Die Sprache der Augen / Le Langage des Yeux - Part 3
 
Fortsetzung

Von dem Blick der Beobachtung und der Vorstellung ist zu unterscheiden.

der denkende Blick

Der denkende Blick zeigt Sammlung und Konzentration der Gedanken, und etwas Typisches liegt nach dieser Richtung hin im Auge und an den Lidern.

Oft ist damit auch eine gewisse Klarheit im Blick und Auge verbunden.

Bildlich ist der denkende Blick und die damit verbundene Anspannung und Konzentration gar nicht besser vor Augen zu führen als durch die vortreffliche Radierung von Prof. Kar! Bauer: «Goethe denkt über die Entwicklung des Menschen nach und entdeckt den Zwischenkiefer beim menschlichen Schädel», siehe Bild 11.

Bild 11. Goethe entdeckt den Zwischenkiefer des menschlichen Schädels
Radierung von Karl Bauer. Im Verlag O. Felsing, Charlottenburg

Bild 11 zeigt den denkenden Blick des genialen Menschen.

Ganz vortrefflich hat der Künstler es verstanden, die starke Anspannung der Gedanken im Auge, im Gesicht, an der Stirn und in der ganzen Haltung wiederzugeben.

Der große Dichter und Denker Goethe, der auch ein großer Anatom war, wies den Zwischenkiefer nach, der allerdings beim Menschen vollständig mit dem Kiefer verschmolzen ist. Damit widerlegte er die damalige Ansicht der Gelehrten, daß  der Mensch keinen Zwischenkieferknochen habe und sich dadurch von den Säugetieren, zumal den Affen, unterscheide.

Durch vieles Nachdenken wurde sich Goethe klar darüber, daß der Zwischenkieferknochen aller menschlichen Erkenntnis nach da sein müsse, und durch scharfe Beobachtung wies er ihn auch am menschlichen Schädel nach.

Das hat, wie gesagt, der Künstler vortrefflich dargestellt. Das ganze Gewicht des Oberkörpers liegt auf dem Tisch, ja selbst das Kinn ist noch durch den Handrücken gestützt. Damit ist vortrefflich gezeigt, wie das Gehirn durch die aufstützende Haltung entlastet wird.

Bild 12. Der denkende Blick

Alle Kraft wird somit für die Gedankenkonzentration frei. Auch Auge und Sinnesorgane sind äußerst angespannt, selbst die Wangen, die Stirn und auch das Haar nehmen Anteil.

So kann man an einem Kunstwerk oft deutlich zeigen, was in Worten schwerer zu fassen ist. 

In der untersten Stirnregion liegt die Beobachtung und Auffassung, diese muß der Anatom gut entwickelt haben.

In der zweiten Stirnregion liegt die Vorstellung des Beobachteten. Diese Region muß der Physiologe neben der ersten ebenfalls gut entwickelt haben, damit er sich im Geiste vorstellen kann, wie die Organe im Leben arbeiten.

    Bild 11. Goethe                                            Bild 1. Stirnaufbau

In der dritten Region erst liegt das praktische Denken, um, wie es unser Bild zeigt, die Folgerungen aus dem Beobachteten und Vorgestellten zu ziehen.

Wir sehen bei unserm Bilde, wie die Stirn Goethes in den untersten drei Regionen - durch die feine Schattierung erkenntlich ebenso wie das Auge äußerst angespannt ist.

Diese drei untersten Regionen der Stirn hat, wie uns allen bekannt ist, z. B. das Ernährungs-Naturell gut entwickelt.

Von diesem Naturell sagte Huter: «Es sitzt, ißt und denkt.»

Aber - ich brauche nicht näher auf die Eigenart desselben einzugehen - dieses Naturell denkt nicht über die idealen, sondern über die praktischen Dinge des Lebens nach. Daher ist denn auch der Blick real und nüchtern und der Stirnaufbau mit dieser Region in der Hauptsache abgeschlossen, während Goethe vielmehr ein Oberstirn- und damit idealer Geistesmensch war.

Bild 13. Der denkende Blick                                            Bild 12

Auch der denkende Blick gibt natürlich im Auge die individuelle Verschiedenheit kund, ist aber in der Stellung des Augapfels und der Lider typisch, siehe Bild 12.

Bild 12. Hier liegt der Augapfel auf der Achse, das Auge und die Lider sind offen und klar.

Das obere Augenlid ist von der Seite gesehen gerade und straff gelegt.

Der Winkel ist kurz, siehe den Pfeilstrich.

Die innere Konzentration zieht das Auge sozusagen nach innen, daher liegt das Auge etwas mehr zurück als beim beobachtenden und vorstellenden Blick.

Bild 13. Der denkende Blick ist hier nach dem Leben gezeichnet.

Der Augapfel liegt auf der Achse, die Lider sind offen. Die Konzentration, die mit dem Denken verbunden ist, kommt gut zum Ausdruck.

Klarheit und Anspannung liegen in dem etwas zurückstehenden Augapfel und den angespannten Lidern, ein Zeichen der Denkarbeit, die das Gehirn leistet.

Auch die Gewebe über dem Auge und an der Nasenwurzel zeigen in ähnlicher Weise die Anspannung.

Bild 14. Der denkende Blick eines jungen Mannes

Das ist auch im Prinzip leicht verständlich, denn das Auge ist ja das zutage liegende Organ des Gehirn- und Geisteslebens und muß sich daher auch bei vielem Denken in bestimmter Weise richten.

Durch die Beobachtung der Augen kam Huter schon in jungen Jahren zu der Überzeugung, daß der Geistestätigkeit eine Kraft zugrunde liegen muß, die auf Strahlung beruht, da sonst die Schnelligkeit, mit welcher er die Gedanken im Auge auftauchen sah, nicht zu erklären war.

Er hat sich dann ein Leben lang der Aufgabe gewidmet, diese strahlende Lebens- und Gedankenkraft und ihre Zusammenhänge bis in alle Einzelheiten zu erforschen und nachzuweisen.

Das Auge zeigt nicht nur den Gedanken an sich, wie er kommt und geht, sondern auch die Gedankenkonzentration, die Denkrichtung, das Denkleben überhaupt, daher die verschiedenen Blickrichtungen und Augenausdrücke.

Bild 14. Der Augapfel liegt auf der Achse, die Lider sind offen. Es liegt hier eine lebhafte Konzentration im Blick, und gleichzeitig prägt das Auge noch ein starkes Denkvermögen aus.

   Bild 1. Stirnaufbau

Zur Kontrolle betrachte man die Stirnbildung, sie zeigt in ihrer kräftigen Form die starke Denkanlage.

Bild 15. Der denkende Blick bei einer älteren Frau

Allerdings steht das linke Ohr etwas stark ab, die elektrische Energie spielt hier mehr hinein, und so liegt bei aller Konzentration, die durch das starke Denken gegeben ist, doch noch eine gewisse Unruhe im Blick.

Man versuche das zu erkennen, denn es gibt auch noch andere Kräfte, die sich im Auge äußern, worauf wir noch zurückkommen.

Es gibt ein Gedankenlesen aus dem Auge. Geschickte Verkäufer z. B. schauen mitunter einem Menschen ins Auge und lesen ihm sozusagen durch eine natürliche Fertigkeit die Wünsche ab, bevor sie noch recht geäußert sind.

Noch ein letztes Bild soll den denkenden Blick zeigen.

Bild 15. Die typischen Merkmale sind auch hier die bereits genügend gekennzeichneten. Augapfel und Iris zeigen hier eine gespannte Klarheit und Konzentration.

Die Frau ist gewohnt, stark und viel zu denken, man betrachte die zwei ausgeprägten senkrechten Stirnfalten in der Mitte der Stirn.

Auch haben die Augen den ruhigen, konzentrierten und auch forschenden Ausdruck.

Die tiefe Höhlung über den Augenlidern deutet auf einen starken Verbrauch der Gehirnsäfte. Nach körperlicher Überanstrengung tritt dann leicht Schlaflosigkeit ein.

Die Frau hat viel nachgedacht und denkt noch viel. Sie hat auch viel Leid hinter sich, hat nicht nachgegeben und sich durch vieles Denken, Willensanstrengung und Widerstand - siehe die breiten Jochbeine - zu behaupten versucht.

Vom einfachen Denken, das uns diese Bilder zeigen, bis zum folgerichtigen und schlußfolgernden, vielseitigen Denken ist natürlich noch ein weiter Weg, und entsprechend ändert sich auch der denkende Blick in vielfältiger Weise bis zu einer unergründlichen Tiefe und Schönheit.

Uns genügt es aber zunächst, diese drei sehr wichtigen Blick- und Augenformen und damit ganz bestimmte Geistes- und Charakterzustände auch bei einfachen Menschen aus dem Leben kennenzulernen.

Man präge sich diese drei Blickformen fest ein und übe entsprechend die Beobachtung. Man erfaßt dadurch die Wesensart der Mitmenschen leichter und eignet sich schon eine gewisse Menschenkenntnis an.



Levitating Stone
(Hinzugefügt)

Man kommt aus dem Staunen über das Wunder des Lebensausdrucks fast nicht mehr heraus. An der Quelle, d.h. am lebendigen Menschen, kann man die Arbeit der Natur, der formenden Lebenskraft studieren und die besten Schlüsse für eine praktische Lebensweisheit daraus ziehen.





Erstellt 2004. Update 4. Juli 2007
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung 

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben. Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm
 
Die Sprache der Augen / Le langage des yeux