Menschenkenntnis Lehrbrief IV. - Part 6
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

B. Die Zellteilung

Es gibt eine direkte und eine indirekte Zellteilung.

I. Die direkte oder amitotische Zellteilung (Amitose)

Hier erfolgt eine einfache Teilung, zuerst seitens des Kernkörperchen und dann seitens des Kernes. Eine eigentliche Teilung der Zelle findet hierbei seltener statt, sondern es teilen sich meist nur die Zellkerne. Nach allgemeinen Erfahrungen soll diese Art Kernteilung ein Absterbevorgang sein*). Nach Ph. STÖHR ist diese direkte Kernteilung und Vermehrung an Leukozyten und Harnblasenepithelen häufig beobachtet worden. Meiner Ansicht nach ist bei dieser Art Teilung das als hochwichtig zu beobachten, daß der Strahlkörper gar nicht oder doch zu geschwächt mitgewirkt hat, so daß keine Neubildung einer Zelle vor sich ging. Daraus folgt, daß die Hauptlebenskraftquelle vom Strahlkörper (Zentrosom) ausging**). Für C. Huters Lehre also ist auch hierdurch der Beweis erbracht, daß die Helioda oder Lebensstrahlkraft die wichtigste für die Erhaltung und Verjüngung des Lebens ist.

Wo die Strahlkraft voll mitwirkte, können neugebildete Zellen normal entstehen und weiter leben.

Nimmt der Kern eine Ringform mit einem inneren Loche an, so können zugleich auch mehr als zwei Kerne entstehen, und jeder Kern kann selbständig weiterleben. Dieser Vorgang hat sich wahrscheinlich vor Urzeiten bei den Ursterntieren abgespielt. Hierbei haben aber wahrscheinlich ebensoviel Strahlkörperchen mitgewirkt, als Neuzellen entstanden sind.

Abb.


II. Die indirekte oder mitotische Zellteilung (Mitose)*)

Nach dem Tode, z.B. beim menschlichen Körper, ist beobachtet worden, daß in der Leiche innerhalb 48 Stunden die Mitosen vollständig aufgehört haben.

Als besondere Modifikation der Zellteilung unterscheidet man die endogene Zellbildung und die Knospung.

Unter Knospung oder Sprossung versteht man ebenfalls eine direkte Teilung, aber eine solche, bei der die Teile von ungleicher Größe sind, z.B. wenn eine Zelle kleine Sprossen treibt, die sich abschnüren, bezw., welche die Mutterzelle abstößt, und die sich nachher zu selbständigen Zellen größer auswachsen.

Unter endogenen Zellteilungen versteht man jene, welche unter festen Hüllen vor sich gehen, wie das bei Knorpelzellen und beim befruchteten und bebrüteten Ei auftritt. Verfällt das Leben einer Zelle, so tritt stets eine Abnahme der Größe, der Schwere und der Strahlkraft auf.

Bei allen Zellteilungen gilt als allgemeiner wissenschaftlicher Lehrsatz: "Die jungen Tochterzellen tragen stets den Charakter der Mutterzellen."

Der Regel nach und bei normalen Verhältnissen teilt sich ein Kern in zwei Kerne, es wird also jedesmal nur ein Kern neu gebildet!**).

**) In vorzugsweise pathologischen Fällen soll eine gleichzeitige Teilung in mehr als zwei Kerne, auch nach dem Typus der Mitose erfolgen.

Eine interessante Abwechslung von Mitose und Amitose hat ein Versuch mit Pfeffer aus dem Pflanzenreiche ergeben. Die Spirogyra vermehrt sich unter normalen Verhältnissen durch indirekte Kernteilung. Werden aber die Spirogyra-Fäden längere Zeit in 1% Äther-Wasser-Lösung gelegt, so laufen die begonnenen Mitosen ab, und die neuen Teilungen gehen amiotisch vor sich. Wird die Wirkung des Äthers aufgehoben, so setzen die mitotischen Teilungen wieder ein.

Nach STARASSBURGER gliedert sich die indirekte Kernteilung in drei aufeinander folgende Perioden.

Die erste Periode ist das Umordnungsstadium des Zellkerns zu Schleifen und wird Prophase genannt.
Die zweite Periode ist das Stadium, bei der die Schleifen das Zentrum und den Äquator verlassen und nach den Polen hin wandern, den Lebenszentralen, den Zentralkörpern zu. Man nennt dies die Metaphase. Das ursprünglich eine Zentriol mit dem Zentrosoma, das in der Äquatorebene neben dem Kern lag, hat sich in zwei Teile geteilt, und jeder dieser Strahlkörper hat sich in die Zellachsenlage polar einander gegenüberliegend nahe an der Peripherie des Zellkörpers gelagert.
Die dritte Periode ist der Neubildungsvorgang der zwei neuen Kerne, die sich aus den Schleifen in der Nähe der neuen Strahlkörper bilden und sich zur normalen Ruhe ordnungsmäßig neu zusammenfügten. Dieses Entwicklungsstadium wird Anaphase genannt.

Nach FLEMMING werden fünf Phasen der indirekten Kernteilung angenommen, die sich jedoch mit den vorbenannten drei decken. Die scheinbare Abweichung dieser Fünf- von der Dreiteilung liegt in der Annahme von zwei Nebenphasen, welche als Glieder der drei Hauptphasen gelten können.

Diese Fünfteilung ist folgende (siehe Tafel III S. 30):

1. Hauptphase. Der Mutterknäuel, also der Zellkern, bildet sich
a) in Schleifen um.
b) Aus den engen feinfadigen Knäueln entsteht der lockere, grob- und dichtfadige. Die Feinschlingen verkürzen und verdichten sich.
2. Hauptphase des Aster- oder Muttersternstadiums.
Die zu Hufeisenformen gebildeten Schleifen lagern sich zu einem Kranze und zwar so, daß sie mit ihren Umbiegungsstellen gegen die Achse der Spindel und mit ihren Schenkelenden gegen die Zelloberfläche gekehrt sind. Diese beiden Phasen sind in der Dreiteilung als Prophase zusammengefaßt.
3. Hauptphase: die Metakinese oder Umordnung.
Von jedem längs gespaltenen Chromoson oder einer Schleife wandert die eine Spalthälfte nach dem einen, die andere Spalthälfte nach dem anderen Strahlpol, hierbei schreiten die Umbiegungsstellen voran. Die freien Schenkelenden sind nach dem Äquator zu gerichtet, hier überkreuzen sich die zwei verschiedenen Tochterschleifengruppen. Die metakinetischen Formen unterscheiden sich von den Aster- oder Sternformen, indem die Schleifen dicker werden und sich dann der ganzen Länge nach in zwei Teile oder Schleifen spalten. Die metakinetische Phase zeigt eine tonnenartige Gesamtform bei dem Umbildungsvorgange.
4. Hauptphase: Tochterstern oder Dyaster.
Die beiden Tochterrschleifengruppen machen sich voneinander frei und wandern dizentrisch zu den Strahlpolen, dort verkürzen sich die Schleifen bis zur Hälfte und verdicken sich, kurz, sie ziehen sich konzentrisch zu einem Knäuel zusammen.
5. Hauptphase: Tochterknäuel oder Dispirem.
Die dichtgedrängten Schleifen lagern sich radiär um eine hellere Mitte, das Polende der Spindel, und es bildet sich um ihre Peripherieenden eine Membran. Der Tochterknäuel oder Kern ist neu gebildet. Zwischen den einzelnen Schleifenzügen treten wieder Lininbälkchen auf, und alle chromatischen Substanzen verteilen sich gleichmäßig auf das Gerüstwerk; damit sind die zwei neuen Tochtersterne in ein Ruhestadium eingetreten. Während dieses letzten Stadiums teilt sich der gesamte Zellkörper. Zuerst zeigt sich in der Äquatorebene an der Oberfläche der Zelle eine Ringfurche, welche die Achse beider Tochterkernpole langsam rechtwinklig durchschneidet, und somit sind aus der einen Mutterzelle zwei Tochterzellen entstanden. Sie sind beide in sich Mutter und Tochter. Denn die Mutter hat sich geteilt und ist in zwei Zellen zu neuem Leben erstanden. Bei der Zelldurchschnürung tritt jede Polstrahlung sehr stark in Erscheinung und verschwindet dann allmählich.

Tafel III





Tafel III



Tafel III

Die Zahl "24" der Mutterchromosomen ist zuerst von FLEMMING*) bei Epithel und Bindegewebszellen von Salamandern festgestellt worden.

*) W. FLEMMING, Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen, III. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 20, 1882, S. 52. 

Später hat BOVERI**)  ein Zahlengesetz formuliert: "Für jede Spezies ist die Zahl der Chromosomen konstant." Das typische Verhältnis ist 2, 4, 8, 16, 32, 64 usw. Doch tritt außer dem Zweier- auch das Dreiersystem auf 3, 9, 12 usw. Häufig ist eine Verbindung vom Zweier- und Dreiersystem beobachtet worden, wie 12, 24, 48 usw. Außer den Zahlen 12 und 24 ist die Zahl 14 oft auftretend.

**) TH. BOVERI, Zellenstudien, III., Jena. Zeitschr., Bd. 24, 1890.

Nach HEIDENHAIN bleibt eine Strahlung, wenn auch in geschwächter Form, bei den zur Ruhe gekommenen neuen Tochterzellen bestehen. Diese Strahlenden sollen bis zur Peripherie der Zelle reichen. Nach CARL HUTER reichen sie nicht nur bis an die äußere Peripherie des lebenden Zellkörpers, sondern sie können daraus noch auf geringere oder weitere Entfernungen heraustreten und sammeln vor allem in der Membran oder äußern Körperhaut auch innere Stoffe und lebendige Innenkräfte an. Hierzu siehe Abbildung Tafel I, II, III, IV.


III. Die heterotypische Form der Mitose

Außer dieser allgemeinen Art der Mitose, welche hier geschildert wurde, und die bei allen Körperzellen im normalen Zustande vor sich geht, gibt es noch die heterotypische Teilungsform, die in reifenden Geschlechtszellen der männlichen und der weiblichen Individuen vor sich geht (Ovo- und Spermatozyten). Bei diesen fällt die Anfangsphase fort, weil der Kern gleich eine knäuelartige Struktur besitzt. Die Längsspaltung und Trennung der chromatischen Schleifen erfolgt sofort bei Beginn der ersten Teilungsperiode. Aber die Enden der chromatischen Fäden bleiben untereinander verbunden, oder, falls sie sich trennen, so verbinden sie sich rasch wieder miteinander; somit entstehen geschlossene Schlingen, die zu den Polen hingezogen werden und eine tonnenförmige Gestalt annehmen. Diese Phase dauert so lange, bis die Fäden in der Äquatorebene auseinander reißen und sich um die Zentrosoma-Pole lagern und zu neuen Kern- bezw. Sternbildungen der Tochtersterne verkoppeln. Siehe nachstehende Abbildung Seite 33***)

***) W. FLEMMING, Neue Beiträge zur Kenntnis der Zelle, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 29, 1887.

Diese heterotypische Form ist zuerst von W. FLEMMING im Hoden des Salamanders beobachtet worden.

Fig. 1                 S. 345                 Fig. 2

Fig. 1. Heterotypische Teilung aus den Salamanderhoden: Metakinese (Asterstadium) nach FLEMMING. Fig. 2 zeigt, daß nicht die sonst auftretende typische Hufeisenbildung der Chromosomen vor sich geht, sondern sich überkreuzende Ringfiguren der Schleifen entstehen. Je zwei zusammenhängende Tochterfäden verkleben mit ihren Enden miteinander (Ringbildung).


IV. Die Befruchtung und Vererbung

a) Die ungeschlechtliche Befruchtung und Vererbung

Nach diesen Darlegungen wird man zu der Überzeugung gelangt sein, daß, wenn sich in der Mutterzelle alles teilt, sowohl die Lebensstrahlkraft als auch alle Kernsubstanzen, wie schließlich auch das Protoplasma, kurz: daß bei jeder Neuschöpfung von Zellen alle innewohnenden Kräfte der Ursprungszelle den nächstfolgenden vererben werden. Was nicht genau vererbt zu werden scheint, ist ein Teil des Protoplasmas, also des Zelleibes, und ein Teil der Membran. Siehe nächste Abbildung! Es scheint also die abweichende Differenzierung in allen nachfolgenden Neulebewesen von dem minimal differenzierten Protoplasma mit abzuhängen. Also ganz unwesentlich ist das Protoplasma nicht in bezug auf die Vererbung. Hieraus erkläre ich mir zum Teil mit die individuellen Variationen, was sowohl Form und Gestalt, als auch Lebensoriginalität anbetrifft, innerhalb einer Spezies von Lebewesen. Denn es gibt nicht zwei genau übereinstimmende Pflanzen oder Tiere nach Form und Wesenheit, und je höher die Entwicklung steigt, desto differenzierter werden die Individuen. Somit wird also das Typische vererbt, nicht aber das Individuelle in seiner Gesamtsumme.

Daß auch in der Lebenskraft (Zentrosoma resp. Helioda) und im Zellkern auch außerdem noch Differenzierungen auftreten können und bei der Vererbung zum Ausdruck kommen, werden wir im weiteren sehen.

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1994. Update 26. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
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