Menschenkenntnis Lehrbrief II. - Part 8
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

Ein Beispiel möge dies erläutern: 

Wenn im Sonnenlicht Chlorgas auf Essigsäure C2H4 02wirkt  und im Essigsäure-Molekül  8 Atome  vereint  sind,  so  entziehen  3  Atome Chlor  der  Essigsäure  3  Atome  Wasserstoff.  Es  bleiben  in  der Essigsäure,  da  sie  4  Atome  Wasserstoff  enthielt,  nur  1  Atom Wasserstoff,  bei  2  Atomen  Kohlen-  und  2  Atomen  Sauerstoff  (=zusammen  5  Atome)  zurück.  Nun  treten  aber  an  Stelle  der ausgeschiedenen  3  Wasserstoffatome  3  Chloratome  in  das Muttermolekül  der  Essigsäure  ein,  und  hierdurch  entsteht  die Trichloressigsäure C2H  Cl3O2;  dieses  Substitutionsprodukt  der Essigsäure zeigt nun ein ganz ähnliches Verhalten in chemischer  und elektrischer  Hinsicht  als  Essigsäure.  Dieses  ist  ein  Beweis  meiner Lehre  von  dem  Molekularmagnetismus. 

Nun  müßten  aber  elektrisch  ganz  gewaltige  Unterschiede zwischen  dem  Essigsäure-  und  dem  Trichloressigsäuremolekül bestehen,  weil  ja  Wasserstoffatome  +++  3  neagative  Chloratome getreten  ---.  Nach  der  elektrochemischen  Theorie  enthält  die Essigsäure  durch H4also  4  elektropositive  Wasserstoffatome,  von denen  je  2  sich  mit  2  elektrischnegativen  Sauerstoff-  und 2 elektrischnegativen Kohlenstoffatomen vereinigten, also  paarten sich ganz richtig je ein positives mit einem negativen Atom  in  4  Gruppen je  2  zu  8  im  ganzen  im  Essigsäuremolekül,  in  jeder  Gruppe  war 1 Wasserstoffmolekül als elektropositives vertreten. 

Nun aber sind durch Ausscheidung von 3 Wasserstoffatomen  an deren  Stelle  3  Chloratome  getreten,  und  diese  drei  sind  alle elektronegativ.  Dieses  widerspricht  der  elektrochemischen  Theorie des  Dualismus  von  je  1  positiven  und  1  negativen  Atom  bei  allen elektrischen  Verbindungen.  Es  blieb  in  der  sich  neugebildeten Trichloressigsäure  nur  1  Atom  Wasserstoff  als  das  einzig  positive zwischen 7 negativen Atomen,  als  2  Sauerstoff,  2  Kohlenstoff  und 3 Chlor = 7 negative, das 1 Wasserstoff  als positives Atom dazu, sind 8 Atome in einem Molekül. 

Meiner  Ansicht  nach  genügt  in  einem  Molekül  ein  positives Atom,  es  bleibt  somit  das  elektrochemische  Prinzip  bestehen, aber  nicht  in  rechnerisch  dualistischer  Form,  sondern als Krafterzeuger ohne Rücksicht auf die Zahl. 

Die  Natur  ist  viel  freier,  malerischer  in  ihrem  Spielraum  der Gesetzlichkeiten, als die Menschen annehmen. 

Es  erinnert  diese  Tatsache  an  den  Dualismus  der  christlichen Ehe,  man  behauptet,  Gott  und  die  Natur  haben  stets  und  immer gewollt, daß nur 1 Mann  und 1  Frau in  einer  Ehegemeinschaft leben sollen, können, dürfen usw., dieses sei Gesetz Gottes usw. 

Wir sehen an  diesem  Beispiele  des  Kraft-  und Geistwesens,  das in dem Tiefinnern der Natur aller Materie  waltet,  daß Gott und Natur andere Wege zeigen,  als  christliche 	Dogmen in oftunwissenschaftlichen Wahnbildern  den  Menschen  aufgezwungen haben. Ich schließe hieraus folgendes: Wohl ist es meist der Fall, daß sich 1 elektropositives mit 1 elektronegativen Atom paart, aber nicht immer, es geht auch hin und wieder anders, und es geht und ist  gut. Es  ist  das  Freiheitsprinzip ,  das  die  Schranke  des  Gesetzes durchbricht  und  neue  Normen  aufstellt.  Es  kommt  hier  die Freiheit  nicht  zur  Zügellosigkeit,  sondern  zur  höheren reicheren  Harmonie  mit  Beschränkung  der  Zahl.  Warum  soll nicht  ein  Mann  sieben  Frauen  haben,  wenn  sie  eine  so  glückliche Ehegemeinschaft  bilden,  wie  es  bei  dem  Trichloressigsäuremolekül der  Fall  ist?  Diese  sieben  bilden  drei  Gruppen,  jede  Gruppe  gehört einem andern Element an, sagen wir einmal einer andern Rasse. Diese 7  weiblichen  zu  einem  männlichen  Wesen  leben  genauso  glücklich und  friedlich  in  einer  Behausung  oder  Gemeinschaft,  wie  4  Paare streng  dualistisch,  jedes  zu  einer  Einehe  gepaart,  in  einer Familiengemeinschaft  im  Essigsäuremolekül.  Aber  Licht,  Geist  und Wärme gehören dazu! 

Ich  erwähne  dieses  hier  deswegen,  weil  ich  psychologisch  die christliche  Eheform  an  sich  anerkenne,  aber  nicht  als  die ausschließlich  einzig  berechtigte  und einesteils  gottgewollte.  Damit rede  ich  nicht  der  Willkür  das  Wort;  Sittlichkeit  und  Ethik müssen  Triebfeder  bleiben.  Alles  heiligt  die  seelische  Liebe. Man  lerne  doch an dem  Beispiel der Natur hier.  Ich nehme ferner auch  an,  daß  aus  geistigen  und  wirtschaftlichen  Interessen sich in Zukunft  außer  Ehegemeinschaften auch  Familiengemeinschaften bilden  sollten, wenn  mehrere  Ehepaare,  jedes  sehr  streng  treu  in ehelicher  Hinsicht,  untereinander  aber  geistig  verwandt  und sympathisch, einen Hausstand gemeinsam gründen wollen. 

Die  chemische Wissenschaft  ist  an  die  großartigsten Naturtatsachen  und  Beispiele  von  innigem  ehelichen  Gemein-schaftsleben  der Atome  in den verschiedensten  Formen,  wie  es  uns das verschiedenste  Familiengemeinschaftsleben  der  Moleküle  zeigt, angelangt.  Das negative  Atom  tritt  in der Natur  stets  zusammen  zu einem  Gemeinschaftsleben  mit  einem  positiven  Atom, das männliche und das weibliche Prinzip  ist  in  den Elementen  scheinbar  hierdurch  geschaffen.  Die  gesetzliche Begrenztheit  bei  allen  diesen  malerischen  Bildern  im  Atom-  und Molekülleben  zeigt  die  Typen-  und  Valenzlehre  der  Chemie. 

GERHARDT  entdeckte  1853  die  Typenlehre,  indem  er  alle anorganischen  und  organischen  Verbindungen  in  der  Chemie  von folgenden 3 Typen ausgehend erkannte. 


Die Entdeckung dieser vier Typen H  Cl , H2O, NH3 und CH4 erklärt uns, daß die Bindungsgeneigtheit des Atomes  Wasserstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Chlor dem Sauerstoff gegenüber im Wesen der verschiedenen Atome begründet  liegen muß. Das Chloratom bindet, wie viele Elemente, nur ein Atom Wasserstoff, der Sauerstoff zwei, der Stickstoff drei, der Kohlenstoff vier Wasserstoffatome. 

KEKULE  entdeckte  1858 die Wertigkeit oder Valenz der Atome  durch die Erkenntnis, daß die Atome der einzelnen  Elemente  ein  kleineres  oder  größeres  Bindungsvermögen besitzen, eine gewisse Sättigkeitskapazität oder Bedürfniskraft. Man  hat  also  die  verschiedenartige  Bedürfniskraft  der  Atome verschiedener  Elemente  gefunden,  in Bezug auf  den  Menschen  aber blieb man  in  größter  Unwissenheit  in  dieser  Hinsicht.  Der  Mensch wird unnatürlich gesetzlich,  ohne Rücksicht  auf seine Bedürfniskraft, durch  eine  falsche  Sittlichkeitsanschauung  in  seiner  individualen  Kraft  abgetötet  mit  staats-  und  kirchengesetzlichen Zwangsschablonen.  Ein  Teil  Elemente  besteht  in  der  Natur,  von denen  je  ein  Atom  sich  mit  einem  Atom  eines  andern  Elements verbindet. Ein anderer Teil Elemente liebt die Verbindung mit 2 seiner Atome, noch ein anderer mit 3 und  noch  ein  anderer  mit  4  Atomen ein und desselben andern Elements. Darnach sagt man: ein Element ist ein-,  zwei-,  drei-  oder  vierwertig.  Ich  werde  später  beweisen,  daß auch  bei  den  verschiedenen  Menschen,  je  nach  ihrer  körperlichen und  geistigen  Naturanlage, einfache und mehrwertige Bedürfniskräfte vorliegen. Demnach muß neben  der  sozialen  auch die individuelle Moral wieder zu Ehren kommen. 

Elemente  oder  Atomgruppen,  welche  gleich  viele  freie Verbindungseinheiten besitzen, werden gleichwertig genannt. 

Einwertige  sind Wasserstoff,  Chlor,  Brom,  Jod,  Fluor, Kalium,  Silber,  Natrium  und  zahlreiche  Radikale. 

Zweiwertig sind  Sauerstoff,  Schwefel,  Selen,  Kalzium, Barium,  Strontium,  Tellur  und  allerlei  Atomgruppen  der Radikalen. 

Dreiwertig sind  Stickstoff,  Phosphor,  Arsen,  Antimon und viele Radikale. 

Vierwertig sind  Kohlenstoff, Silizium, Zinn, Germanium. 

Tritt ein Ausgleich der Valenzen auf, so nennt man die Verbindung gesättigt. Ungesättigte Verbindungen enthalten  Atome oder Atomgruppen (Radikale), die noch ungebunden sind. 

Aber auch dieses Gesetz der Valenzlehre wird von der Natur durchbrochen,  indem z.B.  im Phosphorpentachlorid PCl die Valenz des Phosphors übersättigt ist, nur das Phosphortrichlorid PCl3 entspricht der Norm der Valenzgesetze  indem ein Atom des dreiwertigen Phosphors sich mit drei Atomen des einwertigen Chlors verbindet.  Beim Kohlenoxyd  CO  ist von einem vierwertigen Kohlenstoffatom ein  zweiwertiges Sauerstoffatom gebunden. Umgekehrt gibt es zahlreiche  anorganische ungesättigte Verbindungen. 

Man könnte sagen, dieses sind die Differenzen in den Ehen, die unter Atomen eines Moleküls auftreten. Trotzdem  werden  diese ungleichvalenzen Verbindungen in der Natur erzeugt und erhalten; für diese Vorgänge hat man keine Erklärung.  Ich nehme an, daß Disharmonie neben Harmonie in der Natur wie überall, auch in den chemischen  Verbindungen  vorkommen,  diese  sogenannten unglücklichen Ehen mögen  vielleicht einen unbekannten  guten Zweck haben.  Vielleicht soll dadurch  das Sehnen nach Harmonie geweckt werden. Sobald sich eine  bessere Verbindungsmöglichkeit bietet, trennen sich solche Verbindungen, es findet sozusagen freie Ehescheidung  statt, und es wird eine neue bessere Verbindung eingegangen. Nur der menschliche Wahnwitz will zwei nicht harmonisch lebende Menschen ewig aneinander ketten. 

Da in den organischen Verbindungen die vier  Elemente Wasserstoff,  Sauerstoff , Stickstoff und Kohlenstoff  die Hauptrolle spielen,  so ist es interessant, daß diese Stoffe eine gleichbleibende unveränderte Valenz zeigen. 

In der anorganischen Chemie ist die Valenzlehre, weil viele Elemente keine konstante Valenz zeigen, weniger beachtet worden. In der  organischen  Chemie  ist  diese  Lehre  mit  größtem  Nutzen angewendet worden. 

Hieraus ergibt sich, daß im Organischen mehr Harmonie  waltet als  im  Anorganischen,  Was  versteht  man  nun  unter  organischer Chemie? 

Alle  Substanzen,  die  lebenden  Körpern  angehören  oder angehört  haben,  z.B.  Milch,  Zucker,  Holzfaser,  Knochen,  Elfenbein, Hornsubstanz,  auch  Urin  usw.,  sind  organische  Stoffe,  weil  sie  von organischen  Lebewesen  stammen;  da  man  aber  gelernt  hat,  eine Anzahl  Stoffe,  die  früher  nur  aus  dem  Tier-  oder  Pflanzenreich gewonnen  wurden,  künstlich  zu  erzeugen,  so  zählen  auch  viele Verbindungen zur organischen Chemie, die  nicht  von  lebenden oder gelebten  Wesen  stammen.  Schon  1828  hat  zuerst  WÖHLER  den Harnstoff ,  der  im  Harn  der  Menschen  und  Tiere  vorkommt, künstlich erzeugt. Da aber alle organischen  Verbindungen, gleichviel ob  sie  natürlichen  oder  künstlichen  Ursprung  haben,  Kohlenstoff enthalten,  so  begreift  man  unter  organischer  Chemie  alle Kohlenstoffverbindungen. 

Ich komme bei den biochemischen  Besprechungen  später  noch öfter  auf  die  organische  Chemie  zurück. 

Die  Valenzlehre  hat  aber  auf  einem  Gebiet  der anorganischen  Chemie  viel  Aufklärung gebracht,  nämlich bei  den Säuren und Basen.  Man  hat  dadurch  einen  besseren  Ein-blick  in die Äquivalenzverhältnisse  derselben  gewonnen. 

Unter  Säuren  versteht  man  alle  Verbindungen  des elektropositiven  Wasserstoff  mit  elektronegativen  Elementen  oder Radikalen  (Atomgruppen)  verschiedener  Art,  welche  sich  bei Gegenwart  des  Wassers  mit  den  Basen  zu  Salzen  umsetzen,  wobei Wasserbildung erfolgt. Alle Säuren schmecken sauer und röten blaues Lakmuspapier. 

Basen  sind  solche  Verbindungen  des  elektronegativen Wasserstoffs  mit elektropositiven  Elementen  oder Radikalen,  welche sich mit den Säuren bei Gegenwart und unter Bildung von Wasser  zu Salzen  umbilden.  Diejenigen  Basen,  welche  im  Wasser  löslich  sind, z.B. die Alkalien  haben einen laugenartigen Geschmack  und machen das  von  Säuren  gerötete  ursprünglich  blaue  Lackmuspapier  wieder blau.  Säuren  wie  Basen  besitzen  eine  verschiedene Sättigungsfähigkeit. 

Unter  Salzen  versteht  man  die  Produkte  der  gegenseitigen teilweisen  oder  vollständigen  Sättigung,  die  durch  die Wechselwirkungen von Säuren und Basen entstehen. 

Unter  Doppelsalz  versteht  man  das  Produkt,  worin  die Wasserstoffatome  einer  mehrbasischen  Säure  durch  Atome  zweier verschiedener Metalle vertreten sind. 

Säuren ,  Basen  und  Salze  sind  die  besten  Leiter  für  den elektrischen  Strom,  es  sind  die  besten  Elektrolyte n.  Nach  allen diesen  Erfahrungen  war  es  für  die  Chemie  schwierig,  Formeln  zu finden,  welche  nicht  nur  die  Struktur  oder  Konstitution  der chemischen Verbindung angeben, sondern auch zugleich  die  Art  der Bindung  der  Atome  in  Molekül  nach  den  Valenzen  der  beteiligten Atome  und  die  elektrischen  und  isomerischen  Zustände  zum Ausdruck bringen. 

Nach  der  Valenzlehre  können  sich  Atome  verschiedener Elemente  und  Atome  ein  und  desselben  Elements  miteinander verbinden oder verketten. 

Es gibt nun in der Chemie verschiedene chemische  Formeln, um sich  alle  möglichen  Vorkommnisse  und  Zustände  der  Verbindungen verständlich zu machen. 

In allen  Bindungen,  Mischungen  usw.  liegen  harmonische  und disharmonische  Vorgänge nebeneinander,  desgleichen  symmetrische und asymmetrische konstante Zustände, ähnlich wie es uns die Kristallisationsformen der Minerale zeigen. 

Auf die isolierten Moleküle  sind fraglos die Unregelmäßigkeiten in den Formen und Erscheinungen zurückzuführen Auch hier  ist  willkürliche  Freiheit, oft  Wildheit vorhanden und zeigt  erst  wieder  die  freie  Sehnsucht  nach  Harmonie,  Kunst und  Schönheit. Das  aber  ist  nicht  Gesetz,  sondern freies  geistiges Naturprinzip. 

Van´t HOFF hat sich 1877 durch Einführung stereo-chemischer Formeln ein Verdienst erworben, da durch solche körperlich bildliche Darstellungen manches verständlich wurde, was mit ebenen Formeln nicht ausgedrückt werden konnte; hieraus geht hervor, daß die Chemie zur Physiognomik und Formausdruckskunde herangereift ist. 

Man kann sich nach den alten ebenen Formeln nicht mehr die verwickelteren chemischen Vorgänge vorstellen. 

Nach  Van´t  HOFF  sind  die  vier  Valenzen  oder  Affinitäten  des Kohlenstoffatoms  gegen  die  Ecken  eines Tetra ëders  gerichtet.  Das Zentrum  wird  von  Kohlenstoff  selbst  eingenommen.  Sind  nun  alle  vier Ecken  dieses  Tetraeders  gesättigt,  so wird  es  symmetrisch  bezeichnet,  hierbei ist  eine  chemische  Isomerie  nicht  möglich.  Es  kann  diese  Reihenfolge  der Lagerung  vorwärts  oder  rückwärts,  ähnlich  wie  der  Zeiger  einer  Uhr,  erfolgen, auf  dieser  Seite  andeuten 

Fig. 1            Fig. 2            Fig. 3            Fig. 4            Fig. 5

Sind  aber  die  vier  Affinitäten  des  Kohlenstoffatoms  durch  vier voneinander  verschiedene  Atomgruppen  gesättigt,  so  nennt  man  das betreffende  Kohlenstoffatom  asymmetrisch ,  auch  hierbei  ist  eine  chemische Isomerie  unmöglich.  Ein  Beispiel  hierfür  ist  die Weinsäure ,  die bei  gleichen chemischem  ein  verschiedenes  optisches  Verhalten  zeigt,  also  physikalische Isomerien  bei  chemischer  normaler  Konstitutionsformel  aufweist.  Rechts-  und Linksweinsäure,  je  nachdem  diese  Säure  das  einfallende  polarisierte  Licht rechts  oder  links  dreht  (Spaltbare,  unspaltbare  Weinsäure). 

Solche Isomerien kommen nicht allein bei den in Kristallform befindlichen, sondern auch bei gelösten und selbst in  Dampfform auftretenden Verbindungen vor. 

Hierdurch ist der Beweis erbracht,  daß das willkürliche Freiheitsprinzip, wie wir es bei den chemischen Isomerien der Atome kennen gelernt haben, auch bei den Molekülen auftritt. 

Solche isolierte Moleküle treten also aus der physikalischen Symmetri heraus, durchbrechen mithi  die Gesetzmäßigkeit  des allgemeinen Naturwaltens. Die asymmetrische Konfiguration des Kohlenstofftetraëders denkt sich Vant HOFF in  der Weise, daß sich je zwei Kohlenstoffatome mit je einer Affinität derart verketten, daß sich je eine Ecke des Tetraeders  eines Kohlenstoffatoms derart an die Ecke eines zweiten Kohlenstoffatoms bindet, daß eine doppelte Pyramide entsteht,  wie Fig. III zeigt.

Oder auch, wenn zwei Ecken oder Affinitäten mit einer Kante sich zwischen zwei Kohlenstoffatomen binden, siehe Fig. IV sich auch drei Affinitäten oder Ecken zwischen zwei Kohlenstoffatomen binden, so daß zwei Flächen aneinander lagern,  was Fig. V darstellt. Diese Tatsache erklärt die mannigfaltigsten zickzackförmigen oder runden Kettenbildungen mit  einem Kern bei den Formationen und physiognomischen Gestalten der unzählig verschiedenen Kohlenstoffver-bindungen, besonders in der organischen Welt. 

Auf  Grund  der  Van´t  HOFFschen  Arbeiten hat  WISLICENUS 1897  auf  besondere  zwischen  den  Atomen  wirkenden Kräfte hingewiesen.  Aha,  es  dämmert  den  genialsten  Chemikern  langsam ein  Licht  auf  in  bezug  auf  ätherische  Kräfte  und  stoffliche Zwischenstufen,  sowie  auch  in  Bezug  auf  die  Formbedeutung  der Atome  und  Moleküle.  Nach  beiden  Richtungen  hin  will  ich  den Fachleuten  fernerhin  den Weg zeigen,  wie  weiter  gearbeitet  werden kann, um die schier unergründlichen Tiefen der stofflichen  Welt  ans Tageslicht  der  Erkenntnis  zu  fördern.  Durch  meine  Ätheruntersuchungen  mittels  der  Hellfühlexperimente  will  ich  hier neue  Bahnen  und  Brücken  bauen  vom  Tode  zum  Leben,  vom Äther  zum  Element,  vom  Stoff  zur  Form,  zum  Empfinden  und zur  Seele. 

Ich möchte hier jedoch noch auf einen Forscher hinweisen, der sich besondere Verdienste erwarb in Bezug auf die  Untersuchung der Elemente mittels des Schwingungsmessers. Es ist JOHANN KARL BÄHR aus Dresden;  derselbe veröffentlichte 1861 in seinem Werke "Der  dynamische  Kreis" wertvolle Untersuchungen über die Fähigkeit aller chemischen Elemente, eine schwingende Nadel mehr oder weniger aus ihrer Gleichge-wichtslage abzulenken.  Er fand, daß Wasserstoff und Gold die Nadel rechtsseitig von O bis zu 180 Grad, also bis  zum vollen Halbkreis oder Gegenpol, ablenken. Hingegen lenkt Sauerstoff  als  negativstes  Element die  Nadel linksseitig  von 0 bis  360  Grad,  also  bis  zum vollendeten Kreisschluß, ab. Diese BÄHRschen  Untersuchungen  ergeben  die  Tatsache, des Vorhandenseins eines chemischen Magnetismus bei jedem Element. Sauerstoff scheint als  elektrisch der negativste, magnetisch der positivste aller Stoffe zu sein.  Für  diese  und  andere  wichtige Beobachtungen  werde  ich  die  BÄHRschen  Experimente noch  öfter als Mitbeweise ins Feld führen. 


SECHSTER  TEIL  DES  LEHRSTOFFES

Die  Periodizität  der  Elemente.  Das  Verhalten  und die  Zustände  der  Materie  bei  ihren  physikalischen  und chemischen  Wechselwirkungen

MENDELEJEW und L. MEYER haben 1869 ein übersichtliches chemisches  System  geschaffen,  indem  sie  die  Elemente  nach  ihren Atomgewichten  in  eine  aufsteigende  Gliederreihe  ordneten.  Jedes folgende  Glied  besitzt  hiernach  das  nächst  höhere  Atomgewicht  als das vorhergehende.

Die ganze Reihe der Elemente ist in aufsteigender Linie in einzelne horizontale Reihen von oben nach unten so  untereinander geordnet, daß diese Reihen von vertikalen Linien durchschnitten werden, welche eine gewisse  Gruppeneinteilung  und  Periodizität der Elemente darstellen. Mathematisch genommen, ist dieses die beste Übersicht der Elemente. 

Mit den Atomgewichten wandeln sich die elektrischen Eigenschaften sowie Dichte, Schmelzbarkeit, Dehnbarkeit der Elemente völlig regelmäßig. 

Jede vollkommene Periode beginnt mit einem stark elektropositiven  und  schließt  mit  einem  stark  elektronegativen Element. Der elektrische Gegensatz wird um so größer, je weiter die Elemente auseinander liegen. 

Das Atomvolumen zeigt  ebenfalls  eine  regelmäßige  Wandlung in den verschiedenen Perioden an. Das Atomvolumen  erhält man, wenn man das Atomgewicht eines Elements durch seine Dichte im festen Zustande dividiert: 

Bei Kohlenstoff  ist  das  Atomgewicht  genau  11,97 die Diamantdichte 3,6	= 3,3 

Jod =126,54  Atomgew. 4,95 Dichte	=25,6 Atomvolumen. 

Je geringer das Volumen der Atome, desto näher stehen sich dieselben und ziehen sich infolgedessen um so stärker an. 

Eisen hat 7,1
Kobalt  6,9 
Nickel   6,6 Atomvolumen. 

Je beständiger ist aber auch der betreffende feste Aggregatzustand. 

Der Kohlenstoff hat die geringste Ausdehnung, Größe  oder das kleinste  Volumen  unter  allen  Elementen,  und  ist  daher  mit  den  zu Gebote  stehenden  Mitteln  noch  nicht  schmelzbar,  verflüchtigt  sich auch nicht. Jod mit großem Atomvolumen  ist leicht schmelzbar  und verflüchtigt  sich  auch  leicht.  Silizium mit  mittlerem  Atomvolumen 11,2 steht in der Mitte der organisch-chemischen Vorgänge. 

Diejenigen Elemente, welche von oben nach unten in der Tabelle vertikal  geordnet  sind, zeigen  die Gruppen  der Elemente  nach  ihrer Valenz und chemischen Ähnlichkeit. 

Die  beifolgende  Tabelle  Seite  150  und  151  wird  später  bei biochemischen  und  morphologischen  Studien  von  ganz außerordentlichem Nutzen sein.

Die Tabelle zeigt vertikal  geordnet die acht Hauptgruppen mit je zwei Untergruppen.  Gruppe I  stellt einwertige  stark positivelektrische  Elemente  dar.  Diese  bilden  mit  Sauerstoff hauptsächlich  ein  Oxyd  nach  der  Formel M2O.  Gruppe II  zeigt zweiwertige, etwas weniger  stark  elektropositive  Elemente, die  mit Sauerstoff  das  Oxyd  MO  bilden,  Gruppe III zeigt dreiwertige, schwach positive Elemente, die mit Sauerstoff  das Oxyd M2O2bilden. Gruppe IV zeigt vierwertige, in den oberen Stellen negativ-, in den unteren  noch  positivelektrische  Elemente,  die  mit  Sauerstoff  das Oxyd  MO2 bilden und soweit sie mit Wasserstoff verbindbar sind, MH4ergeben. Gruppe V zeigt drei- und fünfwertige  Elemente, vorherrschend  elektronegativ  mit  Sauerstoff  ein  Oxyd M2O5,  mit Wasserstoff  MH3 bildend. Gruppe VI gegen Wasserstoff,  zweiwertige Elemente ausgesprochen elektronegativ, mit Sauerstoff hauptsächlich ein  Oxyd  MO3,  mit  Wasserstoff  MH2. Gruppe VII zeigt gegen Wasserstoff einwertige Elemente, in Untergruppe b sehr stark  negativ elektrisch,  mit Sauerstoff M2O7 das  höchste Oxyd bildend, mit Wasserstoff MH. Gruppe VIII enthält eine besondere Abteilung  Eisen, Kobalt, Nickel, Platin usw. Die  elektronegativen  Elemente  können  zugleich  magnetisch negativ  oder  magnetisch  stark  positiv  sein,  was  ich  später  noch eingehender beweisen werde.

Die Gruppen und Reihen mit den Lücken lassen  darauf schließen, daß noch zahlreiche Elemente bestehen, welche noch nicht entdeckt  sind.  Hiermit  dürfte  dem  verehrten  Studierenden  ein genügender  Überblick  über  den  heutigen  Stand  der  chemischen Wissenschaft im allgemeinen gegeben sein. 

Im Anschluß an  diese  chemische  Darlegungen sollen  hier  noch kurz die hauptsächlichsten  Vorgänge  in  der  Natur,  soweit  sie  nicht schon  besprochen  sind,  erörtert  werden.  Man  unterscheidet sieben  Arten  von  physikalischen  Erscheinungen:

1. Die Molekularkraftwirkungen der starren Körper  (Festigkeit, Elastizität, Adhäsion, Reibung),  der  flüssigen Körper  (Zusammendrückbarkeit, Adhäsion, Reibung, Kapillarität, Diffusion), der gasigen Körper (Adhäsion, Reibung, Diffusion).

2. Die Ruhe oder das Gleichgewicht und die Bewegung der Körper. Der Zweig der Physik, der sich hiermit beschäftigt, ist die Mechanik. Der Teil der Mechanik,  welcher sich mit der  Ruhe oder  dem  Gleichgewicht  beschäftigt,  wird  Statik, der, welcher sich mit der Bewegung beschäftigt, wird Dynamik genannt.

Die Mechanik der starren Körper heißt Geomechanik (Geostatik und Geodynamik), die der flüssigen heißt  Hydromechanik oder Hydraulik (Hydrostatik  und Hydrodynamik), und die Mechani  der gasförmigen Körper heißt Aeromechanik oder  Pneumatik (Aerostatik und Aerodynamik).

3. Schwingungserscheinungen, Wellenbewegung, Schallehre oder Akustik und Lichtlehre oder Optik.

4. Wärmelehre  oder Kalorik.

5. Magnetismus.

6. Elektrizität. Die Lehre von der Reibungselektrizität heißt Elektrostatik,  die  der  Berührungselektrizität  Galvanismus,  die von  den  Fernwirkungen  des  elektrischen  Stromes  Elektrodynamik, Elektromagnetismus und Induktion.

7. Die Kraftumwandlungserscheinungen. Die Physik hatte es bisher lediglich mit Zuständen, Erscheinungen  und  Veränderungen der Dinge in der Natur zu tun, soweit nicht physiologische oder psychologische Vorgänge in Frage kommen; auch die stofflichen Veränderungen gehören nicht direkt in die Aufgaben der Physik.

Wie wir aber gesehen haben, geht bei jeder stofflichen Veränderung eine Kraftveränderung vor sich, und da umgekehrt jede Kraftveränderung  stoffliche  Veränderungen  bewirkt, so sind, im Grunde genommen, Physik und Chemie oder  Kraft- und Stofflehre  nicht  voneinander  zu  trennen. Aus  praktischen  Gründen mußte  wohl  eine  Arbeitsteilung  in  der Wissenschaft eintreten, die Wissenschaft an sich ist aber einheitlich.

Wir werden auch im weiteren sehen, daß die Physiologie nur auf  der  Grundlage  der  Chemie  und  Physik weiter  bauen kann, daß also die Untersuchungen an lebenden Körpern ergeben werden, daß wir es stets mit chemischen und physikalischen Erscheinungen zu tun haben. Es kommt aber bei der Physiologie noch etwas hinzu, was nicht chemisch  und physikalisch erklärbar ist, und das ist das Leben des Individuums.  Ich füge daher neu die Lehre vom Wesen und Verhalten des Weltäthers an sich als achte Erscheinung der Elementarstrahlerscheinungen und chemischen  Werde- und Vergehensprozesse hinzu; als neunte die physikalisch-physiologischen und als zehnte die psycho-physikalischen Vorgänge.  Diese neuen physikalischen Gebiete, die ich an die alten bekannten anschließe, werden hier  noch behandelt werden.

Warum ich hier so sehr auf die wissenschaftlichen Tiefen der Chemie eingegangen bin und auch auf die Physik scharf herangezogen habe, das wird dem Studierenden später klar werden, wenn wir an die Erklärungen des Lebens kommen. 

Bisher hat die Physiologie genau in den Bahnen gearbeitet, wie es die Chemie und Physik bedingen, es wurde nur  analytisch geforscht. Meiner Ansicht nach war das ein Fehler, man wird auf diesem Wege stets zur Lebenszerstörung  gelangen  und  nie  zur Erkenntnis  des  Lebens.  Die  Physiologie  muß  wohl  zum  Teil  streng analytisch arbeiten, aber sie muß auch synthetisch vorgehen  und nach  einem  gewissen  Grade  ihrer  Einzelarbeiten  zur  Biologie übergehen  und  das  Leben  selbst  stets  als  Ganzes  bei  einem Individuum  betrachten. Das Leben und die Lebenskräfte sind noch etwas Besonderes und zwar etwas Höheres, als lediglich nur chemische und physikalische Vorgänge.

Sobald aber das Leben als solches ins Auge gefaßt wird, sind auch schon die psychophysiologischen Rätsel da, denn  jedes Lebewesen hat Seele und Empfindung. Andernteils hat aber auch jedes Lebewesen Gestalt und Form und Farbe. Die  Morphologie, welche sich hiermit beschäftigt, kann infolgedessen von der Biologie nicht getrennt werden. Biologie oder  Lebenslehre und Morphologie oder Gestalt- und Formenlehre zwingen uns, die Lebewesen und ihre Formgestalten zu beobachten.  Mögen die Anatomie oder Organlehre der lebenden Körper und die Histologie  oder die Gewebslehre der lebenden Körper hierbei vortreffliche Schwesterwissenschaften bleiben, so führen diese, allein auf sich angewiesen, ebensowenig zum Ziele wie die analytische Physiologie. Denn über allem steht das Lebensprinzip.
 Des  Lebens wegen sind  Organe, Gewebeformen, chemische und physikalische Vorgänge da und nicht umgekehrt.

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1994. Update 26. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
Hauptwerk - Lehrbrief 2 (von 5)
 
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