Materie - Gedächtniskraft / Memory 3
 
Das Empfindungsvermögen der Materie                 Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

Fortsetzung

Das Leib-Seele-Problem

Interessant ist, daß Teilhard bezüglich der Wechselbeziehungen zwischen Soma (Körper) und Psyche (Seele) beahuptet: "Bisher wurde noch kein Versuch gemacht, den somatischen und den psychischen Charakter einer Art systematisch zu verbinden. Es gibt Naturforscher, welche die Formen beschreiben und klassifizieren. Andere spezialisieren sich auf das Studium der Verhaltensweisen ... Äußerste Verwirrung herrscht noch - wir fühlen es - hinsichtlich der Bedeutung und Einordnung der so sehr verschiedenen Gruppen, in die vor unseren Augen die Masse der Menschen zerfällt: Rassen, Nationen, Staaten, Vaterländer, Kulturen usw."

Und: "Das spontan Seelische ist (beim Menschen) nicht mehr bloße Aureole des Körper-lichen. Es wird ein bedeutungsvoller, ja sogar der hauptsächliche Teil des Phänomens, und weil seelische Verschiedenheiten viel reicher und nuancierter sind als die oft kaum merklichen organischen Veränderungen, die sie begleiten, ist es leicht verständlich, daß eine bloße Untersuchung der Knochen und der Körperhüllen nicht mehr ausreicht, dem Fortschritt der ganzen zoologischen Differenzierung (des Menschen) zu folgen, ihn zu erklären und zu verzeichnen. So ist die Situation - aber wir kennen auch das Mittel, das man anwenden muß, um die Struktur eines denkenden Phylums (gemeint ist der menschliche Stamm) klarzulegen: die Anatomie allein genügt nicht mehr; künftig muß sie von Psychologie begleitet sein."

Gerade den Zusammenhang von Leib und Seele, das "kombinierte Spiel" von Soma und Psyche (wie es Teilhard nennt), also die Wechselwirkung von Körper und Seele, hat aber kaum jemand gründlicher untersucht, erforscht und geklärt als Carl Huter.

Durch einführende Beobachtung und klares Durchdenken fand er schon als Knabe die typischen Grundformen unter den Lebewesen und erkannte in natürlich-kindlicher Weise deren Seelenleben, Geist und Charakter. Es war ihm wie eine Offenbarung, er sah und fühlte mehr als die Menschen seiner Umgebung, er sah das Leben, das "Innen" der Dinge in allen Farben, Formen und Erscheinungen.

Sein weiteres Leben der unermüdlichen und leidenschaftlichen Forschung nach Wahrheit erschloß die Formenwelt und den Geist, der in den Formen lebt. So schuf er die Naturellehre, die nicht nur eine auf den Menschen beschränkte Dreitypenlehre ist, sondern in erweitertem Sinne Geist und Charakter jeder Formbildung erschließt. Denn diese Dreitypenlehre hängt zusammen mit den drei Grundprinzipien des Alls, Kraft, Stoff und Empfinden, und sie ist verankert in der ewigen Ordnung der Natur- und Lebenskräfte, die Huter in seiner Kraft-richtungsordnung fand.

Es ist dieses Hutersche Lebenswerk in der Tat (in der Sprache Teilhards) "die funda-mentale Entdeckung, in der das Studium des Phänomens Mensch seinen Höhepunkt finden wird" - was Teilhard hingegen, völlig abstrakt, in der "Konvergenz des Geistes" verheißt.

Ein besonderes Kapitel widmet Teilhard dem Thema


Liebe:

"In ihrer vollen biologischen Realität betrachtet, ist die Liebe (d.h. die Anziehung, die ein Wesen auf ein anderes ausübt) nicht auf den Menschen beschränkt. Sie ist allem Leben eigentümlich ... Hier muß ich wiederholen, was ich vom ‚Innen der Dinge‘ gesagt habe. Wenn nicht schon im Molekül - gewiß auf unglaublich rudimentärer Stufe, aber doch schon angedeutet - eine Neigung zur Vereinigung bestünde, so wäre das Erscheinen der Liebe auch auf höherer Stufe in ihrer menschlichen Form physisch unmöglich ... Mag die allgemeine Schwere der Körper, die uns so sehr beeindruckt, Kraft oder Krümmung des Raumes sein, sie ist nur die andere Seite oder der Schatten der wahren Triebkraft der Natur. Um die kosmische ‚Quell‘-Energie wahr-zunehmen, muß man, sofern die Dinge ein Innen besitzen, bis zur inneren oder radialen Zone der geistigen Anziehungskräfte hinabsteigen."

In der Huterschen Welt- und Lebenslehre nimmt die Liebe die zentrale Stellung ein: "Die Liebe ist die höchste Kraft, die wir im Weltall kennen."

(Huter): Außer den beiden großen Naturkräften Magnetismus und Elektrizität existiert noch eine dritte, es ist die psychologische, welche Individualitäten, selbstbewußtes Leben schafft und strahlenartig von liebenden und schöpferischen individuellen Geist- und Em-pfindungswesen ausgeht (Hauptwerk S.195).

(Und S.662): "Kein Stoff ohne Kraft, kein Stoff und keine Kraft ohne Impuls. Der Impuls ist das dritte große Element in der Natur, das bisher in der Naturwissenschaft übergangen worden ist, ja ausgeschaltet war. Im Impuls wurzelt jede Schöpfung und Entwicklung. Impuls kann nur da sein, wo Empfinden ist, also ist die Empfindungs-Energie eine überall vorhandene, schon im Äther existierende Kraft ..."

"Diese Kraft ist es nun, welche als Trägerin der Lebenskraft auftritt und welche die große Scheidewand bildet zwischen der anorganischen und der organischen Welt. Denn in ihr kommt der konzentrierte Empfindungsäther mit der Impulsenergie zur Herrschaft, zum Übergewicht über alle sonstigen Kräfte und Stoffe, und das eben bewirkt Leben."

"Die geistige Impulskraft tritt ganz auffallend im lebenden Eiweiß, in der Zelle in Erscheinung, und zwar in der Kraft, die das Wunder des Lebens hervorruft und die, wie ich nachgewiesen habe, in den Zentrosomen der Zellen ihren Sitz hat und deren wunderbare Wirkungen erkannt zu haben, eine meiner schönsten Entdeckungen bildet."

Diese "Kraft, die das Wunder des Lebens hervorruft", nannte Carl Huter "Helioda". Unter Helioda versteht er also die Empfindungs-Energie, die zum Leben, zum Bewußtsein erwacht ist, die in allen lebenden Organismen wirkt, die eigentliche und ursächliche "Lebenskraft" ist, die sich dem von Huter aufgefundenen Qualitätsprinzip des Lebens entsprechend immer weiter und höher entwickelt (konzentriert und verfeinert, in der Kraft und Wirksamkeit steigert), die über den Verfall des grobstofflichen Körper hinaus weiterlebt, also Unsterblichkeitsenergie besitzt, und der feinstoffliche Astralkörper ist, den Geistwesen besitzen.

Der Auffindung, dem wissenschaftlichen und experimentellen Nachweis, der sinnlichen Erkennung, den Wirkungen, ihrer Schwächung, ihrer Steigerung, ihrer Übertragung, Teilung und Neukonzentration, kurz allen nur denkbaren Fragen und Problemen, die mit der Entdeckung der tatsächlichen Lebenskraft einher-gingen, widmete Huter einen Großteil seiner Forschungen und seines Hauptwerkes und damit seines Lebens. Die Helioda ist nah- und fernwirkend, sie ist übertragbar, sie ist Gedankenkraft, sie durch-dringt alle anorganische Materie und wird von lebenden Körpern absorbiert.

Die Helioda ist gleichbedeutend mit Liebeskraft, sie ist aus allen diesen Gründen und zu-folge weiterer Eigenarten ihres Wesens die höchste Kraft, die wir kennen und die vor-stellbar ist. Sie ist die geistige Leit- und Richtkraft in den lebenden Zellen, die sich alle anderen Stoffe und Kräfte unterordnet, sie in den Dienst des Lebens stellt. Sie ist Formkraft der Psyche. Das einzige, was Amöben (Einzeller), organisierte Vielzeller, Tiere, Pflanzen, Menschen und höhere geistige Wesen unterscheidet (und wodurch sie allerdings wie Welten voneinander getrennt sein können - und doch sympathische Beziehungspunke haben), ist der erreichte Grad der Konzentration, die Höhe also, auf der die Kraft des Bewußtseins, der Erfahrung, des Könnens, des Wissens, der Vernunft und der Weisheit - die Liebeskraft - steht.

Kehrt man hier nun - bei der Kraft der Liebe - an dem Punkt zu Teilhard zurück, wo wir vorhin zu Huter übergingen, so bleibt die Übereinstimmung mit Huter im Prinzip bestehen, denn im Prinzip liegen beiden Lehren die Attribute der neuen Huterschen Weltanschauung zugrunde, die sich aus dem Empfindungsvermögen der Materie ergeben, das Impuls und Bindegliede aller Erscheinungen ist.

Auch noch dort, wo Teilhard die weitere Entfaltung, die Aussichten und Möglichkeiten der menschlichen Schicht, seiner "Noosphäre und Noogenese", behandelt, bleibt er - wenn man verallgemeinernd so sagen darf - auf dem Boden der Huterschen Weltanschauung stehen und sieht die Hauptaufgaben in der "Personalisierung" des Menschen und der "Kollektivierung" der Menschheit. Nach Huter würde man sagen "Vervollkommnung der Persönlichkeit bis zum Edelmenschlichen" und "Lösung der Menschheitsfragen (Rassen, Klassen, Nationen treten in den Hintergrund, weil auf Erden Menschen wohnen)."

Teilhard sagt: "Friede im Erobern, Arbeit in Freude: das - und nicht ein Reich, das anderen Reichen feindlich ist - erwartet uns bei dem inneren Zusammenschluß der Welt zu einem Ganzen, bei der einmütigen Gestaltung eines Geistes der Erde."


Der gute Menschenkenner Nr.12.  Amandus Kupfer. Schwaig bei Nürnberg. 1933
(Hinzugefügt)

Carl Huter sieht eine neue Weltwirtschafts- und Völkerausgleichslehre entstehen und ein Weltreich, in dem Kriege unmöglich geworden sind und das nicht auf Macht, sondern auf Sympathie und Liebe, auf die Rangordnung der Geister oder der Persönlichkeiten und damit auf Weisheit und Gerechtigkeit aufgebaut ist.

Genau wie Huter zieht auch Teilhard die Schlüsse auf die Zukunft aus Gegenwart und Vergangenheit und läßt sich dabei von den Tatsachen der Entwicklungsgeschichte aus der neuen Sicht leiten. Letztlich sind zwar alle Spekulationen auf die Zukunft wohl aus Schlüssen der Analogie und der Logik herzuleiten, müssen sich aber auch auf Wahrscheinlichkeiten stützen und sind somit Sache des Glaubens und - der Religion.

Als christlicher Theologe glaubt Teilhard in der letzten Phase der Konvergenz der Noosphäre die Möglichkeit einer Spaltung derselben in zwei Äste zu sehen (vermutlich in Analogie zu den beiden Endbegriffen christlicher Theologie, dem Himmel und der Hölle), wodurch der eine Ast durch das Aufgehen der Zentren (den menschlichen Persönlichkeiten) in dem Zentrum aller Zentren, in dem Punkt Omega "eins ist mit Gott", während der andere Ast (falls "das Böse zugleich mit dem Guten wächst"; Teilhard) in den Abgrund, das Nichts (tiefer als in den Beginn der Evolution) zurückfallen würde. Auch faßt Teilhard seinen Punkt Omega als "präxexistent und transzendent" auf und versucht, ihn trotzdem in seine Entwicklungslehre einzubeziehen. Nach Huter jedoch ist alles Entwicklung und es gibt nichts Übernatürliches (Transzendentes) sondern nur Übersinnliches (unserem Begriffsvermögen nicht Zugängliches).

Doch das sind Dinge des Glaubens, von denen Huter sagt (siehe Tafel 4, Fig.2), daß sie nur durch Philosophie, okkultes Wahrnehmen und Glaubenswissenschaften zu erschließen seien.
Siegfried Kupfer

Synthese der Götter

Unter diesem Titel brachte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in Heft 47/1967 (nicht zum ersten Mal) Hinweise auf die Philosophie Teilhards de Chardin, diesmal besonders im Hinblick auf das Interesse, welches von (vor allem französischen) Kommunisten der "großen Entwicklungsgeschichte" Teilhards entgegengebracht wird. Wir bringen daraus (ohne uns mit Inhalt oder Ton der Spiegel-Reportage zu identifizieren) nachstehend einige Auszüge, weil sie geeignet sind, unseren Vergleich Huter/Teilhard aus anderer Sicht zu beleuchten. Auch kann man dadurch behandelte (und denen sich Teilhard zuwandte) tatsächliche Brennpunkte der Menschheitsentwicklung naher und ferner Zukunft bilden. Am Schluße werden wir dann noch auf erstaunliche Parallelen hinweisen.

"Der Spiegel" berichtete, hier auszugsweise wiedergegeben:

Vierzig Jahre lang verketzerte die römisch-katholische Kirche ihren Sohn, den Philosophen, Paläonthologen und Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin (1881 bis 1955), scheuchte ihn zu den Grenzen der ziviliserten Welt, belegte seine Schriften mit Verboten und verdächtigte ihn gar des Konkubinats - bis ihn, den inzwischen Verstorbenen, die Marxisten annektierten. Jetzt möchte ihn die Kirche wieder haben.

Inzwischen haben Kommunisten, zumal französische, den Priester zum Schutzheiligen eines marxistisch-christlichen "Dialogs" gemacht, zur Leitfigur einer philosophischen Koexistenz, innerhalb derer das Christentum zwar die ehrwürdige Rolle des Seniorpartners spielen soll, der Kommunismus aber die des tatendurstig voranstürmenden Juniors.

Lange zögerte die Kirche, den "Dialog" zu akzeptieren und den ihr entfremdeten Sohn heimzuholen. Einerseits sieht sie noch immer in dem von den Kommunisten heilig gesprochenen Priester ein Trojanisches Pferd, andererseits lockt sie der lebensnahe, optimistische Elan der Lehre Teilhards.

Doch erst nach dem Tode Teilhards und erst nachdem französische Kommunisten auf ihn aufmerksam geworden waren, wurde aus der Bewunderung eines esoterischen Freundeskreises ein globales geistiges Ereignis mit politischer Pointe.

Der Wortführer marxistischer Teilhard-Verehrer wurde Roger Garaudy, Philosophie-Professor und Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Frankreichs - ein leidenschaftlicher Verfechter des christlich-marxistischen Dialogs.

In seinem 1959 veröffentlichten Buch "Perspektives de l´homme" schrieb Kommunist Garaudy: "Von der Geschichte des Atoms bis zu jener des Menschen, von der Dialektik der Natur bis zur Moral sind der marxistische Philosoph und Pater Teilhard auf demselben Weg gegangen."

Garaudy drängte auch die Kreml-Znesoren, Teilhards erstes, nach seinem Tode veröffentlichtes Werk "Der Mensch im Kosmos" für die kommunistische Weltkirche freizugeben. 1966  erschien "Der Mensch im Kosmos" als erstes Teilhard-Werk, das erste Buch eines Jesuiten überhaupt, in Moskau auf russisch.

Ein Jahr zuvor hatte der polnische Marxist Leszek Kolakowski den Priester Teilhard zum "Propheten der Welt als Heimat des Menschen erkoren. Und auf der diesjährigen Tagung der Paulus-Gesellschaft in Marienbad erklärte der Prager Kommunist Milan Prucha: Die Beschäftigung mit Teilhard bedeutet den Marxisten mehr als der Kampf mit "ideologischen Widersachern."

Mit Begeisterung erkannten alle diese kommunistischen Neuerer, daß Teilhards Menschheits-Visionen in entscheidenden Punkten mit denen Marxens übereinstimmten. Hatte Marx als Endziel der Menschengeschichte die "klassenlose Gesellschaft", das "Reich der Freiheit" gesetzt, so erschaute Teilhard dort den "Gipfel Omega", das Gottesreich.

Freilich: Hatte Marx sich vorgestellt, das Reich der Freiheit könne nur auf revolutionärem Wege erkämpft werden, so predigte Teilhard den "evolutionären", allen Menschen offenstehenden Weg zum Gottesreich.

Am Anfang der Teilhardschen Welt-Evolution steht der Schöpfungsakt Gottes, der Punkt Alpha. Doch Gott hat keine fertige Welt geschaffen, sondern nur die Keime ihrer Entwicklung zu einer vollkommenen Welt gesät.

Seine Welt, so urteilt einer der wenigen kompetenten deutschen Teilhard-Interpreten, der Jesuiten-Professor Adolf Haas, sei kein widerborstiger, in sich uneiniger "Klotz, den Gott vor sich herschiebt", sondern ein dynamisches, sich ständig fortentwickelndes Ganzes, dessen geistige, gesellschaftliche und politische Tendenzen das Streben nach dem Gottesreich manifestieren.

Denn für Teilhard gibt es nichts, das nicht dem Omega zustrebt. Der Christ, so fordert der Jesuit, darf diese Welt nicht als etwas Gegebenes hinnehmen. Er soll die Evolution zum Ziel führen - in der Sprache Marxens: Er soll die Erde verändern.

Was die roten Bewunderer entzückte, erschreckte die schwarzen Zensoren: Teilhards Synthese von Himmel und Erde, von diesseitiger und jenseitiger Welt. Alles Übernatürliche, so lehrt der Pater, sei einbezogen in das Evolutionsgeschehen der Welt, es erwachse gleichsam aus der Welt.

Damit hob Teilhard die von der Kirche eifersüchtig bewachte Grenze zwischen Himmel und Erde auf. Zwar ist der "Gipfel Omega" kein nur diesseitiges Paradies im Sinne Marxens, doch auch kein nur jenseitiges. Mit jedem Schritt zum Gipfel Omega erreicht, so meinte Teilhard, das Diesseits einen höheren Grad der Humanität, einen höheren Grad der Ähnlichkeit mit dem Gottesreich. Voraussetzung für eine Humanisierung der Welt, für eine Annäherung an das Gottesreich ist der Glaube an die Zukunft der Menschheit. Diesen Glauben aber haben laut Teilhard nicht die Christen, sondern die Marxisten.

Als treibender Motor seiner Welt-Evolution - und darin liegt der eminent politische Aspekt seiner Philosophie - fordert Teilhard deshalb nicht nur den "christlichen Gott von oben her", sonder auch den "marxistischen Gott nach vorwärts". Erst die Synthese beider Götter ist, so Teilhard, "der einzige Gott, den wir von jetzt ab im Geiste und in der Wahrheit anbeten können."

Teilhards Lehre über die aktive Rolle des Christen in der Welt und für die Welt bot der Kirche einerseits die Möglichkeit, in ein Gespräch mit dem Kommunismus einzutreten und andererseits mit ihm auf dessen eigenem Feld zu konkurrieren. Zudem erkannte man in Rom, daß die Philosophie des Jesuiten das starre Gebäude des Kommunismus ins Wanken gebracht hatte.

In der Tat fasziniert heute Teilhards Evolutionslehre manche marxistische Denker in Ost und West mehr als Marxens Vorstellung von der Weltrevolution und der Diktatur des Proletariats. Wie ehedem katholische Teilhard-Jünger von ihrer Kirche gemaßregelt wurden, so empfanden jetzt die kommunistischen Parteien Unbehagen an den Teilhard-Anhängern in ihren eigenen Reihen. Frankreichs KP bremste immer wieder den Dialog-Eiferer Garaudy, und Polens KP verstieß den Teilhard-Verehrer Kolakowski aus ihren Reihen.

Um so intensiver bemüht sich neuerdings die Kirche um den Jesuiten, und im Sommer 1965 wagte schließlich auch Jesuiten-General Arrupe, Nachfolger des Teilhard-Gegners Janssens, seinen Mitbruder zu verteidigen. Arrupe: "Es ist unmöglich, den Reichtum der Botschaft Pater Teilhards für unsere Zeit nicht zu bemerken. Er ist einer der großen Meister des Denkens in der gegenwärtigen Welt."

So weit das Zitat aus dem "Spiegel". Wir stellen demselben unmittelbar Vergleiche gegenüber, welche Carl Huter über den religiösen Inhalt kirchlicher Glaubenslehren und marxistischer Anschauungen anstellte. Es sind diese in der Huterschen Abhandlung "Welt- und Lebensfragen" enthalten, die hier in der 6. Fortsetzung erscheint. Die bezugnehmenden Stellen finden sich hier Seite 284 und 285, und sind seitlich jeweils durch einen senkrechten Balken ge-kennzeichnet. Um doppelten Abdruck zu vermeiden, wird der Leser gebeten, den Zusammenhang der gekennzeichneten Texte Carl Huters mit dem "Spiegel"-Zitat bzw. mit den Lehren Teilhards und ihren Wirkungen auf die moderne Welt selbst herzustellen. Auch bitten wir unsere Leser im Hinblick auf den gesamten Vergleich Huter/Teilhard (der trotz seines Umfanges nur fragmentarisch ist), die bereits gebrachten Teile der Huterschen Abhandlung über die "Welt- und Lebensfragen" und besonders deren 5. Fortsetzung in (Heft 8/1967) nochmals zu überlesen, und auch die vorliegende Fortsetzung in ihrer Gesamtheit mit dem Vergleich Huter/Teilhard in Zusammenhang zu bringen. 278-280


Religion und Glaube

In den letzten Jahrzehnten ist das schöne Wort "Religion" in vielen Kreisen des deutschen Volkes, die zur naturphilosophischen Weltanschauung neigen, in Mißkredit geraten. Das ist tief zu beklagen, denn Religion ist doch weder an die althergebrachte Theologie noch an die Satzungen der Kirchen gebunden. Religion ist Idealismus, ist Ideallehre und Idealstreben.

Wenn der Anhänger des manchesterlichen Kapitalismus (der Großkapitalist) sich und seinen Kindern und Kindeskindern ein Paradies auf Erden zu schaffen sucht, so ist das ein Stück Religion oder Idealismus. Wenn der Feudaladel ähnliches, Vorrechte und Besitz, schon längst errungen hat und festzuhalten sucht, so ist auch das Idealismus. Dieser ist allerdings mit starker Eigenliebe verbunden, aber es steht der intensivere Wunsch dahinter, schon in diesem Leben glücklich zu werden. Grundbesitz, Geld, Vorrechte, Ehre, Ansehen, Macht, Einfluß machen in der Tat freier, froher, glücklicher. Dieses Bestreben ist daher, rein menschlich betrachtet, etwas ganz natürliches.

Quelle: DgM Nr. 17. 1934
(Hinzugefügt)

Es liegt auch fraglos etwas, was man als ein Stück Religion bezeichnen darf, in diesem Streben, schon aus dem Grunde, weil mit diesem Streben ein geistiger Fortschritt verbunden ist. Ein Mensch, der sich und die Seinen aufgegeben hat, der unintelligent ist und bleiben will, kann weder in die Höhe kommen noch sich auf einer erreichten Höhe erhalten.

Wenn bei solchem Streben die materiell und geistig Schwachen ausgebeutet werden, so ist das freilich kein sozialer Idealismus, keine soziale Religion.

Die natürliche Reaktion gegen diese Art praktischer Lebensreligion war zur Zeit des alten Römerreiches die Aufnahme der christlichen Religion seitens der Armen, Bedrückten und Entrechteten. Das Urchristentum hat eine vollendet durchgeführte soziale Ethik gebracht und darin lag sein Zauber, wodurch die ausgebeuteten Massen Hoffnung, Trost und neuen Glauben finden konnten.

Auch Mohammed, Buddha und Moses brachten soziale Religionen, ihrer Zeit angepaßt.

Wenn sich im Laufe der Jahre die Mächtigen, die Herrschenden auch innerhalb der christlichen Religionsgemeinschaften wieder mehr Einfluß verschafften, so werden solche Erscheinungen sich auch zukünftig ergeben.

Unsozial und unchristlich handelten aber alle die Theologen, die nicht gegen Bestrebungen wie Ausbeutung der Massen mit Hilfe der Macht, gegen zweierlei Recht und ausbeutenden Kapitalismus energisch Front machten. Dies lag vielfach daran, daß die Kirchen und ihre Vertreter zu sehr von den politisch und kapitalistisch starken Machthabern abhängig waren. Hierdurch sind die christlichen Kirchen am meisten gerade in den Ländern unpopulär und verhaßt geworden, wo sie mit der politischen Macht verkettet waren.

In Rußland, Spanien, Österreich (gemeint ist die damalige Donau-Monarchie), selbst in Deutschland hat man diesem Kirchentum in fortschrittlichen Kreisen den Rücken gekehrt und findet darin keine soziale Volksreligion mehr, sondern eine Klassenreligion.

In England und Frankreich, wo die Kirchen vom Staate mehr getrennt sind und die Religionsfreiheit korrekt durchgeführt ist, stehen die zahlreichen unterschiedlichen christlichen Religionsgemeinschaften beim Volke in weit höherem Ansehen als in Deutschland. Wir erkennen daran, daß gerade da, wo man volle Religionsfreiheit und das Recht zu neuen Religionsgründungen durchgeführt hat, also Trennung der Kirche vom Staat, die Menschen gern und freiwillig sich dem religiösen Leben mehr zuwenden. Die Sorge der Regenten und Kirchenherren, daß die Menschen religionslos würden, wenn die Religion keinen staatlichen Schutz genieße, ist völlig überflüssig.

So hat die religionsloseste Partei, die Sozialdemokratie, nicht nur eine höhere soziale Ethik praktisch eingeführt, wodurch sie die Massen gewonnen hat, sie hat auch einen hohen religiösen Idealismus gezeitigt, nämlich den Glauben an den Zukunftsstaat, in welchem kein Unrecht, keine Armut, keine Bedrückten, keine Entrechteten, keine Herren und Knechte mehr sein sollen.

Wenn freisinnige Sozialdemokraten den christlichen Theologen vorwerfen, der Glaube an den Himmel und an die Glückseligkeit nach dem Tode sein ein Aberglaube, so ist dieser Glaube an den Zukunftsstaat, der den Himmel auf die Erde bringen soll, nichts anderes als eine Umformung des religiösen Idealismus, seine Überzeugung vom Jenseits auf das Diesseits.

Daß solches den praktischen Gegenwartsmenschen realer und vorteilhafter erscheint, ist ganz natürlich, und lediglich in dieser zum Teil rein religiösen Idee der Sozialdemokratie von der Schaffung des Himmels auf der Erde, ist ihr Aufstieg begründet, und hierin liegt ihre  volksbezaubernde Wirkung. Daß dabei wirklich Praktisches und Handgreifliches getan werden muß, ist selbstverständlich und ist ja auch geschehen.

Man kann nun den Kirchendualismus vom Himmel im Jenseits als Aberglauben bezeichnen, und man kann den sozialdemokratischen Idealismus vom Zukunftsstaat mit ganz demselben Recht als Aberglauben bezeichnen.

Wirklich einwandfrei widerlegen kann man beide Arten idealer Gedanken nicht. Beide haben eben religiöse Kraft und auch religiöse Wahrheit in sich. (Als Huter das schrieb, 1909, bestand der heutige Unterschied zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus noch nicht, aber ein "gläubiger" Sozialdemokrat war kaum gleichzeitig z.B. auch Christ. Heute verwischen sich die Fronten, und wiederum Neues wird daraus hervorgehen.)


Levitating Stone
(Hinzugefügt)

Immer wird der Mensch am Fortschritt, am Glück und am Guten bauen, und der Glaube an das Bessere, das irgendwie schon in einer anderen uns unbekannten höheren Welt existiert oder das da in Zukunft gar auf diese Erde kommen wird, ist eine tief in jeder individuellen Lebenskraft wurzelnde psychische Grundkraft, die unausrottbar, unauslöschlich ist.

Daher werden Glaube und Religion auch ewig bleiben. Sie tragen das Entwicklungs- und Fortschrittsprinzip in sich. Wichtig ist, daß wir volle und ganze Religionsfreiheit erstreben und jede Zwangsreligion beseitigt wird, gleichviel, ob sie im Streben nach dem diesseitigen Zukunftsstaate oder im Erhoffen des jenseitigen Himmelreiches auftritt. 284, 285

Quelle: DgM 1967. Siegfried Kupfer



Erstellt 1997. Update 26. Dezember 2007
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
Dossier Ovni Mars: Le Visage De Mars. Cydonia/Mars-Earth-Connection - Part 1 of 6. 8.7 mb. 9:56 min.
 
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