Carl Huter: Heilwissenschaft der Zukunft - Part II.2
 
Fortsetzung

Was ist nun Krankheit?

Krankheit im weiteren Sinne ist überall da, wo Störungen in den normalen Funktionen eines oder einzelner Organe eines Lebewesens auftreten -

Krankheit im engeren Sinne ist da, wo Störungen den Gesamtorganismus eines Lebewesens zu schädigen drohen.

Rudolf Virchow
(Quelle: Hauptwerk. 2. Auflage. Lehrbrief 1. Hrsg. Amandus Kupfer. 1925. Hinzugefügt)

Schwere Krankheiten im engeren Sinne sind nach der Erklärung des Pathologen Rudolf Virchow solche Leidenszustände, an welchem ein Organismus zu Grund geht.


Ohne mich an die Erklärungen dieser oder jener Gelehrten zu halten, unterscheide ich unter den Krankheiten drei Hauptgruppen und zwei Nebengruppen.

a ) Konstitutionelle, das sind solche, die in erblicher Belastung auftreten, also angeboren wurden;

b) chronische, das sind solche, die durch andauernde verkehrte Lebensweise erworben wurden;

c ) akute, das sind solche, die durch plötzlichen Anstoß, meist durch Zufall und unvorhergesehen, plötzlich und heftig in Erscheinung treten.


Zu den Nebengruppen zähle ich:

a) die zerstörenden Unfälle und

b) die natürlichen Lebensplagen.



a) Akute Krankheiten.

Angeborenen, wie erworbenen Krankheiten können durch irgend welchen Anstoß, also durch besondere Erregung des Körpers in ein akutes Stadium treten. Bei allen akuten oder plötzlichen Krankheiten sind Temperaturveränderungen vorhanden, hierbei tritt auch stets veränderte Herztätigkeit auf. Unter 35°C. und über 42°C. steigt und fällt die Blutwärme gewöhnlich nicht mehr, da über diese Grenzen hinaus das Leben aufhört.

Da die normale Körperwärme 36°-37° C. ist, so wird eine akute Krankheit vom Patienten sowohl, wie von einem Arzt schnell erkannt, sowohl durch Pulsschlag, Thermometer, wie durch Gesichtsausdruck. 

Der Patient fühlt sich schwach und sehr unwohl und zeigt eine instinktive Abneigung gegen feste Nahrungsaufnahme und Bewegung. 

Ruhe, Regelung der Blutwärme und Vermeidung fester Nahrung ist bei allen Fieberkranken erste Bedingung zur Genesung, aber auch das Stillen des Durstes durch Wasser, Tee oder Fruchtlimonade ist zu empfehlen.

Überall wo Fieber vorhanden ist, da ist eine starke Bewegung der Stoffmassen unter teilweisen Verfall derselben vorhanden, folglich dürfen keine aktiven oder passiven künstlichen Bewegungen hinzutreten, noch viel weniger darf der Magen mit festen Stoffen belastet werden.

Das Prinzip muss vorwalten, alle Ausscheidungsorgane zu öffnen, dass der Körper sich schnell der überschüssigen Stoffe entledigen kann und einen Teil der überschüssigen Wärme abgeben. 

Hierbei ist zu beachten, dass keine plötzliche Wärmeentziehung oder Ausscheidung stattfindet, weil dieses wie bei der Cholera den Tod herbeiführen kann. 

Alle Ausscheidungen sollen einen sukzessiven, mäßigen Verlauf nehmen. 

Langsame Schweißabsonderung, zeitweiliges Urinlassen, wiederholter mäßiger Stuhlgang, das sind günstige Symptome, unter denen gewöhnlich die Krankheit, insofern sie eine Lebensgefahr ist, günstig verläuft.

Dass bei diesem Vorgang die physikalischen Heilmittel die besten sind, steht außer Zweifel, und hier besitzen wir im Wasser, innerlich und äußerlich angewandt, in zweckentsprechenden warmen, kühlen oder indifferenten Temperaturen ein unschätzbares Heilmittel, da es die Krankheitsstoffe lockert, löst und zur Ausscheidung verhilft, dabei die Wärme reguliert und den Körper durch Zufuhr von Sauerstoff kräftigt.

Das Wasser ist in diesem Falle durch kein Medikament zu ersetzen, weil es ausscheidend, ernährend und zugleich regelnd wirkt.

Es kommt hierbei jedoch ganz auf die Art der Wasseranwendungen an, denn jeder verkehrte Eingriff kann ebenso schlimme Nachteile bringen, als irgend ein Medikament.

Das eigene Gefühl des Kranken trifft hier oft das Richtige, und besitzt der Arzt ein genügendes Mitgefühl so ist dies wertvoller, wie alle Wissenschaft. 

Freilich darf hierbei nicht vergessen werden, dass der Arzt sich von jeder Handlung, die er vornimmt, der entsprechenden Wirkung schon vorher bewusst ist.

Scharfblick, Umsicht, Takt und Mitgefühl, gepaart mit Energie und Tatkraft sind Tugenden, die einen Arzt auszeichnen müssen, will er ein Helfer und nicht ein Pfuscher sein. -

Mehr die Kunst wie die Gelehrsamkeit, mehr die Praxis wie die Theorie verhilft dem Arzt zu Erfolgen.

Unter den akuten Krankheiten treten gewöhnlich alle Arten Entzündungen auf, also: Lungen-, Brust-, Rippenfellentzündung, Typhus, schwere Darmleiden, Gehirn- und Herzentzündungen, Sumpffieber (Malaria), Diphterie, Scharlach, Masern, Aussatz, Rose, Brand, Wund, Gastritis und gelbes Fieber, Kindbettfieber, Blutvergiftung, Cholera, Milliardentuberkulose, Nierenentzündungen, Blattern, Nervenfieber usw.

Zu den chronischen Krankheiten zähle ich alle solche, welche dem Körper längere Zeit anhaften, ohne ihn plötzlich in hohes Fieber zu versetzen.

Hierzu gehören alle solche Leiden, welche sich auf örtliche Organe beschränken, ohne den ganzen Körper in hinfällige Mitleidenschaft zu ziehen, welche aber endlich, da sie zu langsamen Zerstörungen der gefallenen Organe führen, doch zu gefährlichen Siechtum, ja mit tödlichem Ausgang verlaufen können.



b) Chronische Krankheiten.

Bei den chronischen Krankheiten tritt gewöhnlich partieller Schmerz, Unbehagen, üble Laune, Stauungen und Versteifungen aller Art, mehr Kältegefühl wie Hitze, mehr wechselnde Schwächezustände wie ein dauerndes Darniederliegen, auf.

Es gibt jedoch auch chronische Krankheiten, welche den ganzen Körper lahm legen und zu totalem Siechtum bringen, aus welchem bei vorgeschrittenem Stadium keine Hilfe mehr möglich ist.

Es sind dies oftmals akute Krankheiten, welche durch falsche medizinische Behandlung und verkehrte Lebensweise chronisch werden.

Wenn rein akute Krankheiten innerhalb von Tagen oder wenigen Monaten geheilt werden können, so bedürfen chronische Krankheiten gewöhnlich viele Monate, oft Jahre zur vollständigen Ausheilung und sind diese ohne gründliche Regenerationskur überhaupt nicht zu erzielen. 

Hier üben Diät, diätische Ausscheidungs-, Heils- und Nährpräparate in Verbindung mit zweckmäßiger Ruhe und Bewegungskuren, Massage, Magnetismus, Licht-, Luftkuren und Gemütserhebungen die beste Wirkung aus. 

Nicht immer wirken hier die Wasseranwendungen günstig und so gibt es Beispiele, wo durch angreifende Badekuren, besonders Mineral-, römische Dampfbäder und Kneipp`sche Kaltwasserkuren die größten Misserfolge gezeitigt wurden.

Das Wasser wirkt übermäßig angewandt schädigend auf den menschlichen Körper ein, da der Mensch nicht als Amphibie, sondern als Licht- und Luftgeschöpf geboren ist.

Zu den chronischen Krankheiten zählen gewöhnlich: die Katarrhe der Schleimhäute, der Luftwege, des Magens, des Darms, der Blase, der Geschlechtsorgane.

Gicht, Rheumatismus, Gallenstein, Leberleiden, Melancholie, Neurasthenie, der größte Teil aller Nervenleiden, Blutarmut, Skorphulose, Bleichsucht, Wasseransammlungen, Wucherungen, Auszehrung durch schlechte Ernährung, Fettsucht, Flüsse, Eiterungen, Lähmungen, Syphilis, Verdauungs- und Zirkulationsstörungen, Flechte, Lupus, Haarausfall, Verengungen oder Erweiterungen der Organe, Krebs, Zuckerharn und Schwächezustände aller Art.

Zu erkennen sind alle diese Leiden äußerlich in der Haltung und den Gesten des Körpers, in den Merkmalen der Haarform, der Hautfarbe, sowie an den Augen und im Gesichtsausdruck.

Eine richtige Diagnose ist besonders bei den chronischen Krankheiten festzustellen und somit die richtige Anwendungen geben zu können. 

Bei allen akuten Krankheiten kommt es weniger auf die Diagnose an, weil der Körper selbst das Bestreben hat, sich rasch zu heilen.

Was für ein Leiden es ist und welchen Namen die Krankheit trägt, dies festzustellen soll man weder lange suchen, noch Zeit verlieren. Hier tut schnelle Hilfe not, um die Lebensgefahr abzuwenden und das Heilbestreben des Körpers zu unterstützen, bevor die Kräfte erschöpft sind. 

Prinzip ist: Ableiten der Entzündung und des Fiebers von den belasteten und zentralen Organen nach der Peripherie und den Ausscheidungsorganen.

Die innere Heilkraft der Natur heilt und hilft dann von selbst und fragt weder nach Sitz und Namen der Krankheit und auch der Patient nicht, wenn er nur bald wieder gesund wird.

Ganz anders verhält sich dies bei chronischen Krankheiten, hier versagt gewöhnlich die Heilkraft des Körpers. 

Darum kann hier eine Gesamtbehandlung, welche darauf hinzielt, die innere Heilkraft des Körpers anzuregen und zu kräftigen, wohl von Nutzen, aber nicht immer von ausschließlichen Erfolge sein. Hier gehört eine partielle Behandlung der Organe dazu, um die Gesundheit herzustellen.

Wo Eltern schwindsüchtig sind, da wird auch die Anlage zur Schwindsucht auf die Kinder vererbt, daraus folgt nun aber keineswegs, dass alle die, deren Eltern an der Schwindsucht sterben, nun auch demselben Schicksal entgegen gehen; es kann auch hier durch eine entsprechende Lebensweise das akute Auftreten dieses Leidens verhütet werden.

Die hygienischen Maßregeln sind also für alle erblich Belasteten die besten ärztlichen Hilfsmittel. Jeder aber, der erblich belastet ist, besonders ist dies bei Anlagen zu Nervenleiden zu empfehlen, sollte sich einer gründlichen Kur von Zeit zu Zeit unterziehen und einen hygienischen Arzt zu Rate ziehen, dadurch beugt er Unglück vor und bleibt wohl und gesund.

Die Erkennung konstitutioneller Leiden, als die ich jede vererbte Krankheitsanlage bezeichne, ist daher in der medizinischen Wissenschaft und von ihren Praktikanten wenig berücksichtigt und doch sollte dies das A-B-C aller ärztlichen Künste werden; denn gerade aus den vererbten Anlagen entspringen unter gegebenen Umständen die Mehrzahl aller chronischen und akuten Krankheiten, und nicht allein das, die Mehrzahl aller geistigen Schwächen, Leidenschaften, verbrecherischen oder gewissenlosen Neigungen haben ihre Ursachen in ererbten Fehlern.

Es schien mir daher von der größten Bedeutung, Mittel und Wege zu finden, solche Anlagen bei jedem Menschen leicht und sicher zu erkennen und ich forschte und mühte mich ab, bis ich nach jahrelanger Arbeit gewisse Normen hierfür fand, die ich in einem besonderen Werk behandelt habe.

Einige meiner besonderen Untersuchungsschemas habe ich diesem Buche mit beigefügt.

Eine derartige Untersuchungsmethode ist allerdings mühevoll und erfordert oft mehrere Stunden Zeit, sie lohnt sich aber zehnfach durch die erworbenen Vorteile, die der Anthropologe und sein Objekt dadurch gewinnt durch die eingehende sachliche Klarlegung der gesamten Beanlagung nebst den beigefügten hygienischen Vorschriften, und daher ist bei allen chronischen Krankheiten die Diagnose so wichtig.

Ich meine hier nicht die Diagnose, um die Krankheitsäußerungen festzustellen, sondern um vor allem die Krankheitsursachen zu ergründen. 

Diese doppelte Diagnose, welche ebenso notwendig hierbei ist, wie bei einem Bank- und Großgeschäfte die doppelte Buchführung, spielt bei aller Behandlung chronisch Leidender die wichtigste Rolle, denn täglich kann der Arzt neue Ursachen, neue Krankheitspunkte zu den zuerst festgestellten entdecken, wenn er nur Auge und Ohr, das richtige Gefühl, eine scharfe Beobachtungsgabe und vor allem ein wissenschaftliches Forschungstalent hat.

Hier kommt der Arzt auch nicht aus mit dem bisschen Anatomie, Pathologie und diagnostischem Studium, was er von der Universität mitgebracht hat.

Hierzu gehört der richtige Blick für´s Leben eines Individuums, eine gründliche psychophysiologische Allgemeinschulung, wie sie meine Physiognomik und Lebensausdruckskunde lehrt.

Wie bedeutungsvoll hier oft die Abstellung ganz einfacher, oft unbedeutender Gewohnheiten eines Patienten ist, werde ich im Nachfolgenden entwickeln.

Welche umfassende Beurteilungskunst aber hierzu oftmals erforderlich ist, habe ich in einer besonderen Abhandlung über meine psycho-physiologische Diagnose näher behandelt und es wäre zu wünschen, dass diese Methode die weit mögliche Verbreitung fände.

Man würde als dann nicht mehr so manche Jahre hindurch falsche Behandlungen auf Grund falscher Diagnosen erleben und würde noch in vielen Fällen Hilfe bringen können, wo man mit der bisherigen Methode der Diagnostik und Heilmittelanwendung in die Brüche ging und zu dem Endresultat kam: "Unheilbar".



Eine andere Art Krankheitserscheinungen sind die konstitutionellen Leiden oder die angeborenen Erbfehler.

Ob sich Krankheiten vererben oder nicht, darüber ist schon viel gestritten worden. 

Ein italienischer Physiologe Montegazza und die Mehrzahl der Mediziner verbieten z.B. den Schwindsüchtigen das Heiraten. Andere hingegen, so der berühmte Sanitätsrat Niemeyer-Berlin, ist der Ansicht, dass gerade durch das Heiraten in vielen Fällen sich die Schwindsucht verliere und gesunde Nachkommen erzeugt, Schwindsucht also nicht vererbt würde.

Wer hat nun Recht? - Recht haben beide Parteien wie gewöhnlich in Streitsachen, wo Missverständnisse obwalten.

Denn unbestritten hat Sanitätsrat Niemann darin recht, dass z.B. die Tuberkeln gemeinhin nicht vererbt werden. 

Wenn man nun die Tuberkeln als die eigentliche Lungenkrankheit im Sinne Robert Kochs auffasst, dann gibt es keine Schwindsuchtvererbung; denn ein tuberkuloser Fötus würde nicht lebensfähig zur Welt kommen.

Robert Koch (1843-1910) auf Expedition in Ostafrika, 1906  - Foto:(AKG Berlin)
(Hinzugefügt)

Geboren am 11. Dezember 1843 in Clausthal, hatte Robert Koch in Göttingen Medizin studiert und war nach dem Deutsch-Französischen Krieg Kreisphysikus in Wollstein in der preußischen Provinz Posen geworden. Dort begann seine Forschertätigkeit. Sein Lehrer, Jakob Henle, hatte schon in den 40er Jahren das Contagium animatum, den belebten Erreger der Infektionskrankheiten, gefordert, aber erst Koch gelang dieser Nachweis. In seiner Praxis hatte er sich ein kleines Laboratorium eingerichtet. Hier sah er unter dem Mikroskop jene Stäbchen, die bei Tieren den Milzbrand hervorriefen. Es gelang ihm, sie auf Nährboden zu züchten, das Wachstum und die Sporenbildung zu beobachten und so zum ersten Mal den Erreger einer Infektionskrankheit zu beschreiben. Danach wandte er sich der Erforschung der Wundinfektionskrankheiten zu.

Im Kaiserlichen Gesundheitsamt wurde man auf den jungen Forscher aufmerksam und berief ihn 1890 als ordentliches Mitglied. In Berlin standen ihm nun ganz andere Möglichkeiten als in Wollstein offen. Er legte mit seinen Mitarbeitern die Grundlagen der modernen Desinfektion und Sterilisation, die den Übergang von der Antisepsis zur Asepsis in der Chirurgie herbeiführte. Am 24. März 1882 hielt er im Physiologischen Institut der Universität seinen berühmt gewordenen Vortrag „Über Tuberkulose“, in dem er seine Fragestellung, seine Versuchsanordnung seine Ergebnisse schilderte und dies alles mit Präparaten, mikroskopischen Schnitten und Mikrophotographien belegte. „Und alle diese Tatsachen zusammengenommen berechtigten zu dem Ausspruch, daß die in den tuberkulösen Substanzen vorkommenden Bazillen nicht nur Begleiter des tuberkulösen Prozesses, sondern die Ursache desselben sind ... In Zukunft wird man es im Kampf gegen diese schreckliche Plage des Menschengeschlechts nicht mehr mit einem unbestimmten Etwas, sondern mit einem faßbaren Parasiten zu tun haben.“

Koch wurde dann mit der Leitung einer Kommission beauftragt, die die im Sommer 1883 in Ägypten ausgebrochene Cholera untersuchen sollte. Ihm und seinen Mitarbeitern gelang es, den Choleraerreger nachzuweisen und zu beschreiben.

1885 wechselte Koch vom Kaiserlichen Gesundheitsamt an die Berliner Universität, wo er Direktor des neu gegründeten Hygiene-Institut wurde. Die Errichtung dieses Instituts erfolgte nicht ohne Hindernisse. Vehement hatte sich die medizinische Fakultät gegen die vom Ministerium und von den Ärzten geforderte Neuerung gewehrt. Die Berufung Kochs war nicht in jeder Hinsicht glücklich, vor allem nicht für die Studenten; denn Koch war viel mehr Forscher als Lehrer. So ließ er sich schon bald vertreten und nutzte die Gelegenheit, 1891 das Amt wieder aufzugeben.

1890 fand der X. Internationale Medizinische Kongreß in Berlin statt. Zu den Rednern der Eröffnungssitzung gehörte neben Rudolf Virchow und Joseph Lister auch Robert Koch. Sein Vortrag „Über bakteriologische Forschung“ zeigte, daß das neue Fach sich etabliert hatte, daß es das naturwissenschaftliche Arbeitsfeld geworden war, das sich mit der Erforschung der Infektionskrankheiten systematisch beschäftigte. Aber trotz der Erfolge in der Entdeckung immer neuer Krankheitserreger war es noch immer nicht gelungen, einen neuen therapeutischen Ansatz zu finden. Hier sollte Kochs Vortrag, so hoffte die preußische Regierung, ansetzen, ein neu entwickeltes Heilmittel der Tuberkulose sollte er bekannt machen. Koch hat sich zögernd dazu bereit erklärt, über noch nicht abgeschlossene Versuche zu berichten und ein solches Heilmittel bekannt zu geben: Kochsche Lymphe hieß es zunächst, später wurde es Tuberkulin genannt.

Die vorsichtige Mitteilung Kochs erregte unter den Besuchern des Kongresses mindestens das gleiche Aufsehen wie seine Entdeckung des Tuberkulosebazillus. In der nationalen und internationalen Presse machte die Nachricht, Koch habe ein Mittel gegen die Tuberkulose gefunden, Furore. Ärzte und Patienten strömten nach Berlin, die Einspritzung der Kochschen Lymphe wurde in großen und kleinen Kliniken demonstriert, im Preußischen Abgeordnetenhaus forderten Abgeordnete Auskunft darüber, wie der Staat das Kochsche Heilverfahren fördern und nutzlos machen wolle. Und obwohl sich bald zeigte, daß das Tuberkulin als Heilmittel wirkungslos war, errichtete der Peußische Staat für Robert Koch das Institut für Infektionskrankheiten, das zunächst unmittelbar neben der Charité untergebracht war und nach zehn Jahren sein neu errichtetes Institutsgebäude beziehen konnte, das noch heute der Sitz des Robert-Koch-Instituts ist. In den Jahren nach 1891 organisierte Robert Koch die Cholerabekämpfung, erforschte die Rinderpest, das Schwarzwasserfieber, die Malaria, das Texasfieber und die Tse-Tse-Krankheit. Er leitete die Typhusbekämpfung im Südwesten des Reiches, war zu Erforschung des Küstenfiebers, des afrikanischen Rückfallfiebers und der Pferdesterbe in Südafrika, und zur Erforschung der Schlafkrankheit in Ostafrika. Und immer wieder galt sein besonderes Interesse der Erforschung der Tuberkulose. Auch sein letzter öffentlicher Vortrag, sechs Wochen vor seinem Tod, galt diesem Thema.

1904 war Koch von der Direktion des Instituts für Infektionskrankheiten zurückgetreten, 1905 erhielt er den Nobelpreis für seine Tuberkuloseforschungen. Eine schwere Herzattake hoffte er in Baden-Baden überwinden zu können. Dort ist er am 27. Mai 1910 gestorben. (Quelle: Archiv Braunschweig - Medizin Archiv. Hinzugefügt).


Die Krankheitstheorie der Bazillenjäger ist aber insofern irrig, als die Bazillen nicht die Krankheit selbst im Organismus sind, sondern nur die Ab- und Auswurfstoffe der vorgeschrittenen Krankheit, die allerdings geeignet sind, Krankheiten zu übertragen.

Wenn man unter Krankheit im weitesten Sinne die Krankheitsanlagen auffasst, dann allerdings hat Mantegazza recht, denn tatsächlich wird die Krankheitsanlage, wenn auch nicht in jedem, so doch in den überaus meisten Fällen durch Zeugung übertragen, durch Geburt, Klima, Beschäftigung und Umgebung beeinflusst.

Zu dieser Auffassung neigten auch die alten Priester, Propheten und Religionsgründer, wenn sie von der Erbsünde sprechen.

Wenn auch nicht gemeinhin ein angeborenes körperliches Leiden als Erbsünde bezeichnet wurde, so wurde doch damit die angeborene moralische Defektheit und Schwäche als Erbsünde definiert.

Jede moralische Fehlanlage ist aber stets im Zusammenhang mit fehlerhaften körperlichen Zuständen anzutreffen, was jenen alten, die mehr Weltverbesserer als Menschenkenner waren, unbekannt blieb.

Demnach sind alle besonderen, stark ausgeprägten Leiden der Eltern auf ihre Kinder nicht als akute Krankheit, sondern als konstitutionelle vererbbar.

Wenn man mit dem Tauf- oder Konfirmationsfest irgend ein Geschenk für das Kind verbinden will, so gibt es nichts besseres als ein derartige Untersuchung. 

Ebenso wichtig wie diese Untersuchung in Bezug auf den allgemeinen Gesundheitszustand, körperliche und geistige Vorzüge, Moralkräfte und Charaktereigenschaften.

Bei der Berufswahl, bei Verlobungen, bei Engagement zu wichtigen Ämtern müssen solche Beurteilungen von ausschlaggebender Art werden, denn dann erst wird für den einen und anderen Teil, für die Zukunft beider, ja für die gesamte Menschheit überhaupt erst eine befriedigende Lösung aller Lebensfragen eintreten können; auch der Fragen, die von religiösen Theoretikern bisher vergeblich gesucht wurden und die von politischen Mächten und Parteien allein ebenso wenig gelöst werden können, wie sie die wohlwollendsten Absichten edler Monarchen und Gesetzgeber nie erzielt haben.

Derjenige, welcher erblich belastet ist, fühlt im Allgemeinen seinen Zustand nicht, weil er sich nicht anders kennt, als wie er einmal ist und gelangt wohl auch mit der Zeit zu dem Glauben, es könnte sein Zustand nicht anders sein. -

Wer Anlagen zu Gehirnleiden hat, spürt oft Kopfschmerzen oder Benommenheit, wer zur Erkrankung der Lunge neigt, bekommt leicht Schnupfen; der Leber- und Magenleidende oft Leibschmerzen und Unpässlichkeiten, aber die Zustände kehren oft wieder und sind so vorübergehend oder doch erträglich anhaltend, dass der Betroffene sein Leiden kaum beobachtet, es wird ihm zur Gewohnheit und aus dieser Gewohnheit entwickelt sich schließlich ein chronisches Siechtum.

Die unangenehme Gewohnheit war aber, wenn auch erträglich, so doch von üblen abnormen Selbstempfindungen und den entsprechenden Willensakten begleitet, die entweder dem Träger der Leidensanlage oder seiner Umgebung unangenehme Stunden, Schaden und Nachteil jeglicher Art bereitete.

Ganze Geschlechter, ganze Nationen und Volksstämme hat es gegeben, die durch die unglückliche Lage ihres Landes, oder durch eine verkehrte Lebensweise, durch widerwärtige Sitten und Gesetze Jahrtausende hindurch erblich belastet blieben, bis sie in totaler Degeneration zu Grunde gingen. 

Dies war noch nicht das Schlimmste, sie richteten bei ihrem Verfall auch gesunde Völker durch Kriege und Verwüstungen oft mit zu Grunde.

In eine naturgemäße hygienische Lebensweise soll jede Familie ihren Stolz setzen und jeder Vater und jede Mutter ist verpflichtet, zum Wohle der Nachkommenschaft alle Kinder einer gründlichen Untersuchung unterziehen zu lassen.

Der erblich Belastete, der konstitutionell Leidende kann nur in seiner Individualität angemessenen in einer Allgemeinbehandlung gesunden, wo für Allgemeinnormen in der Anwendung bestimmter Heilmittel darum auch nicht gegeben werden können, weil jeder einzelne Fall besonders behandelt sein will.

Feststehend ist aber, dass zweckmäßige Berufswahl, Heilgymnastik, besondere Ernährung und geistige Anregung hierbei eine ausschlaggebende Rolle spielen.

Ganze Geschlechter, die gesamte Menschheit zu gleichen Lebenssitten zu bringen, ist noch schwieriger, wie alle zu gleichen Glaubensideen zu überzeugen nach den irrtümlichen Anstrebungen mancher Kirchenbestrebungen. 

Denselben Irrtum, alle Menschen in gleiche Staatsformen zu zwingen, hegen manche chauvinistische Nationalfanatiker vieler Nationen im krankhaften Nationaleifer. Jedes Volk muss seinen historischen, ländlichen und klimatischen Verhältnissen angepasst, sich eigenartig fortentwickeln.

Wie mit den angeborenen Anlagen ganzer Rassen, Nationen und Klassen gerechnet werden muss, so viel mehr noch in der Heilkunde mit jeder einzelnen Person. Der eine muss anders behandelt werden wie der andere, auch dann, wenn beide gleiche Krankheiten tragen.

Es gibt daher vier große Fragen zu lösen, die alle gleich wichtig sind, das ist außer der in der letzten Zeit in den Vordergrund getretenen sozialen und internationalen Frage die Individuelle Frage und schließlich die Gesundheitsfrage. 

Nicht soll das Individuum der Gesamtheit, oder die Gesundheit dem Individuum geopfert werden, sondern die Gesamtheit soll für jedes Individuum mit aufkommen und das Individuum soll sich auch seiner Gesundheit widmen können, das ist Lebensweisheit.



Die natürlichen Lebensplagen.

Zu eigenartigen krankhaften Erscheinungen zählen die natürlichen Lebensplagen.

Wenn die seltene Tatsache vorkommt, dass jemand weder akut, noch chronisch krank, noch erblich belastet war in seinem Leben, von den Lebensplagen wird er gewiss nicht verschont.

Unter Lebensplagen bezeichne ich alle jene Leidenszustände, die die Entwicklung unseres Körpers und Geistes mit sich bringt, ohne besondere spezifisch krankhafte Zustände, die der Gesundheit abnorm liegen, mit einzuschließen.

Also die gesunde Entwicklung ist mit allerlei selbst Leidenszuständen geplagt.

Hierzu gehören z.B. in der Kindheit das Zahnen. Dasselbe kann nie ohne Schmerzen oder Gehirnaffektionen vor sich gehen, da die Zahnbildung selbst ein Durchbrechen des fleischigen, nervenreichen Gaumens des Wachsens der Zähne verursacht. 

Diese Zahnbildung geht bis zu einem höheren oder geringeren Grade auf Kosten der Gehirnsubstanz vor sich, da das Blut selbst nicht im Stande ist, in solch kurzer Zeit soviel Knochenmasse an einem bestimmten Orte des Körpers konzentriert hervorzubringen. 

Die benachbarten Knochen und Nerventeile müssen dieses erste Zahnwachstum mit unterstützen; doch geht diese Abspaltung von eigenem Stoffmaterial nicht ohne Schmerzen vor sich, weil die betreffenden Organe selbst noch im eifrigen Wachstum sind. -

Freilich hat die Natur dafür gesorgt, dass jene Organe, welche zu Gunsten der werdenden Opfer bringen, schon vorher mit größerer Stoffmasse und vorgeschrittener Entwicklung versehen waren, wie die anderen Körperteile.

Daher kommt es auch, dass der Kopf des Säuglings im Verhältnis zu seinen übrigen Körperteilen weit stärker entwickelt ist. Dieser qualitative Entwicklungsfortschritt ist nun nicht da zur frühzeitigen Gehirnreife, um eine verfrühte geistige Qualität zu retten, sondern um benachbarte und entfernt liegende Organe mit der Reservekraft aufgespeicherter Stoffmengen zu versehen, ohne Einbuße an der eigenen Lebensenergie zu erleiden.

Eine weitere Lebensplage in den ersten Lebensanfängen ist die absolute Hilflosigkeit und Körperschwäche, worin der Mensch dem Tiere weit nachsteht. 

Jedes Junge eines Säugetieres, jedes Würmchen, Fischlein oder Vöglein, was das Licht der Welt erblickt, kann sich freier, kraftvoller bewegen, ist im Stande, aus sich selbst, die Nahrung und die Wärme des Mutterleibes aufzusuchen, nur der Säugling des Menschen bedarf einer größeren mütterlichen Obhut.

Welche Plage bringt die Zeit mit sich, wo das Kind der Mutterbrust abgewöhnt und zur festeren Nahrungsaufnahme übergehen muss, wodurch Leibweh, Beschwerden und Verdauungsstörungen aller Art entstehen.

Kommt dann das Alter der Jugendjahre, so heißt es selbst Energie über, lernen, arbeiten, gehorchen und manche Leidenschaft zu unterdrücken, manche Schwäche zu heben.

Das erste Lernen, der Zwang der Schule, ist den meisten Kindern eine Plage. Mit vieler Mühe eignet es sich die ersten Gründe des Elementarunterrichts an, hat es die ersten Anfänge überwunden in irgend einem Fache, so geht das Weiterlernen leichter und mehr in normalen Entwicklungsbahnen vorwärts. 

Wie schwer fällt es der Jugend, irgend eine kleine Arbeit oder Beschäftigung mit Plan und Umsicht durchzuführen.

Sind es häusliche Dienstleistungen, da wird in Unachtsamkeit manches Täschchen entzwei geschlagen, manches Kleid zerrissen oder beschmutzt und manche Arbeit verkehrt gemacht, ohne dass ein böser Wille obgewaltet hätte. 

Viel Mühe bis zur Pflege wird solche Kinderarbeit, wenn lieblose Erzieher bei jedem unschuldigen Fehlgriff die Rute schwingen, und doch lehrt die Geschichte, dass die körperlich geschicktesten Menschen meist eine strenge Erziehung genossen haben.

Nicht minder ist zum Gehorsam, zur Pünktlichkeit, zur Unterdrückung mancher Lieblingsneigung die Strafe notwendig.

Das Kind muss von seinem Standpunkte aus oft unschuldig Strafe erdulden, da es wohl das Gebotene wollte, aber zu schwach war es auszuführen, und doch hob die Rutenstrafe die Energie des Kindes zum eigenen Bessern.

Die Gemütsleiden, die sich bei diesem Zwiespalt der Natur abspielen, sind Bitterkeiten, die ein Kind eigentlich nicht verdient hat und doch dazu die natürliche Fortentwicklung.

Kommt die Zeit der Jünglingsreife (Pubertät), wo der Geschlechtstrieb mächtig aufwacht, so kommen die starken Jugendtriebe meist stark zum Durchbruch, dass sie das ganze fühlen und handeln des Menschen bestimmen; die geistige Energie tritt mehr zurück. 

Die Liebesschwärmerei, die geschlechtliche Tollheit wird zur Pflege, und soll nicht Leichtsinn und Laster das Ende vom Liede werden, so gehört die eiserne Energie eines jungen Menschen oder Mädchen dazu, um die tobenden Leidenschaften zu unterdrücken, oder der Verführung zu widerstehen. 

Ist dann endlich und immer wiederholt diese Unterdrückung des Geschlechtstriebes jahrelang hindurch fortgesetzt, so entstehen die mannigfachsten körperlichen Leiden daraus: als Herzaffektionen, Schwindsucht und Auszehrung, ja selbst Geisteskrankheiten.

Welche unangenehme Zugabe ist es von der Natur das Weib alle Monate einige Tage mit der Blutreinigung zu plagen, ohne es in normaler Verfassung zu belassen. Gerade das Abnorme hat die Natur zur Norm erhoben und zu der, wenn auch nur kleinsten Lebensplage, gemacht.

Wie aber muss das Weib erst leiden, wenn es wirklich zu dem Glück gelangte, an der Seite eines liebende Gatten durchs Leben zu wandeln und bald das erste Kindlein gebärt. 

Welche Schmerzen und Plagen die Wehen- und Schwächezustände vor und nach der Geburt, und dreimal wehe, wo Fehlschwangerschaften oder Fehlgeburten eintreten, die auf natürlichem Wege, ohne eigentliche abnorme Anstöße von Selbstverschulden, vor sich gehen können.

Es sind wirkliche Plagen, welche die Geburten mit sich bringen, die nicht einmal als Krankheiten im eigentlichem Sinne betrachtet werden können. 

Verlief dann das Leben glatt dahin wie auf Rosenwegen, dann kommt das Alter mit seinen bekannten Beschwerden, das mit dem Verfall des Körpers abschließt und die Mehrzahl der Menschen im Zweifel ließ über ein besseres Fortleben nach dem Tode.

Welche Konflikte bringen die inneren Kämpfe und Zweifel selbst im gesundesten und besten Menschen über so manche solche widerstrebenden Fragen über Moral und Religion, Ehre und Sitte, Berufsangelegenheiten und Existenzbedingungen. 


Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Ja, das Leben bringt selbst bei gesundem normalem Verlaufe Plagen aller Art mit sich, und mit Recht singt der Psalmist:

"Unser Leben währet siebzig und achtzig Jahre und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen." -


Alle diese krankhaft ähnlichen Vorgänge liegen wie eingefügte Glieder in dem Lebensschicksal eines jeden Menschen verkettet. Hier vermag der hygienische Arzt nur die Natur in ihrem fortschreitenden Gange zu unterstützen, indem er ein Krankwerden und Hinsiechen des Körpers dadurch verhindert, dass er alle die eintretenden Lebensplagen zum schnellen Tempo verhilft mit harmonischer Entwicklung und guter Ankunft zu dem Ziele, wohin die Natur steuert.



Erstellt 1999. Update 18. April 2007
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben. Die psycho-physiologische Naturheilkunde             Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm
 
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