Menschenkenntnis Lehrbrief IV. - Part 21
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

Ist nun der menschliche Körper in seiner Entwicklung längst zum Abschluß gekommen, so ist das Gehirn- und Nervenleben noch in steter aufsteigender Fortentwicklung begriffen. Je höher eine Rasse oder ein Mensch steht, desto größer wird der Gesichtswinkel, desto größer bildete sich das Großhirn aus, desto reicher ist aber auch sein Auffassungs-, Denk-, Erkenntnis- und Gefühls- sowie auch sein Erfindungs- und Willensvermögen, und um so edler und geistig vollkommener entwickelt er sich auch.

Dieses zu ermitteln, diese Lebens- und Entwicklungsgesetze nachzuweisen, um sie an dem Gehirn-, Gesichts- und Körperbau zeigen zu können, das ist Hauptaufgabe der Huterschen Psycho-Physiognomik. Der Gottmensch also besteht noch nicht, nein er wird erst werden. Die Menschheit dahin zu leiten und zu erziehen auf Grund dieser hier erörterten Lebens-, Formen- und Entwicklungsgesetze, das ist die Aufgabe der Kallisophie oder ethischen Schönheitslehre, der einzigen wahren Weltmorallehre und Religion, die ich aus dieser PsychoPhysiognomik gefunden habe, bzw. die daraus folgerichtig entwickelt werden muß.

Hierbei darf aber nie vergessen werden, daß alles geistige Leben sich aus dem Physischen entwickelt hat, und daß der Erdenmensch niemals seine physischen Anlagen verkümmern lassen darf, im irrigen Wahnglauben, das sei gottgefällig. Diese führt sicher zu sittlicher, religiöser, intellektueller und physischer Entartung. Daher darf die Entwicklung des Gehirns und des Geisteslebens nicht auf Kosten des physischen Lebens vor sich gehen, sondern beides muß gleichen Schritt halten, es muß sich das Physische mit dem Geistigen harmonisch die Waage halten. Dadurch unterscheidet sich diese Lehre von der asketischen Theosophie, dem Sektierertum und der Spiritistelei.

Die Körperkultur muß genau so geübt werden wie die Geisteskultur, und die physische oder Geschlechtsliebe hat die gleiche Berechtigung wie die ideale und seelische Liebe, beides muß sich gegenseitig befruchtend anregen, darum wird nach dieser Lehre die Religion die edle Sinnlichkeit miteinschließen. Weil die Ge-schlechtsorgane geschaffen sind, dem Menschen das höchste Glück zu schenken, so grenzt es an Zynismus, aus Menschenfeindlichkeit unter der Maske der Sittlichkeitsheucheleien den Menschen alles, was an das Geschlechtliche erinnert, zu  verbergen zu suchen. Dem Menschen alle Erkenntnis darüber zu mißgönnen, ihm einzureden, das  Eindringen in geschlechtliche Vorgänge sei unsittlich, nur aus geheimer Eifersucht, man könne sich aus besserer Erkenntnis des Geschlechts- und Liebeslebens ein klein wenig Glück verschaffen oder sein Leben besser gestalten als die in Rohheit und Unwissenheit dahin wirtschaftenden Sünder an sich und ihren Kindern und Kindeskindern, ist falsch. Nein, lehren wir offen und wahr die Bestimmung des Geschlechtslebens und ihrer Organe, erklären wir jung und alt auf, in edler Form und mit weiser Belehrung, gerade dann wird der Mensch sich sein Leben sittlich gestalten. Denn nie kann sich aus Heuchelei, Unwissenheit, Lüge und Verschlagenheit ein sittliches Leben entwickeln, ethische Sittlichkeit ist nur auf Wahrheit und Erkenntnis möglich.

Darum bringe ich auch in Tafel XXVIII die wichtigsten Abbildungen der männlichen und der weiblichen Geschlechtsorgane mit kurzer Beschreibung. Die Abbildung sind dem Werke eines unserer besten deutschen Anatomen, des Professors LUSCHKA, ehemals Universitätslehrer in Tübingen, entnommen.


4. Das Geschlechtssystem

A. Der männliche Geschlechtsapparat

Über die Verschiedenartigkeit des männlichen und weiblichen Beckens kann man sich in den hier auf Tafel XXVIII gegebenen Abbildungen eine genaue Vorstellung machen. Ist beim Manne der Brustkorb breiter und das Becken enger, so ist beim Weibe das Becken weiter und der Brustkorb enger gebaut. Über die Stellung des Beckens zum übrigen Skelette haben lange Zeit Ansichten geherrscht, welche mit der Natur im völligen Widerspruche standen. Erst der genial Fr. C. NÄGELI*) stellte fest, daß der weibliche Beckenring in aufrechter Stellung des Körpers eine mehr vorwärts geneigte Lage einnimmt**).

*) Das weibliche Becken. Karlsruhe 1825.
**) Eine Tatsache, welche schon die alten Meister der bildenden Kunst beobachtet und erkannt haben.

Einen mathematischen Ausdruck für diese Neigung erkannte dieser Forscher in dem Winkel, den die nach vorn abhängige, imaginäre Fläche des Beckeneinganges mit der horizontalebenen bildet, auf welcher der Mensch steht. Bei normal gebauten Frauen bildete dieser Winkel 60°, und der vordere Rand der oberen Verbindungsfläche des Kreuzbeins stand 3 Zoll 5-8 Linien höher als der obere Rand des Schamknorpels, so daß eine von dieser Stelle durch die Beckenhöhle parallel mit dem Horizont gezogenen Linie das Steißbein unweit der Stelle berührte, wo dessen zweiter Wirbel sich mit dem dritten verbindet. Das weibliche Becken ist also mehr nach vorwärts geneigt als das männliche, was durch vergleichende Betrachtungen der beigegebenen Abbildungen klar erkannt werden kann. Man unterscheidet das große Becken und das kleine Becken. Unter ersterem versteht man die von der großen Ringöffnung seitlich aufsteigenden Knochenwände, wobei man einen vorderen und einen hinteren Ausschnitt unterscheidet. Unter dem kleinen Becken versteht man die unterhalb dieses Ringes (Linea terminalis) abwärts und etwas nach rückwärts gehende Öffnung mit den sie umgebenden Knochenmassen. Neigt also das große oder falsche Becken nach vorn, so neigt das kleine oder eigentliche Becken im Verhältnis der Lage zum großen Becken mehr nach hinten. Auch hierin kann man eine höchst wunderbare Naturanlage beobachten.

(Hinzugefügt)
Ist das weibliche Becken, was ausnahmsweise vorkommt, zu eng oder in der Form regelwidrig gebaut, so sind schwere Geburten unvermeidlich; unter Umständen ist die Geburt überhaupt unmöglich gemacht. Frauen mit zu engem Becken sollten daher die Schwangerschaft verhüten, um einer Lebensgefahr durch die Geburt zu entgehen. Mindestens müßte die Muskulatur durch Körperarbeit außerordentlich gestärkt, durch warme Bäder müßten die Gefäße elastisch gehalten und schließlich versucht werden, durch eine sehr mäßige und richtig gewählte Diät das Kind in der Entwicklung klein und mager zu erhalten. In diesem Falle wäre selbst eine Geburt bei kleinem Becken zum glücklichen Ausgang zu bringen ohne jenen verhängnisvollen Eingriff, den man in dem Kaiserschnitt oder in der Zertrümmerung des Kindskopfes kennt, um das Leben der Gebärenden zu erhalten.
                
Männlich                Tafel XXVIII                   Weiblich

Auf Tafel XXVIII sind oben die zwei verschiedenen geschlechtlichen Beckenknochen, links ein männliches, rechts ein weibliches, zur Darstellung gebracht worden. In den beiden unteren Figuren ist links der sagittale Durchschnitt des männlichen, rechts des weiblichen Beckens mit den Unterleibs- und Zeugungsorganen wiedergegeben. Die männlichen Teile sind:

Tafel XXVIII 
(Farbbild rechts hinzugefügt)
1. Promontorium. 2. Schloßfuge. 3. Mastdarm. 4. Flexura sigmoidea. 5. Schlingen des Dünndarms. 6. Excavatio vecto-vesicalis des Bauchfeldes. 7. Harnblase. 8. Scheitel der Harnblase. 9. Samenblase. 10. Prostata. 11. Pars prostatica der Harnröhre. 12. Isthmus urethrae. 13. Pars cavernosa urethrae. 14. Angulus praepubicus der Harnröhre. 15. Sphincter vesicae.

Die eigentlichen Samenbildner sind die Hoden, diese stehen mit den Nieren durch besondere Samenstränge in Verbindung.


Der weibliche Geschlechtsapparat

Ich unterscheide hier streng fünf verschiedene Organe: 1. die Scheideneingangsorgane, 2. die Scheide, 3. die Gebärmutter, 4. die Eierstöcke mit den weiblichen Eiern und 5. die Aufnahme- und Leitorgane der Eier, welche dieselben der Gebärmutter zuführen. Bei dem männlichen Geschlechtsapparat kann man vorzugsweise nur zwei verschiedene Hauptorgane feststellen: 1. Die Hoden oder Samenerzeugungsorgane und 2. den Penis oder den Samenergießungsapparat in die weibliche Scheide. Man sieht hieran, daß der weibliche Geschlechtsapparat erheblich ausgedehnter und vielgestaltiger gebaut ist, woraus der Schluß gezogen werden muß, daß das Weib nicht so unabhängig und freiwillig als der Mann, sondern viel inniger und durch ihre bleibende ganze Persönlichkeit mit ihrem Geschlechtsorganismus physisch und geistig verbunden ist. Das Geschlechtsleben des Weibes greift also breiter in das Denken und Fühlen des Weibes ein als beim Manne. Dafür kann der Mann sich durchweg in geistiger oder körperlicher Arbeit vollends vergessen, dann vielleicht leidenschaftlich geschlechtlich ergriffen werden und, befriedigt er diesen Trieb, wieder zur gewohnten Arbeit  mit erhöhter Kraft und Frische zurückkehren. Das ist aber nicht beim Weibe der Fall. Das Weib lebt gleichbleibender unter stetigem Einflusse ihres Geschlechtslebens weniger stürmisch und leidenschaftlich als innig, und daher lenkt sie diese ihr Naturanlage von dem großen Selbstvergessen, dessen der Mann fähig ist, bei aller Arbeit ab, und aus diesem Grunde kann das Weib durchschnittlich nicht dasselbe leisten, als der Mann es physisch und geistig vermag.

Durch diese Naturanlage sind eben dem Weibe gewisse Grenzen gezogen. Die Gleichberechtigung kann daher rechtlich nicht so mathematisch genau übereinstimmend mit dem Manne möglich gemacht werden, so wie es sich manche moderne Frauen denken, weil das Weib nicht mit den gleichen Kräften wie der Mann Opfer bringen kann. Demnach ist von Natur das Weib darauf angewiesen, mehr durch Liebe und Tugendhandlungen, als durch Gewalt und möglichste Rechthaberei sich die Gleichbe-rechtigung mit dem Manne zu erringen.

Aber in einem Punkte steht das Weib nicht nur dem Manne gleich, sondern über demselben, das ist in ihrer Mutterschaft, vorausgesetzt, daß sie diese ethisch beginnt und durchführt. Der Beginn der Mutterschaft beginnt aber mit der Liebe und mit dem Hingebungsakt an den Mann ihrer Liebe.

Alles hat hier das Weib in diesem Falle an der Hand: den Mann, sich und das werdende Kind. Von ihr hängt also die Entwicklung oder die Entartung der Menschheit ab. Eine gute, große, edle, gesunde Mutter, die aber ebenso gut, groß, edel, gesund als Gattin eines Mannes diesen geliebt hat und mit ihm ihr Kind zeugte, ist etwas so unschätzbar Großes und Erhabenes, alles Göttliche in sich fassend, daß ich in der Verehrung einer solchen Weiblichkeit und Mutterschaft keine Grenzen kenne. Übertrifft also der Mann zweimal das Weib, einmal in größerer physischer und zweitens durch die Fähigkeit zu größerer psychischer Arbeit, so kann das Weib zweimal den Mann übertreffen, einmal durch ehöhtere, geheiligtere, innigere, treuere Liebe als Gattin und zweitens als liebende und sich opfernde Mutter ihres Kindes. Daß die Töchter meistens nicht zu diesem ihrem eigentlichen Lebensberuf erzogen werden, sondern zu allem anderen, nur nicht zur Vorbereitung als Gattin und Mutter, ist so unaussprechlich trostlos, daß mir die Worte hierfür versagen. Daher der Alkoholismus, die niedrige Gesinnungsart vieler Männer unserer Zeit, weil sie das Heilige, Große, Bezwingende beim Weibe der Gegenwart so selten oder vielleicht gar nicht mehr finden, dafür aber oft genug alles Gegenteilige, zunächst in dem jämmerlichen Schmutze des gemeinen Dirnentums, das sich nicht nur an allen Straßenecken spreizt und wegwirft, sondern sich auch über unsere Kulturvölker wie eine furchtbare Seuche in der Form einer immer tiefer sinkenden moralischen Anschauung gelegt hat. Die Berufsprostitution ist da noch harmlos zu nennen gegenüber jenem moralisch verkommenen Zustande, den man in Kreisen antrifft, wo man ihn nicht erwartet hätte. Was ist nun die veredelnde und bessernde Arbeit dagegen? Lediglich die meist unvernünftige, ja oft verderbliche Methode sogenannter Sittlichkeitsbestrebungen ist es, die, da sie nicht an der Wurzel beginnt, meist auch auf einer völlig menschen- und weltfeindlichen, höchst beschränkten Weltanschauung stehend, zu so traurigen Ergebnissen kommt.

Hier hilft, meine ich, nur Aufklärung, Wahrheit, offenes Lehren über das Geschlechtsleben und Hinleiten desselben zu einer geheiligten Auffassung über dasselbe, eine Aufgabe, welche die Hutersche Psycho-Physiognomik und Kallisophie zu lösen suchen, eine dringlich ernste, weise und  edle Belehrung besonders der weiblichen Jugend! Das mögen sich die Mütter und Erzieherinnen angelegen sein lassen. Aber auch die männliche Jugend erziehe man mehr zur Achtung und Würdigung des Edelweiblichen, und man pflanze in jung und alt tief das Bewußtsein ein, was die Hutersche Psycho-Physiognomik naturwissenschaftlich festgestellt hat: nämlich, daß geheiligte Liebe, wie tugendhaftes Geschlechtsleben und deren Folgen die Vater- und Mutterschaft, die Grundlage eines großen Volkes und einer Höherentwicklung und Vergöttlichung des Menschen ist, und daß dieses daher zur Grundlage aller Sittlichkeit und Religion gemacht werden muß. Daß die heutigen religiösen Auffassungen vielleicht über diese Dinge meist zu eng, ja teilweise auch unwissenschaftlich und oft naturwidrig sind, ist allgemein empfunden worden. Wir müssen uns daher langsam aber sicher und bestimmt aus diesem veralteten Ideenkreise herausarbeiten und zu einer neuen, großen, naturschönen, freien, sittlichen Religion kommen.

In der zweiten Beckenabbildung unten rechts, ist der sagittale Durchschnitt des weiblichen Beckens veranschaulicht.

Tafel XXVIII 
(Farbbild rechts hinzugefügt)
1. Promontorium. 2. Schoßfuge. 3. Schamberg. 4. Klitoris (Kitzler)- 5. Kleine Schamlippe. 6. Große Schamlippe. 7. Flexura sigmoidica. 8. Mastdarm. 9. Plica transversa desselben. 10. Schlingen des Dünndarms. 11. Blase. 12. Harnröhre. 13. Septum urethrae-vaginale. 14. Septum vecto-vaginale. 15. Uterus. 16. Scheide. 17. Bauchfell. 18. Excavatio vesico-uterina. 19. Excavatio recto-uterina.

In der T-förmigen Abbildung in der Mitte derselben Tafel ist die Gesamtheit des weiblichen Geschlechtsapparates, rückseitlich gesehen - die Scheide der Länge nach geöffnet - dargestellt.

Tafel XXVIII
1. Der Uterus (Gebärmutter), links mit dem Bauchfellüberzug, rechts nach Entfernung desselben. 2. Vaginalproportion des Uterus. 3. Scheide. 4. Tuberculum vaginae.  5. Hymen. 6. Linker Eileiter mit freiem Ostium abdominale und einer Fimbria ovarica. 7. Rechter Eileiter, mit seinen Fimbrien, den Eierstock umgreifend*). 8. Nebeneierstock. 9. Haupteierstock. 10. Lig. ovarii. 11. Ala vespertilionis. 12. Das übrige Lig. uteri latum. 13. Sog. Art. spermatica interna. S. ovarica. 14. Art. uterina. 15. Lig. teres uteri. 16. Orificium cutaneum urethrae. 17. Kleine Schamlippe. 18. Eichel des Klitoris (Kitzler). 19. Präputium clitoridis. 20. Große Schamlippe.

*) Die Fimbrien sind die kelchartigen Hände, welche sich über den Eierstock legen und nach Platzen der Haut desselben beim Eidurchbruch (Menstruation) diese in sich aufnehmen und in den Eileiter (s. weiter zu 1.) der Gebärmutter leiten.

Dieser Vorgang spielt sich alle 28 Tage (Mondmonat) regelmäßig im ausgereiften weiblichen Organismus durchweg vom 16. bis 45. Lebensjahr, mit Ausnahme der Schwangerschaft und des Säugens, ab. Unregelmäßigkeiten in dieser Beziehung sind stets Beweise von krankhaften Störungen im weiblichen Organismus.

Ausnahmsweise tritt auch schon vom 12. Jahre ab bei Mädchen dieser Zustand (Mensis oder monatliche Regel), der stets 2-3 Tage  anhält und mit Blutverlust aus der Gebärmutter und Scheide einhergeht, auf.

Die Mensis kann auch ausnahmsweise bei Frauen bis Mitte der fünfziger Jahr anhalten, wie mir mehrere derartige Fälle bekannt geworden sind. Der Beginn und das Ende dieser Mensisperioden sind bedeutungsvolle Wendepunkte im weiblichen Organismus und Leben.

Graafscher Follikel

In der letzten Abbildung ist ein Graafscher Folikel 30 mal vergrößert dargestellt. Es ist durch Vergrößerungsgläser mit mehrtausendfacher Vergrößerung innerhalb des Eierstocks festgestellt worden, daß sich zahlreiche Bälge an den Wandungen der inneren Rinde desselben befinden, worin die Eier eingebettet liegen. Diese Eier sind runde kernhaltige fein granulierte Zellen von einer durchschnittlichen Größe von 0,009, also einem neuntausendstel Millimeter. Es ist wunderbar, daß sich aus solchem kleinen Körper, der nicht einmal dem unbewaffneten Auge sichtbar ist, durch Begattung in der Gebärmutter ein Mensch, ein Kind, entwickeln kann. Man steht hier vor einem großen Geheimnis der Macht des Kleinen und Unsichtbaren, das aus sich das Größte zu schaffen imstande ist.

Die Menstruation ist die Geburt des reifen weiblichen Eies, und der Graafsche Folikel ist gewissermaßen das Geburtsorgan des Ovariums oder Eierstocks, in dem die Eier zur Reife  gelangen und dann, die Wandung durchbrechend, ausgestoßen oder geboren werden.

Der Graafsche Folikel ist also bestimmt, das Ei zur Reife und zur Ausstoßung zu bringen. Die Fortleitung des Eies durch die Tuba, die Röhre, welche von den Fimbrien zu der Gebärmutter (Uterus) führen, dauert gewöhnlich 8-12 Tage.

Es ist nun wichtig zu wissen, daß der lebende männliche Samen, welcher in die weibliche Scheide und Gebärmutter eindringt, noch sieben Tage lebens- und befruchtungsfähig, vom Tage der geschlechtlichen Vereinigung ab gerechnet, vorgefunden worden ist.

Die Natur hat also beiderseits ein Entgegenkommen, eine gewollte Möglichkeit der Befruchtung gegeben.

Die Befruchtung ist also einige Tage nach der Menstruation bis zur Mitte des Menstruationsmonats am leichtesten möglich, in einer bestimmten Zeit der zweiten Hälfte aber scheinbar unmöglich, das ist die dritte Woche, also die Zeit vom 14. bis 24. Tage von der Menstruation an gerechnet.

Hingegen ist nach einigen Forschern die zweite Hälfte der 4.. Woche, also ungefähr die Zeit vom 24. bis 28. Tage, wieder der Empfänglichkeit günstig, indem die Möglichkeit besteht, daß der lebende Samen, der mindestens 7 Tage in den weiblichen Geschlechtsorganen zeugungsfähig lebend bleibt, noch das neue Ei in der Gebärmutter antreffen könnte, weil durch außerordentliche Erregbarkeit die Eileiter die Eier schneller als gewöhnlich, also statt in 8-12 schon in 3 Tagen zur Gebärmutter (Uterus) leiten, wo dann auch eine Befruchtung stattfinden würde. Das Platzen des Graafschen Folikels wird durch erhöhten Blutdruck und durch besondere Tätigkeit gewisser organischer Muskelfasern bewirkt. Wir stehen hier vor einer Lebenstätigkeit im weiblichen Organismus, die sich von selbst regelt und auf welche der Wille keinen Einfluß hat und auch keinen haben soll.

Die einzelnen Teile des abgebildeten Graafschen Follikels sind, mit Nummern bezeichnet, folgende:

Graafscher Follikel
1. Stroma (Gewebe) des Eierstocks. 2. Korkzieherähnlich gewundene Blutgefäße. 3. Faserige Wand des Follikels. 4. Membrana granulosa. 5. Cumulus proligerus. 6. Zona pellucida des Ovulum. 7. Dotter desselben. 8. Keimbläschen mit dem Keimfleck.

Ich möchte hier noch einmal bemerken, daß ERNST von BAER 1827 das Ovulum, also das weibliche Ei, entdeckt hat. Dieses Ovulum erscheint, wenn es noch mit Hüllen umgeben ist, wie ein kleines weißes Pünktchen sichtbar und hat die Form einer Kugel, es besitzt einen Durchmesser von 1/7 Millimeter. Das reife Ei ist also dem unbewaffneten Auge sichtbar und erheblich größer als die unentwickelten Eier, die im Eierstock (Ovarium) lagern, und die, wie schon erwähnt, nur ein neuntausendstel Millimeter Durchmesser haben.

Professor LUSCHKA hat gerade auf diesem Gebiete außerordentlich gewissenhaft gearbeitet und gilt noch heute als Autorität auf dem Gebiete der Becken-, Anatomie- und Geschlechtsorganenlehre. Es sei noch bemerkt, daß er der Behauptung des sonst schätzenswerten Physiologen PFLÜGER in Bonn entgegentritt, indem er dessen Ansicht, ein Platzen des Follikels beim Menschen sei auch ohne Bluterguß, also ohne Menstruation möglich, entschieden bestreitet. Ich glaube in diesem Punkte die Ansicht LUSCHKAs teilen zu müssen.

Damit habe ich das Nötigste und Wichtigste, was der gebildete Mensch und vor allen Dingen der, welcher die Hutersche Psycho-Physiognomik studiert, über Anatomie wissen muß, gebracht. Damit wird man auch in allem Weiteren in den nachfolgenden Teilen des Lehrstoffes dieses und des fünften Lehrbriefs folgen können, und ich bemerke noch, daß ich die Anatomie der Geschlechtsorgane aus ethischen und wissenschaftlichen Gründen hier nicht ausschließen konnte. Die Offenheit und Wahrheitsforschung auch hierüber ist mir eine ganz besondere Freude gewesen.

Die besondere ausführliche Darstellung der männlichen Zeugungsorgane und die der rein äußerlichen weiblichen in der Vorderansicht schien mir nicht angängig; denn einmal sind diese Teile wohl allgemein bekannt und daher ist die Darstellung hier überflüssig, andernteils aber wollte ich wirkliche Schonung dem berechtigten Schamgefühl angedeihen lassen, das durch eine andere, breitere Darstellung besonders der Vorderansichten der weiblichen Geschlechtsorgane hätte verletzt werden können, was nunmehr ausgeschlossen bleibt. Bei ästhetischer Darstellung der Gesamtorgane, also des lebenden nackten Körpers, bleibt das Schamgefühl in dem Umfange unversehrt, als man groß und edel empfindet; es werden daher solche rein künstlerische Darstellungen im fünften Lehrbriefe gebracht werden.

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1994. Update 26. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
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