Die vier Apostel: 2 + 1 Tafeln - Part 6           Copyright 1999-2007 Wolfgang Timm
 
Bild oben Konstruktion Volker Ritter. Die Vier Apostel 2 + 1 Tafeln. München und Lempertz

Fortsetzung

Das Individuelle

Das Wesen des Individuellen besteht für die moderne Psychologie in der Einmaligkeit von Charaktereigentümlichkeiten einer Person. Dieser Individual-Charakter kommt in der nie wiederkehrenden Individualphysiognomie zur Erscheinung. Dürer war sich des Individualitätsprinzips im modernen Sinne bewusst: "Und wiewohl viel von Unterschied geredet, so weiss man doch wohl, dass alle Ding selbst voneinander unterscheiden. Also dass kein Künstler lebt, der so gewiss sei, der da zwei Dinge so gleich aneinander macht, dass sie nicht voneinander zu erkennen wären". (S.356).

Es wurde schon darauf hingewiesen, dass der Sonderfall unsern Meister weniger anzog, als das Typische. Zudem lässt sich das Individuelle, wie bereits erwähnt, als irrationales Element nicht mathematisch fixieren. Nichtsdestoweniger war er ein scharfer Beobachter des Individuellen, weil aus der Feststellung vieler Einzelfälle erst das übereinstimmend Allgemeine herausgefunden werden kann. Am deutlichsten kommt das Individuelle im Kopfbau und Gesichtsausdruck zum Vorschein, daher für die Erschließung Individuellem dieselben auch vornehmlich herangezogen werden.

Bewundernd äußerte Dürer über das menschliche Antlitz, "was seltsamer Rundung es hab, desgleichen die andern Ding". (S.223) (Gesichtsorgane, d. Verf.) Es finden sich im Text an verschiedenen Stellen eine Anzahl physiognomischer Angaben über einzelne Kopfteile, welche zu zitieren nicht versagt sei. Über den Gesamtausdruck wird gesagt "Merk auch, dass etliche Menschen haben in ihrem Angesicht grosse Gepräg, das ist, dass die Augen, Nasen, Mund und Kinn es wohl ausfüllen. So haben Etlich kleine Gepräg von diesen obgemeldeten Dingen". (S.214) Es gäbe lange und kurze Angesichter. Über die Profilgliederung ist unten eingehender geschrieben.

Dürer berichtet von langen, kurzen, breiten, schmalen oder grubeten Stirnen; flachen, spitzen, eckigen Oberköpfen; glatt anliegenden und abstehenden Ohren, deren Vierung (gemeint ist die Konstitution des Rechtecks, in welcher Dürer die Ohren hineinzeichnete) ganz, lang, kurz, breit, schmal, groß, oder klein sein kann; großen, hocket langen, überhängenden, ganz kurzen, murreten, aufgeworfenen, dicken, kolbigen, breiten, schmalen, spitzen, krummen, schlichten, zwischen den Augen tief eingedrückten oder hervortretenden Nasen; weiten, engen, kleinen Naslöchern; engen, weiten, hohen kolbeten Mäulern mit eingebissenen dünnen Lippen, vorstehenden dicken Ober- oder Unterlippen, kurzen oder langen Oberlippen; ungleich breiten, schmalen gespaltenen Kinnbacken; beschorenen, krausen, schlichten, dicken, dünnen, langen, kurzen, lockigen, gestrählten, trockenen oder nassen Haaren; tiefen kleinen Äugelein oder hohen grossen bolzenen Augen. "Etlich tun ihre Augen eng auf wie ein Schwein und ziehen etwas ihr unters Lid mehr über sich, dann die obern unter sich. Auch sind etlich, die zerren ihr Augenzirkel weit auf, also dass man in den ganzen Augstern sieht. Dann sind etlichen ihre Augbrauen hoch erhaben ob den Augen, den Andern liegen sie gar darauf oder hangen ihn darüber, und sind etlichen Augbrauen dünn, die andern dick". (S.212) "Dann kann man ein Bild machen, dem der Saturnus oder Venus zu den Augen herausscheint." (S.247) Dies mag genug sein an Beispielen.

Die Kunstgeschichte lehrt, daß mit der Profilstellung der menschlichen Gestalt begonnen wurde. Auch die ersten wissenschaftlichen Einteilungsversuche des Kopfes wurden am Profil vorgenommen. Dürer glaubte drei Hauptprofile unterscheiden zu können: "Dann findet man, dass dreierlei Unterschied der Ansicht nach der Seiten zu sehen sind, nämlich ein schlichtes ebenes Angesicht, ein ausgebogenes als die Hasenköpfe und ein eingebogenes". (S.211) (Abb. Nr.14) Diese Klassifizierung ist heute nicht mehr bräuchlich. Für die Gesamtprofildeutung ist auf der Grundlage des "Camperschen Gesichtswinkels" weitaus besseres zu leisten.

Anmerkung Timm: Vergleiche Hauptwerk, hier in Rubrik „Hören, „Vier Bücher“, „Hauptwerk“ und „Original“.

Vom Verfasser Lips vereinfachte Zeichnungen. Fortlassung von Konstruktionslinien

Aber eine andere Dreiteilung hat ihren Wert seit dem Altertum behalten: Die schon (S.60) erwähnte Dreigliederung des Gesichtsprofiles, (Obergesicht) vom Haaransatz bis zur Nasenwurzel, von hier bis zur Nasenspitze (Mittelgesicht), und von hier bis zum Kinnende (Untergesicht)

Profile

Beim Tier lässt sich diese Dreiteilung nicht so eindeutig vornehmen, wie beim Menschen, mithin ist diese Regel der Formbildung eine Gattungseigenschaft des Menschen. Sie wurde von altgriechischen Künstlern als Kanon für die Gestaltung menschlicher Gesichtszüge bei ihren Göttern bewusst zur Anwendung gebracht in der jeweiligen Möglichkeit der Längenverhältnisse. Natürlich war diese Dreiteilung auch den Renaissancemeistern geläufig. Von einem Leonardoschüler, Pomponius Gauricius ist eine erste allgemeine Charakteristik der einzelnen Abschnitte überliefert in dessen Schrift "De sculptura" 37 aus dem Jahre 1504: "So besteht das Gesicht selbst aus drei Teilen. Der eine geht vom Beginn der Stirn, wo die Haare ansetzen bis zu den Intercilien zwischen den Augen, der zweite von hier zum unteren Ende der Nase, der letzte von der Nase bis an das Kinn".

Carl Huter: Weltall mit Äußerlichkeit und Innerlichkeit des Raumes
Quelle: DgM Nr. 16. Hrsg. A. Kupfer. 1934

Der erste ist der Sitz der Weisheit, der zweite der Schönheit, der dritte der Güte. Dürer war das Pomponius Werk bekannt. Lavater hat später eine andere, allgemeine Charakteristik der drei Hauptabschnitte gebracht im ersten Band seiner "Physiognomischen Fragmente". Seine im Prinzip haltbare Deutung hat Carl Huter um 1900 durch physiologische Begründungen naturwissenschaftlich unterbaut. Aber erst eine moderne Physiologie der Naturwissenschaft auf den die Kunst basiert haben wir Carl Huter zu verdanken, die dieser nach seinem Psycho-Physiogno-mischen Kanon zu Grunde legte.

Physiognomische Fragmente                   Johann Caspar Lavater

Da dieser Kanon bei der Deutung der Apostel zur Anwendung kommt, ist darauf hinzuweisen, dass im Obergesicht die Kraft des Oberbewusstseins, im Mittelgesicht die des allgemeinen Feingefühls, der Grad der Sensibilität, und im Untergesicht die Beschaffenheit des unterbewusst Triebhaften zum Ausdruck kommt. Die verhältnismäßige Länge eines Teiles gegenüber den andern Teilen bietet eine mathema-tische Handhabung zur Deutung: je länger eines der Teile, desto stärker macht sich die entsprechende Seite des Charakters in der Lebensführung bemerkbar. Eine gleichwertige Aufteilung ist mithin ebenso Ausdruck einer bestimmten Charakteranlage, wie eine verschiedenwertige. Was ein verhältnismäßiges großes Obergesicht symbolisiert, ein starkes Oberbewusstsein u.s.w.

Im Proportionswerk hat Dürer zunächst einen Kopf mit einer Profilgliederung gebracht, deren Abschnitte von gleicher Länge sind, als je 1/3 einnehmen an Raum: es ist das Verhältnis von 1:1:1.

Albrecht Dürer: Die vier Bücher von der menschlichen Proportion. 1528

Dieser Kopf ist eine Bezugsfigur für seine Gesichtsdarstellungen, sofern sie Abwandlungen bedingen. Er ist auch gültig für die Kopfgliederung der vier Apostel. Dürer hat aus pädagogischen Gründen mehrere Male eine Anzahl von Köpfen als Proportionstypen in der Seitenansicht konstruiert, deren Profilabschnitte verschiedenwertig sind. Die Variationen sind durch Querlinien gekennzeichnet: "Rückt man die Linien nahe zusammen, so werden die Teile dazwischen kurz. Wo man sie aber weit voneinander ruckt, dazwischen werden lange Teile" (S.226)

Albrecht Dürer: Die vier Bücher von der menschlichen Proportion. 1528

Mit dem Verschieben der Querlinien nach oben oder unten ist aber noch nicht alles getan, wenn auch hierdurch schon gewisse Charaktereigentümlichkeiten gekennzeichnet sind. Die Umrisse von Stirn, Nase, Mund und Kinn können bei einer Übereinstimmung zweier Profile noch sehr verschieden sein und verraten dann ebenfalls charakterologische Unterschliedlichkeiten. Hierfür hat Dürer aber keine Konstruktionsmöglichkeiten angegeben, sondern auf das persönliche Talent, das intuitive Vermögen des Malers oder Bildhauers verwiesen. Wie er auch so manches Andere, was zu einer eindeutigen Charakteristik im Bilde gehört, wie z.B. bei seinen Aposteln nicht besprochen hat.


Auf den folgenden Abbildungen ist Typisches auf einfachste Weise formuliert:

Stärke
Die Gesichts- und Schädelknochen sind hart und fest. Besonders die Kinn und Kieferknochen sind abnorm groß und in energischer Spannung. Es ist der Typ des Knochenmenschen, dem große Widerstandsfähigkeit und körperliche Stärke eigen ist. Es ist eine gefühlskalte Natur. Das Untergesicht ist am größten von den drei Abschnitten.

Schwäche
Die Gesichts- und Schädelknochen sind weich und von geringer Spannung. Das kleine Kinn, das kleine Ohr, die lange, aber eingebogene Nase verraten geringe Widerstandsfähigkeit, Weichlichkeit, Furchtsamkeit, Energielosigkeit. Es ist eine gefühlvolle Natur. Das Obergesicht ist am größten.

Unreife
Die unbestimmten, unentwickelten Organformen mit dem weichen, massigen Untergesicht, und vor allem der zu kleinen Nase und dem zu kleinen Ohr, weisen auf den Angehörigen eines unentwickelten, noch auf niedriger Kulturstufe stehenden Volkes. Das Mittelgesicht ist hier am kleinsten.

Überreife
Die viel zu große Nase, welche tief nach unten geht, die zu schmalen Lippen und die zu großen, verformten, spitzen Ohren kennzeichnen den überentwickelten, degenerierten Nachkommen eines uralten, sich kulturell auf dem Abstieg befindlichen Volkes. Das Mittelgesicht nimmt hier den breitesten Raum ein.

Mephisto
Durch eine einfache Konstruktion, nämlich durch das Hineinkomponieren der Gesichtsteile in ein schräg nach unten gezogenes Liniennetz ist das Typische des teuflischen, höchster Boshaftigkeit fähigen Menschen vorgeführt.

[Anmerkung Timm: Vergleiche Personen aus dem Leben, Beispiel: Medienmogul Leo Kirch = Mephisto-Naturell]

Außer den hier abgebildeten, schematisierten Charakteristiken findet man sowohl im Proportionswerk, wie auch in den Vorarbeiten zu demselben, dass Dürer den seltsamsten und wunderlichsten Charaktere wie Geisteskranke, erblich Belastete findet man unter den Wiedergaben der Lippmannsammlung. Zu diesen Kopftypen äußerte J. Giesen: "-- eine Unzahl von physiognomischen Variationen, die aber bei Dürer lediglich formal behandelt sind und niemals zu einer physiologischen Ausdeutung benutzt wurden".38  Diese Auffassung wirft ein Schlaglicht auf die Haltung der modernen Kunstforscher zur Physiognomik. Was es mit dem "lediglich formal behandeln" auf sich hat, haben wir oben schon kritisiert. Den Gipfel der Unlogik erreicht Giesen mit den anschließenden Worten: "Die rhombische Verschiebung des Kopfquadrates, wodurch der Kopf nach hinten hochgezogen wird, bringt eine Art «Mephistokopf» hervor". Ist denn die Feststellung "Mephistokopf" keine psychologische, oder wie Giesen sich unglücklich ausdrückt, physiologische Ausdeutung?

Man kommt auch hier wieder zu dem Ergebnis, dass die nötigen physiognomischen Kenntnisse fehlen. Da, wo man intuitiv zu charakterisieren in der Lage ist, hat Dürer mit einem Male keine formalen Absichten gehabt, sondern physiognomisch-technische Vorarbeit geleistet. Wie an den besprochenen Profilen gezeigt ist, hat nicht nur der "Mephistokopf" psychologischen Wert, sondern sämtliche andern Konstruktionen auch.

An einer anderen Stelle seines Buches spricht Giesen von "großem Typenschatze" Dürers. Zu welchem Zweck mag Dürer denn diese wohl geschaffen haben, wenn nicht zum kunstpraktischen Gebrauche, was er doch ausdrücklich in der Einleitung seines Buches sagte. Man stelle sich die vier Apostel einmal ohne Bart, Brauen, Kopfhaare, Gesichtsfalten, Mimik und Farbe vor. Vielleicht reduziert auf dem Schema der Proportionszeichnungen gemäß, dann vergleiche man die verschiedenen Profilabschnitte untereinander, so wird man schon Dürers praktisches Vorgehen vom Schema bis zum ausgeführten Kunstwerk überblicken. Dass Dürer die gleichwertige Dreiteilung des Profils als Bezugsmaß galt, ist an einer Anzahl männlicher und weiblicher Profilreihen zu belegen. Die hier abgebildete stammt aus dem Jahre 1515 und befindet sich im Pariser Privatbesitz. Im ersten Kopf sehen wir die Norm als Bezugsfigur. Bei den folgenden Gesichtern sind typische Abwandlungen "Verkehrungen" sagte Dürer in den Haaren, der Stirn, den Augen, der Nase, dem Mund und den Kinnformen skizziert. Bei den vier Aposteln ist eine solche Nebeneinanderordnung von Köpfen kompositionell angewendet. Im Lichte der modernen Ausdruckswissenschaft sind die vier Köpfe unserer Studie in großen Zügen folgender-maßen zu deuten.

Albrecht Dürer: Vier Profile

Die Formen des vordersten Kopfes sind kraftvoll und schön modelliert. Die Nase ist geradlinig, die Oberlippe springt vor, das Kinn ist gerundet. Das Profil erinnert an das "griechische", das heißt, es offenbart Seelen- und Körperadel. Die Stirn ist vorbildlich aufgebaut als Ausdruck eines hochentwickelten Verstandes. Der Kopf ist vor geneigt, was gleichfalls wie der gespannte Blick, mit intensiver Denktätigkeit verbunden ist. Die Haare sind gelockt.

Beim zweiten Profil sehen wir in den unförmigen, wulstigen zu massigen Formen, der abnormen Stirn, der Stülpnase, der Kropfbildung und den unnatürlich beschaffenen Haaren die Merkmale ererbter materieller Belastung. Der Augenausdruck wirkt verblödet. Das Untergesicht ist viel zu groß. Nur Beschränktheit, Stumpfsinn und Unnatürlichkeit des Gefühls- und Trieblebens kann hinter solch einer Physiognomie wohnen.

Dann folgt ein Gesicht, dessen massige Mundregion, hochgezogenes dickes unteres Augenlid, tierfellartiges Haar, schwammige dicke Haut ein Sinnbild ungezügelter Genusssucht und tierischer Triebhaftigkeit ist.

Der letzte Kopf ist nach hinten geneigt, das Kinn ist vorgestreckt, auch Unterlippe, Nase und Augen drängen vor, markante Spannung liegt über den Zügen. Es ist der Typus des impulsiven, energischen Draufgängers. Sämtliche besprochene Profile zeigen, dass deren Teile sich wohl "vergleichen in ihrer Versammlung".

Sobald man die psycho-physiologische Funktion jedes der drei Teile kennt, ohne welche Voraussetzung die Proportionszahlen wertlos sind, wird man begreifen können, wie man damit vom Allgemeinen ausgehend das Besondere der Variationen der Lebenwirklichkeit bewerten kann. Dürers Kopfkanon erweist sich, wie wir gezeigt haben, als ein über-individueller Propor-tionsschlüssel, der in der modernen Physiognomik immer noch brauchbar ist.

Schließlich ist noch ein Holzschnitt von größtem Interesse für eine Buchillustration den Dürer 1498 zeichnete. Es stellt einen phrenologischen Studienkopf dar. Er wurde bereits von E. Reiche in den "Jahrbüchern der kunsthistorischen Sammlung", Wien 1911 S.238 abgebildet und besprochen:" Dir. Dr. Dörnhöffer in Wien machte mich darauf aufmerksam und sprach zugleich die Vermutung aus, dass der Holzschnitt wohl von Dürer herrühren könne, der seinen Freund hier als Beispiel gewählt habe". (Abb.) W. Kurth schrieb 1927 dazu: Diese interessante Illustration zu einer Art Phrenologie hat Dörnhöffer auf Dürer bestimmt und auf die Ähnlichkeit des Kopfes mit Dürers Freund Prinkheimer hingewiesen".39

Albrecht Dürer: Phrenologischer Studienkopf

Thausing wandte sich gegen die Behauptung, dass bei Dürer normierende Absichten vorlägen: "Dabei ist er weit entfernt, allgemein gültige Normen, oder gar einen bestimmten Kanon für die Maßverhältnisse des menschlichen Körpers aufstellen zu wollen".40 Ob Dürer für den Gesamtkörperbau der Gattung einen Maßstab, der Allgemeingültigkeit beansprucht, schaffen wollte, ist kaum anzunehmen, denn für seine differenzierte Typenlehre muss er so viele Normen haben, als er Grundtypen aufstellte. Dass er überhaupt nicht an eine Norm gedacht haben soll kann daher nicht zu gegeben werden, denn er muss doch für seine anthropometrischen Absichten einen Ausgangspunkt haben, und ohne verallgemeinernde (überindividuelle) Normierung als Richtschnur ist weder ein wissenschaftliches, noch kunsttheoretisches Lehrbuch denkbar. Dürer hat nicht umsonst Jahrzehnte geforscht und an seinem Werk gearbeitet.

Allerdings muss man zum Verständnis seiner Lehren nicht die antik-humanistische Körperkanonlehre, sondern die neuzeitliche Naturelltypenlehre heranziehen. Wohl hatte er für den Kopfbau allgemeine Gesetzmäßigkeiten im Auge, aber nicht für den ganzen Körperbau. So ist die uralte Dreiteilung des Kopfprofiles kanonisch als Bezugsfigur von ihm benutzt worden, während er für den Körperbau mehrere Typen aufstellte.

Die Wiedergabe von Einzelzügen bei Bildnisschöpfungen Dürers hat mit zunehmendem Alter eine immer größere Differenzierung erfahren. Sogar die Feinheiten der Haut hat er mit fast mikroskopischer Schärfe zu malen verstanden, wie er auch forderte, dass der Maler die allerkleinsten Runzeln und Ertlein nicht auslassen sollte. Die unmittelbaren Auswüchse der Haut, nämlich die Haare, hat er mit unübertroffener Virtuosität geschildert. Aber er gilt nicht nur wegen seiner Fertigkeit jedes einzelnen Kopf- oder Barthärchens als der berühmteste Haarmaler, sondern auch wegen der Fähigkeit, ihre Beschaffenheit physiognomisch deuten zu können. Oben wurden einige Beobachtungen darüber aufgezählt.

Haar- und Hautstudien im Sinne der Physiognomik sind bei Dürers Malereien, Stichen, Zeichnungen besonders Erfolg versprechend. Bei den Deutungen der vier Apostel findet man Charakteristiken der Haare.


Die Ausdrucksbewegungen 

Aber nicht nur die Formen und Proportionen der Gestalt, auch die Bewegungen derselben haben Dürers Aufmerksamkeit herausgefordert. Das vierte Buch der Proportionen ist den Gebärden und Körperhaltungen gewidmet. Dürer nennt sie die "Biegungen". Er sucht die formalen Körperbewegungen in ihren Funktionen der Glieder, Gelenke, Haut und Muskeln zu beschreiben, und geht dann auf die Psychologie derselben ein: "Nun tut weiter not, dass man unterschiedlich und verständlich von solchem Biegen redet, deshalb ist zu merken: Alles das zu solchem Biegen gehört und notdürftig, ist mit besonderem Fleiss acht zu nehmen, damit man ein jegliches Ding (auf den Kunstwerken, d. Verf.) kann biegen und stellen ernstlich und lieblich. Dann zum Ernst muss man ein grimme Stellung brauchen und zu der Lieb ein freundliche. Und darum was dem Biegen zugehört und anhängt, das vernimm recht in deinem Gebrauch".

Albrecht Dürer: Das vierte Büchlein

"Aus diesen obbeschriebenen Dingen magst du deinen Bildern eine Gebärde machen, wie du willst, dazu es dir dienlich soll sein allein, daß es der Natur gemäß sei. Dann wunderlich ist zu merken, daß ein jedes übertriebenen Ding steht übel. Darum soll man diesen Dingen weder zu viel noch zu wenig tun, denn die Gebärden wurden zu grimmig oder gar zu faul. Es wär dann Sach, daß einer mit Fleiß freche oder schläfrige Bilder wollte machen".41  An einer anderen Stelle steht noch als Ergänzung: "Dann so einer der Schönste wär und träte daher wie ein Pfeil, so spräche man, er wäre ungeschickt. Darum wird nötig sein, daß ein jeder Maler oder Bildhauer eine liebliche Gebärde wisse in die vorgemachten Masse zu bringen. Dann durch die Stellung mag ein Ding (in der Bildkomposition, d. Verf.) besser oder böser werden".42  

Bewegungen, Mimik und Gebärden, zu den Charakteren seiner Gestalten passend, hat Dürer meisterhaft oft mit virtuosen Schwung zu bringen verstanden. Erinnert sei an das tanzende Bauernpaar, die vier Apostel, an die agilen Figuren seiner Holzschnitte und Randzeichnungen im Gebetbuche Kaiser Maximilians. Äußerst ungerecht war daher des Michelangelo-Biographen Candivi Erklärung: "Ich weiß wohl, dass er (Michelangelo) Dürer liest, aber er erscheint ihm sehr schwach, da er im Geiste sieht, wie viel schöner und nützlicher sein eigener Entwurf über den gleichen Gegenstand wäre. Dürer handelt freilich auch nur von den Maßen und der Verschiedenheit der Körper, wofür man keine festen Regeln aufstellen kann und macht seine Figuren steif wie Pfähle. Über das Wichtigste aber, über die menschlichen Gebärden und Bewegungen spricht er kein Wort". Letztes ist, wie das obige Zitat beweist, ein Irrtum. Die vielfach zu beobachtende gerade, gespannte, statuenhafte Körperhaltung, vieler Figuren Dürers, wurzelt in einem hochachtbaren Charakterzug des Meisters, nämlich in seiner Standhaftigkeit, Willensfestigkeit, seinem aufrechten Wesen.

Dürer verteidigend äußerte Wölfflin: 43 "Der ehrenhafte Mann ist der senkrechte Mann". Diese Erscheinung darf man keineswegs als starr oder steif werten. Außerdem ist noch zu bedenken, daß Dürer eine größere Vorliebe für das Statische, Dauernde und Konstante in Physiognomie und Gestalt hegte, als für das Dynamische, Transitorische (vorübergehende) Augenblickliche, was in Bewegung und Gebärden vor sich geht. Daher auch das Hauptstück von Standfiguren in allen Bildern der Passion, auch bei den vier Aposteln. Wölfflin äußerte: "Ich sage nicht, dass ihm die andere Seite mangelte, allein die Versuche, den Wellenschlag eines reichen, raschen Geschehens mit dem Griffel zu fixieren, sind ebenso selten, wie die Beschäftigung mit der Bewegung überhaupt". Und (S.268): Sein Sinn ging viel zu sehr auf das Typische und bleibende, als dass er mit hurtigen Umblick die wechselnden Erscheinungen des Lebens hätte abspiegeln können". Hans Kaufman hat Dürers Bemühungen ebenfalls zu würdigen gewusst: "Seine Ausführungen im vierten Buche der Proportionslehre können wir an seine bildnerischen Leistungen anknüpfen. Die Bewegungsschemen, die er dort zur Erläuterung seines beschreibenden Textes gezeichnet hat, hat er in seinen künstlerischen Schöpfungen beseelt und die Steigerung der Gebärden durch verschiedene Stärken der Empfindung oder des Affektes motiviert".

Dürer wollte mit Hilfe seiner Liniensysteme nicht Bewegungszustände konstruieren, sondern die Veränderungen der Lageverhältnisse der Organe eines Körpers deutlich machen, die durch die Bewegungen bewirkt werden. Er wollte zeigen, wie bei der Bewegung eines oder mehrerer Glieder die Maßverhältnisse (Im Vergleich zur Ruhestellung seiner Proportionsfiguren im I. und II. Buche) sich verändern und verschieben, nicht aber durch Veränderung der Maßverhältnisse Bewegungsformen eruieren.44 

Michelangelo: Ausschnitt Jüngstes Gericht - Minos

Michelangelo allerdings konnte sich wiederum nicht genug tun in der Darstellung von Ausdrucksbewegungen, während die Neigung für das physiognomisch Konstante bei ihm zurücktrat. So sieht man unter den sehr zahlreichen Figuren im "Jüngsten Gericht" fast nur den Höllenfürsten Minos bei den durch abnorme Ohren, sexuelle Entartung und Boshaftigkeit, ein tierisches Gebiß, Wildheit und durch seinen viel zu stark entwickelten oberen Hinterkopf (Herrschsucht) motiviert für seinen Charakter als Höllenfürst. Während alle übrigen, Gute und Böse für ihre Verdammung oder Seligsprechung nicht durch ihren Körperbau gekennzeichnet sind, wohl aber Gebärdenreichtum aufweisen: Hiermit soll nun nicht behauptet werden, daß dem großen Italiener die Fähigkeit zum Charakterisieren abging. Er war auch hierin ein Meister. Erinnert sei an seinen David und Moses. Aber das Interesse für das Konstante und Statische muß bei ihm nicht in demselben Maße vorhanden gewesen sein. Des Weiteren war Condivi durchaus nicht berechtigt, die Ausdrucksbewegungen für wichtiger als die Physiognomie zu erklären. Neuere Forscher wie Lavater, Schopenhauer, Huter haben gerade das Gegenteil bewiesen.

Unter dem Schatz hinterlassener Zeichnungen Dürers befinden sich eine ganze Anzahl Studien, die eigens mimischen Beobachtungen gewidmet sind, ohne dass sie für irgendwelche Gemäldeschöpfungen gedacht sein mochten. Es sind darunter auch Charakteristiken Kranker und Geistesgestörter.


Mathematik und Psychologie (Geometrie und Physiognomik)

Wenn sich gegenwärtig die Mathematiker für geometrische Figuren nur logisch-mathematisch, d.h. vom nüchternen Verstande her interessieren (und sie im Übrigen nüchtern und gefühllos anschauen), so ist das nicht immer der Fall gewesen. Vielmehr hatten Kreis, Ellipse, Quadrat, Dreieck, Fünfeck (Pentagramm), Pyramide, Würfel, Kugel usw. als Schlüsselfiguren in der Antike und im Mittelalter psychologischen und weltanschaulichen Symbolwert. Nicht ohne tieferen Grund wurde in der Romantik adquadratum und in der Mystik adtriagelum grundsätzlich gebaut. In der Gotik wurden die Arithmetik und Geometrie von den Scholastikern zu ihren sieben Hauptwissenschaften, neben der Grammatik, Rethorik, Dialektik, Musik und Astrologie, gezählt, und von den Künstlern besonders die Geometrie gepflegt. Auch bei Dürer war der Sinn hierfür noch lebendig. Mathematische Figuren hat er ebenso wie die Lebewesen behandelt.45 

Zuweilen erzirkelte er menschliche Gestalten wie gotisches Maßwerk. Auf verschiedenen Kunstwerken sind mathematische, regelmäßige Figuren als Kompositionsgrundlage besonders deutlich festzustellen, so auf dem "großen Glück", "der Melancholie", dem Titelbild der Marienfolge, den vier Aposteln. Auf anderen Holzschnitten wiederum sind sie versteckter. Dürer hat ausdrücklich über die Geometrie ein Buch verfasst für den werdenden Künstler und erklärte, dass ohne die Kunst der Messung kein Künstler ein rechter Werkmann kann werden; denn sie sei der rechte Grund aller Malerei.

Unter Messung verstand er die darstellende Geometrie, über welche er weiter äußerte: "Damit auch dies mein Unterrichtung (die Proportionierung der menschlichen Gestalten, d. Verf.) desto besser verstanden mög werden, hab ich hiervor ein Buch der Messung als nämlich Linien, Ebenen, Körper etc. etreffend aus lassen gehn, ohn welche diese meine Lehr nit gründlich verstanden mag werden. Darum tut einem jedlichen, der sich dieser Kunst (der Malerei, d. Verf.) unterstehn will, not, daß er zuvor der Messung wohl unterrichtet sei und eine Verstand überkomme, wie alle Ding in Grund gelegt und aufgezogen sollen werden, wie sie dann die künstlichen Steinmetzen in täglichem Gebrauch haben".

Mit letztem meint er die praktischen Bauhüttengeometrie, die auch in der Malerei und Plastik Verwendung fand. Gerade in der Gotik ist die Einordnung der Ornamente in geometrische Grundformen offensichtlich und von Dürer in täglicher Umgebung wahrgenommen, dass es für ihn eine Selbstverständlichkeit schien: "--die einseitige und gründliche Bearbeitung der Geometrie und ihre Anwendung auf die bildende Kunst hängt aber insbesondere ab von Dürers Beziehung zur Kunst des deutschen Mittelalters, d.h. seinem Aufwachsen inmitten der Herrschaft der spätgotischen Bauweise". "Die Geheimnisse des mittelalterlichen deutschen Steinmetzgrundes waren zum Teil Anwendungen der geometrischen Figuration im symbolischen Sinne, indem regelmäßige geometrische Figuren, namentlich des Dreiecks und Quadrates (Triangulatur u. Quadratur oder Achtort) und deren Verbindung mit Nebeneinanderfügung und Übereckstellung oder Vervielfältigung durch bezügliche Zahlengrößen Formen und Verhältnisse des Grund- und Aufrisses, aber auch ornamentale Motive konstruiert wurden".46 

Die Tafeln von Chartres sind in der Geometrie der Kathedrale versteckt

Für die Einordnung der menschlichen Gestalt in geometrische Figuren sind aus der romanischen Epoche Belege im Kloster Nonnberg b. Salzburg und in Lambach in Oberösterreich gefunden worden, welche als Kronzeugen für allgemein gebräuchliche Gepflogenheiten jener Zeit gelten. Auf die wertvollen Zeichnungen des Villard de Honnecourt wurde schon aufmerksam gemacht. Gerade in der nordischen Kunst des Mittelalters sind mehr Belege dieser Art, als im Süden etwa in Italien, zu finden. Den mystischen Geheimnissen der "Maßgerechtigkeiten" des Mittelalters lagen psychologische Werte zu Grunde.
                                          
Kloster Nonnberg. Salzburg                   Kloster Lambach                   Villard de Honnecourt: Kopf. Sketchbook

Dürer bewegte sich mit seinen Bestrebungen also auf heimischen Boden. Mit seinen Bemühungen setzte er die mittelalterliche Bauhüttentradition fort.

Bezeichnend für die Stellung moderner Forscher, deren Augen für das mathematisch Konstruktive in der Kunst wenig geschult sind, ist das Urteil von Hans Klaiber: "In Dürers Augen gab die Anwendung geometrischer Figuren und Zwerchlinien der Sache ein höhere Weihe, auf die man heutzutage lieber verzichtet. Denn das phantastische Element, das den Schöpfungen des Künstlergeistes innewohnt, verträgt keine mechanisch-mathematische Herstellung der Figuren".47  Diese Worte wurden 1903 geschrieben, als sich bereits der Expressionismus, welcher in der Auflösung jeglicher Naturform kulturelle Anarchie verriet, ankündigte. Ein Jahrzehnt früher hatte ein anderer diesem Problem gegenüber sich geäußert: "Im folgenden wird ein Gegenstand wieder aufgenommen, der seit langer Zeit in der Kunstwissenschaft keine Teilnahme gefunden hat, ja der recht eigentlich in Verruf gekommen ist". Mit diesem Wort begann Georg Dehie 1894 seine Untersuchung über das gleichseitige Dreieck als Norm gotischer Bauproportionen. Vielfach findet man auch die Meinung vertreten, dass die mathematischen Figuren bei Dürer ästhetischen Wert hätten. Vergegenwärtigt man sich aber die moderne Formalästhetik, dann weiß man nicht, was damit erklärt sein soll. Richtiger wäre zu sagen, Kreis, Quadrat etc. hätten für ihn einen psychologischen Wert.

Viel näher kommt man Dürer, wenn man die psycho-physiologischen Experimente mit jenen Figuren von Fechner, Wundt, Theodor Lipps, Carus, Zeising u.a. zur Kenntnis nimmt. Sehr gut sagte Fr. Müller: "Dürers Konstruktionen sind nicht Abstraktionen, um die Natur zu verlassen, sondern mathematisch angelegte Experimente in der Natur und mit ihren Formen".48  So sind auch die Kopftypen auf Grund von Naturbeobachtungen in mathematische Schemata gebracht, und die Zwerch- oder Querlinien hängen, wie bereits gezeigt wurde, mit wichtigen Einteilungspunkten zusammen. Die angewendeten Schemata sind Schlüsselfiguren, die als Urformen ein unsichtbares Gerüst für Dürers Kompositionen bilden.

Einen guten Einblick in dieser Art des Schaffens bietet E. Mössel, Die Proportionen in Antike und Mittelalter (Gänze 1926) Dieser schreibt: "Man begegne häufig dem Irrtum, Dürer habe die Anregung zu diesen Proportionsstudien in Italien bekommen. Natürlich ist diese Italienreise auch in dieser Beziehung nicht ohne Einfluss gewesen. Jedenfalls aber unterscheidet er sich in der Haltung der Geometrie in keiner Weise von älteren Deutschen Meistern u. seinen Deutschen Zeitgenossen. Die Geometrie war allein gut. (S.100) Das übrigens mathematische Grundformen auch bei dem Werden und Entfalten organischer Körper nachweisbar sind, ist von Brun und Huter nachgewiesen worden. Des letzten "Kraftrichtungsordnungslehre" ist eines der aufschlussreichsten Kapitel zu diesem Thema.

Kraftrichtungsordnung. DgM Nr. 24. Hrsg. Amandus Kupfer. 1934

Im Proportionswerk findet man sowohl Darstellungen der ganzen Gestalt, wie einzelner Teile des menschlichen Körpers, außer dem Kopf auch Gliedmaßen und Sinnesorgane in geometrischen Figuren hinein konstruiert. Über die Augen in diesem Sinne steht dort geschrieben: "Des ist auch mit den Ecken der Augen zu tun. So dieselb Läng aus der Linie gebrochen ist, magst du sie wenden mit den vordern oder hintern Ecken, über sich oder unter sich wie ein Zünglein einem Kompaß gewedet wird. Du magst die innern oder äußern Eck der Augen tiefer oder seichter machen". (S.260)  Über die "Vierung des Ohres" wurde oben schon gesprochen.

Ein moderner Kritiker äußerte sich ähnlich, wie vor hundertfünfzig Jahren schon Herder, und zwar wie uns scheint zu Unrecht, folgender Maßen: "Aus geometrischen Figuren baute er seine Menschengestalten auf. Suchte also die Formen des menschlichen Körpers auf bestimmte geometrische Grundformen zurückzuführen. Allerdings fehlt diesen aneinander gereihten oder ineinander greifenden Formen ein gewisser logischer Zusammenhang, ein Zentralpunkt, von dem alles ausgeht, um den sich alles gruppiert". Aus letztem Grunde behauptete ein anderer, sei Dürer kein Systematiker. Es ist zu bedenken, dass Dürer nicht nur die geometrischen Figuren für die Konstruktion der einzelnen Organe "nebeneinander reihte", sondern überhaupt aus einzelnen Teilen das Ganze seiner Komposition wie aus Bausteinen zusammen fügte. Niemand wird den fertigen Schöpfungen Dürers Zusammenhanglosigkeit der Teile nachweisen können. Der "Zentralpunkt" ist allerdings in seinen Konstruktionen mathematisch nicht nachweisbar, aber er ist imaginär vorhanden: es ist die jeweilige Idee, welche Dürer zu objektivieren suchte, und welche Einheit und Vergleichlichkeit sicher bedingte.

Folgende Abbildungen zeigen Köpfe im Rechteck, Quadrat, Trapez als geometrische Schlüsselfiguren. Die eingezeichneten Köpfe entsprechen gewissen Charaktertypen, die dem Zeichner zweifelsohne bekannt gewesen sein müssen. Die jeweilig dazu gehörige geometrische Figur ist ein Symbol psychologischen Wertes und ist gewonnen durch Abstraktion physiognomischer Erfahrungen in der Lebenswirklichkeit. Einige Konstruktionslinien sind vom Verfasser der Verdeutlichung halber ausgelassen.

Figur zeigt einen Kopf im langen, schmalen aufrecht stehenden Rechteck. Es ist der des rastlosen, beweglichen, leicht zum Überidealen neigenden Bewegungs-Empfindungnaturells.

Abb. zeigt einen breiten Kopf im liegenden Rechteck. Es ist das Symbol des frechen Angreifers mit brutalem Charakters, der im Affekt leicht gewalttätig wird. Es stellt einen "Breitschädel" dar, wie es den Raubtieren eigen ist.

Abb. zeigt einen oben breiten und unten schmäleren Kopf des "Ernährungs-Empfindungsnaturells". Dieser Lage des Trapezes muß eine entsprechende Bedeutung zugesprochen werden.

Abb. bringt einen Kopf in umgekehrter Lage des vorherigen Trapezes. Es ist der materiell sehr interessierten, dem ideel Geistigen aber gleichgültig gegenüberstehenden "Bewegungs-Ernährungsnaturells". Diese Typen vermögen große Körperkraft zu entfalten.

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Man sieht, dass tatsächlich die geometrischen Figuren psychologisch zu deuten sind mit Hilfe der modernen Physiognomik [von Carl Huter], die jeweilige mathematische Figur als Grundlage einer Komposition und dass keineswegs nur eine formale oder ästhetische Angelegenheit ist. Wie menschliche Naturelle zeigen, wodurch bewiesen, dass mathematische Figuren als Abstraktion eines Organismus gelten können.



Erstellt 1999. Update 21. April 2007
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben. Albrecht Dürer und Carl Huter
 
 
The Gate/Das Tor