Menschenkenntnis Lehrbrief I. - Part 6
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

Anders ist es mit dem organischen Leben; hier offenbart sich alles Eigene und Verborgene im Körperlichen und Geistigen äußerlich in der Physiognomie, denn alle eingeführten fremden Reize und Stoffe verwachsen mit dem einheitlichen Lebensvorgang, und das ganze Individuum ist eine Einheit vieler Kräfte, Stoffe und Eigenschaften, die sich alle äußerlich offenbaren.


Carl Huter Büste
(Bild links: DgM Nr. 24. Amandus Kupfer. 1934. Bild rechts: Huter-Büste Familie Kupfer. Foto W. Timm © 2002-2007. Hinzugefügt)


" In den Formen lebt der Geist " Dies ist das wichtigste Naturgesetz in der organischen Welt, das wir erkennen können, und hierauf stützt sich die ganze neue Lebens-, Körper- und Seelenausdruckskunde, die Psycho-Physiognomik.


Es ist nun wichtig, den Unterschied zwischen Physiognomik und Psycho-Physiognomik festzuhalten.

Eine Physiognomie hat jedes anorganische Ding auch, das heißt, einen gewissen typischen äußeren Ausdruck (Farbe und Gestalt), aber keine Psycho-Physiognomie. 

Die Psycho-Physiognomik ist streng genommen eine Wissenschaft von organischem Leben und dessen innewohnenden körperlichen und seelischen Kräften.

Die Psycho-Physiognomik ist die neue naturwissenschaftliche Offenbarungslehre, und zwar für den naturwissenschaftlich Gebildeten. Sie ist daher die grundlegende Lehre für eine höhere harmonische Weltanschauung, nämlich der Kallisophie.

Der zweite Beweis, daß sich im Äußeren das Innenleben spiegelt, ist das Leben an sich selbst.

Leben heißt: Sich betätigen; wenn nun die nächste Betätigung in der Aufsaugung der Kräfte und Stoffe von außen nach innen geschieht, so ist damit nur erst die erste Hälfte der aktiven Lebenseigenschaft erfüllt; die zweite Hälfte oder der volle Lebenszweck wird erst erreicht durch die Betätigung von innen nach außen.

Alle Ernährung hat nun den Zweck, Spannkräfte zu sammeln, um sich nach außenhin zu betätigen, fortzubewegen, fortzupflanzen, fortzubilden. Daher wachsen von innen nach außen auch alle Sinnesorgane, Glieder usw., und alle Kräfte und alle Stoffe treten in den Dienst der Betätigung, die sich von innen nach außen vollzieht.

Aus diesem Grunde muß sich weiter das Innere im Äußeren bekunden.


Der dritte Beweis für die Tatsache, daß sich das Innere in der äußeren Peripherie offenbart, ist:

Die befruchtete Mutter- oder Stammzelle überträgt bei der Neubildung einer Tochterzelle alle Eigenschaften und Kräfte, alle Stoffmischungseigentümlichkeiten und geistigen Grundlagen. Die Tochterzelle vollzieht bei ihrer Reife, sobald sie wieder eine Zelle neu bildet, denselben Vorgang, und so erklärt es sich, daß durch den ganzen vollendeten Körper eines neugeborenen Kindes oder eines ausgewachsenen Menschen ein einheitliches geistiges und materielles individuelles Etwas verwoben ist, das innerlich sowie äußerlich und äußerlich so wie innerlich einen einheitlichen individuellen Charakter trägt und zwar materiell und geistig.

Und daher ist auch aus diesem Grunde im Äußeren das Innere erkenntlich.

Damit eröffnen sich für den Forscher und Beobachter ganz neue Gesichtspunkte über das Leben und seine Gesetze, und damit ist uns der Weg zur Wahrheit auch im geistigen Leben klar vorgezeichnet.

Jede Individualität hat drei Grundwesenheiten, einmal das negative, bildsame Lebenselement, worauf das positiv Impulsive wirkt.

Das Negative ist grobstofflich, es ist das lebendige Protoplasma, das die Medioma seelisch durchwebt; auf dieses wirkt das erste aktive Wesenselement, die magnetische Lebensenergie, und daneben das zweite aktive Lebenselement, die Helioda.

Die innere Wesenheit besteht also außer dem negativen Element aus zwei positiven Impulskräften, die eine schafft das objektive, die andere das subjektive Sein.

Das objektive Sein ist durch Lebensmagnetismus, das subjektive durch die Helioda geschaffen. Das unbewußte Sein liegt in der Medioma oder dem Od.

Die Helioda schafft die Gedankenbilder und sucht alle Maßbestimmung im objektiven Sein in sich selbst, im magnetischen Ich.

Jeder hat zunächst für sich das Maß, womit er die Dinge erkennt und geistig mißt, in sich tragend.

Das subjektive Ich, die Helioda, bildet aus der Medioma nicht nur innere Organe, sondern auch materielle ätherische Wesen in den Gedanken und Vorstellungsbildern, und so erklärt sich mancher rätselhafte Vorgang auf dem Gebiete des Okkultismus, wo reale Kräfte und Gestalten objektiv gesehen worden sind. Die Helioda mit ihren Gedanken- und Willensimpulsen kann aus dem seelisch biegsamen und schmiegsamen negativen feinmateriellen Od subjektiv schöpferische Gestalten, und zwar subjektive Visionen und objektive Wirklichkeitsformen und Wesen, wenn auch nur vorübergehend, schaffen.

Für den Arzt ergibt sich die Aussicht, daß er künftighin Krankheiten und Krankheitsdispositionen viel mehr im Äußeren, nach ihm bisher noch unbekannten körperlichen Merkmalen, weit sicherer erkennen kann, als durch manche bisher umständliche und mangelhafte Untersuchungsmethoden. Psycho-physiognomische Diagnosen.

Für Eltern, Lehrer und Erzieher eröffnet sich die Aussicht, daß sie die Kinder nach ihrer äußeren körperlichen Gestalt besser beurteilen lernen und mit der Erziehung individuell vorgehen und die natürliche Beanlagung beobachten können; für den Dichter und bildenden Künstler ergeben sich ganz neue Motive, und für den Juristen wird manches menschlich erklärt und aufgehellt, was ihn gerechter und humaner denken läßt.

Der Gesetzgeber und der Staatsmann werden nach diesen neuen Lebensgesetzen nun weiser und edler beobachten, denken und handeln lernen und manches besser machen, als es ihnen bisher möglich war.

Die Religion erhält ganz neue Belebungselemente, wodurch sie alles Unbrauchbare ausscheidet, sich völlig umgestaltet und im Einklang mit der Wissenschaft mehr Glück und Harmonie unter die Menschen bringen kann. Eine ganz neue Kunst-, Gesellschafts- und Sittenlehre wird hieraus gezogen werden müssen, was in den zwölf kallisophischen Büchern "Der neue Mensch und die neue Welt" bereits von mir geschehen ist. Das Werk erscheint nach diesen Lehrbriefen.


NEUNTER TEIL DES LEHRSTOFFES
Die größten Naturforscher als Physiognomiker der Natur - Psycho-Physiognomik und Entwickelungslehre

CASPAR FRIEDRICH WOLFF, ein junger Mediziner, entdeckte 1759 im bebrüteten Hühnerei, daß sich auf der bekannten gelben Dotterkugel eine kleine kreisrunde, weiße Scheibe bildet, die dann länglich rund wird und in vier übereinanderliegende Schichten zerfällt.

Diese vier Schichten sind die Anlagen der vier wichtigsten Organsysteme, zuerst die oberste, das Nervensystem, darunter die zweite, das Muskelsystem, drittens das Gefäßsystem mit dem Herzen und schließlich das Ernährungssystem mit Magen, Darm usw.

Die Schlußfolgerung WOLFFS, "hierdurch sei erwiesen, daß die Keimbildung nicht in einer Auswickelung vorgebildeter Organe, sondern in einer Kette von Neubildungen vor sich gehe, eins aus dem andern heraus", ist logisch und philosophisch nicht ganz richtig, denn beides findet statt, Vor- und Neubildung. 

In Wirklichkeit geht eine sinnlich wahrnehmbare Neubildung von Organen vor sich, welche unbedingt schon vorher ihre unsichtbare Grundlage im Ei gehabt hat.

Es ist nicht Auswickelung, aber Entfaltung der im Keim vorhandenen Kräfte.

Die beobachtete Tatsache, daß sich gleich bei der Entwickelung aus dem Ei oder der Stammzelle die vier Grundorgane des späteren anatomischen Körperbaues bilden, ist dahingegen höchst wertvoll für die Entwickelungs- und Organenlehre.

Nachdem WOLFF, leider auch in seinen wertvollen Forschungen verkannt, längst gestorben war, hat LORENZ OKEN in Jena 1806 aufs neue die Tatsachen WOLLFS wieder entdeckt und wissenschaftlich angeregt.

Hierauf hat CARL ERNST BAER 1828 in seinem Werke "Entwickelungsgeschichte der Tiere, Beobachtung und Reflexion" die Keimblätterlehre weiter ausgebaut.

MATTHIAS SCHLEIDEN in Jena entdeckte 1838 die Pflanzenzelle, und bald darauf entdeckte THEODOR SCHWANN, ein Schüler und Assistent von JOHANNES MÜLLER, Berlin, die Tierzelle.

Zwei weitere Schüler von JOHANNES MÜLLER, ALBERT KÖLLIKER und RUDOLF VIRCHOW, haben in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Würzburg die Zellentheorie auf beim Menschen durch Ansammlung eines großen Tatsachenmaterials für alle Zeiten festgelegt.

CARL THEODOR SIEBERTS Theorie von 1840, daß die niedrigsten Tiere, die Infusorien und Rhizopoden einzellige Organismen sind, wurde durch Ansammlung von Tatsachen über die Entwickelungsgeschichte der Zelle durch ALBERT KÖLLIKER und FRANZ VON LEYDIG, Würzburg, ebenfalls nachgewiesen.

Dieses sind Beweise für C. HUTERS Lehre, daß Eier und Samen Zellen sind, woraus sich alles niedere, wie auch höhere organische Leben gebildet und fortentwickelt hat.

Nach BAER geht bei den höheren Wirbeltieren und beim Menschen in dem befruchteten Ei folgender Ent-wickelungsvorgang vor sich:

Die zwei blattförmigen Schichten, welche in der runden Keimscheibe zuerst auftreten, zerfallen in je zwei Keimblätter, und diese vier Keimblätter verwandeln sich in vier Röhren, welche die Fundamental-Organe: Hautschicht, Fleischschicht, Gefäßschicht und Schleimschicht bilden.

Durch sehr verwickelte Vorgänge entstehen daraus später die weiteren Körperorgane. Diesen Entwickelungsvorgang hat BAER beim Menschen und bei den Wirbeltieren übereinstimmend gefunden.

BAER entdeckte zuerst auch das menschliche Ei; vor ihm nahm man an, daß im Eierstock des Weibes kleine Bläschen lagern.

ROBERT REMAK in Berlin und ALBERT KÖLLIKER in Würzburg entdeckten zehn Jahre später, 1838, daß die menschlichen Eier Zellen sind. KÖLLIKER entdeckte ferner 1866, daß die beweglichen, stecknadelförmigen Samentierchen des männlichen Samens (Sperma) ebenfalls Zellen sind.

ERNST HÄCKEL nahm 1872 an, daß das Tierreich in zwei Hauptgruppen zu scheiden ist, in die einzelligen Urtiere (Protoza) und in die vielzelligen Gewebetiere (Metazoa).

Die Protozoen, wozu die Rhizopoden und Infusorien gehören, bleiben zeitlebens einzellige Lebenwesen und vermehren sich ungeschlechtlich durch Teilung, Knospung oder Sporenbildung; sie haben weder männlichen Samen (Sperma) noch weibliche Eier. Anders ist der Organismus der Metazoen.

Diese sind wohl im ersten Beginn auch einzellig, später wachsen sie aber zu vielzelligen Wesen aus, welche Gewebsbestandteile des Körpers zeigen.

Die Metazoen sind in männliches und weibliches Geschlecht geschieden, und sie vermehren sich vorwiegend geschlechtlich mittels echter Eier, welche vom männlichen Samen befruchtet werden.

Bei allen Metazoen entstehen zuerst zwei primäre Keimblätter: Hautblatt und Darmblatt. Das ist ein neuer Beweis für C. HUTERS Lehre, daß der Magnetismus als zentrale Kraft sich das zentrale Organ, den Darm , und die Helioda als Spann- und Peripheriekraft das Peripherieorgan, die Haut und Nervensubstanz, bilden.

Aus dem Hautblatt entwickelt sich nach außen die Oberhaut und nach innen das Nervensystem, aus dem Darmblatt der Verdauungskanal und die übrigen Organe.

Hieraus ist zu ersehen, daß ursprünglich die zwei Hauptorgane, äußeres Peripherie-Organ und inneres Zentral-Organ, mit den zwei primären Lebenskräften, der magnetischen Lebensenergie und der Heliodastrahlkraft, eher da waren als alle anderen Kräfte und Organe.

Das Lebensod oder die Medioma ist erst aus dem magnetischen Ernährungsvorgang entstanden und wird durch die Helioda geistig ausgebaut zu weiteren Organ-, Gewebe- und Fleischbildungen.

Daher ist meine Lehre richtig, daß Nerven und Haut wechselwirkend entstanden sind, und daß Nerven und Haut die Träger der geistigen Lebenskraft Helioda sind, während die magnetische Energie mehr in den Zentralorganen der Verdauung (Magen, Leber, Darm), der Atmung (Lunge), des Blutkreislaufes (Herz und Gefäße) und des Bewegungsapparates, besonders des Knochengerüstes, liegt.

Die Medioma oder das Lebensod ist daher negativer Natur und wohnt mehr in den Weichteilen des Fleisches und der Gefäße als Reservekraft und Stoff des Lebens.


Was lehrten nun große Naturforscher von den Lebenskräften?

ARISTOTELES nimmt in seiner Naturgeschichte an, daß dem lebenden Körper ein flüchtiger Lebensgeist innewohne (Pneuma).

ERASISTRATUS, 280 v. Chr., unterschied einen niederen und einen höheren Lebensgeist, das Pneuma zoticon im Herzen und das Pneuma psychicon im Gehirn.

Alle verschiedenen Funktionen des Körpers führt der große griechische Arzt und Naturforscher GALENUS auf drei Hauptgruppen zurück, entsprechend den drei Formen des Pneuma (Lebensgeist), den Lebensgeist der Nerven (Empfindung), des Herzens (Bewegung) und der Leber (Ernährung).

Der englische Arzt HARVEY entdeckte 1628 den Blutkreislauf, das doppelte Adersystem (Arterien und Venen) und bei den Untersuchungen über die Zeugung der Tiere, daß alles Lebendige sich nur aus einem Ei entwickelt.

In der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts nahm der Philosoph DECARTES an, daß der menschliche Körper eine Maschine sein, von mechanischen Gesetzen regiert, dem aber daneben die selbständige materielle Seele innewohne.

In der Mitte des 18. Jahrhunderts begründete ALBRECHT HALLER die Lehre von einer einheitlichen Lebenskraft (Vitalismus), die seiner Ansicht nach besonders in den Nerven wohne.

BARELLI führte die Bewegungen des Tierkörpers (1660) auf rein physikalische Gesetze zurück, SYLOINS die Vorgänge der Verdauung und Atmung auf chemische Vorgänge.

ERNST HÄCKEL, Jena, hat 1866 zuerst die Zellenseele erkannt, aber ohne Annahme einer besonderen Seelenkraft oder Substanz. Dieses sonderbare Versehen eines unserer größten Naturforscher erklärt sich aus einem physischen Gesetz, daß nämlich große Meister gewöhnlich große Fehler machen. Wie sich HÄCKEL eine Seele denkt, ohne Kraft und Stoff, wie gerade er, der Kraft und Stoff sonst so sehr in allen Dingen bewertete, sie hier gänzlich fortläßt, bei der Seele, der höchsten Energieform, die aus dem organischen Leben entstanden ist, ist nur durch eine unbewußte Denkbeschränkung gegen die Tiefen der Naturkräfte zu erklären. Seine Ansicht hierüber ist weder logisch noch den Erfahrungen in allen Naturerscheinungen entsprechend, und es hat ihm fraglos entweder die Liebe, über Seelenkräfte und Substanzen näher nachzudenken, oder die Gelegenheit zum Experiment gefehlt.

Anzuerkennen ist aber, daß HÄCKEL sich zu der Ansicht durchgerungen hat, daß die Samenzelle eine Seele hat, und in diesem Punkte stimmt HÄCKEL mit meiner Lehre überein.

Deshalb will ich diesem großen Naturforscher trotz seiner Fehlschlüsse als einem der bedeutendsten Vorläufer der Psycho-Physiognomik seinen verdienten Ehrenplatz einräumen. Wer meine Werke tiefer verstehen will, studiere zuvor oder hinterher ERNST HÄCKELS Schriften.

GOETHE bewegte sich bei seinen naturwissenschaftlichen Studien und Forschungen in der Physiognomik und vergleichenden Anatomie auf einem guten Beobachtungs- und Denkwege (1790). Er nahm an, daß der Schädel eine Fortsetzung der Wirbelknochen und Nase und Kinn die letzten Ausläufer in der Höherentwicklung des höchsten Wirbeltieres, des Menschen seien.

GOETHE war durch den großen physiognomischen Forscher JOHANN CASPAR LAVATER in Zürich ganz besonders für die Gesichtsausdruckskunde gewonnen, und die Erklärung der Nasen- und Kinnbildung suchte GOETHE auf naturwissenschaftlichem Wege durch vergleichende Anatomie. Wäre LAVATER auch mehr den naturwissenschaftlichen als den spekulativen Weg gegangen, so hätte er nicht nur allein anregend, sondern auch mehr grundlegend gewirkt.

Merkwürdig ist es, daß kein Tier die Eigenart der Nasen- und Kinnbildung so hat, wie der Mensch.

Es ist auch Tatsache, daß die intelligentesten Menschen sich durch große Nasen und stark vortretende Kinnbildungen oder durch beides zugleich auszeichnen.

GOETHE nahm ferner zwei gestaltete Bildungstriebe an, nämlich eine innere Zentripedalkraft des Organismus, den Spezifikationstrieb, und eine äußere Zentrifugalkraft, den Variationstrieb, der die Metamorphose bewirkt.

In diesen Punkten nähert sich GOETHE in seinen Gedanken und Ahnungen meiner Philosophie und speziell auch meiner Lehre von den Lebenskräften, dem innerlich bauenden Magnetismus und der äußerlich bauenden Helioda. GOETHE vermutete, aber er entdeckte nicht diese Kräfte.

Die erste Kraft verkörpert das Energieprinzip der individuellen Erhaltung, die zweite das lebendige Kraftprinzip der Anpassung und Umbildung.

Aber hier weiche ich von HÄCKEL und anderen Naturphilosophen ab, indem ich mich auf die empirische Entwicklungslehre, wie auch auf meine logischen Denkfolgerungen stütze, nämlich, daß bei aller Umbildung aller Wille des Lebens auf Höherentwickelung bei Beibehaltung der Individualität hinstrebt, auch über den Tod hinaus.


Schöpfungslehre der individuellen Wesen auf unserer Erde seitens großer Naturforscher und mein Standpunkt dazu:

Es stehen sich bezüglich der Schöpfungslehre innerhalb der naturwissenschaftlichen Kreise vier große Parteien gegenüber:

Die eine Partei bewegt sich in den Anschauungen des großen schwedischen Naturforschers CARL LINNÉ, 1735, "Systeme naturae", welcher die Artentheorie begründete und ein geistreiches Klassifikationssystem einführte.

LINNÉ nimmt eine Urschöpfung durch ein unendlich hohes Wesen an, er sagt wörtlich: Es gibt soviel verschiedene Arten, als im Anfange vom unendlichen Wesen verschiedene Formen erschaffen worden sind.

LINNÉ kannte nicht die ausgestorbenen Arten der Tier- und Pflanzenwelt.

Erst der große französische Zoologe und Naturforscher CURVIER stellte eine neue Theorie der Schöpfung in seinem Werke über die fossilen Knochen der vierfüßigen Wirbeltiere (1812) auf.

In diesem Werke wies er nach, daß in den verschiedenen Perioden der Geologie eine Reihe von ganz verschiedenen Tierbevölkerungen aufeinander gefolgt war und kam infolgedessen zu der Annahme, dass eine Reihe von Katastrophen und von wiederholten Neuschöpfungen in der Geologie aufeinander gefolgt sei.

Bei diesen Erdrevolutionen dachte sich CUVIER den Anfang zerstörend für alle lebenden Organismen und das Ende als neuschöpfend von Pflanzen, Tieren und Menschen.

Der englische Naturforscher CHARLES LYELL widerlegte 1830 die Katastrophentheorie von CUVIER und wies die natürliche Entwickelungsgeschichte unserer Erde nach.

Den dritten Versuch, naturwissenschaftlich eine Urschöpfung zu erklären, hat der große französische Naturforscher JEAN LAMARK (1809) gemacht, welcher zu gleicher Zeit neben CUVIER in Paris lebte.

In seinem Werke "Philosphie zoologic" suchte er die Umbildung der Arten zu begründen und behauptete, daß alle Arten veränderlich und im Laufe langer Zeiträume aus älteren Arten durch Umbildung entstanden seien.

Die gemeinsamen Stammformen von denen dieselben abstammen, seien ursprünglich ganz einfache Organismen gewesen; die ersten und ältesten hätten durch Urzeugung ihren Anfang genommen.

Als einzige Ursache alles Lebens nimmt LAMARK mechanische, physikalische und chemische Wirkungen an.

LAMARK wurde dadurch der Vater der Deszendenz- oder Abstammungstheorie. Diese Anschauung fanden zu Lebzeiten dieses Forschers keinen Beifall.

Erst als der englische Naturforscher CHARLES DARWIN (1859) mit seinem berühmten Hauptwerke "Über die Entstehung der Arten im Tier- und Pflanzenreich durch natürliche Züchtung und Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampfe ums Dasein" hervortrat, fand diese Lehre in der wissenschaftlichen Welt durchschlagende Aufnahme.

LAMARK, der mehr auf deduktivem, und DARWIN, der auf dem induktivem Wege forschend vorging, haben sich beide in ihrer Dezendenz- und Selektionstheorie von der Schöpfung ergänzt.

Die vierte Richtung in der Naturwissenschaft ist die pessimistische, welche jede Naturphilosophie für überflüssig hält und an deren Stelle die reine sinnliche greifbare Tatsachenlehre stellt. Ihr Hauptvertreter war RUDOLF VIRCHOW. VIRCHOW wurde dadurch ein Gegner von allen seinen Vorgängern, auch von DARWIN.

Den engsten Kreis für die Naturwissenschaften hat VIRCHOW gezogen; er läßt nur sinnlich erkannte Tatsachen als wissenschaftlich erwiesen gelten.

Durch die große Verehrung, welche VIRCHOW besonders unter deutschen Ärzten und Naturforschern genoß, hat er der Mehrzahl der deutschen Naturwissenschaftler durch seinen Einfluß den philosophischen Geist genommen und leider, wenn auch unbeabsichtigt, zu dem so wie so schon breitspurig auftretenden, genußsüchtigen und moralisch entarteten Materialismus den wissenschaftlichen Pessimismus und Nihilismus in der jüngeren Generation großgezogen.

VIRCHOW selbst war jedoch ein guter Staatsbürger, der sich außer der Befürwortung des Impfzwang-gesetzes, die er im guten Glauben unternahm, sonst sehr segensreich betätigt hat.

Auf dem Standpunkt der modernen Naturwissenschaft haben CHARLES DARWIN, LUDWIG BÜCHNER und ERNST HÄCKEL eine edle, naturalistische Welt- und Lebensphilosophie, eine monistische Vernunftreligion anzubahnen versucht und sind wieder zur Philosophie geflüchtet.

Leider haben diese Naturphilosophen nur die eine Grundlage der Philosophie, die sinnliche Welt, angewandt und die okkulte Welt völlig übersehen; ihre Philosophie mußte folglich Stückwerk und nur halbe Arbeit werden.

Sie opferten einer Idee zuliebe, der Idee des Materialismus, die andere große Welt der Wahrheit, die, welche die großen Weisen und Religionsstifter der alten Zeit schon besser kannten wie diese modernen Wissenschaftler.

Um nicht in ähnliche Irrtümer zu verfallen, brauchen wir vier Grundlagen für eine große, wahre Weltanschauung: Die Naturwissenschaft, die Philosophie, den historischen und experimentellen Spiritismus - Weltreligionsgeschichte - Okkultismus und endlich die alle Grundwissenschaften durchleuchtende Psycho-Physiognomik, welche zu der letzten großen Lehre von den Lebens-Weltidealen führt, zu der Kallisophie oder ethischen Schönheits-Religion.



ZEHNTER TEIL DES LEHRSTOFFES
Fragen und Antworten

1. Unterredung

1. Was ist Physiognomik?

Das gewohnheitsmäßige Verfahren, aus dem Ausdruck der Dinge auf Wesen und Wert derselben zu schließen; so beurteilt z.B. der Landwirt nach der äußeren Erscheinung des Saatkorns die Güte, und danach beurteilt er den Wert und bietet dem Händler den Kaufpreis an; Physiognomik ist also auch Wertmaßkunde; im engeren Sinne ist sie Gesichtsausdruckskunde.


2. In welchem Verhältnis steht die Physiognomik zur Naturwissenschaft?

Da alle Naturforscher, als Physiker, Chemiker, Mineralogen, Geologen, Astronomen, Botaniker, Zoologen u.a.m. , ihr Wissen nur aus den äußeren Merkmalen der Dinge schöpfen, die Physiognomik nun Ausdruckskunde der materiellen Erscheinungen der Dinge ist, so gilt die Physiognomik als die Grundlage jeder Naturwissenschaft.


3. Warum wird die Physiognomik im engeren Sinn in den Schulen nicht gelehrt?

Weil man bisher glaubte, noch kein hinreichend zuverlässiges System zu haben, wodurch die Physiognomik als Gesichtskunde gelehrt werden könnte.


4. In welchem Berufe brauchte man bisher vorzugsweise physiognomische Kenntnisse?

Bisher befleißigten sich insbesondere die bildenden und darstellenden Künstler des Studiums der Physiognomik.


5. Was ist nun die Hutersche Psycho-Physiognomik?

Psycho-Physiognomik ist die von Carl Huter begründete Wissenschaft, welche die Physiognomik durch natur-wissenschaftliche Forschungsmethode aus dem Zustand subjektiver Fehlschlüsse, Irrtümer, Widersprüche usw. emporhob und die gesamte Naturwissenschaft als eigentlich physiognomisches System betrachtet; auf Grund dieser Tatsache hat Huter auf philosophischem, experimentellem und erfahrungsmäßigem Wege dann weiter die tiefen Lebenskräfte der Dinge, insbesondere des organischen Lebens und ihrer Formen, gesucht und gefunden und hat beobachtet, daß sich alles geistige Leben aus dem Stoff entwickelt hat und im organischen Leben zum selbstbewußten Lebenswillen erwacht ist. Er fand dann die Gesetze, welche den innigen Zusammenhang und die Wechselwirkung zwischen innerem Leben, Wesen und Charakter einer Individualität und seiner äußeren Peripherie erklären. Dadurch hat er nachgewiesen, daß der Geist nicht verborgen ist, sondern sich in der ganze Natur in jedem organischen Lebewesen äußerlich in seiner Physiognomie offenbart, wodurch er zu dem feststehenden psycho-physiognomischen Grundsatz kam: "In den Formen lebt der Geist." Die Hutersche Psycho-Physiognomik nist daher Lebens- und Seelen-Ausdruckskunde und im höheren Sinn eine objektive Offenbarungs- und Wert-Lehre vom Leben.


6. Wer soll sich physiognomische Kenntnisse verschaffen?

Jedermann; denn nichts bildet mehr und führt sicherer zu einer harmonischen Weltanschauung als das Studium der Huterschen Psycho-Physiognomik. Der Arbeiter, Handwerker, Landwirt, Hotelier, Industrielle, Kaufmann, Beamte, Lehrer, Arzt, Jurist, Gesetzgeber, Künstler, Dichter und Gelehrte, der Staatsmann und Regent, besonders aber auch alle weiblichen Personen, sie alle brauchen Menschenkenntnis, und sie alle können durch die Psycho-Physiognomik nur gewinnen.


7. Gibt es außer dem von C. Huter begründeten noch andere psycho-physiognomische Systeme?

Nein, bisher nicht und wird es auch in Zukunft nicht geben, weil Huter alle Gebiete des Wissens heran-gezogen hat, um seine Lehre zu begründen, und weil er außerdem die bedeutendsten grundlegenden Entdeckungen der psycho-physiognomischen Kräfte und Gesetze gemacht hat. Die ganze geistige Entwickelung der zukünftigen Menschheit muß durch die Hutersche Psycho-Physiognomik hindurchgehen.

Wenn andere psycho-physiognomische Systeme noch auftauchen werden, so sind es entweder Bruchstücke von Huters Lehre, oder es sind Huters Grundgedanken verwendet worden, oder es sind falsche irreführende Lehren, die mit Huters Wissenschaft nichts gemein haben, oder es sind endlich Mischungen von Irrtümern, die mit Teilen aus Huters Psycho-Physiognomik verquickt wurden.


8. Läßt sich die Hutersche Psycho-Physiognomik ergänzen und vervollkommnen durch neue Entdeckungen uns noch unbekannter Kräfte?

Die Hutersche Psycho-Physiognomik ist, wie alles in der Welt, ergänzungs- und vervollkommnungsfähig, doch sollen alle derartigen Verbesserungsversuche mit großer Zurückhaltung aufgenommen werden; gewöhnlich verliert die Originalschöpfung an Wert, sobald ein Tadler oder Besserwisser daran meistern will. Nur wer die Hutersche Lehre studiert und gewürdigt hat, kann darauf weiterbauend forschen. Doch hüte er sich, den rechten Pfad zu verlieren.

Es können nur außergewöhnlich edle und begabte Menschen in Zukunft berufen sein, die Hutersche Lehre in den Details weiter auszubauen, nie aber werden die Grundlehren dadurch aufgehoben. Wer die Huterschen Lehren aufheben will, ist ein Irreführer und ein Feind der Wahrheit; solche wahrheitsverwirrende Menschen soll man fliehen oder ihren Einfluß verhindern.


9. Beginnt man in der Huterschen Psycho-Physiognomik mit dem Studium des Gesichtsausdrucks oder dem Uranfang des Lebens?

In der Huterschen Psycho-Physiognomik beginnt man experimentell praktisch mit dem Studium menschlicher Gesichter, experimentell rein wissenschaftlich mit der Erforschung des ersten Lebensorgans, der Zelle; hat man die Lebensgesetze erkannt, dann erklärt man sich erst die verschiedenen Körpertypen, Kopf-, Gesichts-, Nasen- und andere äußere Bildungen, sowie alle Bewegungserscheinungen des Körpers und der Seele.


10. Kann die Hutersche Psycho-Physiognomik in den Schulen gelehrt werden? Und wann wird das ge-schehen?

Die Hutersche Psycho-Physiognomik kann in Zukunft in den Schulen ebenso gelehrt werden als in diesen Unterrichtsbriefen, sie kann aber noch ausführlicher durch anschauliche Beweisführungen gelehrt werden, die Schulen pflegen können. Hier in diesem Werke konnte sich der Verfasser nur auf die Grundlagen seiner Lehre beschränken, es wäre sonst zu umfangreich und als einführendes Lehrwerk dadurch weniger aufnahmefähig geworden. Der Verfasser gedenkt dieses Werk durch Spezialwerke zu erweitern und auch ein Schullehrbuch der Psycho-Physiognomik für Lehrer und ein zweites für Schüler herauszugeben, sobald sich das Bedürfnis dazu herausstellt. Das vorliegende Werk ist mehr als Lehrbuch für Erwachsene, oder doch für reifere Jünglinge und Jungfrauen bestimmt.

Das Bedürfnis, daß in Schulen diese Lehre eingeführt wird, wird dann eintreten, wenn eine Anzahl einflußreicher Gesetzgeber, Staatsmänner, Schulmänner und Lehrer den großen Wert dieser Lehre erkannt haben und dann auch die Menschenliebe besitzen, sie zum Allgemeinwohle einzuführen; da aber diese Einführer auf Widerstand stoßen werden, so müssen es Männer von eiserner Willenskraft und kluger Taktik sein, damit sie ihr Ziel erreichen.

In erster Linie werden sie die Freiheit der Forschung und Erkenntnis für die Schulen durchzusetzen haben, die bisher nur bedingungsweise gegeben ist, da das gesamte Schulwesen von der alten Kirchentheologie beherrscht und bevormundet wird, die noch immer auf dem Standpunkt steht: der Geist sei im Verborgenen und könne sich nicht natürlich, sondern nur spontan durch Wunder offenbaren (Wunder aber solle man nur glauben und nicht untersuchen). Der Geist sei als etwas vom Körper völlig Getrenntes zu betrachten, über dessen Wesen nur Bibel oder heilige Schriften, Priester, heilige Kirchenväter, Propheten, Religionsstifter, Reformatoren oder Kirchenfürsten maßgebenden Aufschluß geben könnten.


11. Warum sagt der Verfasser "Menschenkenntnis durch Gesichtsausdruckskunde"?

Menschenkenntnis glaubt man sich nach den bisherigen Gepflogenheiten auf verschiedenen Wegen aneignen zu können. Man übersah gewöhnlich den korrektesten und ging sehr auf Umwegen vor, z. B.: Nach der medizinischen Methode wird der menschliche Körper in seine einzelnen Bestandteile zerlegt und diesen werden bestimmte Namen gegeben. Die besondere Wissenschaft, die das vornimmt, nennt man Anatomie. Wer nun alle einzelnen Knochen, Muskeln, Gefäße, Nerven und andere Organe des Körpers liegen und mit Namen zu bezeichnen weiß, der meint, er sei ein wissen-schaftlicher Menschenkenner.

Die Theologen, ausgenommen einige rühmliche Ausnahmen, kümmern sich um den Körper des Menschen weniger, sie untersuchen die Seele und meinen, die Seele habe freien Willen, Unsterblichkeit, gute und böse Triebe. Sie lehren die Liebe zu guten Taten und nennen sich Seelenhirten. Was aber gut und böse ist, wird in den Kirchendogmen und Glaubenslehren der verschiedenen Religionen
verschieden aufgefaßt und ausgelegt.

Man ist dann dahin gekommen, daß man mit Menschenkenntnis die Unterscheidungsfähigkeit der religiösen und konfessionellen Zugehörigkeit bezeichnete und nichtchristliche Menschen Heiden, christliche, aber nicht zu der jeweiligen Konfession gehörige als Minderwertige und Nichtgläubige, Gottlose bezeichnete, dahingegen fleißige Kirchengänger, Bereicherer des Kirchenvermögens und Machterweiterer des Priesterstandes als Fromme.

Juristen und Staatsmänner fassen Menschenkenntnis wieder anders auf. Sie fragen nach Staatsangehörigkeit, Heimat, Religion, Rang, Stand, ob Beamter oder Zivilperson, ob männlich oder weiblich, verheiratet, geschieden oder ledig, ob mit Orden, Titeln, Ämtern oder Auszeichnungen, ob schon bestraft, wie die Gesinnung und wie die Militärverhältnisse sind. Auch notieren sie besondere Kennzeichen, wie schiefer Mund, lahmes Bein oder Narbe im Gesicht, große Nase, schwarzes Haar usw. Hiernach registrieren sie die Menschen, und das nennen sie die Personalien oder Kenntnis vom einzelnen Menschen.

Die Pädagogen und bildenden Künstler suchen etwas tiefer in das Wesen des Menschen einzudringen; sie beobachten schon mehr Gestalt und Art des Benehmens.

Die Dichter dringen schon bis zur Wahrheit durch: "In den Augen liegt das Herz, in den Augen liegt der Sinn." Aber wie das zu erklären ist, das hat bisher kein Dichter gefunden.

C. Huter lehrt nun, was Gestalt, Gesten, Auge, Gesicht und Gesamterscheinung eines Menschen bedeuten, und er lehrt den unbedingt gesetzlichen Zusammenhang zwischen Innenleben und äußerer Erscheinung, sowie den wahren physischen, geistigen und moralischen Wert jedes Menschen, gleichviel welcher Rasse, Religion oder Staatsgemeinschaft er angehört. Da die Kenntnis des Gesichts uns besonders wichtige Aufschlüsse gibt, so sagt er "Menschenkenntnis durch Gesichtsausdruckskunde".

Man könnte nun den Einwand erheben, beides bedeute dasselbe, und es sei daher sprachlich unrichtig, zu sagen, Menschenkenntnis durch Gesichtskunde. Es ist aber dennoch zutreffend.

Kenntnis und Kunde sind zwei Worte, welche, oberflächlich betrachtet, dasselbe sagen, genauer betrachtet aber ver-schiedene Bedeutung haben.

Die Kunde von einer Sache oder Begebenheit bezeichnet nur das äußere leichte Wahrnehmen, die Kenntnis bezeichnet aber das tiefere Eindringen in das, von dem man mehr oberflächlich Kunde erlangt hat.

Das Gesicht gibt uns zunächst Kunde von dem ungefähren Wesen der Person, die eingehende Menschen-kenntnis wollen wir durch eingehendes Studium der Gesichtsformenkunde erlangen.

Es gibt wohl Menschen, wie Maler, Photographen, Bildhauer, Schauspieler usw., die gesichtskundig sind, das heißt, sie kennen nur das Materielle der rohen Formen des Gesichts nach einem Gipsabdruck oder nach einer Zeichnung oder Maske, sie sind aber, trotzdem sie Gesichtsausdruckskunde besitzen, noch keine praktischen Menschenkenner in psycho-physiologischem und ethischpädagogoischem Sinne.

Carl Huter will nun mehr als oberflächliche Gesichtsausdruckskunde lehren, er will wahre Menschenkenntnis im tiefsten, höchsten und umfassendesten Sinne auf Grund der Kunde, die uns ein Gesicht gibt, lehren und dadurch jedermann zum idealen, praktischen Menschenkenner heranbilden; er sagt daher mit Recht: "Menschenkenntnis durch Gesichtsausdruckskunde.



2. Unterredung

12. Wie erlangt man die Überzeugung von dem Wert der Huterschen Lehre und auf Grund welcher Tatsachen?

Durch Vorführung und Gegenüberstellung von aus dem Leben genommenen Bildern und durch Besprechung derselben auf Grund psycho-physiognomischer Deutungen und Folgerungen, wie das beispielsweise in dem zweiten Teil des Lehrstoffes des ersten Briefes dieses Lehrwerkes geschehen ist.


13. Kann es noch vernünftige Menschen geben, die auf Grund der belehrenden Besprechung noch an der Wahrheit der Huterschen Psyco-Physiognomik und ihrem Werk zweifeln, oder sie gar bekämpfen?

Nein, das ist unmöglich; Menschen, die dazu noch fähig sind, nachdem sie den zweiten Teil des Lehrstoffes und dessen Bilder genau durchstudiert haben, sind von anderen Motiven als dem der Wahrheitsforschung geleitet, oder sie sind dem Lehrer oder Schüler, oder beiden, übelwollend, oder sie sind unfähig zum scharfen Sehen, Beobachten, Vergleichen und gesunden vernünftigen Denken; und daher sind solche Gegner oder abfällig urteilende Personen nicht ernst zu nehmen; man wende sich von ihnen ab, um nicht im Studium der Psycho-Physiognomik von ihnen gestört oder belästigt zu werden.


14. Was lehren uns auf Seite 20 (hier web) die vier verschiedenen Porträts nach unserem physiognomischen Gefühl?

Die vier Bilder zeigen Männer mit ganz grundverschiedenen Gesichtern, Augen, Stirn-, Nasen- und Haarformen, Gesichtszügen, Kleidern, Kopf- und Körperhaltungen; daraus folgt, daß ebenso ihr Charakter, ihre Stellung, ihre Tätigkeit und Tüchtigkeit grundverschieden gewesen sein müssen.


15. Was sagen uns diese Ausdrucksformen nach dem Huterschen Grundsatze: In den Formen lebt der Geist?

Die bedeutendste Verstandesschärfe zeigt I, denn in dem zarten Körper liegt große Spannkraft, was sich durch die korrekte Haltung offenbart. Diese Spannkraft ist am mächtigsten in der über mittelhohen und dabei außerordentlich breiten plastischen und gewölbten Stirn machtvoll zum Ausdruck gebracht. Keiner der drei andern Männer zeigt die gleiche Geistesmacht und königliche Majestät mit Selbstbeherrschung, Pflichtgefühl und Klarheit in den höchsten Aufgaben menschlichen Strebens wie I. Er sollte den drei andern nach Huters Lehre Lehrer und Meister und Führer sein. Es ist der größte deutsche Philosoph Kant. Eine größere Tatkraft als Kant, ja als alle andern Gesichter zeigt II, dessen Gesicht leidenschaftlichen Eifer in der Arbeit verrät, die bis zur Verzehrung des Körpers und Geistes, zur Selbstvernichtung, führte. Dem stark vortretenden Hirn wohnt viel Kraft des Denkens inne, aber im Vergleich zu Kant nicht mit gleicher Vernunft und Ethik gepaart. Wohl ist Talent und Wille stark in der Anlage, aber diese sind vermischt mit leidenschaftlichen Instinkten, das spricht der finstere zerstörende Gesichtsausdruck aus, der einer Henkers- oder Verbrecherphysiognomie ähnelt. Es ist der Philosoph Nietzsche, der Stürzer und Dränger, der mehr wollte als er konnte, der eine zum Teil demoralisierende Weltanschauung gebracht hat und im Gegensatz zu Kant, der höchste Klarheit im analytischen Denken, die höchsten und reichsten Vernunfterkenntnisse und das edelste Pflichtgefühl lehrte, die Instinkte auf den Thron setzte und Pflicht, Vernunft und Menschenwürde gar seltsam entwertete, der trotz, schillernder Sprache sehr verwirrte und philosophisch entgleiste.

Nietzsche ahnte Großes, brachte es aber nicht, er zerstörte zu viel gutes Altes im ehrlichen Ringen nach Wahrheit. Darwins "Kampf ums Dasein"-Lehre - mit Nietzsches Gewaltübermenschentheorie gepaart - haben den modernen Menschen zur Rastlosigkeit und Lieblosigkeit, zu einer grausamen Realpolitik und sinnloser Genußsucht geführt, eine Lebensanschauung, die neue Werte verspricht, aber nicht schafft, sondern fast alle idealen Werte vernichtet. Denn nicht Instinkt, sondern Weisheit und Kraft, nicht rohe Gewalt, sondern Liebe und Schönheit schaffen alle hohen dauernden Güter in der Welt.

Die Weisen gehen die Bahnen eines Kant, die Toren die eines Nietzsche. Will man aber Nietzsche nicht ernst nehmen, sondern ihn betrachten wie in einem Zirkus jenen Künstler, der immerhin zur Abwechselung beiträgt, so hat man ihn richtig erkannt als den sprachgewandten Unterhaltungsvirtuosen, der mit manchen frischen derben Einfällen geistig anregt. Das bedeutendste Gemütsleben zeigt III, der König unter den Komponisten einer klassischen Musik. Das zeigt der große Formenreichtum des Haares, die tiefe Kraftquelle des Empfindens, die sich in Augen und Gesichtsausdruck, besonders in dem wunderbaren, einzigartig schönen Munde, zu erkennen gibt. Keiner der andern hat diesen Mund, der alle Regungen des Gemütes mit solch vollendetem Empfinden großartig ausgestalten kann, das hier Gemüt, Schönheit, Weisheit wird. Beethoven ist es, der Unvergleichliche in der Musik, im Gemüt, wie Kant der Unvergleichliche in der Philosophie, in der Vernunft; diese beiden größten deutschen Geistesfürsten hat uns sonst keine zweite Nation an die Seite zu stellen. Was ist dagegen Nietzsche, was IV: Napoleon Bonaparte? - die moralische Qualität in aufsteigender Linie geht von rechts nach links, Offenheit, Klarheit, Idealität, Tugend, Weisheit ist links, Verschlagenheit, Tugendverachtung, Torheit, Zerstörungssinn, rätselhaftes Wollen rechts. Rechts wohnt jedoch die größere physische Kraft bei Bonaparte, das zeigt die breite volle Brust mit den kräftig gebauten Schultern, das zeigt die ausdrucksvolle Nase, das prägnante Kinn. 

Wohl ist Napoleon auch ein Denker, das zeigt die Energie der plastischen Unterstirn; er ist aber mehr ein genialer Beobachter der gegenwärtigen Lage der Dinge, als ein tiefer, schöpferischer, neugestaltender Geist. Seine Schöpfungen können daher keinen Halt und Bestand haben, daher mußte Napoleons Reich und Macht zugrunde gehen, daher mußte er so unglücklich enden. Napoleon ist abenteuerlich und sinnlich veranlagt, aber er ist nicht zu jeder Zeit ohne Gemüt gewesen, er hat zeitweise das beste Wollen gehabt, leider war es nicht der führende Charakterzug in ihm. Napoleon ist aber ein phänomenal beanlagter Soldat und Heerführer, der das Zeug in sich trug, die Welt zu erobern, hätte er nur seine leidenschaftliche Tatkraft und Sinnlichkeit zu zügeln gewußt. Von den vier Personen ist er, persönlich genommen, nicht der beste, aber der interessanteste Mensch.



3. Unterredung

16. Warum hat Carl Huter eine besondere Eigenart in seiner Wissenschaft und auch in seinem Lehrplan?

Weil die Erfahrung gelehrt hat, daß jeder Forscher, der neue Bahnen sucht und findet, Entdeckungen macht, die vor ihm niemand gemacht hat, und weil jede originale und kraftvolle Natur, die ihre eigenen Wege abseits der Schule geht, stets originales ursprüngliches Sehen, Beobachten und Denken bewahrt. Carl Huter ist nun diese eigenen Wege gegangen und schaffte durch sein psycho-physiognomisches Lehrsystem eine ganz neue Auffassung von der Natur der Dinge und vom Leben, und dadurch brachte er eine neue Weltanschauung. Dieses war dadurch möglich, dass er neben objektivem Forschen kritisch sichtete und unwiderlegbare Beweisführung durch Erfahrungstatsachen mit sicheren Schlußfolgerungen vereinigte.


17. Hat C. Huter in seiner Psycho-Physiognomik mehr Teilarbeit, Sammelarbeit oder aufbauende Arbeit vollbracht?

C. Huter hat außer seiner Neigung von frühester Jugend an, Köpfe, Gesichter und ganze Figuren zu malen, zu zeichnen und ausforschend psycho-physiologisch zu beobachten, als reiferer junger Mann und Bildnismaler zunächst fünf Jahre Teilarbeit geleistet, indem er alle bedeutenden physiognomischen, psychologischen und anthropologischen Werke einzeln studierte, streng verglich und kritisch prüfte. Dann begann er eine fünfjährige S a m m e l a r b e i t , indem er das Gute aus allen diesen Werken zusammenstellte. Als diese Arbeit vollbracht war, hat er die Lücken, die jene alten und neuen Systeme aufweisen, durch praktisches Studium in der Natur und unter verschiedenen Menschen und Lebensverhältnissen durch zahlreiche Neuentdeckungen ergänzt.

Als diese Arbeit vollbracht war, hat er die Grundgesetze gesucht, wie der Zusammenhang von Innenleben und äußerem Ausdruck zu erklären ist, und er fand diese Gesetze. Daraufhin arbeitete er nochmals alle seine Erfahrungen und Forschungsergebnisse durch und führte alle Formerscheinungen auf bestimmte Kräfte und Lebensgesetze zurück.

Durch diese letzte Arbeit bekam Huter ein vollständig neues, originales System. Dieses, sein System, hat er dann weiter ausgebaut und zur Vollendung geführt. Die Psycho-Physiognomik war nun eine exakte Wissenschaft geworden. Die letzte Arbeit war schließlich die, diese Lehre in leichtverständlicher Form zu lehren, was er in diesem Werke erreicht zu haben glaubt. 


18. Welchen Wert haben die Leistungen anderer Forscher, dieBerührungspunkte mit Huters neuer Lehre haben?

Huter würdigt alle großen Forscher auf diesem Gebiete und spricht sich mehr als anerkennend über ihre Leistungen aus; er führt dieselben auch in seinem Lehrwerke an.


19. Bereichert die Hutersche Psycho-Physiognomik auch unsere Ethik und stört sie uns nicht in unserem religiösen Empfinden?

Huters ganzes Streben geht dahin, seine psychophysiognomische Lehre ganz in den Dienst der höchsten und heiligsten Lebensgüter zu stellen, in den Dienst der Ethik, der Kunst, Schönheit, Religion, Staatswissenschaft, Erziehung, Rechtsordnung und allgemeinen Lebensweisheit.


4. Unterredung

20. Welche großen Männer aus der Weltgeschichte sind zu den Vorläufern der Huterschen Psycho-Physiognomik zu zählen?

In erster Linie alle großen Philosophen, die sich mit Seelenkunde und Lebenskunst beschäftigten, z.B.: Epikur, Pythagoras, Sokrates, Plato, Aristoteles; sodann alle großen Künstler, Ethiker, Religionsstifter und Gesetzgeber, z.B.: Konfucius, Laot´se, Zoroaster, Moses, Buddha, Jesus, Mohammed; ferner die großen griechischen Künstler; weiterhin die Baumeister, Bildhauer und Maler aus der Renaissance-Zeit, sowie die neueren Reformatoren und Pädagogen, Philosophen, Kunstschriftsteller und Dichter, z.B. Rousseau, Kant, Lessing, Goethe, Schiller, Shakespeare, Weber, Mozart, Beethoven, Wagner.

Alle die, welche das ideale Reich des Guten und Schönen der Menschheit mehr und mehr erschlossen haben, sind zu den Vorläufern der Huterschen Psycho-Physiognomik zu zählen, aber auch alle edlen Männer der Tat, die bessere Staatsformen und Rechtsordnungen schafften, die alle Lebensgüter opferten um der Wahrheit, Freiheit der Entwicklung und Gerechtigkeit willen.


21. Es gibt demnach innere Beziehungen und Übereinstimmungen zwischen den Lehren großer Ethiker, Philosophen und Religionsstifter; in welchen Beispielen finden wir das?

Konfucius lehrte die Verehrung des Vorhergewesenen, weil ohne das Vorhergegangene nichts Gegenwärtiges sein könne.

Jesus lehrte, das Vorhergegangene sei der Vater. "In deine Hände lege ich meinen Geist."

Mohammed lehrte, das Vorhergegangene sei die unbedingte unabänderliche Ursache des Geschehenen und Kommenden, also das Schicksal; er lehrte Ergebung in das Schicksal.

Plato lehrte die Verherrlichung der "Idee", weil sie den wirklichen Erscheinungen zugrunde liege. Plato lehrte ferner, wer sich am Schönen bildet, wird edler, reiner; denn Schönheit ist Ausdruck des Guten und Göttlichen. Wer ganz im Lichte des Schönen wandelt, sich ihm hingibt, wird ein Kind des Schönen oder Göttlichen.

Jesus lehrte, die Liebe sei die Quelle alles Guten; also die Gottheit, die alles erschaffen, als Ursache, muß in der Schöpfung als Wirkung ihre Kinder sehen; Menschen sind Gotteskinder. Liebe zeigt sich im Schönen.

Mohammed lehrte die himmlische Schönheit als Lohn für religiöse Tugenden.

Sind das nicht Übereinstimmungen?

Jesus lehrte: Liebe deine Feinde!

Buddha lehrte: Erwidere nicht Feindschaft mit Feindschaft, dulde und ertrage lieber Leid!

Auch hier sind verwandte Ideengänge nachweisbar.


22. Was lehrte Plato und was Aristoteles über Körper und Seele?

Plato lehrte, ein guter Geist baue das Schöne, ein böser das Häßliche; folglich präge sich im schönen Körper das Göttliche, im häßlichen das Mangelhafte aus.

Aristoteles meinte, es gebe eine Wechselwirkung zwischen Körper und Seele. Die Seele sei nicht absolut fähig, auf den Körper in dem Maße zu wirken, wie Plato das annähme.

Plato ist daher bis heute der Vater der idealen, Aristoteles der realen Weltanschauung geblieben. Beide aber haben Wahrheiten gefunden, die unvergänglich sind.

Nicht die Unterschiede, sondern die Widersprüche, die bei diesen beiden großen Denkern auftreten, werden durch die Psycho-Physiognomik aufgelöst.


23. Welches sind die heute herrschenden Weltanschauungen unter den Kulturvölkern?

Der historische Spiritismus oder die religiöse Offenbarungs- und Wunderlehre von den Erscheinungsformen und der Materialismus oder die Kenntnis der Natur und ihrer Entwicklung.


24. Woher die Widersprüche, die heute Religion und Wissenschaft trennen; und wodurch ist Versöhnung und Übereinstimmung zwischen Religion und Wissenschaft möglich?

Religion und Wissenschaft, wie sie gegenwärtig sind, werden nicht so bestehen bleiben, beide sind mit Irrtümern behaftet; eine Vereinigung wird kommen, sobald beide, Religion und Wissenschaft, sich auf Grund ehrlicher Wahrheitsforschung vereinigen wollen; dazu gehört, daß die Wissenschaftler sich mit dem Okkultismus, die Religiösen mit der Naturwahrheit beschäftigen und alles Irrige beiseite lassen. Diese Vereinigung kommt mit der Anerkennung des psychophysiognomischen Lehrsatzes: "In den Formen lebt der Geist."


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(Hinzugefügt)


Erstellt 1994. Update 26. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
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