Menschenkenntnis Lehrbrief IV. - Part 9
 
Hauptwerk 1904-06. Carl Huter
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm

FORTSETZUNG

Der vergleichende Anatom HUXLEY suchte aber 1863 nachzuweisen, daß auch die Affen Zweihänder seien. Was er hierüber gesagt hat, nennt HÄCKEL "Huxleysches Gesetz". HUXLEY sagt: "Die kritische Vergleichung aller Organe und ihrer Modifikationen innerhalb der Affenreihe führt uns zu einem und demselben Resultate: Die anatomischen Verschiedenheiten, welche den Menschen vom Gorilla und Schimpansen scheiden, sind nicht so groß wie die Unterschiede, welche diese Menschenaffen von den niedrigeren Affen trennen." Diesen Huxleyschen Ausspruch kann man voll und ganz unterschreiben, wenn man die tiefstehendsten Menschenrassen und die höchsten Affen miteinander vergleicht. Denn die niedrigen Hundsaffen stehen, was  sowohl Intelligenz als auch Körperbau anbetrifft, viel weiter von den hochentwickelten Menschenaffen zurück, als diese von den niederen Menschenrassen, den Australnegern. Einen vorzüglichen beweisenden Vergleich hierzu, wenigstens nach anatomischer Richtung hin, bietet die Tafel VII.

Tafel VII     Menschen- und Gorillaskelett

Um sich von der Affenlehre, soweit sie für die vergleichende Anatomie in Frage kommt, ein genaueres Bild zu machen, möge noch folgendes zur Erklärung dienen:

Der große Formen- und Gestaltenreichtum der echten Affen (Simiae Pithea) zerfällt in zwei natürliche geographische Lager: die Westaffen (Hesperopitheca), ihre Hauptheimat ist die westliche Erdhalbkugel (Amerika, teils auch Australien) und die Ostaffen (Eopitheca), diese sollen vornehmlich in Asien, Afrika und Europa ansässig sein. Die Ostaffen unterscheiden sich anatomisch von den Westaffen durch eine schmale Nasenscheidewand, einen langen knöchernen Gehörgang, sowie 32 Zähne.

Die Westaffen hingegen besitzen eine breite Nasenscheidewand, einen kurzen knöchernen Gehörgang und 36 Zähne. Man nennt daher die Ostaffen Catharrhinae, d.h. Schmalnasen, die Westaffen Platyrrhinae, d.h. Plattnasen. Diese typische morphologisch-anatomische Verwandtschaft der Ostaffen mit dem Menschen ist aber nicht allein das verwandtschaftliche Element, denn auch physiologisch treten zahlreiche Ähnlichkeiten oder Übereinstimmungen dieser Affen mit dem Menschen hervor. Atmung, Blutkreislauf, Verdauung, Fortpflanzung sind bei den Menschenaffen genau so wie beim Menschen.

Es sei ausdrücklich bemerkt, es darf hierbei nicht das psychische, sondern lediglich nur das physiologische Element in Betracht gezogen werden. Die gleichen Muskelbewegungen setzen das Hebelwerk des Knochengerüstes in Bewegung. Die Sinnestätigkeit ist eine menschenähnliche. Der aufrechte Gang ist dem Gorilla, Schimpansen, Orang und besonders dem Gibbon ebenso eigen wie dem Menschen. Der Ungko*), Ein im Londoner Zoologischen Garten gehaltenes Ungkoweibchen (Hylobates Rafflesii) hat wiederholt, mit dem Grundton E beginnend, in reinen halben, sogar hübsch klangvollen Tönen, eine volle Oktave in chromatischer Tonleiter des öfteren gesungen. eine indische Gibbonart, ist sogar mit Gesang begabt, und der Amerikaner R. L. GARNER hat mit dem Phonographen den Beweis erbracht, daß die Affen eine eigene, wenn auch primitive Lautsprache haben, womit sie sich gegenseitig verständigen können.


Studien der vergleichenden Anatomie zur Entwicklungslehre

Auf Tafel VII ist unten links der Schädel der Brückenechse aus der permischen Zeitperiode zur Abbildung gebracht. Zahnformel an jeder Seite 18 = 72 Zähne. Unten rechts zeigt den Schädel des Cainotherium aus der Pliozänzeit mit 52 Zähnen im Ober- und 44 Zähnen im Unterkiefer. Aus diesem Tier haben sich die Antilopen und unsere heutigen Pferde entwickelt. Dazwischen auf derselben Tafel ist das Skelett von einem Halbaffen dargestellt aus der Miozänzeit mit 44 Zähnen. Aus diesem geschwänzten Halbaffen sollen sich die heutigen Westaffen, Ostaffen und Menschenrassen entwickelt haben, so nimmt wenigstens die Darwin-Häckelsche Richtung an. Darüber auf derselben Tafel ist links ein Menschen- und rechts ein Gorillaskelett in der Vorderansicht zur Darstellung gebracht. Größere Körperkraft prägt sich in den stärkeren Knochen des Gorilla aus, edleres Empfinden und höhere Schönheit spricht aus dem Skelett des Menschen zu uns.

Tafel VII

Die Folgerungen, welche HÄCKEL und zahlreiche andere Naturforscher hieraus gezogen haben, ist:

Mit Halbaffen und echten Affen zusammen bildet der Mensch die Gruppe der Krontierspezies oder Primaten, die eines gemeinsamen Ursprungs sind. Nach ihrem gesamten anatomischen Typus erscheinen die Halbaffen als die niedrigsten und folglich auch als die ältesten dieser Primatengruppe. Man nimmt allgemein an, daß sich aus ihnen die höher stehenden echten Affen entwickelt haben. Innerhalb der echten Affen sollen die Ostaffen eines gemeinsamen Ursprungs sein, aus denen sich schließlich der Urmensch entwickelt hat. Der Mensch, so folgert man weiter, soll aus einem ausgestorbenen Zweige der Ostaffen abstammen. Aus der Paläontologie sucht man hiefür besonders durch die Zahnformellehre die Beweise zu erbringen.

In jeder Kieferhälfte haben die Westaffen einen Kieferzahn mehr, sie haben also statt 32-36 Zähne, wodurch sie sich von den Ostaffen unterscheiden. Die vergleichende Zahnkunde folgert nun auf Grund paläontologischer Säugetierfunde, daß diese 32- bzw. 36artige Zahnformel eine Rückbildung resp. Verkümmerung aus einer höheren Zahnformel der typischen Gebißbildung der Säugetiere der Tertiärzeit bedeute. Diese Tertiärsäugetiere zeigen, wie sich jeder in einem naturhistorischen Museum überzeugen kann, in jeder Kieferhälfte 3 Schneidezähne, 1 Eckzahn, 4 Lückenzähne (Prämolarien) und 3 Beckenzähne, insgesamt also 44 Zähne. Siehe Abbildung Tafel VII!

Diese rein gedankliche Schlußfolgerung (Theorie) ist neuerdings durch amerikanische Paläontologen bestätigt worden, indem diese die fehlenden Glieder der Halb- oder Uraffen aus der Tertiärzeit zutage gefördert haben. Die alteozänen Pachylemuren (Hypsodus) mit 44 Zähnen zeigen den Ursäugezahntypus. Die Nekrlemuren (Adapsis) haben einen Schneidezahn in jeder Kieferhälfte weniger, demnach 40 Zähne. Die Autolemuren (Stenops) zeigen einen weiteren Verlust von 4 Zähnen, sie haben 36 Zähne, das typische Gebiß der heutigen Westaffen. Die fossilen Vertreter der Ostaffen, der Pliopithecus, im mittleren Tertiär in Mitteleuropa lebend, und der später nachfolgende Palaopithecus aus der jüngsten Tertiärzeit Ostindiens zeigen endlich nur noch 32 Zähne, also die Zahnformel, welche den heutigen Ostaffen oder Menschenaffen und den Menschen selbst auszeichnet.

Bemerkt soll hierbei noch werden, daß mit der Umbildung des Gebisses eine Umbildung des Schädels und damit im Zusammenhang auch eine Umbildung der Gehirngestalt naturgemäß erfolgen mußte.

Der Übersichtlichkeit wegen lasse ich hier nochmals ganz in Kürze die Erdentwicklung und die damit im Zusammenhange stehende Entwicklungsgeschichte der irdischen Lebewesen folgen:

I. Archäozoische, azoische oder Primordialzeit

Plutonische und vulkanische Gesteine, in welchen Einschlüsse organischer Lebewesen nicht gefunden worden sind*). 

*) Man vergleiche hiermit die im 3. Lehrbriefe gegebene Tafel XVI, Seite 78, mit den entstandenen Schichten der Erdoberfläche. Eine bildliche Darstellung hierzu mit den betreffenden Lebewesen soll in dem 5. Lehrbrief folgen. 52 Millionen Jahre ungefährer Schätzung.

II. Paläozoische oder Primärzeit, 34 Millionen Jahre

Kambrium: Wibellose Tiere
Silur: Meerestiere, Fische
Devon:	"		"
Karbon: Landwirbeltiere, Lurche (Eidechsen)
Perm:		"		"		"

III. Mesozoische oder Sekundärzeit, 11 Millionen Jahre

Trias: Chirotherium, Landechsen, Ursäuger (Promammalia)
Jura: Pterodaktylus, Dinosaurier, Beutler
Kreide: Mosasaurus, Schildkröten, Weichtiere, Würmer

IV. Kanäozoische oder Tertiärzeit, 3 Millionen Jahre

Eozän: Walfisch, Fledermaus, Raubtiere, Huftiere
Oligozän:	"		"		"		"
Miozän: Affen, Pithecantropus
Pliozän:	"		"

V. Anthropozoische oder Quartärzeit, 300.000 Jahre

Diluvium (Eiszeit):					Mensch
Alluvium (Jüngste Vergangenheit und Gegenwart): Mensch

Der Heidelberger Anthopologe Professor KLAATSCH, der sonst völlig auf dem Boden der Entwicklungslehre steht, weicht von ERNST HÄCKEL in einem, wenn auch untergeordneten, so doch recht wesentlichen Punkte ab. 

KLAATSCH*)  ist der Meinung, daß sich Mensch und Affe schon in dem niedersten Primatenzustande des Uraffen voneinander getrennt haben und somit drei Zweige von Primaten aus diesem Uraffen entwickelt worden sind, nämlich die Westaffen, die Ostaffen und der Mensch.

*) Vortrag auf dem Anthropologenkongreß zu Lindau (1899). Vgl. Globus Bd. 76 S. 329 ff.

KLAATSCH betrachtet den Menschen als einen selbständigen Primatenzweig, dem die höheren Affen in ihrer Entwicklung wohl parallel laufen; es sei aber nicht anzunehmen, daß sich der Mensch aus diesen höheren Affen weiter entwickelt habe. Es sei also nicht zwischen einem der jetzt lebenden Menschenaffen das Bindeglied zu suchen, sondern vom Uraffen aus habe sich schon der Mensch abgezweigt und selbständig höher entwickelt. Wie ich im dritten Lehrbriefe nachgewiesen haben, nehme ich hierin einen besonderen Standpunkt ein, nämlich, ich vollziehe die Vereinigung von Entwicklung, Katastrophe und wunderbare Neu-schöpfung.

Ich stütze mich hierbei auf die von mir nachgewiesene Tatsache des Bestehens der Urenergien der Welt, welche ich im Äther nachgewiesen habe: Materie, Bewegungskraft, Empfindungsenergie. Insofern weiche ich auch von der Gottschöpfer-Auffassung Darwins ab, gehe aber weiter als HÄCKEL, der die alte bisherige Auffassung der Materie vertritt.

Die Materie als Ruhelement entwickelt aus sich alles sehr langsam und ruhig, die Bewegungsenergie tritt jedoch, kommt sie zur Herrschaft über das Ruhelement, gewaltsam auf, also mit Katastrophen einhergehend und viel zerstörend.

Überschwemmungen, Stürme, Vulkanausbrüche, Gewitter, Hagelschlag, Platzregen, Erdbeben sind heute noch die Wahrzeichen dafür, daß die Bewegungskraft die Herrschaft über das ruhige Gleichgewicht der Materie bekommen hat, und Zerstörungen oder Katastrophen sind hierbei unvermeidlich.

Wie soll denn in den Urzeiten der Erdentwicklung, wo ganz ungeheure Katastrophen abgewechselt haben - allein schon durch die starken Veränderungen des Erdumlaufes um die Sonne, Differenzen in Annäherungen und Abweichungen der Planeten von und nach der Erdnähe hinzu - die stetig sich gleichbleibende ruhige Entwicklung angenommen werden, wie LAMARCK und LYELL glauben? Man denke doch nur an die Aus- und Einwanderungen von Kometen in unsere Sonnen- und Planetenbahnen, Einstürze von Monden in den Erdkörper, Zusammenschrumpfung der Erddecke durch Abkühlung und Festigung*).

*) Man wird mich nun verstehen, wie ich dazu gekommen bin, es für nötig zu halten, die kosmische Entwicklung, die Astrophysik und Astronomie in die Psycho-Physiognomik einzuschließen.

Hätten LAMARCK und LYELL nicht nur die Dinge der Erde beobachtet, sondern zuvor die Ursachen der Erdentwicklung selbst geschaut und über sich ins Weltall hinausgesehen und beobachtet, wie die Erde selbst abhängig von den kosmischen Energien ist, so wären sie auch der Lehre näher gekommen, wie ich sie hier entwickelt habe.

Also Katastrophen fanden unbedingt statt, ganze Erdstriche und Naturwelten mußten untergehen, damit schönere auferstehen konnten, und dieses Auferstehen bewirkte eine uns noch unbekannte wunderbare Schöpfung der Empfindungs-Energie.


Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Jedem zum Erfolg in praktischer Menschenkenntnis zu verhelfen, dazu soll dieses Lehrwerk besondere Dienste erweisen.



Erstellt 1994. Update 26. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung
Hauptwerk. 2. Auflage. 1929. Hrsg. Amandus Kupfer

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
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