Carl Huter: Heilwissenschaft der Zukunft - Part II.4
 
Fortsetzung

Erstes Beispiel.
Herr Hauptman ist Handlungsreisender, unverheiratet, ca. 30 Jahre alt. 

Er hat Welt und Menschen sich angesehen, Länder bereist, mit den verschiedensten Berufsklassen verkehrt und steht über alle Vorurteile erhaben. Sein väterliches Vermögen im Betrage von MK. 20.000 hat er sicher auf einer Sparkasse angelegt. Herr H. ist gegenwärtig stellungslos und braucht die Zinsen seines Vermögens zu seinem Lebensunterhalt. Er bemüht sich eine Stellung als Reisender oder Buchhalter zu bekommen, was ihm nach langer Zeit erst gelingt. Da das Angebot die Nachfrage überstieg, so wäre ein unvermögender Kaufmann entweder auf moralische Abwege, oder verbummelt oder verarmt.

Herr H., der durch eine langwierige Krankheit seinen Reiseposten ohne Schuld verlor, wird jetzt Buchhalter auf einer Zuckerfabrik in einem kleinen Landstädtchen und nimmt sich vor, künftighin ganz und gar naturgemäß zu leben, um einen Rückfall in das alte Leiden zu verhüten. Genannter Herr trug bisher die weiten Hosen, welche modern sind, dabei nur Herrensocken und keine Unterhosen. 

Hier auf dem Lande, wo er sich ungenierter kleiden kann, lässt er sich eine der Jahreszeit angemessene Hose machen, die möglichst der Form der Beine nach zugeschnitten ist, der obere Teil weit, vom Knie abwärts bis zu den Füßen eng anschließend, der Bequemlichkeit halber ist bis zur Mitte der Wadenhöhe an jeder Stelle nach außen hin die Hose geöffnet und wird ganz nach Bedarf wie Beingamaschen, eng anschließend zugeknöpft.

Hierdurch verhütet er die erkältende Abkühlung der unteren Beinteile, was bei den unten weit offen stehenden Hosen, besonders bei starken Herbstwinden und Schneegestöber, vorkommt, wodurch der Blutkreislauf gestört wird und Congestionen nach dem Herzen und von da nach Kopf und Lunge eintreten, woraus als nächste Folge sich Bronchialkatarrh und Schnupfen ergeben.

Als Fußbekleidung behielt genannter Herr die bequemen Gummistiefletten bei. Diese Maßregel schützte ihn vor dem sonst so häufig auftretenden Lungenkatarrh.

Im Spätherbst wurde Herr H. von einem Freunde zur Jagd eingeladen. Einige Tage vorher ließ er sich von dem nächsten Schuhmacher seine Fußbekleidung doppelt besohlen, innen Korkschalen einlegen und die Stiefel gehörig mit Fett einschmieren. 

Diese Stiefel, wovon der größte Teil der Jagdteilnehmer einige Tage nach derselben befallen waren, denn das Wetter war regnerisch und rauh gewesen und die Feuchtigkeit war durch die Sohlen geschlagen, wodurch bei dem abwechselnden Gehen und Stillstehen auf Fußschweiß die Fußerkältung eingetreten war. 

Der kluge Buchhalter blieb durch seine hygienische Maßregel von jenen Leiden verschont.

Sein Vorgänger, der aus Mangel an Bewegung an Herzverfettung gestorben war, schwebte ihm als abschreckendes Beispiel vor, wie man durch einseitige Berufsarbeit wichtige Lebensorgane zur Erkrankung bringen kann, und er beschloss sich täglich Bewegung zu verschaffen, und da unter aller Bewegung diejenige Arbeit, die gesundeste ist, so kaufte er sich mehrere Kubikmeter Brennholz, die er zur Winterfeuerung brauchte und arbeitete Morgens vor seinen Bürostunden mit Säge und Beil in seinem Holzstall. 

Anfänglich bekam er Schwielen in den Händen und das ganze Unternehmen behagte ihm nicht, schließlich gewöhnte der Körper sich daran, die Energie stärkte die Ausdauer und diese Arbeit bekam ihm vortrefflich. 

Mit größerer Frische wie sein Vorgesetzter der Fabrik, vollbrachte er seine Schreibarbeit und doppelt gut schmeckte ihm das Mittagessen. 

Die Lebensweise ordnete er wie folgt: Morgens 7 Uhr aß er einen halben Teller dicke Hafersuppe und trank eine halbe Tasse Eichel-Kaffee dazu.

Um 10 Uhr ass er einige Äpfel und Nüsse, Birnen oder Feigen, ab und zu auch wohl einige abgeschabte Wurzel Radieschen, oder auch wenig Brot mit Käse, oder Speck mit Schwarzbrot.

Wenn andere Stubenhocker über Magenbeschwerden jammerten pflegte H. sie auszulachen und zu sagen: "Seht, das kommt von Eurem vielen Wurst- und Schinkenessen, lebt einfach dann schmeckt Euch das Mittagessen besser, und in der Tat schmeckte Herrn H. sein Mittagessen stets vorzüglich.

Das Mittagessen bestand aus Bratkartoffeln (rohen, nicht vorher gekochten), 1/3 Pfund gebratenes Fleisch und Obst- und Kompotte, dann überließ er sich 1/2 Stunde der Ruhe, las in der weiteren halben Stunde die Tageszeitung und aß vor Antritt in der Fabrik seine dünne Mittagssuppe statt Kaffeetrank, die andere Leute vor dem Mahle zu essen pflegen. 

Da bekannter Weise geistige Arbeit viel leichter fällt, wenn man den Verdauungsapparat nicht zu sehr belastet, so vermied der kluge Buchhalter das fette Frühstücken und mehrgängige Mittagessen und erhielt sich dadurch einen stets guten Appetit und Verdauung und fühlte sich kräftiger und ausdauernder, wie keiner seiner Berufsgenossen, denn Fleisch, Obst und fette Bratkartoffeln gab die beste Nervenkraft.

Die Zeit von 3 bis Abends 7 Uhr wurde wieder der Arbeit gewidmet und Abends 71/2 Uhr wurde das Abendessen eingenommen, bestehend in einem Teller festen Gemüse, als Kohl oder Möhren mit Bohnen, Reis oder Buchweizengrütze, Pfannkuchen, oder auch Heringssalat und dazu wenig Butterbrot, ein Glas Bier oder Wein, oder auch Tee oder Buttermilch. Diese Lebensweise schützte ihn vor Verfettung und inneren Entzündungen, vor Unpässlichkeiten und Blähungen, dabei gab die Kraft, Ausdauer und einen stetig frohen Mut.

Eines Tages wurde unser Junggeselle zum Fastnachtsball des Honoratiorenklubs eingeladen und er nahm zur Zeit auch an der Festlichkeit teil, der erschien nach üblicher Sitte mit Frack, Zylinder, weißer Weste und Ballhandschuhen, steifem Oberhemd, Stehkragen und spitzen Lackstiefeln. Schneidig wollte er erscheinen, um sich unter den Töchtern der Stadt als feiner Mann einzuführen, den keine bei etwaiger Wahl, mit einem Korb abzuweisen wagen dürfe, daher auch dieser Aufwand.

Geschniegelt und Gebügelt trat unser Herr Buchhalter mit gespickter Börse in den Ballsaal, wo ihn ein Bekannter einigen Familien vorstellte. Die Damenwelt war überreich vertreten und Herr H. ließ sich wohlgefällig nieder. Bald wurde getanzt und getrunken, diniert und lustig poussiert. Bis zum frühen Morgen wurde geschwärmt und, wie gewöhnlich des Guten zu viel getan.
 
Anderen Tages trat ein Übelbefinden ein, was man mit dem gewöhnlichen Namen Katzenjammer bezeichnet. In diesem Falle hatte der junge Herr sein Leiden selbst verschuldet und er glaubte, sich niemals wieder auf einem Balle eine Frau zu suchen.

Die Festlichkeit hatte aber auch noch allerlei Nachwehen, die spitzen Lackstiefel hatten ihm einige Fußbeulen und Hühneraugen beigebracht. Das Kopfweh hielt mehrere Tage an.

Schlimmer war das Hals- und Brustleiden, was sich acht Tage darauf einstellte und auf übergroße Erschöpfung und Trinken und Tanzen zurückzuführen war. 

Der steife leinene Stehkragen hatte die Blutwallungen nach dem Kopfe gehemmt, und Kreislauf wie Ausdünstungen der Haut waren dadurch gehindert worden, darum jetzt der geschwollene Hals und die heisere Stimme. 

Der steife Einsatz des Faltenhemdes konnte den Schweiß, welchen die Brust absonderte, nicht absorbieren, wegen absoluten Mangel an Porosität, auch nicht zur Ausscheidung bringen, und da schließlich derselbe den Zutritt von Sauerstoff zur Haut hinderte, war auch keine schnelle Verbrennung resp. Trocknung des Schweißes möglich; der hervorquellende Schweiß ließ die Haut sehr lange feucht, und der Oberkörper war noch feucht, als Herr H. erst gegen Morgenfrüh zu Hause angelangt, sich zur Ruhe niederlegte.

Die enthaltende Feuchtigkeit der Haut brachte diese zu einer langsam starken Abkühlung, wobei ein Teil des Schweißes von der Haut selbst wieder aufgesogen wurde, ein anderer Teil darauf kältend wirkte, wodurch die Nervenbedingungen in den oberen Muskelregionen, sowie in der Haut selbst, außer Funktion gesetzt wurden, womit aber eine Störung des Blutkreislaufes, sowie des ganzen Stoffwechsels, besonders in den kleinen Cappilargefässen, eintrat.

Durch die Kältewirkung des stehenden Schweißes waren aber auch die Hauptporen zusammengezogen, wodurch die so notwendige Ausdünstung der Haut nicht vor sich gehen konnte, und da die feinen Nerven gelähmt waren, blieben die Poren tagelang zusammengezogen.

Die üblen Brustbeschwerden wollten nicht weichen, bald stellte sich Frösteln ein, dann fliegende Hitze, das Essen schmeckte nicht, der Zustand wurde bedenklich. 

Der nächste Arzt, bei dem Herr H. sich untersuchen ließ, stellte eine beginnende Brustfellentzündung fest. Er verschrieb sofortige Bettruhe nebst den nötigen Pulvern und Pillen. 

Im Bette wurde das Leiden aber auch nicht besser, im Gegenteil, jetzt machten sich empfindliche Schmerzen fühlbar und das Frösteln ging in trockene Hitze über. 

Die Medikamente schmeckten aber so abscheulich, dass das bisschen Appetit, das noch vorhanden war, gänzlich verschwand und helfen tat alles wie gewöhnlich nichts. 

Einen Tag und eine Nacht wartete der Patient den Erfolg der Besserung ab.

Als der Erfolg ausblieb, raffte Herr H. alle Energie zusammen und beschloss, zur nächsten Residenz zu fahren, um sich von einem Naturarzt behandeln zu lassen. 

Er zog sich warm an und statt des Oberhemdes zog er ein schlichtes Baumwollhemd über den Körper und bedeckte den offen stehenden Teil nach vorn. wo sonst der steife Kragen und Vorhemd mit Krawatte prangt, mit einem dicken porösen Wolltuche, und das war vernünftig. 

Wer gesund werden will muss die Eitelkeit zu Hause lassen.

Dann wurde ein Glas Glühwein getrunken, ein wenig Zwieback bei gesteckt und fort ging es mit dem nächsten Eisenbahnzuge.

Beim Naturarzt angekommen, wurde nach kurzer Untersuchung der Patient zuerst in eine warme Feuchtpackung gelegt. Nach einer halben Stunde war die trockene Hitze vorüber und Herr H. fühlte sich schon wohler, aber die Schmerzen waren noch immer anhaltend. 

Nach der Feuchtpackung wurde eine milde Waschung von 24°R. vorgenommen, dies lenkte den Schmerz ab, dann musste der Patient sich in ein luftiges Zimmer begeben und zwei Stunden auf einer Ottomane unter bequemen Wolldecken ausruhen. 

Diese erste Behandlung war Vormittags 11 Uhr gegeben, um 2 Uhr stellte sich leichter Appetit ein, statt Essen hieß es aber Fasten und eine halbe Stunde darauf erhielt Patient ein Klystier. Jetzt wurde der Appetit stärker und darauf erst wurde dem Patienten etwas Nahrung gegeben in Form einer dünnen Wassersuppe mit Buttersemmel. 

Bis gegen Abend durfte er aufrecht sitzen, dann aber trat wieder leichtes Fieber mit Schmerzen auf. Herr H. bekam hierauf ein mildes Kastendampfsitzbad, wobei der Kopf bekanntlich frei bleibt, entgegen den oft unangebrachten irisch-römischen Dampfbädern.

Nach 20 Minuten milder Dämpfe, denen der Körper vom Halse abwärts ausgesetzt war, in denen bald milde, bald stärkere Dämpfe zugelassen, brachte man den Patienten, der nun in leichten Schweiße geraten war, abermals in eine Kalte, d.h. das Lacken das um den Körper gewickelt, wurde diesmal nicht durchgewärmt, auch die Wärmflaschen nicht angelegt. 

Trotzdem trat nach 15 Minuten volle Erwärmung des Körpers wieder ein und nach weiteren 15 Minuten entwickelte sich ein milder Schweiß, der eine Stunde anhielt. Hierbei verloren sich Schmerzen und Unbehagen, der Herr Buchhalter genas zusehend, er konnte wieder frei und tief durchatmen, ohne jeden Druck und Beklommenheit. 

Auf ein darauf folgendes Rumpfbad von 22° R., 5 Minuten Dauer, dasselbe dann abgekühlt auf 18° R., 2 Minuten Dauer, fühlte Herr H. sich wie neugeboren und wieder vollständig gesund.

Abends gegen 9 Uhr trat ein mächtiger Appetit ein welcher durch den 1 1/2 stündigen Spaziergang durch die Stadtpromenade mit hervorgerufen war; aber Herr H. bekam doch nur eine halbe Ration vorgesetzt, bestehend aus Hühnerragout mit Griesbrei und Schrotbrot. 

Dieses wohlschmeckend und leicht verdauliche Essen bekam Herrn H. so vorteilhaft, dass, als er um 11 Uhr zu Bett ging, bald in den Wohltuendsten Schlaf verfiel, der bis zum anderen Morgen anhielt.

Um 7 Uhr Morgens ließ er sich, wie verabredet, wecken, trank eine Tasse Tee, aß ein Schinkenbrötchen und ein weich gekochtes Ei.

Er beglich die Rechnung des Naturarztes für Bäder, Honorar der Behandlung, Aufwartung, Kost und Nachtlogis; dieselbe betrug rundweg 10 M. Herr H. zahlte und reiste dankerfüllt ab.

Zu Hause angekommen, staunte man allgemein über die schnell Genesung des Kranken, dem von seinem Arzt schon das Ende, wenigstens anderen gegenüber prophezeit worden war, und Herr H. tat das seinige, um die Naturheilmethode überall zu empfehlen. 

Von seinem Arzt erhielt er einige Zeit darauf eine Rechnung von über M. 50 für Behandlung, die Apothekerrechnung betrug M. 12 für Pillen, Pulver und Weine. Geholfen hatte dies ihm selbst nichts, wohl aber dem Doktor und Apotheker mit geldlüsternen Gefühlen. 

Der dortige Arzt, dem viele seiner Patienten entgingen, nahm sich diese Vorgänge zu Herzen und führte nach einiger
Zeit ebenfalls das Naturheilverfahren ein, nachdem er 6 Monate zur Erlernung desselben in großen Naturheilanstalten Studien gemacht hatte.

Seine Honorare sollen seitdem niedriger sein und seine Erfolge größer wie zuvor.

Ein Naturheilverein wurde am Platze gegründet, von dem Herr H. Vorsitzender wurde.

Auch die Apotheke hatte keinen Schaden, indem diese mehr Diätmittel, Badeapparate und Gesundheitsartikel aller Art zu liefern hatte, wobei der Inhaber auf seine Rechnung durch den großen Umsatz kam.

Herr H. soll sich später glücklich verheiratet, aber seine Frau nicht auf dem Balle, sondern bei der Arbeit, in Haus-, Feld- und Gartenwirtschaft, gefunden haben.

H. schaffte künftig seine Stehkragen und Oberhemden ab und trug ein poröses Leinenhemd, darüber im Sommer nur einen kurzen Rock, im Winter zur besseren Warmhaltung über das Leinenhemd eine leichte, baumwollene Weste, die bis zum Halse zugeknöpft wird und einen dicken langen wollenen Winterrock. Statt Stehkragen trägt Herr H. breite Klappkragen; Handschuhe trägt er überhaupt nicht mehr, mit Ausnahme bei starker Kälte im Winter. Statt Zylinder trägt er Schlapphut, geht aber meistens barhäuptig zum Vorteile seines Kopfhaares, das seitdem kräftiger geworden ist. 

Im Sommer trägt er Sandalen ohne Strümpfe, im Winter lange Wollstrümpfe mit Zugstiefeletten. Die Hosen, wie gewöhnlich nur von der Wade ab nach abwärts eng anschließend, beiderseitig wie Gamaschen zugeknöpft. 

Geht Herr H. im Winter auf Reisen, was jedoch selten vorkommt, so trägt er statt des Schlapphutes eine Pelzmütze, die er eventl. auch über die Ohren zieht; statt eines Stockes nimmt er einen kräftigen Regenschirm, statt des früher getragenen Überziehers einen mit leichtem Wollstoff gefütterten porösen Lodenmantel oder Havelrock.

Der Buchhalter ist seitdem gesund geblieben und das hat er hauptsächlich seiner moralischen Willensstärke zu verdanken, indem er allen Vorurteilen zum Trotz, sich so selbst bestimmte, wie es seinem Wohlbefinden und seiner Gesundheit am besten zusagte.

Das kam aber auch daher, weil er sich genügend Kenntnisse angeeignet hatte, selbstständig zu urteilen und zu handeln, dazu von Hause aus genügend Mittel hatte, wodurch er in keine abhängige Zwangslage kam. Seine Stellung war eine verhältnismäßig günstige zu nennen, was Selbstständigkeit, gesunder Lebensberuf und auskömmliches Einkommen anbetrifft.

Im Gegensatz zu diesem Herrn, der durch eigene Willensbestimmung hygienisch lebte und weitere Krankheiten verhütete, sind aber oft viele Menschen, die in günstigeren Verhältnissen leben, die größten Narren der Mode und gesundheitswidrigen Lebensgewohnheiten, wodurch sie sich zu Grunde richten.


Wie der Mensch durch absolute Selbstverschuldung in Unglück und unheilbares Siechtum gerät, dazu auch ein Beispiel.
Herr Mayer ist der Sohn eines reichen Bankiers. Er hat das Gymnasium absolviert und seinen Einjährigen gemacht; gerade kein Genie, aber auch kein Tölpel schaute aus diesen schelmischen Augen. 

In der Schule hatte er niemals schlechte Nummern bekommen und auch als Soldat machte er sich leidlich, so dass er als Leutnant der Reserve abging.

Sein Vater beabsichtigte einen tüchtigen Nachfolger für sein Geschäft aus ihm zu machen.

Dies sagte jedoch Herrn M. wenig zu und er setzte es durch, einige Jahre die Universitätsstadt B. zu besuchen, um sich seiner Lieblingswissenschaft der Mathematik, zu widmen. Das ungebundene Studentenleben war für den reichen Bankierssohn ein Hochgenuss, denn zu Hause hatte er eine sehr strenge Erziehung genossen und in der zweijährigen Lehrzeit, nach bestandenen Abiturientenexamen, gab es noch mehr zu tun im Rechnen, Korrespondieren, in der Buchführung und Kalkulation, als in der Schule.

Das Universitätsleben wurde für den jungen Mann in mancher Beziehung gar zu vergnüglich. Eine Reihe übler Elemente drängten sich an ihn heran und bald wurden Orgien gefeiert in Sauf- und Fressgelagen, Studentenstreichen und Liebesabenteuern.

Je mehr es bekannt wurde, dass Herr M. der einzige Sohn eines mehrfachen Millionärs war, desto mehr wurde er umschmeichelt und in die Striche aller Verführung hineingezogen.

M. wurde Glücksspieler, wodurch sich betrügerische Falschspieler bereicherten. Sein Vater riss ihn oftmals aus der Patsche und gab Verwarnungen, aber der junge Studiosus beachtete das nicht; es wurde in Saus und Braus weiter gelebt und zu den alten neue Schulden gemacht.

Die Mutter des M. suchte immer ihren Gatten zu bestimmen, die Schulden des Sohnes ehrenvoll auszugleichen, aber bald wurde es dem reichen Krösus doch zu toll und es trat ein gespanntes Verhältnis zwischen Vater und Sohn ein.

Herr Mayer sen. entzog seinem Sohn den Kredit und überwies demselben eine monatliche Rente von 200 M.

Herr M. beschloss nun nach einer anderen Musenstadt überzusiedeln und bezog die Universität in L.

Das frühere liederliche Leben hatte seiner Gesundheit einen harten Stoß versetzt; es hatte sich ein chronischer Magenkatarrh mit Erweiterung des Magens eingestellt, wogegen er alle Mittel erfolglos anwandte. 

Er brauchte bald diesen bald jenen Spezialisten, das Leiden blieb. Herr M. magert bis zum Skelett herunter. Ein junger Theologe suchte ihn zur Naturheilmethode zu bestimmen und gab ihm eine belehrende Literatur zur Hand. Herr M. spottete aber dem Wasser und Wasserärzten und huldigte nach wie vor dem Bierheiligen Gambrinus.

Inzwischen hatte sich Herr M. auch noch ein Geschlechtsleiden zugezogen, was derart bösartig wurde, dass er in die Klinik eines Professors gebracht werden musste; hier wurde er operiert, mit Quecksilber und Schwefelbäder behandelt und nach zwei Monaten entlassen.

"Das ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fort zeugend Böses muss gebären," sagt der Dichter.

Dies gilt nicht allein von den bösen, sondern auch von den lichtsinnigen Taten; denn es war wieder ein Leichtsinn gewesen, einen Heilversuch mit der Naturheilkunde zu unterlassen. 

Die Strafe folgte auf dem Fuße; Kopfschmerzen und Hautausschläge folgten der Quecksilberkur, wozu sich bald Knochenfraß gesellte. Aus dem Leiden wurde ein trostloses Siechtum. 

Herr M. fasste in seinem Wahn den Entschluss, seinem Leben einen ehrenvollen Abschluss zu geben. In halbtrunkenem Zustande rempelte er einen Offizier auf der Straße an, es kam zum Wortwechsel, der mit der Herausforderung Mayer`s zum Duell endete. Dasselbe kam zustande. Mayers zitternde Hand versagte, sein Gegner dagegen, streckte ihn auf der Stelle nieder.

Wie Herrn M. in jedem Falle Krankheit, Unglück und frühzeitiges Ende selbst verschuldet hat zeigt sein ganzes Lebensbild. Mutwillig jagte der von Haus aus begüterte und begabte Mann seinen Ruin nach und fand ihn bald. Eine solche Charakterlosigkeit und Selbstschuld, der leider viele Toren nacheifern und gar ritterlich finden, ist entschieden zurückzuweisen.

Die Fälle nun, wo der Mensch zu Krankheiten kommt, wo er selbst die Schuld nicht trägt, sondern die äußeren Verhältnisse, sind gewöhnlich in der Mehrzahl, und sind es meistens die Armen, die Gezwungenen und erblich Belasteten, die darunter leiden.



Ein Beispiel, wie unter der Macht unglücklicher Verhältnisse ein Mensch schuldlos zu Grunde geht.

Fräulein Heinemann ist die Tochter eines Polizeibeamten. Der Vater hatte meist stark den Spirituosen und die Mutter war in diesem Falle viel aufgeregt. Kurz, das von den H.aschen Eheleuten gezeugte Kind wurde mit Epilepsie belastet geboren.

Trotzdem die Eltern des Kindes später alles versucht hatten, das Kind zu heilen, war dieses nie recht gelungen, der erbliche Fehler war zu tief eingewurzelt.

Die Eltern verstarben frühzeitig und hinterließen wenig Suosistenzmittel. Frl. H. musste sich bequemen, bald nach dem Tode ihrer Eltern eine Stellung anzunehmen. Durch besondere Fürsprache des Gemeindepredigers fand sie denn bald ein Unterkommen. 

Sie erhielt aber nicht nur wenig Lohn, sondern wurde auch im Essen und Trinken knapp gehalten, ferner musste sie mit einem abgelegenen feuchten Schlafraume fürlieb nehmen.  Hierdurch entwickelte sich bei ihr ein skrophulöses Leiden und die angeborene Epilepsie trat heftiger den je auf.

Der Arzt stellte fest, dass Fräulein H. unter diesen Lebensbedingungen einen unheilbaren Siechtum verfallen würde. Sie beachtete diesen Rat und gab daher ihre Stellung auf.

Von nun an suchte Fräulein H. durch Stickerei und Näharbeit ihr Brot zu verdienen und fand auch Arbeit. Mildtätige Herzen erbarmten sich ihrer, sie konnte sich ein kleines, luftiges, trocken gelegenes Zimmer mieten und arbeitete lustig darauf los. Im Sommer ging das ganz gut, aber im Winter stellten sich durch die anstrengende Nachtarbeit Entzündungen und Schwächen der Augen ein. Hieran war sie ebenfalls nicht schuld, denn arbeitete sie nicht bei Lampenlicht, so verdiente sie so wenig, dass sie nicht hätte leben können. 

Die wiederholten Unterstützungen aus ihrer Gemeinde blieben aus, und da sich rohe Menschen übelwollend über Fräulein H. ausgesprochen hatten, so war sie fernerhin zu stolz geworden, Unterstützungen anzunehmen. 

Ihr Arzt stellte aber fest, dass sie fernerhin ohne Gefährdung ihres Augenlichts nicht mehr Nachtarbeit verrichten dürfe. Sie folgte dem Rate; die Folge davon war, sie verlor die Arbeit ganz, die ihr bis dahin das Geschäft zugewendet hatte, da ihr Brotherr annahm, das Mädchen sei träge und eigensinnig geworden, oder arbeite für seine Konkurrenz. All` ihr Flehen, ihr wieder Arbeit zugeben, half nichts, weil sie nicht die wöchentlich geforderte Stückzahl liefern konnte.

Das Mädchen kam in Not und Elend, Arbeit fand sie nur spärlich und der Verdienst war somit unzureichend.

Der Schluss dieser Leidensgeschichte war der, dass sie in ihrer Verzweiflung und Not der Prostitution in die Arme geworfen wurde. 

Es konnte sie in allen ihren vorangegangenen Leidenslagen keine Schuld treffen und hier handelte sie unter dem Drucke der Verhältnisse, um sich vor dem Hungertode oder dem Betteln zu schützen. 


Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Die Welt mag diese Arme unter den Ärmsten ächten und aus der Gesellschaft stoßen, ich aber spreche mit dem großen Nazarener:

"Wer unter euch ist ohne Sünde, der werfe den ersten Stein auf sie"; ja ich behaupte, dieses Geschöpf ist sündloser und schuldloser wie die Gesellschaft, die sie ins Unglück stürzte.

Diese Beispiele mögen die moralische Seite, Schuld und Unschuld in Bezug auf Leid und Krankheit lehren.




Erstellt 1999. Update 18. April 2007
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben. Die psycho-physiologische Naturheilkunde             Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm
 
Heilwissenschaft der Zukunft