Menschenkenntnis Lehrbrief IV. - Part 13
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

II. Das Huxleysche Rassensystem

Thomas Henry Huxley (1825-1895)
(Hinzugefügt)
Thomas Henry Huxley (* 4. Mai 1825 in Ealing, Middlesex; † 29. Juni 1895  in Eastbourne) war ein britischer Biologe, Bildungsorganisator und Hauptvertreter des Agnostizismus, dessen Begriff er prägte und durchsetzte. Als machtvoller Unterstützer des empiristischen Philosophen David Hume und des Evolutionsbegründers Charles Darwin zusätzlich zu seinen eigenen umfangreichen Forschungen, Lehrbüchern und Essays hatte er sehr großen Einfluss auf die Etablierung der Naturwissenschaft in der Geschichte der Zivilisation. Thomas Henry Huxley war Großvater des Schriftstellers Aldous Huxley („Schöne neue Welt“, 1932) sowie des Biologen und UNESCO-Generalsekretärs Julian Huxley. (Text hinzugefügt)

THOMAS HUXLEY stellte im Jahre 1870 unter Beibehaltung der gewonnenen Schädel- und Kiefertypen ein mehr auf die Einzelheiten eingehendes System auf. Auch dieser Forscher unterscheidet vier Rassen:
1. Australoider Typus
2. Negroider Typus
3. Xanthochroischer oder hellweißer Typus
4. Mongoloider Typus.

1. der australoide Typus zeigt gute Statur. wohlgeformte Arme, dünne Beine, Hautfarbe braun, Augen braun oder schwarz. Haar lang, tiefschwarz, fein wellig, nie wollig. Schädel delichocephal, von hinten gesehen fünfeckig. Lippen dick, Kinnbacken stark. Nase breit, aber nicht flach. Die Zähne sind groß und stehen schief aufeinander (Prognathie). Der Beckenausgang beim Manne ist eng. Nach HUXLEY sollen die Hügelstämme im Innern des Dekhan (Hindostan) zu dieser Australoidenrasse in Verwandtschaft stehen, ferner auch die alten Ägypter und ihre Nachkommen. (Dunkelweißbrünett.)

2. Zu dem negroiden Typus zählt er die Neger des südlichen Afrikas. Ihr Körper ist wohlgebaut, die Hautfarbe braun bis schwarz. Die Augen sind braun oder schwarz. Das Haar ist schwarz, kurz, wollig, verfilzt. Der Schädel des Negers ist lang (dolichocephal); von hinten betrachtet, ebenfalls fünfeckig, doch weniger scharf. Die Zähne stehen sehr schief aufeinander. Die Lippen sind stark wulstig aufgeworfen, die Nase ist breit und flach. Der Buschmann und der Hottentotte sind eine Unterart dieses Typus. Eine Abart sind die "Negritos". Dieser Forscher zählt hierzu die Philippiner, Malakkas, Neu-Kaledonier, Tasmanier und die Bewohner der Fidschi-Inseln.

3. Zum xanthochroischen Typus zählen die Bewohner Zentraleuropas, die wohlgeformten blonden und weißhaarigen Menschen, sie sind meist von großer Körpergestalt. Ihre Haut nennt er farblos durchscheinend (weiß), die Augen blau oder grau. Das Haar ist licht-strohgelb bis rot oder braun. Der Schädel zeigt alle Formen, also die ganze Stufenleiter von den kurzköpfigsten über die mittelköpfigen bis zu den langköpfigsten Formen. Die Grenze dieser Rasse liegt nordwestlich in Island, südwestlich bei den Kanarischen Inseln; die südöstliche Grenze geht durch Hindostan, die nordöstliche bis zum Jenissei. In Afrika verläuft die Grenze nördlich der Sahara, in Asien geht sie durch Syrien und Nord-Arabien. Im Osten und Norden kommen Kreuzungen mit dem mongoloiden Typus vor, im Süden und Westen mit dem melanochroischen (Hindus und Ägypter).

4. Der mongoloide Typus. Dieser ist auf dem Erdball am weitesten verbreitet, er soll sich westlich von Lappland bis Siam abgrenzen, auch zählt HUXLEY die Malaien und einen Teil der Philippiner dazu. Ihre Körpergestalt ist gedrungen gebaut, die Hautfarbe ist gelbbraun. Das Haar ist schlichtlang und tiefschwarz. Die Augen sind schwarz. Der Schädel ist kurz (brachicephal), die Augenlidspalte liegt schief. Die Chinesen und Japaner sind die Hauptvölkerschaften dieses Typus. Die Eskimos und Grönländer zählt er zu Mischvölkern dieser mongolischen mit der australischen Rasse. Nur soll der Schädel bei Japanern und Chinesen häufig auch lang sein (dolichocephal).

Merkwürdigerweise zählt HUXLEY die Völker Amerikas, die Indianer, mit zu diesem mongoloiden Typus. Ich kann dieser Ansicht nicht zustimmen. Dahingegen ist es richtig,  daß bei den Dajaken (Borneo), Batta (Sumatra), Alfuren (Celebes), Mikronesiern (Karolinier, Palau-Insulaner, Marianner), sowie Polynesiern Anklänge resp. Mischungen von der mogolischen und australischen Rasse vorhanden sind.

Als melanochroischen Typus bezeichnet HUXLEY eine Mischung der braunen australoiden mit der weißen xanthochroischen Rasse, und er meint, daß dieser Typus oft in einiger Vermischung mit den angrenzenden Rassen vorkomme. Er bezeichnet als solche Mischvölker die Irländer, Bretonen, Spanier, Süditaliener, Armenier, Araber, Griechen und Brahmanen.


III. Das Rassensystem Müller-Häckel

Diese beiden Forscher FRIEDRICH MÜLLER und ERNST HÄCKEL lassen nun nicht den Knochenbau und die Schädelform, sondern Haar und Sprache bei ihrer Rasseneinteilung ins Auge, MÜLLER behauptet in seiner "Ethnologie", daß Haarbildung und Sprache sich viel konstanter vererben als die Schädelform. Interessant ist, daß, wenn ein paar Männer von wissenschaftlichem Namen im Haar etwas gefunden haben, so hat es gleich Bedeutung; hingegen wenn ein echtes Naturkind, der Schäfer AST, im Haar etwas feststellt, und es Leute gibt, die es glauben, weil sie sich von der Wahrheit überzeugten, redet man ungerecht abfällig darüber, als wenn ein Schäfer nicht ebenso gute, mitunter noch bessere Augen zur Naturbeobachtung haben kann als mancher bebrillter Gelehrte. RAFFAEL gab bekanntlich auch den Charakter im Haar wieder. Ich meine, Wahrheit ist Wahrheit, ob sie von einem Gelehrten, einem Künstler oder einem Schäfer gefunden wird. Das Auffinden irgendeiner Naturwahrheit von einem sonst nicht wissenschaftlich gebildeten Mann ist um so höher zu schätzen, als das, was dort in den Pflichtenkreis fällt, hier als Verdienst angerechnet werden muß. Da nun alle drei die Wahrheit fanden, daß die Haarform eine große Bedeutung hat, so muß in dieser Rasseneinteilung nach dem Haar viel Naturwahrheit stecken. MÜLLER lehnt sich an die Forschungen von St. HILAIRES und de VINCENTS, welche die Menschen in zwei große Gruppen teilten, in die Wollhaarigen (Ulotriches) und in die Schlichthaarigen (Lissotriches). Die Wollhaarigen sind die tiefer stehenden Rassen mit langen Köpfen und schiefen Zähnen. Die Schlichthaarigen sind die höherstehenden Rassen mit meist kurzem Schädel und geraden Zähnen. Unter "wolligem" versteht MÜLLER nicht allein von Natur gekräuseltes Haar, sondern er beschreibt das einzelne Haar dahin, daß es "bandartig abgeplattet" ist und folglich der Querdurchschnitt "länglich" erscheint. Hingegen hat er das "schlichte" Haar als "zylindrisch" und im Querdurchschnitt als "kreisrund" erkannt.

Diese beiden Hauptgruppen zerfallen wieder je in zwei Abteilungen. Bei den wollhaarigen Rassen kann das Haar entweder in einzelnen Büscheln oder gleichmäßig vließartig aus der Kopfhaut hervorwachsen; bei den Schlichthaarigen ist es entweder glatt, straff oder lockig, gewellt.

Alle Lockenhaarigen männlichen Geschlechts haben guten vollen Bartwuchs, hingegen die Straffhaarigen haben gar keinen oder nur sehr spärlichen Bartwuchs. Auf Grund dieser vier Haartypen-Menschen stellen diese Forscher folgende zwölf Rassen auf:

I. Wollhaarige
a) Büschelhaarige
1. Hottentotten
(Ulotriches)		(Lophocomi)
2. Papuas
b) Vließhaarige
3. Afrikanische Neger
(Ericomi)
4. Kaffern
II. Schlichthaarige
c) Straffhaarige
5. Australier
(Lissotriches)		(Euthycomi)
6. Arktier
7. Amerikaner
8. Malaien
9. Mongolen
d) Lockenhaarige	
10. Draridas
(Euplocomi)
11. Nubas
12. Mittelländer

Diese zwölf nach der Haarform eingeteilten Rassen oder Völkerstämme werden dann nach ihrer Sprache in eine Anzahl Völkerschaften gegliedert, mit Ausnahme der Kaffern und Malaien, welche einen einzigen Volks- und Sprachursprung haben sollen. Trotz dieser hochschätzenswerten eingehenden Einteilung haben die Anatomen KÖLLIKER und WALDEYER nachzuweisen versucht, daß das Kopfhaar büschelförmig in Gruppen von zwei, drei oder fünf Haaren aus der Kopfhaut hervorwächst, und G. FRITSCH hat auch bewiesen, daß bei allen Haaren ovale Querschnitte vorkommen. Meiner Ansicht nach besagen diese Gegenbeweise rein nichts, sie sind beachtenswert, aber nicht stichhaltig. Denn im großen und ganzen haben diese untergeordneten Ähnlichkeitsmerkmale durchaus nichts mit den typischen Unterschiedsmerkmalen des Müllerschen Systems zu tun, das scheint auch ERNST HÄCKEL anerkannt zu haben, weshalb er sich diesem wissenschaftlich hochwertvollen System angeschlossen hat.


IV. Das von WILSER bekannt gegebenen Rassensystem ist das teils schon von mir zuerst lange vor WILSER aufgestellte. 

Ich unterscheide - seit 1887 - drei Hauptrassen: die schwarze, die weiße und die farbige. Ich will hier Wilsers Ansichten bekannt geben, da sie einige Abweichungen in den Einzelteilen von meinem System zeigen.

WILSER lehrt folgende Einteilung: 1. Die niederste Rasse ist der langköpfige schwarze Afrikaner, 2. die höchste ist der langköpfige weiße Europäer, 3. die mittlere der kurzköpfige gelbe Asiate.

Unter den Afrikanern macht WILSER keine Unterscheidung. Die weißen Europäer teilt er in licht- und dunkelhaarige, die gelben Asiaten teilt er nicht weiter in Zwischenstufen ein. Die lichthaarige blonde Rasse stellt er als höchste hin. Ich möchte gleich dazu bemerken, daß dies sehr an die Eitelkeiten anderer Völker erinnert, z.B. die Juden nennen sich die Kinder Gottes, die Chinesen die Kinder des Himmels, die alten Ägypter bezeichneten sich als Kinder des Sonnengottes Isis. Es sind solche Ideen in rein wissenschaftlichen Fragen höchst unsachlich. In Wirklichkeit hat die blonde Rasse bisher alle ihre höhere Kultur und Bildung von den dunklen Rassen übertragen erhalten. Ich weiche daher in diesem Punkte ganz erheblich von WILSER ab. Auch ist es irrig von ihm, daß er die rundköpfigen Menschen gewissermaßen als die Plebs hinstellt, die von außen her zwischen die langköpfigen blonden, halbgötterigen Germanen gedrängt seien. Lappen, Finnen, Ungarn sind kurzköpfig und scheinen mongolischen Ursprungs zu sein, die Finnen und Ungarn marschierten aber an der Spitze der Kulturvölker, wenn sie politisch frei wären. Ich werde später nachweisen, daß gerade die feinen Rundköpfe die feinsten Menschennaturen sind. Ferner ist es viel zu oberflächlich, die größte und verbreiteste Rasse, die Mongolen, nicht genauer in Unterrassen einzuteilen. Die Indianer, Neger, Australier teile ich in besondere Unterrassen ein.

Man sieht hierbei, daß nur der Anfang der Wilserschen Rasseneinteilung, der mit der Huterschen Rassenlehre übereinstimmt, dauernden Wert hat, und daß die übrigen Aufstellungen Wilsers vor der strengen Kritik nicht standhalten.

Ich fasse meine Ansicht über die verschiedenen Rassensysteme dahin kurz zusammen, daß ich das Blumenbachsche, das Retiziussche und das Müller-Häckelsche System als klar durchdacht, übersichtlich geordnet und wissenschaftlich korrekt begründet erachte. Daß ich sie zusammenfügte und weiter ausbaute, das war die Arbeit, die ich in meiner neuen Rassenlehre, über welche ich näher im fünften Lehrbriefe berichten werde, vollzogen habe.

Dr. ADOLF HEILBORN*) schreibt zu dieser nicht leichten Aufgabe, die Menschen in Rassen zu teilen, mit vollem Recht: "So schwer es ist, ... die verschiedenen Typen des Menschengeschlechts ihrer körperlichen Eigenheiten nach in irgendein System zu bringen, so leicht ist es, die Menschheit in Völker zu scheiden. Der Laie verwechselt gewöhnlich die Begriffe Rasse und Volk. Man spricht fälschlich vom Schweizer Volk, von französischer Rasse usf.; der schweizerische Staat schließt dabei drei Völker in sich, das Volk der Franzosen setzt sich aus zwei Rassentypen zusammen." Unter "Volk" versteht er eine Gemeinschaft Gleichgesitteter derselben Sprache. Diese Erklärung ist ziemlich richtig. Aber in dem politischen Sprachgebrauch läßt sich das nicht umgehen, vom deutschen, schweizerischen oder französischen Volke zu sprechen.

*) A. Heilborn, Der Mensch, 1904.

FRIEDRICH MÜLLER stellt nach der genealogischen Verwandtschaft der einzelnen Sprachen 18 verschiedene Gruppen auf, die er in folgende Völkerstämme zerlegt:
1. die Hottentotten und Buschmänner,
2. die Papuas (Neu-Guinea, Philippinen und Sunda-Inseln),
3. die Neger des mittleren Afrikas (Haussa, Kru, Ducka usw.),
4. die Bantu-Völker (Südafrika),
5. die Australier,
6. die Hyperboreer (Eskimos, Kamtschadalen usw.),
7. die Amerikaner (Indianer),
8. die malaio-polynesischen Völker (Malaien und Südseevölker),
9. die ural-altaischen Völker (Finnen, Tataren, Mongolen),
10. die Japaner,
11. die Koreaner,
12. die Tibeter (Chinesen und Hinterindier),
13. die Drawidas (Vorderindier),
14. die Nuba-Völker (Nordostafrikaner),
15. die Basken (Spanier),
16. Die Kaukasusvölker (Tscherkessen, Georgier usw.),
17. die hamito-semitischen Stämme (Araber, Juden, Ägypter),
18. die indogermanischen Völker,

Diese 18 großen Völkerstämme teilt MÜLLER dann, nach ihrer Sprache geordnet, in eine Anzahl Untervölker ein. Meiner Ansicht nach ist die Sprache allein nicht hinreichend, eine Rasse zu bestimmen, da verschiedene Rassen ein und desselben Volkes ein und dieselbe Sprache sprechen können. Immerhin hat die Sprache eine gewisse Bedeutung, sie zeigt die Kulturstufe, den Geist, die Sitte und Gewohnheit einer Rasse

Um diese näher zu verstehen, mögen einige Beispiele dienen. Das Wort "Lüge" kommt z.B. in der niederdeutschen (plattdeutschen) Sprache nicht vor; das ist ein Wahrzeichen, daß zu der Urzeit, wo sich diese Sprachform bildete, dieses Volk den Begriff "Lüge" nicht kannte. Aufrichtig, wahr, naiv, natürlich-gutmütig muß die Rasse gewesen sein, die das Plattdeutsche gebildet hat. Das Wort "Chance" kennt man wiederum in der deutschen Sprache nicht; ein Beweis, daß der Geist des Volkes, der solches Wort bildete, elastischer war, als der des deutschen Volkes ist.

Bei der altgriechischen Sprache ist die Schönheit in der Klangform so einzigartig, daß sie auf ein schönheitsliebendes, edles, phatasiereiches Volk schließen läßt.

Das Latein ist unvergleichlich in Kürze, Wohlklang und Bestimmtheit zugleich. Nur ein großes, praktisches Volk mit scharfem, klarem Denken und schönen Ideen konnte eine solche Sprache bilden. Es wurzelt, wenn auch nicht unmittelbar, jede eigentümliche Sprachform in typischen körperlichen Ursachen einer Rasse.

Den Zusammenhang zwischen körperlicher Rasseneigenheit und Sprache hoffe ich später in einem besonderen Werke behandeln zu können. Diesen Zusammenhang darzulegen, ist eine der schwierigsten Aufgaben der Psycho-Physiognomik, die noch zu lösen sind. Einiges davon kann hier nur leicht berührt werden.

Wie ist nun die Entwicklung vom Urmenschen zum Kulturmenschen zu denken? Die Wissenschaft unterscheidet Ur-, wilde, zivilisierte und Kultur-Menschen.

Unter Urmenschen versteht man die ausgestorbenen Zwischenglieder, welche zwischen den höheren Affenarten und dem heutigen wilden Menschen gestanden haben. Es ist der Mensch, welcher zuerst anfing, sich aus rohen Steinen Waffen und Werkzeuge zu machen, und es ist der Mensch, welcher anfing, sich gegenüber den Naturgewalten und dem rauhen oder heißen Klima, gegenüber den gewaltigen Tierungeheuern und gegenüber den zahlreichen kleinen Feinden des Lebens zu behaupten. Die Not war es einesteils und die Liebe zum Leben andernteils, die den Körper stark, elastisch, gewandt machte, und die den Geist und das Nachdenken weckte.

Fig. 3 Neandertaler (Rekonstruktion) Tafel X        

Zu den Urmenschen zählt man die Träger der Schädel, die ich zum Teil auf Tafel IX brachte. Der Neandertaler ist ein echter Urmensch.

Tafel X.       Fig. 2 Neandertaler-Schädel

Zu den wilden Menschen zählt man die heute lebenden niedrigsten Rassen, wie Hottentotten, Buschmänner usw. Sie leben frei und wild, ohne Staat. Der Klügste und Stärkste herrscht. Sie werden nicht nach Moralideen, sondern von Trieben geleitet.

Unter zivilisierten Menschen versteht man solche, welche in geordneter Gemeinschaft miteinander leben, Menschen, die sich gemeinsam an eine gewisse allgemein angenommene Moralreligion und Staatsform halten, die Gesetze und Verwaltung haben und achten. Der zivilisierte Mensch unterscheidet sich vom wilden ganz wesentlich. Die mohammedanischen Völker sind keine wilden, sondern zivilisierte Menschen, aber man kann sie auch noch nicht alle zu den vollen Kulturvölkern rechnen, weil ihnen die Naturwissenschaften meist fremd geblieben sind und sie daher auch nicht die Nutzanwendung daraus ziehen konnten. Hingegen haben sie ziemlich geordnete Staatsverhältnisse, achtbare Sitten und eine hohe Religion. Die Ethik der gläubigen Islamiten ist oft bewundernwert und vorbildlich. Manche ihrer Stämme in Marokko und Unterägypten, besondern auch die Kurden im südlichen Kaukasus, sind Halbwilde, da sie räuberisch vorgehen und nicht ganz nach ihrer Religion leben.

Unter Kulturmenschen versteht man die modernen Völker Europa und Amerika, welchen die heutigen Naturwissenschaften bekannt sind und die alle Nutzanwendung daraus zu ziehen suchen.

Die Völker, welche geordnete Post- und Eisenbahnverhältnisse haben und Staaten, in denen jeder vor Raub und Überfall geschützt ist, wo zugunsten jedes Staatsbürgers ein gutes Rechts- und Polizeiwesen herrscht, das auch dem Fremden zugute kommt, können zu den Kulturvölkern gezählt werden. Es sind Völker, die Kunst und Wissenschaft lieben und pflegen, gute Schulen und höhere Lehranstalten haben und wo die persönliche und geistige Freiheit die Herrschaft bekommen hat und dauernd geachtet wird. Daß in Europa hiervon Rußland am weitesten entfernt ist, weiß jeder. England, Dänemark, Norwegen, Holland, die Schweiz und in jüngster Zeit auch Frankreich sind die am weitesten vorgeschrittenen Kulturstaaten bezw. Völker in Europa. Deutschland ist in manchem sogar diesen Staaten voran, es ist das zivilisierteste Volk, ob schon das kultivierteste, will ich nicht entscheiden. Die besten und meisten Kulturmittel hat das deutsche Volk, aber es hat noch lange nicht diesen ganzen Kulturreichtum ins praktische Leben übertragen.

Ein volles Kulturvolk hat ein gleiches, geheimes, volles Wahlrecht für jeden seiner Staatsbürger, wie z.B. Nordamerika und Norwegen es besitzen.

Man kann sagen, die Zivilisation ist bei den Völkern durch die Religionen vollzogen worden. Die Kultur wird durch die Wissenschaft und durch eine freie humane und gesittete Entwicklung gefördert. Die Kulturvollendung ist die Arbeit, an welcher die heutigen Kulturvölker arbeiten; sie wird erst da möglich sein, wo Kunst, Wissenschaft, Religion, persönliche Freiheit, persönliches Wahlrecht aller mündigen Männer und Frauen, gute wirtschaftliche Verhältnisse, Volksgesundheit und vor allem das ethische Recht vereint zusammenwirken. Da erst durch diese Lehre und ihre Anhänger diese Faktoren harmonisch verschmolzen werden, ist durch nichts anderes als durch die Lehren der Huterschen Psycho-Physiognomik und Kallisophie der höhere Kulturfortschritt möglich.

Die bisherige Kulturentwicklung teilt man in drei große Zeitperioden ein, die Stein-, die Bronze- und die Eisenzeit. Der Urmensch hat sich Steinwaffen gemacht und gleiche Werkzeuge, was durch alte Höhlenfunde nachgewiesen ist. Daher nennt man diese erste Kultur-Periode des Urmenschen die Steinzeit. Später erst lernte der Mensch aus Erzen die Bronze herstellen und machte sich Waffen und Werkzeuge aus Bronze. In Asien ist bei den Assyrern, in Europa bei den alten Etruskern zuerst die Bronze nachgewiesen worden, wohingegen die alten nordischen Völker und besonders die Germanen sich länger mit Steinwerkzeugen behalfen. Je besser die Waffen und die Verteidigungsfesten eines Volksstammes waren, desto leichter gewannen sie die Herrschaft über andere Rassen und Stämme, die im Rückstande mit ihren Waffen und Gerätschaften geblieben waren. Die Erzgießkunst war daher eine Geheimkunst, die besonders die Fürsten, Häuptlinge, Priester und Könige persönlich ausübten. Diese Sitte hatte sich teilweise noch bis vor 1000 Jahren erhalten, was die Bischöfe BERNWARD und GODEHARD von HILDESHEIM in ihren heute noch erhaltenen Werken bekunden. Niemand weiß, wie und aus welchem Material der Bischof BERNWARD seine Domsäule und Domtüren gegossen hat, und niemand ist imstande, diese Bronzearbeit nachzuahmen.

Das war zu einer Zeit, wo die Bronzegießerkunst noch Geheimkunst war und fast nur von Bischöfen und Fürsten ausgeübt wurde, auch wenn lediglich zu kunstgewerblichen und religiösen Zwecken. Denn damals hatte, schon mehr als Tausende von Jahren früher, die Eisenwaffenkunst die Bronzen verdrängt. Durch das Eisen wurde der Mensch immer mehr der Gebieter der Natur. Mit den überlegenen Eisenwaffen, mit Speeren, Schwertern und besonders mit den Schießwaffen, drängte der Mensch die Raubtiere in den Hintergrund, er bekam die Verkehrswege frei. Dann brach leider eine Zeit an, wo der Mensch diese Waffen besonders gegen seinesgleichen richtete, und obwohl sich die Sitten gemildert haben, stehen wir heute noch in der Blütezeit der in Eisenwaffen starrenden Weltheere. Zu gleicher Zeit aber brachte uns diese Eisenkultur zur Verkehrskultur, Eisenbahn und Dampfschiffahrt verbinden die Völker schnell miteinander, und sie werden sie auch geistig näher bringen. Sicher führt uns diese Eisenzeit einer friedlicheren Entwicklung der Völker entgegen.

Denn nach dieser Lehre wird man nicht nur die Werte des einzelnen Menschen immer mehr erkennen und erschließen lernen, sondern auch die Werte ganzer Völker, man wird es klüger und schöner finden, daß sich in Zukunft die Völker nicht mit Raubkriegen überziehen, sondern sich gegenseitig ergänzen, sich wirtschaftlich und kulturell ausgleichen.

Die Eisenzeit wird durch die Papierzeit abgelöst werden. Es ist die Zeitperiode, welche, durch die Buchdruckkunst eingeleitet, heute schon fast zur Herrschaft gekommen ist.

Die Welt- und Kulturgeschichte ist aus dem Geiste der Materie, der Natur des Kosmos sozusagen hervorgedrängt worden. Geschichte in diesem Sinne ist nichts anderes als Entwicklung, Zerstörung und Aufbauvorgang. Große Weltreiche und alte Kulturvölker gingen unter, aber ihr Geist lebte durch Vermischung und Verbindung mit dem Nachfolgenden weiter.

Eine Tatsache darf hier nicht verschwiegen werden, sie ist eine harte Wahrheit: Die Menschen der Eiszeit waren fast alle Barbaren und waren außerdem auch alle ausschließlich meist Fleischesser und nebenher Kannibalen.

Durch die große Kälte verkümmerte alles Pflanzenleben bis auf einige Moose, Halm-, Blattgewächse und viele Holzarten. Nur in wenigen Zonen konnten in besonderen, von Bergen geschützten und von heißen Geisern und Quellen umgebenen Oasen die heutigen mitteleuropäischen Früchte und tropischen Pflanzen vereinzelt gedeihen.

Das ganze Menschengeschlecht war folglich aus Not gezwungen, sich von Fleisch zu ernähren, als wenn die Natur absichtlich diese Urmenschen in den Kampf mit den fleischfressenden Raub- und Riesentieren und auch mit den starken Pflanzenfressern geführt hätte, darum wohl, damit er seine Kräfte aufs höchste steigere, härte und entwickle. Da die zahlreichen Raubtiere in dem sich stark vermehrenden Menschen einen starken Mitbewerber in bezug auf das Wegfangen der Tierarten erblickten, die sich durch wohlschmeckendes Fleisch auszeichneten, so stellten sie den Menschen mit doppeltem Eifer nach, und dieser hat in solchem Kampfe ums Dasein seine körperliche Kraft, Gewandtheit und geistige Anpassungsfähigkeit doppelt erhöht. Der Kampf ums Dasein hatte ihn bald zu solcher Entwicklung geführt, daß er die Herrschaft über die Tiere gewann. Dieser Daseinskampf führte ihn zum Höhlen-, zum Pfahl-, zum Burgbau, er führte ihn zur Erfindung von Holz- und Steinwaffen, von Aufbewahrungsgefäßen, zur Erfindung des Feuermachens und zum gesellschaftlichen Familienleben. Es führte dieser harte Lebenskampf aber auch zu der Grausamkeit, daß die gefangenen Feinde vom Sieger gefressen wurden. Der Kannibalismus war die schrecklichste Sitte der Urmenschen. Aber dennoch, trotz allen Kampfes-, bei aller Grausamkeit, wurde der Mensch von der Natur zu seiner großartigen Geschlechtskraftentfaltung ausgebildet, und diese führte ihn zu der Kehrseite alles Harten und Grausamen, zur Liebe und zur Entwicklung der edleren Triebe. Aus den ersten polygamen Ehen und geselligen Schutzverbänden der Urmenschen entwickelten sich alle höheren ethischen Empfindungen und sittlichen Gestaltungen.

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1994. Update 26. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.http://de.wikipedia.org/wiki/Middlesexhttp://de.wikipedia.org/wiki/Eastbournehttp://de.wikipedia.org/wiki/Bildunghttp://de.wikipedia.org/wiki/Agnostizismushttp://de.wikipedia.org/wiki/Begriffhttp://de.wikipedia.org/wiki/David_Humehttp://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Darwinhttp://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Etablierung&action=edithttp://de.wikipedia.org/wiki/Aldous_Huxleyhttp://de.wikipedia.org/wiki/Julian_Huxleyshapeimage_2_link_0shapeimage_2_link_1shapeimage_2_link_2shapeimage_2_link_3shapeimage_2_link_4shapeimage_2_link_5shapeimage_2_link_6shapeimage_2_link_7shapeimage_2_link_8shapeimage_2_link_9
Hauptwerk - Lehrbrief 4 (von 5)
 
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