strafverfahrens gegen ein Land und in den weiteren Etappen kann die EU-Kommission Ausnahme-Tatbestände berücksichtigen. Dazu gehören Reformen der Rentensysteme oder Kosten für Europas Vereinigung. Unter diesen Punkt fällt auch die deutsche Einheit". d) "Auch Investitionen in Forschung und Entwicklung und eingeleitete Strukturreformen wie die Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme werden bei der Bewertung der öffentlichen Finanzen beachtet, wenn sie sich negativ auf Wachstum und Haushalt auswirken. Gleiches gilt für die EU-Nettozahlungen, von denen Deutschland als größter Beitragszahler am stärksten stärksten betroffen ist". e) "Allerdings darf das Defizit nur knapp über dem Grenzwert liegen und nur kurzfristig überschritten werden". f)  "Phasen guten Wirtschaftswachstums sollen verstärkt zur Sanierung der nationalen Budgets genutzt werden".

In der Veröffentlichung wird betont, dass es mit dieser "Flexibilierung" zu keiner Aufweichung der Stabilitätskriterien und verbindlichen Regelungen gekommen sei. Die beschlossenen Änderungen des bisherigen formalen Sanktionsmechanismus stellen jedoch zweifelsfrei eine Lockerung des bisher geltenden Stabilitätspaktes dar. Es muss befürchtet werden, dass bei einigen EU-Staaten die Neigung wächst, den neu gewonnenen Verschuldungsspielraum auszuschöpfen und mittelfristig Defizite in Höhe der Zinsausgaben und darüber hinaus (Primärdefizite) in Kauf zu nehmen. Die negativen Auswirkungen eines solchen Verschuldungsverhaltens sind im Abschnitt 5.1 prognostiziert.

(1) Bis zum Jahre 2000 hatten 9 Staaten ihre Neuverschuldung nicht nur auf "Null" zurückgeführt, sondern - darunter Deutschland - sogar teils beachtliche Haushaltsüberschüsse erzielt. Diese positiven Ergebnisse waren in einigen Ländern - insbesondere in Deutschland  - auch auf die relativ hohen Verkaufserlöse aus den UMTS-Lizenzen und ihre Verwendung für den Schuldenabbau zurückzuführen. Deutschland hatte im Jahr 2000 nur auf Grund der UMTS-Lizenzerlöse einen Haushaltsüberschuss erzielt. Da ab dem Jahre 2001 ähnlich hohe einmalige Einnahmen zur Rückführung der Verschuldung nicht mehr zur Verfügung standen bzw. stehen, ist Deutschland wieder in den Defizitbereich zurückgefallen, und zwar 2001 auf 2,8%, 2002 auf 3,7%, 2003 auf 4,0%, 2004 auf 3,7% und 2005 auf 3,3% in Relation zum BIP. Jüngsten Verlautbarungen zufolge wird geschätzt, dass Deutschland im Jahre 2006 erstmalig seit 2002 mit 2,9% des BIP wieder das Defizitkriterium von 3,0% unterschreiten wird. Auch Frankreich hat den Grenzwert von 3% des BIP 2002 um 0,2%, 2003 um 1,2% und 2004 um 0,7% überschritten, 2005 allerdings wieder um 0,1% unterschritten.  Selbst im vereinigten Königsreich, das von 1998 bis 2001 in Folge noch Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet hatte, ist das öffentliche Defizit im Jahre 2002 auf 1,6%, 2003 auf 3,3%, 2004 auf 3,3% und 2005 auf 3,6% gestiegen. Griechenland hat im Gegensatz zu bisherigen Meldungen die 3%-Marke bereits seit 2000 jährlich um deutlich mehr als 3,0% überschritten. Die öffentlichen Medien hatten ausführlich darüber berichtet. Im Jahr 2005 haben nur noch 8 Länder Haushaltsüberschüsse erzielt, nämlich Dänemark, Schweden, Finnland, Spanien, Belgien, Irland und von den Beitrittsländern Estland und Lettland.

(2) Die in den EU-Ländern angestrebte und bis 2001 überwiegend erreichte Rückführung der Staatsverschuldung zeigt auf, dass die Maastrichter Konvergenzkriterien bis dahin gegriffen haben. Leider haben sich die öffentlichen Defizite und Schuldenstände in den Jahren ab 2002 wieder deutlich erhöht, inzwischen bei 7 Ländern (darunter Deutschland) sogar über den Grenzwert von 3% des BIP hinaus. Ob die zu eröffnenden Defizitverfahren gegen die Defizitsünder ergriffen werden bzw. greifen oder ob die jetzt "flexibilisierten" Sanktionsregelungen eine zu stumpfe Waffe sind, wird sich zeigen. Wenn der Stabilitätspakt Sinn haben soll, muss er auch durchgesetzt werden. Andernfalls droht die Gefahr, dass nicht nur Deutschland, sondern auch die übrigen EU-Staaten weiter in die Schuldenfalle abgleiten und die Stabilität des EURO gefährdet wird.

(3) Beim Vergleich unter Berücksichtigung der Indikatoren "BIP pro-Kopf in EURO zu KKS", "Abgabenbelastung" und "Sozialschutzausgaben pro-Kopf in KKS" gibt es folgende Auffälligkeiten:

Mit einer Abgabenquote von 40,2% des BIP liegt Deutschland unter dem EU15-Durchschnitt von 40,5% des BIP. Mehrere Staaten mit überdurchschnittlich hohen Abgabequoten haben geringere Defizite (manche sogar Haushaltsüberschüsse) und ein höheres BIP pro-Kopf als Deutschland. Allerdings unterscheidet sich die Abgabenbelastung in Deutschland strukturell ganz wesentlich von der Abgabenbelastung in den übrigen EU-Mitgliedstaaten. In Deutschland wird der Faktor Arbeit durch einen weit überdurchschnittlich hohen Anteil an Pflichtsozialbeiträgen in Verbindung mit einem relativ hohen Einkommensteuersatz überdurchschnittlich belastet, während die Verbrauchssteuern  (Mehrwertsteuersatz bis 2006 nur 16%, ab 2007 Erhöhung auf 19%) und der Steuersatz auf Kapital gegenüber den in den übrigen EU15-Staaten erhobenen Sätzen relativ niedrig sind.

Die Sozialschutzausgaben pro-Kopf liegen in Deutschland zwar über dem EU15-Durchschnitt. Dennoch nimmt Deutschland nach Luxemburg, Dänemark, Österreich und den Niederlanden erst den 5. Platz ein. Alle Länder mit höheren Sozialschutzausgaben haben ein deutlich höheres BIP pro-Kopf erzielt und haben auch geringere Defizitprobleme.

Danach können die Defizit- und Wirtschaftswachstumsprobleme Deutschlands nicht allein auf eine zu hohe Abgabenbelastung und zu hohe Sozialschutzausgaben zurückzuführen sein. Allerdings haben auch einige Länder mit unterdurchschnittlich hohen Abgabequoten und Sozialschutzausgaben ein überdurchschnittlich hohes BIP pro-Kopf und bessere Defizitergebnisse erzielt.


4.4 Notwendigkeit eines nationalen Stabilitätspaktes

(1) Der Rückfall Deutschlands in eine so hohe Neuverschuldung nahezu in Höhe der Zinsausgaben und der erheblich gestiegene Anteil der Länder und der Kommunen daran zeigt auf, dass die Bemühungen des Bundes um einen ausgeglichenen Bundeshaushalt nicht ausreichen, auch einen ausgeglichenen öffentlichen Gesamthaushalt zu erzielen. Bund, Länder und Gemeinden müssen sich deshalb zusammensetzen und im parteiübergreifenden Konsens Wege zur Befreiung aus der Schuldenfalle erarbeiten, wozu auch eine Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und die zentrale Kontrolle ihrer Verschuldung gehört.

(2) Erste Schritte hierzu wurden mit dem "Gesetz zur Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Abwicklung des Fondes 'Deutsche Einheit' (Solidarpaktfortführungsgesetz - SFG)"  vom 20.12.2001 unternommen. Mit dem Artikel 7 dieses Gesetzes wurde in das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), das Rahmengrundsätze für die Haushaltsplanung und -führung des Bundes und der Länder enthält, ein neuer § 51a (Einhaltung der Haushaltsdisziplin im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion) eingefügt. Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmung haben sich die Vertreter des Bundes, der Länder und der Gemeinden und Gemeindeverbände im Finanzplanungsrat am 12.02.2002 auf einen "Nationalen Stabilitätspakt" geeinigt. Dabei werden dem Finanzplanungsrat gewisse Überwachungsfunktionen zugewiesen. Da der Finanzplanungsrat nur Empfehlungen geben kann, ist es fraglich, ob ein Nationaler Stabilitätspakt allein auf dieser Basis nachhaltig zu einem ausgeglichenen öffentlichen Gesamthaushalt führen kann. Die seit 2001 wieder deutlich ansteigenden öffentlichen Defizite belegen diese Auffassung. 



5. Prognoseszenarien bis zum Jahr 2025 (mit Ausblick auf den Zeitraum bis 2040)

(1) Wäre z. B. im Jahre 2006 damit begonnen worden, die aufgelaufenen jährlichen Zins-  und  Tilgungsverpflichtungen ohne Refinanzierung mit Krediten aus Eigenmitteln (Steuermitteln) zu erfüllen, hätte dies auf der Ebene des öffentlichen Gesamthaushalts etwa folgende finanzielle Auswirkungen gehabt: Unterstellt man, dass vom Schuldenstand Ende 2005 in Höhe von 1.520,7 Mrd.EUR ein Anteil von etwa 13% (Hinweis auf Abschnitt 1) tilgungsfällig wurde, ist dies ein Betrag von 197,7 Mrd.EUR. Hinzu kommen die fälligen Zinsausgaben in Höhe von ca. 64,0 Mrd.EUR. Die Schuldendienstrate hätte dann 261,7 Mrd.EUR betragen. Die Steuereinnahmen des Jahres 2005 (ohne Sozialabgaben) lagen bei 453 Mrd.EUR. Das entspricht einer Schuldendienstquote von ca. 58% der Steuereinnahmen. Der Zinsanteil (Zinssteuerquote) betrug 2005 aber „nur“ etwa ein Vietel davon (14,1%). Daraus folgt, dass die Erfüllung der vollen Schuldendienstverpflichtungen (Zins-  und  Tilgungsverpflichtungen) ohne Kreditfinanzierung nur aus Eigenmitteln (etwa 58% der Steuereinnahmen) nicht möglich gewesen wäre und auch künftig nicht möglich sein wird. Ein Zusammenbruch der öffentlichen Finanzwirtschaft mit allen negativen Folgen für Staat und Gesellschaft würde eintreten. Zur Abwehr solcher Folgen ist es nicht mehr zu vermeiden, dass Tilgungsausgaben langfristig weiterhin mit neuen Kreditaufnahmen refinanziert werden. Die Refinanzierung der Tilgungsausgaben stellt keine Neuverschuldung dar; der Schuldenstand erhöht sich hierdurch nicht, aber er wird wie bisher weiterhin „verewigt“. In der Literatur und in der Fachwelt ist man seit langem überwiegend der Auffassung, dass die Refinanzierung der Tilgungsausgaben und die damit verbundene „Verewigung“ der öffentlichen Schulden hingenommen werden muss, zumal der „verewigte“ Schuldenberg, sofern er nicht mehr steigt, im Laufe der Jahre und Jahrzehnte durch das BIP-Wachstum (mit seinen beiden Komponenten Preissteigerungs- und Wirtschaftswachstumsrate) „abgetragen“ wird und an Bedeutung verliert. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass auch die Refinanzierung der Tilgungsausgaben bei Zinssatzsteigerungen oder Turbulenzen auf dem Kreditmarkt kurz- und mittelfristig zu erheblichen Problemen führen kann. Bei allen nachstehenden Prognoseszenarien wird unterstellt, dass Tilgungsausgaben auch in Zukunft immer mit neuen Krediten refinanziert werden. Daher ist lediglich der Umfang der Neuverschuldung Gegenstand der Prognoseszenrien, denn die Höhe der jährlichen Neuverschuldung ist Kernpunkt der immer weiter ausufernden Staatsverschuldung.

(2) In allen Prognoseszenarien wird einheitlich von einer zukünftigen Durchschnittsverzinsung von jährlich 5,0% bis 2008 und 6,0% ab 2009 ausgegangen. Der Durchschnittszinssatz seit 1966 beträgt zwar etwa 6,8%. In den letzten 10 Jahren ist er jedoch auf rund 5% zurückgegangen. Da mittelfristig wieder mit einem Zinsanstieg gerechnet werden kann, wird in den Prognoseszenarien ab 2009 mit einem Durchschnittszinssatz von 6% gerechnet. In der Realität wird es aber in der Zukunft wie auch in der Vergangenheit unterschiedlich hohe Zinssätze geben, die das Ergebnis der Prognoseberechnungen nachhaltig beeinflussen und verändern. So ist z. Zt. das Zinsniveau z. Zt. noch außergewöhnlich niedrig. Dieser Umstand kann angesichts der Ungewissheit der zukünftigen Zinsentwicklung bei den Prognoseszenarien jedoch nicht berücksichtigt werden. Daher ist es angezeigt, für Prognoseszenarien einen einheitlichen Durchschnittszinssatz anzusetzen, der sich am Durchschnitt der Zinssätze im vergangenen Jahrzehnt und am gegenwärtigen Trend orientiert.

(3) Die Ergebnisse der Prognoseszenarien hängen aber nicht nur von der Höhe der Zinssätze, sondern auch von der Höhe der Steigerungsraten des nominalen BIP ab. Beim nominalen BIP handelt es sich um das Bruttoinlandsprodukt zu aktuellen  Preisen, also das Wirtschaftswachstum (reales BIP) und die Inflationsrate. Als Durchschnittssteigerungsrate bis 2025 ist in den nachfolgenden Szenarien in Anlehnung an den bisherigen mittelfristigen Durchschnitt ein Wert von ca. 2,5% bis 2008 und 3,0% ab 2009 fiktiv angesetzt worden. In den vergangenen Jahrzehnten war der Zinssatz durchschnittlich jährlich um ca. 3,0% bis 3,5% höher als die BIP-Steigerungsrate. Die im Vergleich mit den tatsächlichen Eckdaten der letzten Jahre (niedrigere Durchschnittszinssätze und niedrigere BIP-Steigerungsraten) für die Prognoserechnungen verwendeten höheren Eckdaten ändern nichts an der grundsätzlichen Aussagekraft der erzielten Langzeitergebnisse. Insoweit handelt es sich bei den Prognoseszenarien nur um Modellrechnungen in Anlehnung an Durchschnittswerte aus vergangenen Jahrzehnten, die bei kurzfristig über- oder unterdurchschnittlichen Zinssätzen und BIP-Steigerungsraten in der Realität zu einem anderen Verschuldungsverlauf führen.

(4) Für die modellhaft errechneten Zinssteuerquoten ist von Bedeutung, wie hoch die durchschnittliche Steigerungsrate bei den Steuereinnahmen angesetzt wird. Der Anteil der Steuereinnahmen am BIP ist seit ca. 1981 relativ konstant. Solange Reformen nicht zu einer Anteilsverschiebung führen, ist dies nicht verwunderlich, weil die Höhe dieser Positionen naturgemäß stark vom BIP abhängt. In den nachfolgenden Szenarien ist daher der Anteil der Steuern am BIP weiterhin konstant gehalten, indem dieser für 2006 mit einem Anteil von 21% und ab 2007 von 22% des BIP gerechnet wurden. Die Möglichkeit oder sogar Wahrscheinlichkeit künftiger Veränderungen z. B. im Steuerrecht und Sozialrecht wurde in den Modellrechnungen nicht berücksichtigt. Da es sich um Szenarien mit stark unterschiedlichen Basisfiktionen handelt, ändern auch stärkere diesbezügliche Veränderungen nichts an der grundsätzlichen Aussagekraft der Prognoseergebnisse.


5.4 Die Inflation als Ausweg ?

Es gibt Auffassungen, wonach ein kräftiger Inflationsschub den bisher angehäuften Schuldenberg und die darauf zu leistenden Zinszahlungen in Relation zum gestiegenen Preisniveau abbauen würde. Eine solche Wirkung stellte sich beispielsweise auf dem Privatsektor ein für die Beschaffung von Haus- und Grundbesitz Ende der sechziger Jahre. Der Inflationsschub in den siebziger Jahren führte zu einer überdurchschnittlichen Erhöhung des Preisniveaus, aber auch der Einkünfte. Die Schulden und der Schuldendienst für Investitionen Ende der sechziger Jahre reduzierten sich relativ zum gestiegenen Preis- und Einkommensniveau; die Investoren waren Nutznießer der Inflation. In der Buchfassung wurden die vorstehenden 3 Szenarien unter Inflationsbedingungen (Zinsausgaben jährlich 15%, BIP-Steigerung jährlich 10%) gerechnet und die für 2025 errechneten verschuldungsrelevanten Daten gegenübergestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Inflationsschub niemals ein Ausweg für eine Entschärfung des Verschuldungsproblems sein kann.



6. Lösungsansätze zur Befreiung aus der Schuldenfalle

In den nachstehenden Abschnitten werden regelungs- und finanzpolitische Lösungsansätze aufgezeigt. In der Buchfassung sind diese wesentlich ausführlicher und differenzierter dargestellt. Insbesondere sind darin auch Formulierungsvorschläge zu Verfassungs- und Gesetzesänderungen enthalten.


6.1 Regelungspolitische Lösungsansätze

(1) Eine wesentliche Voraussetzung für eine Konsolidierung der öffentlichen Finanzen ist eine haushaltstechnische Darstellung der Kreditfinanzierung und -abwicklung, die den mathematisch-gesetzmäßigen Zusammenhängen Rechnung trägt und ausweist, wozu die Kreditfinanzierung dient, nämlich der Refinanzierung der Tilgungsausgaben und - abhängig von der Höhe der erwirtschafteten Primärüberschüsse - der anteiligen Finanzierung der Zinsausgaben. Es genügt nicht, dass nur in der Fachliteratur mit Primärsalden (Primärüberschüsse bzw. -Primärdefizite) gerechnet wird. Diese müssen auch in den Haushaltsplänen und Haushaltsrechnungen bzw. in ihren Anlagen ausgewiesen werden, da nur eine solche Rechnung offen darlegt, dass die Kreditfinanzierung aus sich selbst heraus jährlich immer größere Haushaltsdefizite erzeugt.

(2) Für die Form einer solchen veränderten Darstellung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Da die Kreditfinanzierung nicht mehr originär der Haushaltsdeckung, sondern nur noch der eigendynamisch wachsenden Finanzierung der von ihr selbst erzeugten Lasten (Altlasten,  Erblasten) dient, sollte sie in einem aus den Haushaltsplänen herausgelösten Kreditabwicklungsfonds dargestellt werden. In den Haushaltsplänen wären dann nur noch bei einem hierfür vorzusehenden Ausgabetitel die Zuschüsse (Primärüberschüsse) zu veranschlagen, die an die Kreditabwicklungsfonds zum Ausgleich ihres Defizits aus Haushaltsmitteln zu leisten sind. Die Kreditabwicklungsfonds müssten - je nach Gestaltung eines Sanierungskonzeptes - kurz-, mittel- oder langfristig wie folgt finanziert werden: mit abnehmender Tendenz durch Neuverschuldung bis zur Rückführung auf  Null, langfristig durch Refinanzierung der Tilgungsausgaben und mit zunehmender Tendenz durch Zuschüsse aus dem Haushalt bis zu ihrer Verstetigung in Höhe der Zinsausgaben, wenn die Neuverschuldung auf  Null zurückgeführt ist. Die ohne Neuverschuldung konstant bleibenden Zuschüsse aus dem Haushalt und konstant bleibenden Tilgungsausgaben reduzieren sich dann in Relation zum wachsenden BIP von Jahr zu Jahr. Entsprechend nimmt der finanzpolitische Handlungsspielraum der öffentlichen Gebietskörperschaften von Jahr zu Jahr wieder zu.

(3) Die Kreditabwicklungsfonds dienten dann nur noch der Altlastfinanzierung des Schuldendienstes. Sie wären dann vergleichbar mit dem "Kreditabwicklungsfonds" und dem "Erblastentilgungsfonds" innerhalb der Nebenhaushalte des Bundes, in denen u.a. die Altschulden der früheren DDR verwaltet werden.

(4) Sollte es im Zuge der weiteren Entwicklung zur einer dringend notwendigen Reform der öffentlichen Verschuldung kommen, wäre eine zentralisierte Bedienung solcher Kreditabwicklungsfonds auf Länder- oder Bundesebene vorteilhaft. Für die Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation solcher zentralen Lösungen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Denkbar wäre z. B. die bundeszentrale automatisierte Führung und Bedienung der Kreditabwicklungsfonds aller zum öffentlichen Gesamthaushalt zählenden Gebietskörperschaften und ihre Kumulierung und Steuerung in einem übergeordneten Zentralfonds. Die Belastungen aus der zentralen Finanzierung und Abwicklung könnten dann über den Finanzausgleich anhand besonderer Schlüssel auf die einzelnen staatlichen und kommunalen Gebietskörperschaften im Verhältnis ihrer in den zentralen Fonds eingebrachten Schuldenstände aufgeteilt werden.

(5) Eine auf Bundesebene zentralisierte Bedienung solcher Kreditabwicklungsfonds könnte wegen der größeren Volumina zudem nicht unerhebliche Zinsvorteile zu Gunsten der Bundesländer insgesamt, der Gemeinden / GV und Zweckverbände in Deutschland erbringen.

(6) Etwaige Bedenken dahingehend, dass durch eine auf Bundesebene zentralisierte Bemessung und Abwicklung der Verschuldung in Kreditabwicklungsfonds das Budgetrecht der einzelnen Gebietskörperschaften zu stark beschnitten würde, können und müssen zurückgestellt werden, weil die Vorgaben durch die Maastrichter Konvergenzkriterien insoweit die Budgetrechte ohnehin einschränken. Aber auch ohne die Maastrichter Referenzwerte müssten die Budgetrechte der öffentlichen Gebietskörperschaften im Hinblick auf ihr Verschuldungsgebaren eingeschränkt werden, weil die dringend erforderliche Reform der öffentlichen Verschuldung in Deutschland auf andere Weise nicht zu erreichen wäre.

(7) Die Neuverschuldung bisheriger Handhabung sollte per Verfassungs- und Gesetzesänderungen verboten und ersetzt werden durch eine reformierte kurz- bis mittelfristige öffentliche Verschuldung, die sich ausschließlich am Liquiditätsbedarf infolge technisch oder gesamtwirtschaftlich bedingter Liquiditätsengpässe orientiert. Bei nachhaltigen gesamtwirtschaftlichen Veränderungen müssen die jährlichen und mittelfristigen Haushaltsplanungen die kassenmäßig erzielten Defizite oder auch Überschüsse wieder ausgleichen, d. h. Überschüsse müssen in einer "Konjunkturausgleichsrücklage" angesammelt werden, damit Defizite zunächst daraus abgedeckt werden können. Reicht der Bestand der Konjunkturausgleichsrücklage zur Deckung des Defizits nicht aus, müssen kurzfristige Kredite aufgenommen werden, deren kurzfristige Abwicklung (Zins-  und  Tilgungsleistungen) in den Haushaltsplanungen für die Folgejahre berücksichtigt werden muss. Die Finanzreform in den sechziger Jahre hat mit dem Stabilitätsgesetz vom 08.06.67 ein solches Procedere bereits vorgesehen. Dass diese Reform gescheitert ist, hängt mit der falschen Handhabung dieses Gesetzes zusammen, indem zur Förderung des Wirtschaftswachstums aufgenommene Kredite in konjunkturell günstigen Zeiten wirtschaftlich niemals wieder getilgt wurden, was zum defizitären Zinseszinswachstum beigetragen hat.


6.2 Finanzpolitische Lösungsansätze

Es werden vielfältige Ratschläge und Thesen propagiert, wonach bestimmte finanzpolitische Maßnahmen wie die Erhöhung oder Senkung von Steuern und Abgaben und / oder die Erhöhung oder Senkung der öffentlichen Ausgaben (Sparen) das Allheilmittel für eine Ankurbelung des Wirtschaftswachstums wären und eine Rückführung der jährlichen Neuverschuldung nach den Vorgaben des EU-Stabilitäts- und Wachstumspaktes garantieren würden. Alle vorstehend genannten finanzpolitischen Lösungsansätze haben Vor- und Nachteile in Abhängigkeit von den jeweils vorherrschenden Konjunkturlagen. Der richtige Ansatz zur Lösung konjunkturbedingter Krisen ist nicht eine defizitorientierte, sondern eine überschußorientierte antizyklische Haushalts- und Finanzpolitik in Übereinstimmung mit den Zielen des EU-Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Es geht kein Weg daran vorbei: Deutschland darf in Krisenzeiten mit den Instrumenten einer antizyklischen Haushalts- und Finanzpolitik zur Ankurbelung der Wirtschaft erst dann mit Steuersenkungen und ggf. einer Erhöhung der öffentlichen Ausgaben eingreifen, wenn die Neuverschuldung auf Null zurückgeführt worden ist. Die kurzfristige Erreichung dieses Zieles hat -unabhängig vom Wirtschaftswachstum-  zur Vermeidung noch größerer Belastungen in der Zukunft unbedingten Vorrang. Als Vorraussetzung dafür müssen vordringlich die ordnungspolitischen Lösungsansätze realisiert werden. Die Sparopfer bzw. höhere Belastungen, die zur Erzielung ausgeglichener Haushalte zu erbringen sind, müssen vorübergehend in Kauf genommen werden.


Levitating Stone
(Hinzugefügt)




Erstellt 2006. Update 12. Juli 2007
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Fortsetzung 

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.http://www.diw.de/diwwbd/98-46-1.html#HDR0http://www.bundesregierung.deshapeimage_1_link_0shapeimage_1_link_1
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