Menschenkenntnis Lehrbrief III. - Part 25
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

NEUNTER TEIL DES LEHRSTOFFES

Beseelte Materie, Urzeugung und lebende Materie.
Das charakteristische Seelenleben der Pflanzen und Tiere

Aus meinen bisherigen Darlegungen wird jeder Studierende zu der Überzeugung gekommen sein, daß aller Materie Empfindungskraft innewohnt. Ich möchte hier nun noch mancherlei ergänzend hinzufügen. Daß das eigentliche Leben der Atome in den Molekülen ein Gemeinschaftsleben mit Empfindungsvermögen darstellt, ist Tatsache.

Daher ist das heutige Dogma der Wissenschaft, daß die Veränderung der Atome und Moleküle nur durch gewaltsame physikalische oder chemische Einwirkungen bewirkt werden könnte, Irrtum. Ich habe gelehrt, daß die Empfindungsenergie in der Materie, welche nicht beseelt erscheint, darum nicht erkannt wurde, weil sie ganz in den Hintergrund tritt und sich nicht äußert. Je mehr aber die Empfindungsenergie in die Moleküle und Atome zurück tritt, desto mehr ruht sie, sie liegt im Schlummer. Alles scheinbar Tote oder Anorganische ist aber nicht tot, sondern es befindet sich im Schlafe.

So wie dem Bären und manchem anderen Tiere das Vermögen abgeht zu erkennen, daß ein Mensch, welcher schläft, nicht tot ist, so ging vielen Naturforschern, auch Theologen und Philosophen, die Erkenntnisfähigkeit ab, daß die ruhende Materie beseelt ist*).Ein Mensch, der in einem Urwalde zwischen Bären gerät, entzieht sich der Lebensgefahr, wenn er sich in einem starren, schlafähnlichen Zustand auf die Erde legt. Da der Bär nichts Totes frißt und zu der Überzeugung gelangt, daß der Mensch, der starr und reglos darliegt, tot sei, so geht er großspurig an ihm vorüber und rührt ihn nicht an. Durch nichts läßt sich der Bär überzeugen, daß der Mensch nicht tot ist, sondern nur schläft. So wie nun der schlafende Mensch durch eigenen Anreiz, wie auch durch äußeren Reiz sofort lebendig werden kann, so ist es auch mit aller Materie. Alle Materie kann aus sich zum Leben erwachen, also urzeugend Leben hervorbringen, und sie kann auch durch äußeren Anreiz und andere Einflüsse zum Leben erwachen, also lebende Materie werden. Im lebenden Protoplasma haben wir ja den Beweis des Lebendigwerdens der Materie. Es fragt sich nun, sind auch noch andere Möglichkeiten der Lebenszeugung aus scheinbar toter Materie vorhanden? Die Antwort muß lauten: Nach aller Erfahrung, wenigstens auf chemisch-physikalischem Wege, nicht. Gibt es denn nur allein diese Wege?

Der moderne Naturwissenschaftler wird antworten: ja, andere Wege als chemisch-physikalische gibt es nicht. Ich lehre aber, das ist geistige Blindheit, denn die Empfindungsenergie ist die bedeutendste, welche aller Materie anhaftet, folglich kann durch konzentrierte Empfindungsenergie, also durch Gebet, durch Wunsch-, Willens- und Gedankenkraft eine Veränderung in der Materie bewirkt werden. Es kann die schlafende Materie zum Leben wach gerufen werden. Solche Zeugung würde man als ein Wunder betrachten können, und doch ist es genau so natürlich wie die andere Form der Urzeugung. Die Empfindungsenergie ist ja die leitende Kraft in der Materie; ist der Weg der Anknüpfung an sie gefunden, so läßt sich aus jeder scheinbar toten Materie Lebendiges schaffen. Dieses Lebendigmachen der schlafenden Materie ist denkbar durch die höchsten Lebewesen, die mit großer Empfindungs-, Liebes- und Willenskraft ausgestattet sind. 

Gottgeister können Welten und neue Lebensorganismen durch Willen, Liebe und Gedankenkraft schaffen. Wieweit der Mensch imstande ist, sich zu solchem wunderbaren geistigen Vermögen zu entwickeln, darüber ist viel gedacht und geschrieben worden. Ich komme in den kallisophischen S chriften näher darauf zurück. 

Die katholische Kirche und alle alten Religionen nehmen unbedingt die Möglichkeit der Wundertätigkeit edler heiliger Menschen an, und in diesem Punkte hat diese Kirche recht. Auch darin befinden sich die Religionslehren im richtigen Glauben, wenn sie noch andern Wesen, wie z.B. Engeln und Gottgeistern, wunderbare Schöpferkräfte zuerkennen. 

Es gibt also in der Natur Urschöpfungsvorgänge chemischer, physikalischer und geistiger Natur.

Die Selektionslehre, welche die Höherentwicklung der Arten durch Liebe annimmt, läßt ja die Empfindungsenergie damit als Schöpferkraft schon gelten, wenn auch nur auf rein geschlechtlichem Wege innerhalb der gleichen Art. Leider wird die Empfindungsenergie nicht als selbständige Kraft erkannt, sondern ist als rein mechanischer Vorgang zu erklären versucht worden. Dieses ist einer der hartnäckigsten Irrtümer, in welchem die neuere Wissenschaft sich verrannt hat. Doch mehren sich in jüngster Zeit erfreulich die Anzeichen dafür, daß sich in der modernen Naturwissenschaft allmählich ein Umschwung zu vollziehen scheint; den ERNST HÄCKEL, der die geistige oder wundertätige Urschöpfung keinesfalls anerkennen würde, hat sich doch wenigstens zur Annahme der Beseeltheit der lebenden Organismen aufgeschwungen.

Ich habe viele, viele Jahre Versuche angestellt und ein großes Tatsachenmaterial gesammelt, welches beweist, daß die physikalische und chemische Veränderung der Materie durch Gedanken und andere seelische Kräfte möglich ist *). Ich brachte schon im 2. Lehrbrief eine solche beweisende Tatsache in dem Falle "Niestrath".


Das Empfinden in der belebten Materie

Daß Empfinden schon in der belebten Materie vorhanden ist, beweisen neuerdings auch die Tranfusions-Versuche des Physiologen Dr. HANS FRIEDENTHAL in Berlin und der Professoren UHLENHUTH in Greifswald und NUKALL in London, aus denen sich die Tasache ergeben hat, daß lebendes Blut verwandter Tiere, gegenseitig eingespritzt, sich gut verträgt, z.B. bei Hase und Kanninchen, Hund und Fuchs, Panther und Leopard. Hingegen wirkt das Blut fern stehender Tiere oder solcher, die sich im Leben verfolgen, giftig aufeinander, z.B. bei Hund und Hase, Katze und Maus, Wolf und Ziege.

Diese Versuche zeigen, daß das Seelische auch ohne Gehirn schon in der lebenden Materie wohnt. 

Auf ähnlichen Vergiftungsursachen beruhend erkläre ich schon seit Jahren Geschlechtsverbindungen in roher ehelicher Disharmonie oder Untreue harmonisch Liebender - wodurch die Syphilis und zahlreiche Nerven und andere Krankheiten entstehen -, weshalb ich ein moralisches Geschlechtsleben in neuen ehelichen Formen fordere.

Nach meiner Erklärung ist die Empfindungsenergie im Leben jener Tiere einheitlich, und alle ihre kleinsten Körperteile, die mit zum Leben dieser Individuen gehören, sind damit erfüllt.

Daher ist im Blute der Hasen und der Kanninchen die astrale seelische unsichtbare empfindende Materie das Fühlende, die das Blut des Raubtieres fühlt. Und Fuchs- und Hasenblut kämpfen denselben Kampf auf Leben und Tod miteinander wie der lebende Hase mit dem lebenden Fuchs.

Nun, ich glaube, man wird, so wie ich anerkennend zu den Rätseln der alten Sympathie-Heilkunst kam, seitens der wissenschaftlichen Forscher auf wissenschaftlichem Wege auch noch einmal dahin gelangen, zu jener alten germanischen Heilkunst, die die tiefsten, noch unerkannten Wahrheiten in sich birgt. 

Wie gewisse Pflanzen sich liebend fühlen und in diesem Sympathie empfinden sich großartig entfalten, so hassen sich andere Pflanzen bis in den Tod, in dem gewisse Arten, werden sie zusammen gepflanzt, nach kurzer Zeit Krankheit und schließlich den Tod der anderen bewirken. 


Neue Charakterologie in der Tierwelt. 1937; Konstitutionsprobleme Huterscher Forschung. 1924
(Hrsg. Amandus Kupfer. Schwaig bei Nürnberg. Hinzugefügt)

Diese Versuche habe ich in meinem eigenen Garten gemacht, und jeder kann sich davon überzeugen. Hieraus schließe ich, daß Pflanzen empfinden und zwar nicht nur Licht und Schatten, guten und schlechten Boden, Tockenheit und Feuchtigkeit, Wärme und Kälte, sondern auch noch weit tiefer, nämlich das geistige Leben. Das zu wissen, dazu waren diese und andere meiner Versuche nicht vergeblich gemacht.

Ganz kürzlich ist auch ERNST HÄCKEL in seiner Auffassung von Leben und Seele in bezug auf die Materie noch einen Schritt weiter gegangen; er schreibt nämlich in seinem neuesten Buche "Der Kampf um den Entwicklungsgedanken" Seite 77 wörtlich: "Als eine ganz besonders interessante Tatsache im Seelenleben der einzelligen Radiolarien ist hier noch die außerordentliche Fähigkeit ihres Gedächnisses hervorzuheben. Denn die relative Konstanz, in welcher jene 4000 Arten die regelmäßige und oft sehr verwickelte Form ihres schützenden Kieselgehäuses von Generation zu Generation vererben, erklärt sich nur dadurch, daß die Baumeister desselben die unsichtbaren Plasmamoleküle der Pseudopodien, ein feines "plastisches Distanzgefühl" und eine treue Erinnerung der Architekten-Tätigkeit ihrer Vorfahren besitzen; immer von neuem bauen die feinen formlosen Plasmafäden dieselben zierlichen Kieselschalen mit regelmäßigem Gitterwerk und mit schützenden Radialstacheln und Schwebebalken, die von denselben Stellen der Oberfläche in gleichen Abständen ausstrahlen."

Der Physiologe EWALD HERING in Leipzig hat schon früher in einer Abhandlung "Das Gedächtnis als eine allgemeine Funktion der organisierten Materie" behandelt. Auch Professor RICHARD SAMON in München hat 1904 in seiner Schrift "Die Mneme als erhaltendes Prinzip im Wechsel des organischen Geschehens" versucht, die Analyse der mechanischen Reproduktionserscheinungen auf rein physiologischer Grundlage nachzuweisen.

Merkwürdig ist es nur, daß keiner von diesen Forschern auf die Idee kommt, die ich so klar in diesem Werke entwickelt habe und seit mehr denn 20 Jahren lehre, daß die Empfindungsenergie eine der chemischen und physischen Energie mindestens gleich bedeutende selbständige Kraft ist, welche der Materie anhaftet.

Immer und immer wieder verfallen diese Forscher in den Fehler, die Empfindungsenergie, deren Vorhandensein sie nun endlich zuzugeben anfangen, als rein chemische oder mechanische Tatsache hinzustellen.

Die Kirche, welche gerade diesen Irrtum über den toten Zustand der Materie großgezogen hat und fast zweitausend Jahre jede Wahrheitsforschung zu verhindern suchte, lediglich nur darum, weil sie die Weltherrschaft und nicht die Wahrheit als ihr Hauptziel betrachtet, übt heute noch auf manche der besten freiheitlichen Forscher indirekt die nachhaltige Suggestion aus, daß sie der Materie die selbständige geistige Energie absprechen. Man erklärt mit den völlig negativen Erklärungsversuchen die Materie für geistlos und ihren Geist als Mechanik. Man spricht das eine Mal von Gedächniskraft in der Materie und scheut sich, sich zu der ganzen Wahrheit aufzuschwingen, daß in der Materie die geistige Energie wohnt, man leugnet folglich die geistige Kraft der Materie. So pendelt der moderne Mensch von den religiösen Irrümern, um den Geist in der Materie positiv nachzuweisen, um dadurch die Brücke zu schlagen von den Tatsachen des Okkulismus zu den Tatsachen der wissenschaftlichen Naturerfahrung, um endlich zwischen den einseitigen Materialisten und den einseitigen Spritisten und Gottgläubigen das Versöhnungswerk zu vollbringen? Warum, frage ich, ist es keinem Forscher vor mir möglich gewesen, eine gleiche oder ähnliche Welterklärung zu finden, so wie ich sie hier entwickelt habe?

Immerhin freue ich mich, daß hervorragende Forscher einigen meiner Wahrheiten näher kommen und daß der Kreis meiner positiven Anhänger von Jahr zu Jahr im Wachsen begriffen ist.


Das Sinnesleben der Pflanzen

S o wie ich den Geist in der Materie als zentrale Kraftlehre, nicht aber die Gottheit, weil die Gottheit, wie ich schon gesagt habe und später weiter nachweise, über der Materie steht, so nehme ich auch noch weniger die mechanische oder chemische Energie als zentrale Kraft an. Also nicht die Mechanik der Naturwissenschaftler und auch nicht die Gottheit der Theologen, Spiritisten und Theosophen regiert die Materie, sondern der Naturgeist. Dadurch erklärt es sich, daß ich es für der Mühe wert hielt, den geistigen Ausdruck in aller Form, Farbe, Gestalt und Erscheinung der Dinge zu suchen und diesen auch immer mehr und mehr fand, wodurch es mir möglich wurde, diese psycho-physiognomische und kallisophische Weltanschauung zu begründen.

Die Welt und alle Dinge einfach mit einer der Naturwahrheit völlig widersprechenden Schablone zu erklären, die ewig dieselben geistlosen Wiederholungen von Hölle, Tod und Teufel, Gott und Strafe und Gnade und dergleichen mehr bringt, ist das bequemste und denkbar geistig trägste Verhalten der Massen und ihrer irreführenden Ausbeuter gewesen. Die materialistisch-mechanische Weltanschauung bedeutet demgegenüber einen wirklich positiven geistigen Forschritt, und zwar ist es die erste Stufe zur geistigen Höherentwicklung insofern, als man energisch die Naturerscheinungen zu studieren sich befleißigt hat.

Es ist aber dieser naturalistischen entgöttlichten und entgeistigten Weltanschauung genau so ergangen wie der dogmatisch theologischen, sie blieb stehen bei der Materie und bei der Mechanik, genau so, wie jene stehen blieb bei der überlieferten Gottesidee, die einige Juden sich aus der babylonischen Kultur herausphilosophiert hatten, und die später abermals einer aus rassenjüdischem Stamm, der Jesus von Nazareth, im indisch-theosophischen Sinne reformierte. Einen Forschritt darüber hinaus gab es nicht, weder diesseits noch jenseits. So erklärt es sich, daß ich jahrelang vereinsamt mit meiner Weltanschauung da stand und gegen zwei allmächtige Geistesträgheitsmassen zu kämpfen hatte, ohne das geringste Verständnis zu finden. 

Meine Lehre von dem geistigen Ausdruck in der Form wurde nur soweit gewürdigt, als es sich um den Menschen handelte und speziell um den Gesichtsausdruck, darüber hinaus konnte man mir meist nicht folgen. Sobald ich vom Seelenleben der Pflanzen und Tiere sprach, erlebte ich die einseitigsten Einwände von seiten mancher Lehrer und Theologen. Man meinte, daß doch nur die Menschen, nicht aber auch die Tiere, geschweige denn die Pflanzen eine Seele haben, denn der liebe Gott habe bei Erschaffung der Welt nur dem Menschen seinen geistigen Odem eingeblasen, folglich sei auch nur der Mensch beseelt. 

Es war leicht, den Massen, die in diesen unwissenschaftlichen Ideen groß gepäppelt waren, das weiter mit kräftigem Nachdruck einzureden. Noch erstaunlicher war es mir aber, wenn sogenannte Materialisten mit dem noch öderen Einwande kamen, es gäbe überhaupt keinen Geist, folglich haben weder Tiere noch Pflanzen, noch Mensch eine Seele. Das Leben sei nur ein mechanisch chemischer Prozeß.

Zwischen diesen beiden Richtungen war nun die Ansicht der intelligentesten Mediziner zu der materiellen Anschauung hingeneigt, sie erkannten aber dabei meist den hohen Wert meiner psychologischen und physiologischen experimentellen Feststellungen an, soweit es sich um Menschen und Tiere handelte, nur standen sie meinen Erklärungen über die Beseeltheit der nervenlosen Lebewesen verneinend gegenüber, denn, so folgerte man, ohne Gehirn keine Seele, ohne Nerven kein Empfinden.

Nach diesen Erfahrungen schwieg ich schließlich gänzlich über die Punkte meiner Lehre, daß auch die Atome beseelt seien, und machte offiziell eine Scheidung zwischen der organischen oder beseelten und der anorganischen oder unbeseelten Natur. Denn, dass das, was lebt, beseelt ist, war nun nicht schwer in wenigen Unterrichtsabenden nachzuweisen.

Durch meine Lehrsätze, daß die magnetische Energie, das Od und besonders die Helioda die Träger der Empfindungsenergie im organischen Leben sind und die Seelenenergie nicht an das Gehirn gebunden ist, wurde die gewaltige Scheidewand gezogen, die meine Psycho-Physiognomik von der Phrenologie und von allen physiognomischen Systemen trennt. 

Bekanntlich hält die Phrenologie alle geistige Energie ans Gehirn gebunden, was ein großer Irrtum ist, dafür treten nun seit kurzem eine Anzahl Botaniker und Biologen ein.

Meine Vorhersagung, daß die offizielle Wissenschaft in meine Weltanschauung langsam hineinwachsen wird, wenn überhaupt ein geistiger Fortschritt stattfinden soll, sehe ich nun von Jahr zu Jahr sich langsam verwirklichen.

Ich will daher an dieser Stelle auf einige hochwertvolle Tatsachen hinweisen, auf die kürzlich der Botaniker R. H. FRANCÉ in verdienstlicher Weise aufmerksam gemacht hat, er sagt wörtlich: "Man wird mir einwenden, kein Botaniker leugne, daß die Pflanzen lebende Wesen sind. Dem aber läßt sich entgegenhalten, daß es sehr wohl einer Leugnung des Lebens gleichkommt, wenn man den Pflanzen die wichtige und so recht kennzeichnende Eigenschaft des Lebens, die Empfindung, abspricht. Das aber taten fast alle Gelehrten bis vor wenigen Jahren, das Publikum und die allgemeinen Bildungsbegriffe jedoch wissen überhaupt nichts von Pflanzenempfindung."*) S. 12. R. H. FRANCÉ: "Das Sinnesleben der Pflanzen", Franckhscher Verlag, Stuttgart.

Meiner Ansicht nach, der auch FRANCÉ beistimmt, ist an diesen falschen Naturbegriffen der Aristotelessche Satz, der später in die Kirchenlehren aufgenommen wurde, schuld: "Die Pflanzen haben Leben, aber kein Empfinden." Auch der Schwede LINNÉ, der sich um die Botanik große Verdienste erworben hat, und dessen Autorität in den Schulbüchern noch bis in die heutige Zeit hineinragt, vertrat dieses falsche Dogma der Kirche und der offiziellen Wissenschaft.

Emil Nolde
(Hinzugefügt)
Nur die Dichter, die Sänger, die Komponisten, die Künstler und das Volk fühlten das Empfinden der Pflanzenwelt, besonders der Blumen, der Gärten, der Wiesen und des Waldes und haben es bis in die jüngste Zeit hinein besungen. 

Herrlich ist das sinnreiche Gedicht von GOETHE: "Ich ging im Walde so für mich hin und nichts zu suchen, das war mein Sinn", an das sich ein anderes: "Sah` ein Knab` ein Röslein stehn" usw. würdig anreiht. Welche tiefe Naturbeobachtung liegt nicht in dem Verse eines anderen Dichters: "Ob ich dich liebe, frage die Blumen, denen ich so oft mein Geheimnis vertraut" usw. Stets hat ein traulich liebevoller Umgang zwischen edel empfindenden Menschen und den Blumen stattgefunden.

Nur die harten Verstandesmenschen der Wissenschaft und die Dogmatiker der Kirchenlehren blieben gegen das so reich empfindende Leben der Pflanzen herzlos verschlossen.

Heute weiß man nicht nur, daß die Pflanze empfindet, sondern auch, daß sie sich bewegt. 

Die Physiologen nennen diese Pflanzenbewegungen Nutationen; leider erklären diese Herren größtenteils auch alle Pflanzenbewegungen mechanisch, statt die meisten Bewegungen auf das Empfinden zurückzuführen. In der Tat hat die Pflanze in ihrer Wurzel ein chemisch-physikalisches Gefühl, indem sie sich von dem trockenen Erdboden fort dem feuchten zuwendet. Die Enden dieser Wurzeln bewegen sich besonders in festerem Erdboden schraubenförmig und kommen somit oft zwischen den härtesten Gesteinsmassen fort. Ich habe auf dem Marienkirchhof in Hannover beobachtet, daß eine Baumpflanze sich durch eine dünne Ritze eines sehr schweren Grabsteins hindurch bewegt und den Stein völlig auf die Seite gedrängt hat. Die Physiologen nennen den Sinn der Pflanze für Feuchtigkeit Hygrotropismus für Licht Heliotropismus für Schwerkraft Geotropismus für Nachtwenden Nykritropismus.

Wie die Wurzel der Pflanze in der Finsternis lebt und fühlt und sich bewegt, so die Ranke im Licht. Jeder kann beobachten, wie eine Weinranke sich um jeden Pflock und Nagel rankt, den sie am Hause findet. Sie muß also das Bewußtsein dafür haben, was Stützpunkte sind, was nicht; denn sie findet die sichersten Stützpunkte heraus und sucht die unsicheren zu meiden, solange sie sicherere in der Nähe hat. Die Pflanze zeigt in ihrer Weise dadurch einen überlegenen Willen für das, was ihr gut ist. Die Blätter und Ranken kommen oft in zitternde, reckende, streckende, krümmende Bewegungen und zwar nicht vom Winde, sondern aus sich selbst heraus.

Naht der Regen, selbst wenn die Menschen noch kaum Wolken sehen, so schließen sich zahlreiche Blumenkelche, kommt die Sonne, so öffnen sie sie, und geht die Sonne abends unter, so schließen sie sich wieder, die Blätter hängen matt herab.

Viele Blumen drehen sich sichtlich morgens vor Sonnenaufgang nach Osten zu und bewegen sich im Halbkreise nach dem Stande der Sonne; sie neigen sich gen Westen, wenn die Sonne untergegangen ist, ihren Tag zur Ruhe beschließend. Die Blumen schließen mit beginnender Dunkelheit ihre Kelche zu, z.B. Hornklee (Esparsetten, violetter Schneckenklee). 

Abgeschnittene Kleeblätter schauern, in Dunkelheit gebracht, zusammen, dem Licht zugeführt entfalten sie sich wieder voll und breit, wenn man sie ins Wasser steckt.

Die Mimose reagiert auf jede Berührung, ihre Zweige und Blätter falten und legen sich zusammen. Ein starker Stoß an einen Zweig eines Mimosenbusches macht den ganzen Busch erzittern und bringt einen Zweig und ein Blatt nach dem anderen zur Zusammenfaltung. Die gesamte Pflanze fühlt mit, wenn einer ihrer Zweige hart gestoßen worden ist.

Wunderbar ist die Tatsache, daß viele Blumen darum Honig und alle Farbenreize entwickeln, um die farbenliebenden und honigsaugenden Insekten anzulocken. Sie überschütten sie dann mit Blumenstaub, und diesen trägt das Insekt weiter zu einer anderen Blume, wodurch die Begattung bewirkt wird: ein Stück aus dem Liebesleben der Pflanze (Blüte des Sauerdorn usw.)! 

Das Blühen der Blumen ist ein Liebessehnen und jungfräuliches Schmücken; die Insekten sind ihre Brautwerber, ihre Vermittler, und darum belohnen sie sie durch den süßen Hochzeitsschmaus, den in seliger Wonne das Bienchen aus den Blumenkelchen saugt. Aber es gibt auch tückische, böswillige Pflanzen und Blumen, also auch dort Verbrechernaturen, wie unter Menschen und Tieren. Es gibt Blumen, die auch ihre Kelche öffnen, um Insekten anzuziehen, diese dann aber mit vielen Dutzend Haken und Zangen schließen, das Insekt also gefangen nehmen und töten und den Leichnam auffressen. Insektenfressende Pflanzen gibt es in größerer Anzahl, als man denkt, doch sind sie immerhin gegenüber den liebeswonnigen und wohlmeinenden Blumen in geringerer Anzahl vertreten (Sonnentau). Das Blasenkraut (Alderraude) fängt in seinen Blättern sogar Wasserkrebse und saugt sie aus. Der Dionae fängt Fliegen und ernährt sich von deren Lebenssaft. Es gibt auch schmarotzende Pflanzen, die von dem Safte anderer Pflanzen leben. 

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1994. Update 26. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
Hauptwerk - Lehrbrief 3 (von 5)
 
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