Carl Huter: Innere Erschließung einer höheren geistigen Welt - Part 6
 
Fortsetzung

XVIII. Kapitel

Die Gründung meiner Heilpraxis und die unerklärlichen Erfolge bei Unheilbaren.

Diese Frau bezeichnet einen Wendepunkt in meinem Leben. Es war nie meine Absicht gewesen, eine gewerbsmäßige Heilpraxis zu betreiben. Sehr schwere innere Kämpfe hat es mich gekostet, bis ich mich endlich dazu verstehen konnte. Ich wollte meine Erfahrungen und mein selbst ausgedachtes Heilsystem niederschreiben und später großen Klinikern unterbreiten, wollte auch gern Beobachtungen im Beisein bedeutender Ärzte in Krankenhäusern usw. machen, und meine Forschungen der Wissenschaft freimütig zur Verfügung stellen. Auf eigene Faust hätte ich selbst nie eine Heilpraxis begonnen, wenn diese Frau in Langelsheim nicht durch ihr unausgesetztes Drängen und Bitten mein Herz erweicht hätte. Ich folgte dann der Stimme meines Gewissens, sagte mir, ich werde diese Frau bestimmt heilen, folglich ist es ein Unrecht, wenn ich es unterlassen würde, da ich auch keinen Nachteil davon habe; denn die Patienten wollen meine Mühe vergüten. Irgend etwas versäumen würde ich auch nicht, wenn ich mich der Heilung dieser Frau widmete, und zugleich war es eine gute Gelegenheit, mein Heilsystem, das ich theoretisch ausgearbeitet hatte, in der Praxis zu erproben. Endlich bewog mich da dringende Zureden des mir so wohlwollend gesinnten Druckereibesitzers Mende, den Entschluß zu fassen.

Ich reiste nach Hannover, mietete drei Zimmer mit Pension, zwei für mich, eins für die beiden Patientinnen, und setzte mich mit dem Besitzer einer Badeanstalt in Verbindung, der die Patientinnen nach meinen Anordnungen durch seine Frau mit Packungen, Bädern und Massagen behandeln mußte.

Frau H. kam zuerst, die andere Frau eine Woche später. Leider wollte es der Zufall, daß ich und Frau H. nicht anwesend waren, als die zweite Frau eintraf. Die mangelhafte Auskunft der Hauswirtin veranlaßte sie, wieder abzureisen. Ich gab darauf sofort diese Wohnung auf und siedelte nach Kurhaus Eilenriede über. Dort nahm ich zwei Zimmer für mich und eins für eine Patientin; Frau H. schrieb ihrer Bekannten, die bald wieder eintraf. Diese beiden Frauen, beide Mitte Vierziger, waren sehr schwer chronisch krank. Die eine war lungen- und leberleidend, die andere augen- und nervenkrank und von großen Schmerzen, Wechselfieber, Angstzuständen und Krämpfen geplagt.

Durch Gottes Fügung Direktor der Krankenanstalt auf Kurhaus Eilenriede-Hannover u. die wunderbaren Heilungen der Patientinnen.

Beide Frauen behandelte ich in Kurhaus Eilenriede mit Diät und geistigen Heilfaktoren, besonders auch mit Helioda. In der Badeanstalt zum Äskulap wurden sie streng nach meinen Angaben mit Bädern usw. behandelt. Diese Frauen wurden beide gesund und reisten in ihre Heimat zurück. Alle Welt war erstaunt über den Erfolg, und bald kamen andere Patienten, die ebenfalls gesund in ihre Heimat zurückkehrten.

Wie böse und neidische Ärzte meine erste segensreiche Heiltätigkeit bekämpften durch Verleumdungen und Denunziationen, wodurch ich zum ersten Male unschuldig eine Geldstrafe von einem Gericht bekam.

Diese Erfolge hatten nun die Ärzte in jener Gegend sehr verdrossen, da alle chronisch Kranken für sie ein dauernde Einnahmequelle gewesen waren. Jedenfalls aus Furcht, ich könnte noch mehr solche Heilungen machen, setzten diese Leute ein verleumderisches Treiben in Szene, was allerdings versagte, da die Erfolge nun einmal vor aller Welt offenbar waren. Schließlich suchte man die Behörden in Bewegung zu setzen, und es gelang den Gegnern dadurch, mir einen Prozeß anhängig zu machen, weil ich einigen Patienten auf Wunsch einige Heilmittel aus einer Hannoverschen Apotheke übersandt hatte, die in deren Wohnort nicht zu haben waren. Ich erhielt für diese Gefälligkeit, die ich meinen Patienten zur Pflichttreue schuldig war, eine kleine Geldstrafe, da das Gericht in Lutter am Barenberge mein ethisches Moment verkannte und annahm, die Versendung der Mittel hätte die betreffende Apotheke besorgen müssen. Dieses war die erste Strafe, die mir ein Gericht zuerkannt hat, weil ich gut bewährte Nährpräparate aus einer Apotheke an Patienten zugesandt hatte. Mir ist diese Strafe bis auf den heutigen Tag als grober Rechtsirrtum erschienen. Damals bezahlte ich Strafe und Kosten, weil ich es müde geworden war, noch mehr Wege und Laufereien zu haben, wozu mir gänzlich die Zeit fehlte. Außerdem war mein Vertrauen zu der deutschen Rechtssprechung gänzlich erschüttert. Die Bevölkerung jener Gegend konnte nun gar nicht begreifen, daß jemand wegen einer Gefälligkeit bestraft werden kann, und die Sympathien waren auf meiner Seite.

Neue wunderbare Heilerfolge bei Unheilbaren, wie Krebskranken, Geisteskranken, Unterleibsleidenden usw.

Im Frühling 1895 meldeten sich zahlreiche Kurgäste an, darunter mehrere Geisteskranke, eine Krebskranke, mehrere Gichtiker, Rheumatiker, Magenleidende, ein Lahmer usw. Alle wurden geheilt. Dies rief in jener Gegend, von Lutter am Barenberge bis in den Harz. eine förmliche Bewegung unter der Bevölkerung hervor. Es waren Wunderheilungen im wahren Sinne des Wortes, die ich vollbracht hatte. Alle Munde waren des Lobes voll. Mein Heilsystem hatte sich nun auch in der Praxis großartig bewährt. Ich hatte mir alle erdenkliche Mühe gegeben, fast Tag und Nacht war ich tätig, hatte nur wenig Schlaf, arbeitete geistig und körperlich an der Heilung meiner Patienten, und großer Segen ruhte auf meiner Arbeit.

Schwere Seelenleiden durch falsche Beschuldigungen boshafter Menschen und mein Trost durch Gebet und spiritualistischen Verkehr.

Wie aber dieses Heilverfahren von gewissenlosen, niederträchtigen Menschen verächtlich gemacht worden ist, wie Ärzte und andere gebildete Personen sich in einer Grausamkeit und Bosheit gezeigt haben, um nicht nur mir, sondern auch den geheilten Personen allerlei Unannehmlichkeiten zu machen, das spottet aller Beschreibung. Mir wurde eine ganze Menge von Strafprozessen angehängt auf Grund völlig aus der Luft gegriffener Beschuldigungen. Ich war über diese nie gekannte Verworfenheit derart empört und aufgeregt, daß ich selber nervenleidend wurde.

In einem besonderen Werke gedenke ich noch einmal jenes schmachvolle Treiben zu veröffentlichen, mit dem böse Menschen mich wissentlich an Ehre, Gut und Gesundheit zugrunde richten wollten. - In mir hatte ich aber trotzdem einen Halt, das Bewußtsein von Unsterblichkeit und Vergeltung und daß ich nur Gutes getan habe, daß ich unschuldig alle diese Seelenfolter ertragen mußte; und so klammerte ich mich in einsamen Stunden mit inbrünstigem Gebet an die Gottheit und an die geistige Welt.

Eine neue Phase in der Entwicklung meines Hellfühlvermögens, hervorgerufen durch seelische Leiden, die mir böse Menschen zufügten. Hierauf wandte ich mein Augenmerk auf Verbesserung unserer Rechtszustände hin.

Hier erhielt ich denn auch so mancherlei Kundgebungen, daß ich getröstet und gestärkt dem neuen Tag ins Auge schaute. Ich sah oft Lichterscheinungen vom Himmel herunterkommen, erhielt durch Klopftöne, Bewegen der Zimmermöbel und anderer Gegenstände Antworten auf meine Fragen und fühlte, daß mich die tiefen seelischen Erschütterungen seelisch immer mehr verfeinert hatten. Ich wurde hellfühlend, hatte oft Vorahnungen, bekam oft Zustände, in denen ich in Vergangenheit und Zukunft schaute und begriff den Zweck dieser Leiden. Sie waren nötig, um mir das tiefe moralische Elend der gebildeten Stände unseres Volkes vor Augen zu führen, um mich immer fester in meinem ethischen Streben und den religiösen Anschauungen zu machen, um die große Unvollkommenheit unserer Gesetze kennen zu lernen, um auf Mittel und Wege zu sinnen, die Rechtszustände zu bessern, und endlich mich mehr zu verfeinern. Gerade durch diese Erlebnisse wurde mein Blick von der Heilkunst ab-, zur Rechtskunst hingelenkt. Das ethische Recht trug ich überall in mir, ich wußte, was recht und gut war und handelte darnach; aber das öffentliche, das gesetzliche und juristische Recht stand oft im Gegensatz zum ethischen. Diesen Widerspruch zu beseitigen, wurde fortan mein Streben, und so wurde ich nicht nuur ein Arzt der leidenden Menschen, sondern auch ein Arzt des kranken Rechtsstaates. Ich entwarf die Grundzüge eines neuen Staates mit einem neuen Recht.

Abermals unschuldig zu einer Geldstrafe verurteilt und die Aufgabe der Heilpraxis auf Kurhaus Eilenriede bei Hannover.

Alle Prozesse verloren sich nach und nach im Sande, da die Unschuld erwiesen wurde; nur eine Geldstrafe erhielt ich noch einmal, weil ich Heilmittel abgegeben hatte, und zugleich noch eine weitere Geldstrafe, weil Kurhaus Eilenriede, meiner vielen dort anwesenden Patienten wegen als Heilanstalt aufgefaßt wurde, zu der die Konzession nötig wäre. Ich fand auch darin einen Rechtsirrtum; denn ich war weder Besitzer noch Pächter von Kurhaus Eilenriede, sondern nur Leiter der Krankenbehandlung an den dort befindlichen Kurgästen und Patienten. Ich legte gegen dieses Urteil Berufung ein, doch ohne Erfolg, worauf ich Revision verlangen wollte, was mein junger Anwalt für unmöglich hielt. Später, als das Urteil Rechtskraft erlangt hatte, wurde mir von anderer Seite nachgewiesen, daß das Urteil, da es auf einem Rechtsirrtum beruht, unbedingt auf dem Wege der Revision hätte aufgehoben werden können.


XIX. Kapitel.

Zwei Verlobungen und ihre begleitenden Umstände.

Schon im Nachwinter des Jahres 1895 entwickelte sich in mir der Wunsch, eine eigne Häuslichkeit zu gründen, wie schon im vorigen Kapitel erwähnt, und so verlobte ich mich mit einem hübschen blonden Mädchen aus dem Harz, welches bei mir auf Kurhaus Eilenriede in kurzer Zeit Gesundung von einer leichten Krankheit erlangt hatte. Die Mutter, eine sehr ehrbare Frau, war verwitwet, doch nicht unvermögend. Der Vater meiner Verlobten war als Bergmann verunglückt. Mutter und Großmutter waren mit der Verlobung einverstanden.

Eine Verlobung vor Wiederfinden meiner begabten Freundin und Schülerin.

Das heitere, liebreiche Wesen des Mädchens, die außerordentliche Schönheit und Ebenmäßigkeit ihres Körpers, der an die Venusgestalt erinnerte, sowie das frische, lange, blonde Haar, die kleinen schalkhaften blauen Augen und der wunderbare weiße Teint, das alles waren Vorzüge, die mich zur Bewunderung dieses Mädchens hinrissen.


Venus/Aphrodite from Botticelli (1445-1510)
(Hinzugefügt)

Diese holde Mädchengestalt war mir wie ein Lichtstrahl auf meinem dornenvollen Lebenspfade. Sie war der Gegenpol meines tiefernsten Wesens, das nur Leid und Krankheit um sich sah, tief versorgt und verbittert war, weil es auf allen Seiten grausamen Undank, Kränkung, Verfolgung und Lieblosigkeit wahrnahm. Das heitere, sorglose Lächeln dieser geliebten Erscheinung löste alle Sorgen, alles Herzeleid und fachte neue Lebensfreude in mir an. Diese Verlobungszeit mit Emma Gründer aus Lauthental am Harz dauerte mehrere Monate und bot mir anfänglich mache freudige Stunde. Jede Reise zu den lieben Müttern in Lauthertal war mir ein feierlicher, glücklicher und froher Tag. Ich harmonierte mit der Mutter und auch mit der Großmutter meiner Braut fast noch mehr als mit ihr selber, da mir deren Charakterzüge imponierten. Bei Emma war die körperliche Erscheinung mehr der Anziehungspunkt. Manche spirituelle Erlebnisse hatte ich während dieser Zeit, starkes Klopfen usw. Schon auf Kurhaus Eilenriede waren mir wiederholt Signale zu irgendwelchen Mitteilungen, Ermutigungen oder Warnungen usw. gegeben worden. Emma hörte selbst oft diese Mitteilungen, und ich belehrte sie dann über den Spiritualismus. Aber sie neigte wenig zu wissenschaftlichem Denken und Forschen, auch liebte sie körperliche Arbeit nicht sehr, und das waren später die Trennungspunkte, wodurch ich oft mit ihr in Differenzen geriet. Hierbei stand ihre Mutter dann stets auf meiner Seite.

Eingetretene Hindrnisse führten zur Lösung dieser Verlobung. Das tiefere Band der Seelenharmonie fehlte, und daher war die Aufhebung dieses Verlöbnisses geboten.

Aber diese Verlobung erweckte bei manchen jungen und merkwürdigerweise auch bei älteren Damen eine unerklärliche Eifersucht. So wurde der Mutter meiner Braut mit Briefen nachgestellt, um die Verlobung wieder rückgängig zu machen. Auch ich wurde, besonders von Frau H., der ersten geheilten Patientin, gedrängt, von der Verlobung zurückzutreten, da Emma keine rechte Frau für mich sei. Man bemängelte sie nach allen Seiten, und Emma hielt denn in der Tat diesen Kämpfen gegenüber nicht stand; sie liebte außerdem ihre Heimat über alles und glaubte sich den Pflichten als meine Gehilfin und Gattin nicht gewachsen, da sie auch in ihrer Bildung zu weit hinter mir zurück war und absolut keine Lust zur Fortbildung hatte. Alle diese Gründe brachten uns zur Auflösung unserer Verlobung. Ich konnte mich nur schweren Herzens dazu entschließen, und noch einmal versuchte ich auf meiner letzten Reise nach L., Emma zu treuem Festhalten zu gewinnen, auch die Mutter und Großmutter redeten in diesem Sinne auf Emma ein. Doch schien Emma nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat wieder Interesse für ihren früheren Verehrer, einen jungen netten Bergmann, gefaßt zu haben, und das führte mich zu der Einsicht, daß die Aufhebung der Verlobung das beste sei. Doch ich war seelisch tief ergriffen und erschüttert von dieser Wandlung meiner Braut und schied von ihr und ihrer Mutter mit den besten Segenswünschen. Ich fuhr nach Braunschweig und blieb dort. Bis tief in die Nacht dachte ich über alles nach und litt stark an Heimweh nach Familie Gründer.

Mein Schutzgeist verhütet eine Neuanknüpfung der aufgegebenen Verlobung, wo mir nur körperliche Schönheit anziehend war.

Ich faßte den Entschluß, am anderen Tage noch einmal zurückzufahren und eine Wendung der Sache herbeizuführen und die Verlobung zu erneuern. Ich fragte in meiner sehnsuchtsvollen Verzweiflung meine Schutzgeister, was ich tun solle, ob ich zurückfahren und die Verlobung erneuern solle und bat, mir durch Klopfen Antwort zu geben. Ich bestimmte, daß einmal Klopfen mir soviel wie „nein“, zweimal „unbestimmt“ und dreimal „ja“ bedeuten solle. Kaum war ich mit dieser Frage und Bedingungsstellung zu Ende, da krachte es unter meinem Bette so laut, als ob ein Kanonenschiff abgefeuert worden wäre. Ich sprang erschrocken auf, machte Licht, öffnete das Fenster und sah hinaus, hörte und gewahrte aber nichts. Ich hatte geglaubt, es sei ein Unglück passiert. Nun erst vermutete ich, daß der Geist mir solche kräftige Kundgebung gemacht hatte. Ich fragte, ob dieser laute Knall das entschiedene „Nein“ auf meine Frage bedeutet habe; nun klopfte es dreimal, das war die bejahende Antwort. Noch einmal versuchte ich, meinen Schutzgeist zu bestimmen, mir bei der Erneuerung der Verlobung behilflich zu sein und mir noch einmal Antowrt zu geben. Wieder wurde ein lauter Knall in meinem Schlafzimmer laut; nun sah ich, daß es in der Bestimmung von oben lag, mich von Emma für immer zu trennen. Dieser zweite Knall brachte mir die vollste Beruhigung und den Entschluß, nichts weiter in der Sache zu tun. Ich überließ mich und meine Führung den mich umgebenden Schutzgeistern und reiste nach Hannover zurück.

Schnöder Undank geheilter Patientinnen.

Die Frau H. in L. und einige andere Damen, die früher mit Begeisterung für mich agitiert hatten, lernte ich nun von ihren höchst fehlerhaften Seiten kennen. Ich erlebte fortan, daß Menschen, die man aus Schmerzen, Not, Elend, tödlichem Siechtum errettet, denen man mit Hingabe aller Kräfte Gesundheit und Wohlsein wiedergebracht hat, sich derart vergessen können, wie ich es erlebt habe. Nur wenige geheilte Patienten blieben hinfort meine treuen Freunde; die Mehrzahl ließ nicht mehr von sich hören.

Der Besitzer der Badeanstalt zum Äskulap schätzte meine Fähigkeiten als Krankenheiler nach wie vor und übertrug mir bald nachher, als der frühere Naturarzt Alter nach Südamerika berufen wurde, die Leitung der Krankenbehandlung solcher Badegäste, welche naturärztlicher Hilfe bedürftig waren. Aber nach nicht langer Zeit wurde diese Badeanstalt an einen Naturarzt verpachtet, der meine Wirksamkeit überflüssig machte.

Auffindung meiner besten Freundin, die mir in tiefstem Leid nun mein Trost und Rettungsanker wurde.

Im August 1895, als ich von all den bitteren Erfahrungen auf Kurhaus Eilenriede müde geworden war und meine Verlobung mit Fräulein Emma G. sich wider aufgelöst hatte, fragte mich ein Küchenfräulein aus unserem Hotel, ob ich Frl. Henny Pieper aus Hannover kenne. Ich bejahte dies und fragte, warum sie dieses wissen wolle, worauf sie sagte, sie sei aus Hameln und habe das Bild ihrer Freundin in meinem Album gesehen. Ich fragte, ob sie wohl wüßte, wo Frl. P. zur Zeit weile, worauf sie sagte, in Hamelschen Burg bei Pastor Morgenstern, aber sie ginge demnächst mit ihrer Tante nach Bad Eilsen bei Bückeburg. Ich war über diese Auskunft hocherfreut und schrieb, nachdem mir dies junge Mädchen ganz genau die Adresse meiner früheren Verlobten mitgeteilt hatte, an dieselbe einen schönen langen Brief  und erhielt zu meiner größten Freude eine sehr befriedigende Antwort.

Es war Sommer 1895, als ich, ermattet von allen Mühen, Sorgen, Kämpfen, Verfolgungen und Enttäuschungen, die Reise nach Bückeburg machte, um meine frühere Verlobte, Henny P. zu besuchen, die mir seiner Zeit so jäh von ihrem Onkel und Vormund entrissen worden war. Ihr lieber Brief auf mein erstes Schreiben hatte mich zu dem zweiten Briefe mit der Bitte veranlaßt, sie besuchen zu dürfen. Nach zusagender Antwort reiste ich dann, nicht ohne Sorgen, was wohl die Zukunft bringen würde, zu ihr. Leider traf ich sie nicht, wie verabredet, auf dem Bückeburger Bahnhof an. Ich ging dann durch den nahe an Bückeburg sich anschließenden Wald (Harl), den Weg nach Bad Eilsen zu.

Bad Eilsen bei Bückeburg, das Bild, das mir der Geist in Bremen vor Augen geführt hatte, wo ich mich mit meiner zukünftigen Frau verloben sollte.

Als ich jenseits aus dem Wald trat, sah ich vor mir eine schöne Landschaft, die mich plötzlich erstaunen machte. Es war genau dasselbe Bild, das mir der männliche Geist in jener Nacht in Bremen vor Augen geführt hatte, als ich ihn fragte, wo ich meine zukünftige Frau finden würde.

Jetzt wußte ich, daß ich unter Führung stand, daß meine Geister, daß meine Geister mich nicht verlassen hatten, daß alles erlittene Leid und Unrecht ein Ende nehmen würd, und daß ich an der Seite einer geliebten Gattin, die mich ganz verstand, vielleicht auch einmal das genießen könnte, was man mit dem Namen „Lebensglück“ bezeichnet.

Ich setzte mich dann eine Welle an den Waldessaum, betete und dankte meinem Schutzengel, betrachtete lange sinnend dieses Wunderbild der Natur, das ich darum so herrlich fand, weil ich es jahrelang vorher im Geiste gesehen hatte, ebenso deutlich und natürlich wie jetzt. da ich es mit leiblichen Augen in der Wirklichkeit sah. Nun eilte ich schnellen Schrittes den Weg bergab, dem idyllischen Eilesen zu. Bald hatte ich Namen und Wohnung von Henny ausgekundschaftet und sah sie vor mir im ersten Laden, dessen Besitzer durch seine Schwester, die mit H. befreundet war, ein Zusammentreffen vermittelt hatte. Die alte Tante Rocca hatte nebenan ein Ladengeschäft, in dem meine frühere Verlobte behilflich war. Die erste Zusammenkunft war kurz. Ich ging darauf im Kurpark spazieren und beobachtete das Publikum und unbemerkt auch meine Zukünftige, die sich öfter unter dem Vorbau des Ladens zeigte. Sie war eine reizende Mädchengestalt, malerisch gekleidet, in weißer Bluse, schwarzem Rock, roter Schürze und großer altgoldgelber Schleife vor der Brust. Ihr Profil zeigte einen sehr edlen und feinen Gesichtsschnitt, nur erschien mir die Figur nicht ganz proportionell, auch etwas klein, und das Gesicht reichlich rund und breit. Doch gewann ich den bestimmten Eindruck, daß dieses weibliche Wesen einen ausgezeichneten Kern in sich hatte, der die geringen körperlichen Mängel wohl vergessen machen könnte. Auch hatte ich die Hoffnung, daß das jugendliche Naive und Unerfahrene, auch sonstige Züge, die mir bei ihr zu schwächlich waren, durch Liebe, Belehrung und guten Willen ausgebildet und ergänzt werden könnten. Abends um 9 Uhr traf ich dann noch einmal mit meiner Freundin zusammen; und als sie mich ihrer Freundin als ihren Verlobten vorstellte, war ich hocherfreut und überrascht. Sie erklärte mir dann, daß sie, hätte sie mich nicht wiedergesehen, Schwester geworden wäre, um sich der Krankenpflege zu widmen. Sie sei mir treu geblieben und ihr Entschluß, mich zu heiraten, sei bei ihr unverändert.

Als ich tiefgebeugt von den traurigen Erlebnissen fast gebrochen an Leib und Seele war, ergriff meine junge Freundin und Schülerin Henny P. die Initiative zur neuen Verlobung mit dem Gelöbnis der Durchführung der Heirat.

Ich erzählte ihr dann mein Schicksal während der Zeit, in der wir uns nicht gesehen hatten, und sie nahm alles mit größter Teilnahme auf, versprach, mir alle Unannehmlichkeiten überwinden zu helfen, und so erneuerte nwir unseren Bund, mit dem festen Entschluß, unseren Willen, allen etwaigen Gegnern zum Trotz durchzusetzen, bis wir die Verheiratung erreicht hätten. Ich reiste darauf nach Hannover zurück, blieb dort, bis die letzten Patienten abgereist waren, ging dann selber Ende August für einige Zeit zur Erholung nach Bad Eilsen und verlebte dort manche glückliche Stunde, während der ich meine Verlobte auf Spaziergängen begleitete und wir Gelegenheit fanden, uns eingehend kennenzulernen und zu beraten. Im September kehrte ich nach Kurhaus Eilenriede zurück, unternahm dort nichts mehr, machte nur schriftliche Arbeiten und beobachtete das Gebaren des Hotelwirts, was mich zu der Gewißheit führte, daß der Mann schon seit einige Zeit ein doppeltes Spiel getrieben hatte und Kurgäste, welche zum Kurhause kamen, dem jungen Arzt zuschickte, der sich dort in Waldhausen niedergelassen hatte. Da mein Kurwirt noch nicht einmal die halbe Summe der Inserate für das Kurhaus beglichen hatte, die ich für ihn mit bezahlt hatte, und die Verpflichtung der Zahlung bestritt, selber aber die Kurgäste, die durch meine Inserate gekommen waren, dem gegnerischen Medizinarzt sandte, da ferner dieser Herr Wirt bei meinen Kurgästen, die bei mir in Behandlung waren, die Pflege und Bewirtung vernachlässigt hatte und sich selbst in Sekt- und Kaviarschwelgerei gütlich tat, so wurde es mir klar, daß dieses Haus kein Segen mehr für mich war und kam zu der Überzeugung, daß eine Eheschließung so bald wie möglich das beste sei, um ein eigenes Heim mit eigener Anstalt zu begründen. 

Mein entgültiger Fortgang von Kurhaus Eilenriede bei Hannover.

Ich packte meine Sachen, sandte einen großen Teil derselben an meine Braut nach Hameln, ging im Herbst wieder auf Vortragsreisen und blieb lange Zeit in Goslar, wo ich mich mit der Ausarbeitung meines Werkes über Heilkunde beschäftigte. Meine Braut war inzwischen gleich nach Schluß der Saison mit ihrer Großtante zu ihrem Vetter, einem unverheirateten evangelischen Dorfpfarrer in der Heide, gereist und kehrte im Oktober nach Hamelns zurück. Nach ihrer Rückkehr nach Hameln reiste ich von Goslar dorthin, stellte mich der Großtante und andern Verwandten meiner Braut vor und wurde von der Großtante Rocca sehr gut aufgenommen. Diese versuchte nun, in Verbindung mit meiner Braut auf den Vormund günstig einzuwirken, damit er seinen Segen zu unserem Bunde gäbe; sie habe mich kennen gelernt und sei überzeugt, daß ihre Großnichte einen guten Mann fürs Leben gefunden habe.


Levitating Stone
(Hinzugefügt)


Erstellt 1994 und September 2006. Update 21. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm
Innere Erschließung einer höheren geistigen Welt aufgrund selbsterlebter Tatsachen