Menschenkenntnis Lehrbrief IV. - Part 5
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

Die Entstehung der Lebensgrundorganismen ist unbekannt. Die heutigen werden sämtlich auf Teilung als ursächliche Entstehung zurückgeführt (VIRCHOW). Man vermutet aber, daß es in Urzeiten eine natürliche Entstehungsursache gegeben hat, und sucht heute nach Erklärungen dieser Urzellschöpfungen. Die Annahme HENSELS und weniger anderer Forscher, daß heute noch fortlaufend Urzeugung von Urzellen stattfinde, ist in der Wissenschaft verworfen. Auch die Annahme, daß ein Gott durch einen Schöpfungsakt Ur-Lebewesen erzeugt habe, wird bestritten. Man führt alle Schöpfung auf Materie und Kraft und nicht mehr auf Geist und Gott zurück.

Wachstum und Vermehrung denkt man sich mechanisch und chemisch. Wenige Forscher nehmen eine noch unbekannte Lebenskraft an, beide Richtungen sind sich einig, daß bestimmte günstige Bedingungen dazu notwendig sind.

Verfall und Auflösung hängt mit der inneren auflösenden Kraft, gleichviel ob diese chemisch-physikalisch oder vital angenommen wird, zusammen, außerdem auch mit äußeren ungünstigen Einwirkungen.

Innere Molekularbewegungen (Oszillieren kleiner Einzelteilchen) sind bei frisch abgestorbenen Zellen bestimmt beobachtet, bei lebenden noch nicht, die Ursache ist unbekannt.

Die Verbindung der Zellen geschieht durch Aneinanderlagerung oder durch ausgesandte Fortsätze, die sich verketten oder sonstwie miteinander berühren und verbinden.

Temperatur. Alle Grundorgane bedürfen zu ihrer Lebenserhaltung eine gewisse innere Wärmeerzeugung und -erhaltung, welche bei den verschiedenen Arten ganz verschieden sind; desgleichen verlangen die verschiedenen Individuen gewisse äußere Wärmequellen und Temperaturbedingungen.

Die Reaktion auf Wärme, Elektrizität, Magnetismus, Licht, Druck usw. ist bei den verschiedenen Zellen ver-schieden.

Man nennt diese verschiedenen auf die Lebensorgane einwirkenden physikalischen und chemischen Kräfte Reize.

Die Erfahrung hat gelehrt, daß unter zu wenigen und zu schwachen Reizen das Leben früher abstirbt, als bei mäßig starken und vielseitigen Reizen, die das Leben erhöhen und vermehren. Zu starke oder zu oft wiederholte Reize können das Leben schnell zerstören.

Die Zelle ist, als Maschine gedacht, selbsttätig (Automobil), das heißt, sie hat ihre Kraft und ihren Kraftantrieb in sich selbst und durch sich selbst. Als Naturmaschine fassen sie viele heutige Forscher auf. Soviel ist gewiß: sind die Zellen Maschinen, so sind auch alle Lebewesen, die aus der Zelle hervorgingen, Maschinen, was zum Teil aber nicht ganz zutreffend ist.

Die innere Verschiedenartigkeit des Zellkörpers. Die Zelle besteht aus Zelleib, Zellkern und Zentralkörper. Manche Zellen haben auch noch eine äußere Haut. Diese vier verschiedenen Zellenteile haben vieles physikalisch gemeinsam, in gewissen Punkten sind sie jedoch verschieden.

Hohl gewordene Zellen, die einen Kern gehabt haben, der aber verkümmert ist, gibt es auch; an ursprünglich kernlose glauben viele Forscher nicht.

Die hautlosen Zellen sind am verbreitesten, doch haben alle Zellen, die selbständig leben, das Bestreben, sich eine Haut zu bilden. Die ersten Urzellen hatten nach HÄCKEL keinen Kern, was auch ich annehme. Ausführliche Erklärung darüber folgt im fünften Lehrbriefe.


II. Die chemischen Eigenschaften und Bedingungen der Zellen (Tafel I, 2. Chemie der Zelle)

Tafel I.      2. Chemie der Zelle

Jedes Lebensgrundorgan sucht die chemisch gleichen oder doch sehr ähnlichen Substanzen, woraus es selbst besteht, zu seiner Erhaltung. Daher nehmen manche Chemiker an, die Zelle sei lediglich ein schwer erklärbarer, chemischer Körper, der nichts weiter als einen noch unbekannten chemischen Verwandlungsvorgang darstelle, sie sagen:

"Die Zelle ist chemisch genommen, ein sehr komplizierter Eiweißkörper, Protoplasma gemeinhin, sie enthält einen natronhaltigen Proteinkörper, das Plastin, viel Wasser und wenig Salze."

Der Zelleib, welcher aus chemisch mindestens zwei hauptverschiedenen Körpern bestehen soll, wird speziell mit Protoplasma bezeichnet: Filarmasse "Mitom" und Interfilarmasse "Zytolinin".

Der Zellkern oder Nukleus, welcher im Protoplasmakörper liegt und bedeutend kleiner ist als dieser, soll ein bläschenförmiger, heller, scharf begrenzter Körper sein, der aus mehreren Proteinsubstanzen zusammengesetzt ist.

Man unterscheidet fünf chemisch verschiedene Bestandteile: a) nuklein oder Chromatin, b) Paranuklein oder Pyrenin, c) Linin*)

*) In einigen Fällen sind im Linin Mikrosomen eigener Art nachgewiesen, die zu einer Substanz gehören, welche man Lanthanin nennt. Diese Substanz zeigt eine stärkere Affinität zu sauren Anilinfarben, im Gegensatz zu Chromatin, das sich mehr mit basischen Anilinfarben färbt nach M. HAIDENHAIN.

Neue Untersuchungen über die Zentralkörper und ihre Beziehungen zum Kern- und Zellprotoplasma in: Arch. Mikr. Anat. 43.Bd. p. 423-758, T.26-32. , d) Kernsaft und e) Amphipyrenin.

Nuklein und Paranuklein zeichnen sich zum Unterschiede von den drei anderen Substanzen besonders durch ihre Affinität Farbstoffen gegenüber aus, das heißt, sie können leicht gefärbt werden.

Daher werden diese zwei Substanzen auch als chromatische, die drei anderen als achromatische bezeichnet. Siehe Tafel I.

Die chemische Verschiedenheit dieser zwei chromatischen Substanzen des Zellkernkörpers wird dadurch erwiesen, daß durch destilliertes Wasser die Nukleinstrukturen verschwinden, die aus Paranuklein bestehenden Teile sich erhalten.

Das Zentrosom**)

**) BOVERI definiert das Zentrosoma folgendermaßen: "Unter Zentrosoma verstehe ich ein, der entstehenden Zelle in der Einzahl zukommendes distinktes Zellenorgan, das, durch Zweiteilung sich vermehrend, die dynamischen Zentren für die Entstehung der nächst zu bildenden Zellen liefert.

Über das Verhalten der Zentrosomen bei der Befruchtung des Seeigel-Eies nebst allgemeinen Bemerkungen über Zentrosomen und Verwandtes. Physik.-Med. Ges. Würzburg N.F. 29. Bd. p. 1-75 Bd. oder Zentralkörperchen, das meistens in naher oder weiterer Entfernung vom Kern im Zelleib Protoplasma liegt, soll aus einer gleichartigen Masse, dem Zentroplasma, bestehen und einen noch kleineren Zentralkörper, das Zentriol, in sich schließen.

Das Zentrosom wird vom Archoplasma, das teils heller, teils dunkler differenziert ist, eingeschlossen. Die besonderen chemischen Eigenschaften des Zentrosoms sind nicht bekannt.

Die Zellmembran, welche manche Zelle umgibt, soll von einer Ausscheidung des Protoplasma herrühren und daher ein diesem chemisch verwandter Körper sein.

Im Protoplasma sollen sich oft unwesentliche Einflüsse von Pigment, außerdem Fett, wässerige und schleimige Flüssigkeit, Glykogen, Kristalloide und Sekretkörner vorfinden.

Schädlich sind alle chemischen Elemente von sehr hohem Gewicht, wie z.B. Quecksilber und sonstige Schwermetalle. Diese Stoffe wirken auf die lebende Zelle wie tötendes Gift ein. In sehr geringen homöopathischen Verdünnungen können sie starke Reize bewirken, die das Leben und den chemischen Prozeß anregen, ohne zu zerstören.

Wasser, Fett, atmosphärische Luft, Zuckerstoff, Kohlenhydrate, Eiweißstoffe, leichte Erden wie Silizium, Natrium, Kalzium und Eisen in sehr geringen Mengen in der Form der Schüßlerschen biochemischen Heilmittel (annähernd homöopathisch) wirken belebend. Hingegen soll Kalium oft auch schon in geringen Mengen schädlich wirken.


III. Die Struktur und anatomische Beschaffenheit der Zelle (Siehe Tafel I)

Hier stehen sich vier verschiedene Ansichten gegenüber:

Nach Altmanns Lehre bestehen die Einzelteile des Protoplasmas aus einzelnen Körnchen, welche als Granula oder Bioblasten bezeichnet werden. Siehe Tafel I, IA.

 Tafel I.  -  IA    IB    IC    ID

Nach FLEMMING besteht das Protoplasma aus einem Fadengerüst, das er Mitom oder Filarmasse nennt, und aus einer dazwischen liegenden, gleichartigen Zwischenmasse, dem Paramitom oder Interfilarmasse. Tafel I, IB.

Nach BÜTSCHLI besteht das Protoplasma aus einem wabigen, also hohlkammerigen, schaumigen Fachwerk, Spongioplasma genannt; die Körnchen, die sich vorfinden, Mikrosomen genannt, sind nur in den Knotenpunkten des Maschengerüstes eingelagert. Tafel I, IC.

Noch eine andere Richtung nimmt, ähnlich wie FLEMMING, die Fadentheorie an, jedoch mit dem Unterschiede, daß nicht die Fäden die Gerüst-Stützpunkte sind, worin die flüssigen Massen lagern und die Körner auch von den Fäden getragen werden, sondern umgekehrt, daß die kleinen Körnchen (die Granula) Stützpunkte sind, an die die Fäden frei ohne Verbindung, miteinander auslaufen. Tafel I, ID.

Nach meiner Ansicht liegt die Sache so, daß Gerüst, Fäden, Körner, Fibrillen, Flimmern, flüssige und gasige Teile sich bei dem Protoplasma vereinigen*).

*) Im fünften Lehrbrief veröffentliche ich die diesbezüglichen Zeichnungen.

Nach STÖHR besteht der Zellkern aus einem Netz von Lininfäden und gröberer Nukleinstränge, letztere sehr ungleich in der Form und teilweise zu Netzknoten verdickt.

Diese Knoten sind aber nicht mit dem Kernkörper identisch. Bei einfachen Samenzellen soll sich der Kern als eine kompakte Nukleinmasse darstellen, der sich das Paranuklein anlagert. Das Kerngerüst soll vom Linin und Nuklein gebildet sein, in dessen Maschen sich teils der Kernsaft, teils das Nukleoli befindet, das aus Paranuklein besteht.

Den Zellkern umschließt eine Haut, die jedoch nicht eine sehr bestimmte glatte Fläche hat, sondern in die sich Körnchen vom Protoplasma-Zelleib hineindrängen können. Diese Haut soll aus Amphipyrenin bestehen.

Was die Protoplasmakörnchen (Mikrosomen) anbetrifft, so ist allgemein beobachtet worden, daß sie in der Nähe des Kerns, also an der Kernhaut, außerordentlich zahlreich auftreten, hingegen nach der Peripherie des Zelleibes zu abnehmen und in der Zellhaut überhaupt nicht vorkommen. Die größere Anzahl von Mikrosomen gibt dem Protoplasma ein dunkleres Aussehen. Die Protoplasma- oder Zellkörperhaut soll eine festere Masse sein, als es das übrige Protoplasma ist. Umschließt die Zellhaut den Zellkörper nur teilweise, so heißt sie Kutikula, umschließt sie sie allseitig, so heißt sie Pellikula. Die Zellhaut wird meist Zellmembran genannt. Ist dieselbe nach außenhin besonders hart und fest und nach innen, dem Protoplasma zu, werden, ähnlich wie eine Brotrinde, so heißt sie Krusta. Alle Zellen, mit wenigen Ausnahmen, besitzen nur einen Kern.

Das Zentrosoma oder der Strahlkörper der Zelle ist meist im Zelleib (Protoplasma), seltener im Zellkern gefunden worden**).

**) Die Untersuchungsobjekte sind meist Zellen von wirbellosen Tieren gewesen, weil die Zellen der Säugetiere und des Menschen wegen der großen Kleinheit zu große Schwierigkeiten bereitet haben.

In jeder Zelle gibt es mindestens einen, meist zwei und mehrere Zentralkörper, aber, außer bei Befruchtung oder Zellteilung, entwickelt sich nur ein Zentralkörper zum aktiven wichtigen Zellteil.

Daß der Teil des Protoplasma, worin dieser Zentralkörper sich zum Zentrosoma entwickelt, eine mehr hellere, körnerfreie, negative, gleichartige Masse darstellt, ist allgemein beobachtet worden. Bei ruhenden Zellen senkt sich der Kern mehr nach der basalen Polseite hin. Aus dieser Seite kann die Zelle Fortsätze oder Wurzeln aus sich herauswachsen lassen. Nach der freien Oberfläche hin läßt sie meist bewegliche Flimmern entstehen, und hier tritt der Strahlkörper gewöhnlich in die Nähe der Grenzschicht, also da, wo die Zelle sich besonders aktiv betätigt.


IV. Die Physiologie der Zelle (Tafel I, 3)

Die Zelle kann sich ernähren, entwickeln, fortpflanzen, teilweise auch bewegen. Sie bildet Sekrete, sucht sich zu schützen, kann sich verbinden und vermehren. "Sie kann sich höher entwickeln und neigt dahin, sich die Bedingungen dazu zu suchen", und das ist das größte physiologische Rätsel.

3. Physiologie der Zelle                                                        Tafel I.                 

Wo sie von der höheren Entwicklung ausgeschaltet ist, da sucht sie sich in den Dienst höherer Lebensorganismen zu stellen, um an dieser Höherentwicklung mitzuarbeiten. Ist das nicht der wunderbare Geist, den ich in der Weltentwicklung ebenso fand, wie ich ihn hier im Leben der Zelle wieder finde, der Geist, der aus Niederem zum Höheren, aus Unvollkommenem zum Vollkommenen strebt!


V. Die Biologie der Zelle (Tafel I, 4)

Alle aus dem lebenden Eiweiß bestehenden Zellen sind Lebewesen. Sie tragen alle erdenklichen Lebensbedingungen in sich. Sie können daher einzellig und für sich allein leben (Protisten).

                Tafel I.                                    4. Biologie der Zelle

Diese Lebewesen haben Wahrnehmungsvermögen ohne Sinnesorgane, ernähren sich scheinbar ohne Ernährungsorgane, doch besteht eine Differenzierung ihrer Einzelteile, die, genau betrachtet alle Anlagen der Organe besitzen, deren Arbeitsteilung so vor sich geht, daß der eine Teil der Zelle die eine, der andere Teil die andere Lebensarbeit übernimmt.


VI. Die Psychologie der Zellen

Von einer Psychologie der Zellen berichtet die Wissenschaft nichts, jedoch haben einige neuere Forscher, darunter besonders HÄCKEL, eine Zellseele angenommen. Auch ich nehme eine solche an. Wie es sich aber er-klären läßt, daß alle mehrzelligen Lebewesen doch nur eine Seele haben und nicht aus so viel Seelen wie Zellen bestehen, darüber schweigen sich die Vitalisten aus, und das ist der Grund, weshalb die Gegner der Vitalisten auf einen reinstofflich-mechanischen Lebensvorgang zurückgreifen. In Wirklichkeit steht man hier vor einem neuen Rätsel des Lebens, das meiner Ansicht nach nunmehr ein psychologisches Interesse beansprucht und folglich auch psychologisch zu erklären versucht werden muß. Näheres im fünften Lehrbriefe.


VII. Die Morphologie der Zellen

Nach meiner Ansicht bietet uns die unendliche Mannigfaltigkeit der Formen und Gestalten der Zellen die besten Grundlagen zum Erforschen der Atomgestalten der verschiedenen Elemente und der Molekularverbindungen. Gerade an diesen Formenstudien können die Chemie und die Physik, sowie die Biologie und Psychologie außerordentlich tiefe Rätsel lösen. Bisher ist das anderweitig noch nicht geschehen, ich hoffe dieses in Spezialwerken näher behandeln zu können.

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1994. Update 26. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
Hauptwerk - Lehrbrief 4 (von 5)
 
HAUPTWERK
Menschenkenntnis
Lebensschule
der Zukunft
Status:
Absolute Referenz