Menschenkenntnis Lehrbrief IV. - Part 14
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

FÜNFTER TEIL DES LEHRSTOFFES
Anatomie des Menschen nach Carl Huters psycho-physiognomischen Grundsätzen

Die Anatomie ist die Lehre von den einzelnen Organen des menschlichen Körpers, sowohl nach ihrer Form und Gestalt, als auch im Zusammenhang miteinander. Wie wir gesehen haben, besteht der menschliche Körper aus Zellen. Die Vereinigung vieler Zellen bildet das Gewebe, und aus den Geweben sind die Organe gebaut. Die einzelnen Organe bauen einen Apparat auf, mehrere Apparate fügen sich zu einem System zusammen, und die verschiedenen Systeme dienen, sich ergänzend, der Einheit des menschlichen Körpers.

I. Die vier natürlichen Systeme
Ich unterscheide vier natürliche Systeme:
1. Das Ernährungssystem.
2. Das Bewegungssystem.
3. Das Empfindungssystem.
4. Das Geschlechtssystem.

Siehe Tafel XII

Jedes System besteht aus mehreren, mindestens aber aus zwei Hauptapparaten.

Tafel XII


II. Die Apparate der vier Systeme
1. Das Ernährungssystem besteht aus:
A) dem Verdauungs-Apparat,
B) dem Atmungs-Apparat,
C) dem Lymphgefäß-Apparat,
D) dem Blutgefäß-Apparat und
E) der Haut. Die Haut ist der äußere Atmungs-Apparat.

2. Das Bewegungssystem besteht aus:
A) dem Knochen-Apparat,
B) dem Muskel-Apparat.
C) Als Zwischen-Apparat nehme ich auch einen Teil des Blutgefäß-Apparates an,
D) das Bindegewebe, Sehnen-Knorpel usw., wodurch die Muskeln an die Knochen geheftet sind.
E) Als Endapparat nehme ich das Bändergewebe an, wodurch die Muskeln mit den kleinsten inneren Organen sowohl, als auch untereinander, wie schließlich mit der Haut durch feine Fasern und Bänderchen verbunden sind.

3. Das Empfindungs-System teile ich ein in:
A) den Aufnahme-Apparat, das ist die Haut mit den peripheren Nervenenden,
B) die äußeren Sinnesorgane als Vorarbeitungs- und Aufnahme-Apparat,
C) den Leitungs-Nerven-Apparat (Mitteilungs-Apparat), die Fortsetzung der äußeren Sinnesorgane nach innen, den zentralen Nerven zu, und
D) den Zentral-Nerven-Apparat (Verständnis-Apparat).


4. Das Geschlechts-System zerfällt:
A) in den männlichen Geschlechts-Apparat,
B) in den weiblichen Geschlechts-Apparat,

Albrecht Dürer: Adam und Eva. Madrid. 1507
(Hinzugefügt)
und es muß bei einem Menschen nur der eine oder ander Apparat gut betont vorhanden sein, da die Vereinigung beider Apparate eine unglückliche Abnormität ist, welche auf einem Entwicklungsfehler und infolgedessen auf Verbildung des natürlichen Geschlechts-Apparates zurückzuführen ist. Die natürlichen Differenzierungen und Harmoniegesetze der Geschlechter werde ich im fünften Lehrbriefe behandeln.

Diese einzelnen Apparate der vier natürlichen Systeme sind aus mehr oder weniger Organen zusammengesetzt. Ich will hier nur die Hauptorgane anführen und bitte, alle diese mit den bei den Illustrationstafeln angegebenen Nebenorganen, sowie die einzelnen Glieder aller Haupt- und Nebenorgane genau betrachten zu wollen.

Die Anatomie ist eine reine Anschauungswissenschaft, weshalb alle weitläufigen Beschreibungen ermüden und nicht befruchtend wirken. Sie kann daher weit besser durch genaue und ausführlich belehrende Bilder gelehrt werden, wobei die Bezeichnungen der einzelnen Organe deutlich der Reihe nach angegeben sind. Auf diese Weise erhält man ein klares Bild von den einzelnen Systemen, Apparaten und Organen des menschlichen Körpers.

Es ist nun nicht möglich, alle nebensächlichen Einzelheiten der anatomischen Wissenschaft hier anzuführen, was auch nicht notwendig ist, denn für den Studierenden kommt die Anatomie nur soweit in Betracht, als er das Not-wendige, welches für Psycho-Physignomik erforderlich ist, klar erkennen lernt. Alles Überflüssige würde nur belastender Ballast werden und über den Rahmen dieses Werkes hinausgehen.

Die Art, wie ich hier Anatomie lehre, sowie die Einteilung der Systeme, Apparate, Organe usw. ist neu. Ich gebe durch Vereinfachung und systematische Gliederung auch dem Laien die Möglichkeit, sich leicht zurechtzufinden.

Das Material ist aus den Forschungsergebnissen unserer besten Fachgelehrten zusammengetragen, gesichtet, geordnet und gut gewählt, vieles ist von mir neu umgearbeitet. In den mehr denn 20 Jahren, in denen ich anatomische Studien betrieben habe, erlebte ich sowohl bei mir, als auch bei sonst anatomisch gut gebildeten Ärzten, daß die Anatomie zur Menschenkenntnis unumgänglich notwendig ist. Daß sie aber eine fatale Seite hat, nämlich, sie kann leichter wie jede andere Wissenschaft - wird sie nicht öfter wiederholt - dem Gedächnis zu einem großen Teile verloren gehen. Dieses liegt an der Methode, wie Anatomie bisher gelehrt worden ist*). Diesen Mangel in der Lehrmethode erkannte man auch schon andererseits an, daher griff man zu den seit einigen Jahren üblich gewordenen "anatomischen Modellen", indem man diese gewissen Büchern beilegte, aber auch dieses Modellsystem befriedigte trotz der anerkennenswerten Verbesserungen und Vereinfachung nicht. Diese schwierge Seite zu überwinden, machte ich mir daher zur Aufgabe. Sie konzentrierter, systematisch gegliederter, im innigen Zusammenhange mit dem Ganzen des Menschen darzustellen, das, was ihr bisher fehlte, glaube ich hier begriedigend gelöst zu haben.

Möge daher jeder die beigegebenen Illustrationen mit Liebe und Ausdauer betrachten und dann einzeln durchforschen, um in der Lehre von den Organen des menschlichen Körpers gut bewandert zu werden. Dann wird man auch im nächsten Teil des Lehrstoffes, welcher die Physiologie in Verbindung mit der Anatomie und Biologie des Menschen behandelt, die Lebenstätigkeit der einzelnen Organe im Zusammenhang mit dem Ganzen schnell erfassen lernen.

Das Werden der Dinge, das Werden des Lebens und das Werden des Menschen sind ein geheimnisvolles Etwas. Auf Seite 75 ist in Tafel XII der Entwicklungsvorgang der verschiedenen Apparate, Organe und Systeme des menschlichen Körpers dargestellt worden. Muß nicht dieses geheimnisvolle Werden jeden mit heiligem Schauer erfüllen? Ist nicht dieses innere Selbstschaffen, Ausbauen und Vollenden ein wunderbarer Wille, ein Geist, der in der Materie lebt, diese beherrscht und so fein in allen Teilen zu Gestalt, Form und höherem Leben erwacht?

Haben wir im großen Weltall das Werden der Körper, der schwersten und größten Massen aus dem Kleinsten, Feinsten, Unwägbaren, dem Weltäther, kennen gelernt, haben wir das Werden der Atome und Moleküle geschaut, haben wir die Zelle studiert, so wird uns dieses Schauen in das Innere des menschlichen Körpers um so mehr gefangen nehmen, je mehr wir die Materie und die Kräfte, welche die Materie bewegen, würdigen lernten. Das Anziehendste dabei ist, daß wir immer wieder zu Wiederholungen, zu Wiederkehrungen bestimmter Gesetze, Kräfte und Zeichen kommen. So kehrt auch im menschlichen Körper das Prinzip wieder, das ich schon im Äther nachgewiesen habe: Das Stoff- oder Materialwerdeprinzip, hier offenbart es sich im Ernährungssystem, das Kraftäußerungsprinzip sehen wir im Bewegungssystem, und das Empfindungsprinzip bekundet sich doppelt genau so wie im Ätherilion, einmal in dem zentralsten Nervensystem und dann in dem peripherischsten Organ, in der Haut und ihren letzten Ausläufern, den Haaren. Auch das Haar hat Empfinden, jedoch mit dem für uns so glücklichen Mangel des Schmerzempfindens.

Alles aber taucht unter in dem Geschlechtsempfinden, hier ist Selbstvergessenheit und höchste Harmonie zu finden - seelisch und physisch, materiell und spirituell - Zweckbestimmung des Lebens, der Gesamt-Individualität. Also in dem vierten Prinzip ist Vollendung, Harmonie alles Werdens, alles Seins, und daher ist es das Geheimnisvollste, das schöpferisch Gestaltende, das aus Naturwollen, ohne äußere Hindernisse und Gesetze, Gesetz in sich selbst darstellt. Frei, majestätisch, göttlich, drängend, wollend, fühlend, treibend - den Himmel oder, wenn mit Unglück - Leiden kostend, will die Liebe - wo sie Gewalt hat - lieben.

Hier im Geschlechtsleben liegen daher die unerforschlichsten Triebe, Gefühle und Gesetze, hier liegt der Menschheit Glück und Größe oder der Menschheit Elend und Untergang. Darum halte ich es für eine schwere sittliche Verfehlung der sogenannten Moralanschauung beschränkter Pedanten, das Geschlechtsleben, statt es zu erforschen, zu verbergen. Darum werde ich in meiner Anatomie erst recht Klarheit und Wahrheit und freie Aussprache mit anschaulichen Darstellungen im Bilde darüber bringen. Ich werde im fünften Lehrbriefe auch auf die edle Sinnlichkeit, die nicht ohne Sittlichkeit ist, näher eingehen.

Tafel XIII
(Farbbilder von Alex Grey. Hinzugefügt.)

In Tafel XIII die innere Zusammensetzung des vollreifen Menschen nach RECLAM*) dargestellt. Welcher Weg vom befruchteten Ei bis zur Geburt des Kindes und von diesem neugeborenen Kinde bis zum vollreifen Manne in äußerer Form, innerem Organbau und gesamter Gestalt!

*) Professor Dr. RECLAM, der Leib des Menschen. Verlag für Naturkunde, Stuttgart. 

Von diesen allgemeinen Betrachtungen aus will ich nun den einzelnen Systemen mit ihren Apparaten und Organen übergehen. In Tafel XIV, ist vom Ernährungssystem der Hauptverdauungsapparat mit seinen zahlreichen Organen zur Darstellung gebracht.

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1994. Update 26. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
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