Carl Huter: Innere Erschließung einer höheren geistigen Welt - Part 8
 
Fortsetzung

Der lippische Thronfolgestreit zur Zeit meiner Übersiedelung nach Detmold.

In derselben Zeit, als ich meinen Umzug von Hannover nach Detmold vollzog, fand in Lippe ein heißer Kampf um die Regentschaft statt. Diese hatte Prinz Adolf von Schaumburg seit dem Tode des Fürsten Waldemar auf dessen letztwilligen Wunsch übernommen. Prinz Adolf war sehr beliebt; doch das Land war mit der Lösung dieser Frage größtenteils unzufrieden, und die Mehrheit des Lippischen Volkes war der Meinung, dem richtigen Agnaten, Grafen Ernst zu Biesterfeld-Lippe, sei durch Ausschluß von der Regentschaft ein großes Unrecht geschehen.

Biesterfeld-Lippe

In Detmold wählten zwei Parteien. Die Anhänger des Prinzen Adolf nannte man „die Bückeburger“, ihr Organ war die in Detmold erscheinende Lippische Tageszeitung. Die Gegner nannte man „die Biesterfelder“. Ihr Hauptorgan war die Lippische Landeszeitung, das erste, älteste und auch verbreiteste Blatt im Lande. Ein Hauptführer der Biesterfelder Partei war der freisinnige Landtagsabgeordnete, Rechtsanwalt Asemissen in Detmold. Dieser Mann hatte unermüdlich für die Rechte des Biesterfelder Hauses im Landtag, in der Presse, durch Eingaben, Broschüren, Vorträge u. dgl. Propaganda gemacht. Er schien der angehende Bismarck der damals zukünftigen Biesterfelder Dynastie zu werden. Diesem Mann und besonders auch dem Schwager des damaligen Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe, dem Prinzen Carl zu Salms-Horstmar, hat es das Biesterfelder Haus zu danken, daß auf Vorschlag des Reichskanzlers die drei Agnaten des Lippischen Fürstenthrons, Fürst Adolf von Schaumburg-Lippe, der Chef des Hauses Lippe-Weißenfeld, Graf Erich, und der Chef des Hauses Lippe-Biesterfeld, Graf Ernst, sich dahin einigten, daß ein Schiedsgericht eingesetzt wurde, bestehend aus sechs Reichsgerichtsräten unter dem Vorsitz Sr. Majestät des Königs Albert von Sachsen, welcher über die Thronfolge, resp. vorläufige Regentschaft im Fürstentume Lippe entscheiden sollte und dessen Schiedsspruch sich die beteiligten Häuser fügen wollten.

Der 17. Juli 1897, der denkwürdige Tag der Eröffnung meines Sanatoriums und zugleich der Einzug des Grafregenten Ernst zu Detmold.

Dieser fiel zugunsten des Biesterfelder Hauses aus; und am 17. Juli 1897 zog Graf Ernst zu Lippe-Biesterfeld in Detmold ein.


Pensionat und Kuranstalt in Detmold
Bild links: Carl Huter stehend im Behandlungsraum; Bild rechts Person Carl Huter rechts vor Haus in Detmold
(Hinzugefügt)

Die Arbeiten zur Herstellung meiner Kuranstalt, die schon bis zu Pfingsten beendet sein sollten, hatten sich derart verzögert, daß die Eröffnung meiner Anstalt hinausgeschoben werden mußte; und war es Zufall, was es Schickung, erst am gleichen Tage, an dem der neue Regent hierher kam, konnte dies vollzogen werden. Anfänglich wurde mein Pensionat fast gar nicht, die Kuranstalt sehr wenig besucht. Gegen Herbst und Winter blühte die Praxis teils durch Inserate, teils durch Empfehlungen befriedigend auf.

Die Entstehung meiner ersten Druckwerke und die Anfeindung eines Mitgliedes im Detmolder Naturheil-verein.

In meiner vielen freien Zeit arbeitete ich an dem Werke „Die neueste Heilwissenschaft“, welches ich im Winter 1898 bei der Meierschen Hofbuchdruckerei in Druck gab. (Hier vollständig in Rubrik „Heilwissen“).


Am 12. Dezember 1897 hielt ich auf Veranlassung des Detmolder Naturheilvereins einen Vortrag in meiner Anstalt, der von zirka 30 Personen besucht und gut aufgenommen wurde. Nur ein anwesender Volksschulhilfslehrer hat versucht, den Vortrag zu bemängeln. Dieser selbe Mann hatte schon im Frühling 1897, als mir der erste Vorsitzende des Detmolder Naturheilvereins, Forstkalkulator Sch., die Abhaltung eines Lehrkurses im gleichen Verein übertragen hatte, unter der Hand gegen mich agitiert und durch Sammlung von Namensunterschriften eine Anzahl Mitglieder dazu gewonnen, nicht an meinem, sondern an dem zu veranstaltenden Lehrkursus eines Bielefelder Naturheilkundigen und Versicherungsagenten teilzunehmen. Ich kannte diesen merkwürdigen Gegner, Lehrer X., gar nicht und konnte mir anfänglich nicht erklären, wie der junge Mann ohne Grund derart gegen mich und für einen fremden Mann agitieren konnte, was ganz gegen die Wünsche und Entschließungen des Vereinsvorstandes war. Schließlich erfuhr ich, daß dieser überkluge Mann herausgefunden haben wollte, ich hätte im Vortrag einmal statt Mediziner Medeziner gesagt, was falsch sei und dergleichen mehr. Der Vorsitzende des Vereins, Kunstmaler St. teilte mir dies in einem Briefe mit. Kurz, da ich in Hannover in dortigen Naturheilkreisen so wenig edle Dinge erfahren hatte, so war es mir doppelt unangenehm, zu entdecken, daß sich auch im hiesigen Naturheilverein Leute befanden, mit denen nicht zu arbeiten war.

Kunstmaler St., der Vorsitzende des Detmolder Naturheilvereins, und mein durchschlagender Vortragserfolg in seinem Atelier vor einflußreichen Personen.

Zwei Schüler hatte ich angenommen, die sich bei mir in Massage und Badewesen ausbildeten, Hoffmann und Kirchhof. Beide bemühten sich, gut zu lernen. Der neue Vorsitzende des Naturheilvereins, Maler St., ein Hauptmann der Reserve, trug mir gegenüber ein merkwürdig selbstbewußtes, fast arrogantes Wesen zur Schau. Bei einem Besuche, den ich ihm machte, fragte ich ihn, ob er sich schon mit Theosophie und Spiritismus beschäftigt habe, was er verneinte. Meine Frage, ob er sich denn als Porträtmaler mit Psychologie, Physiognomik und Formenbildungskunde vertraut gemacht habe, verneinte er ebenfalls und meinte stolz und selbstbewußt, das sei unnötig, „ich male nur das, was auf mich wirkt“. Das sah denn auch ganz seinen Schöpfungen und seinem Wesen ähnlich. Alle Versuche, ihn zu bestimmen, sich mit Farbenharmonielehre, Psychologie und Physiognomik abzugeben, da ohne diese Wissenschaften kein Porträt- und Historienmaler weiterkommen könne, scheiterten an seinem hartnäckigen Widerstande. Ich dacht so für mich: Schade um alle Mühe und Arbeit dieses Mannes; es wird vergeblich sein, nie wird er ein großer Künstler werden können. Ich wollte ihn wohlwollend beraten und unterrichten, der Mann schien das aber nicht für nötig zu halten. Immerhin interessierte er sich für Vegetarismus, Naturheilkunde u. dgl. sehr lebhaft; und da er bald von meinen Heilerfolgen und zutreffenden Diagnosen viel Gutes erfuhr, hat er mich fleißig empfohlen. Er veranstaltete selbst am 6. Februar 1898 in seinem neuen Atelier, Neustadt-Detmold, einen Gesellschaftsvortrag, zu dem er zahlreiche Personen aus den ersten Kreisen Detmolds eingeladen hatte, an denen ich meine psycho-physiognomischen und diagnostischen Urteile anstellen mußte. Der Ministerialsekretär Lohmann stenographierte gewissenhaft alle Aussagen mit, und das Resultat war am Schluß glänzend für mich ausgefallen. Der anwesende Gymnasialdirektor, Professor Dr. Gerhardt und sein Schwiegervater Dr. med. Piderit sprachen sich sehr anerkennend über meine Leistungen aus. Mir war dies eine große Freude, weil Dr. Piderit selbst ein ausgezeichneter Kenner der Physiognomik und Mimik war; sein diesbezügliches Werk war mir schon längst bekannt. Das stenographische Protokoll jener Sitzung wurde in zwei Originalsabschriften hergestellt, von denen die eine mir überlassen wurde, die ich später in dem Werke „Die neueste Heilwissenschaft“ veröffentlicht habe *). (hier vollständig in Rubrik „Heilwissen“).

*) Dieses Werk war seiner Zeit bald vergriffen und ist nicht neugedruckt worden. Meister Huter hat dann in späteren Jahren eine Neubearbeitung desselben geschaffen, die das vollkommenste System der Heilkunde darstellt, das ich kenne. Vielleicht gelingt es, dieses Werk noch im Druck erscheinen zu lassen. D. Herausg.

Kurz vor und nach diesem Vortrage hatte ich über Herrn St. selbst je einen Wahrtraum mit Hellgesicht, den ich meiner Frau und einigen nahen Bekannten mitteilte. Wegen des traurigen Zukunftsbildes, das ich als Verhängnis über diesem Manne sah, tat er mir sehr leid; doch schien er mir durch sein ganzes Wesen selbst schuld an seinem Schicksal zu sein. Ich sagte nichts davon, doch ging ich öfter zu ihm und suchte wohlwollend auf ihn und seine Zukunft einzuwirken. Allen Ratschlägen trat der Mann aber mit einer fast zynischen Abwehr entgegen. Schon innerhalb eines Jahres bestätigte sich ein Teil des Wahrtraumes; St. verzog von Detmold unter keinen günstigen Umständen; sein ursprüngliches Vermögen von 80.000 Mk. war derart reduziert, daß er auf seinen Reisen nur noch vierter Klasse fuhr. Der Mann ist mir nie sympathisch gewesen, doch seine Frau erschien mir nett, und seine Kinder mochte ich sehr gern. Das Endschicksal St.´s, das ich in den Hellgesichten erblickt hatte, will ich hier in Rücksicht auf seine liebe Familie nicht veröffentlichen. Nur soviel will ich hier kundgeben, daß ich in seiner Umgebung keine guten Geister walten sah. Diese unangenehmen Geister zog er aber selbst durch sein seltsames Wesen an. Diese waren es auch, welche keinen Segen an ihn herankommen ließen und ihn hartnäckig und verstockt gegen alle lieben Ratschläge machten, die man ihm im Interesse seiner künstlerischen Entwicklung, seiner Familie und seiner glücklichen Zukunft gab. St. war sonst in künstlerischer und ethischer Beziehung nicht übel veranlagt, nur machten ihn seine Überhebung, Unnahbarkeit, Arroganz, Unbeständigkeit und sein Eigensinn für den Umgang so unbrauchbar.

Ein Bielefelder Versicherungsagent und sein Schlepper, der Hilfslehrer X. in Detmold, machen mit unsauberen Mitteln den Detmolder Naturheilverein zur Domäne ihrer Einnahmen und täuschen die Mitglieder. Dieses veranlaßte mich, den Verein zu meiden.

Weit unangenehmer als der Vorsitzende waren mir jedoch mehrere Mitglieder des Naturheilvereins, besonders auch der schon erwähnte Lehrer X. Dieser Mann stand mit dem Heilkundigen N. in Bielefeld als Schlepper und  Unteragent in Verbindung und schien gegen Bezahlung oder sonstige Vorteile als Agitator für denselben bestellt zu sein. Der Heilkundige selbst suchte durch Praxis, Vorträge, Versicherungen usw. den Detmolder Naturheilverein zur Domäne seiner Einnahmen zu machen, und mochte nun wohl befürchten, ihm könne durch meine Vorträge und Praxis manches in Detmold verloren gehen, daher die Anstellung dieses geheimen Agitators, des Lehrers X. für sich und gegen mich. Ich durchschaute die Sache bald und wandte mich mit Abscheu von diesen Leuten ab.

Am 11. Februar 1898, nachts um 1/2 12 Uhr, habe ich in meinem Studierzimmer, Elisabethstraße 37, I. Etage, in Detmold eine merkwürdige Erscheinung wahrgenommen. Das Zimmer war völlig dunkel; denn ich hatte die Lampe auf den Korridor gebracht und ausgelöscht, weil mich meine Frau beim Schlafengehen darum gebeten hatte. Das Schlafgemach stieß unmittelbar an mein Studierzimmer. Das Wetter war den ganzen Tag trübe gewesen, und daher herrschte auch abends tiefste Finsternis; die Straßenlaterne war, wie gewöhnlich, schon um 11 Uhr gelöscht worden, und in dem gegenüberliegenden Hause war alles längst zu Bette, so daß auch von dort kein Lichtschein in mein Zimmer fallen konnte, außerdem waren die Fenstervorhänge dicht zugezogen. Nachdem ich die Balkontür im angrenzenden Familienzimmer, sowie die Türen, die zum Korridor und zu meiner Stube führen, verschlossen hatte, wollte ich zu Bette gehen. Ich legte Hut und Mantel ab und begab mich an den Platz zwischen den beiden Türen des Familien- und meines Studierzimmers, wo eine Etagere stand, um mir hier, wie gewöhnlich, meine Stiefel auszuziehen und in die unter der Etagere stehenden Pantoffeln zu treten.

Hier will ich einschalten, daß ich den Tag über fleißig an einem wissenschftlichen Werk gearbeitet, erst spät zu Abend gegessen und dann einen einstündigen Spaziergang durch die Stadt unternommen hatte, ohne jedoch irgendwelche alkoholische Getränke zu mir zu nehmen. Gegen 11 Uhr kehrte ich von diesem Spaziergange zurück, und ich will noch einmal bemerken, daß die Straßenlaternenvor dem Hause schon gelöscht war. Das Wetter zeigte sich recht naßkalt und rauh, so daß ich mich mehr frostig als wohl fühlte.

Eigene Gedanken zum Lippischen Thronfolgestreit kurz vor einer großen Offenbarung am 11. Februar 1898 im Wohnzimmer meines Hauses, Detmold, Elisabethstr. 37.

Auf meinem Tische lagen die verschiedenen Tageszeitungen. Ich übersah, bevor ich die Lampe löschte, die Nachrichten des in Detmold erscheinenden Generalanzeigers und der Landeszeitung, fand in dem ersteren einen sehr beleidigenden und abfälligen Artikel gegen das Lippische Regentenhaus Biesterfeld, sah in der letzteren, die sonst immer sehr mutig für dieses eingetreten war, ausnahmsweise ein Notiz, welche weniger Mut und Zuversicht für die Erbfolge desselben verriet. Ich dachte über diese Nachrichten noch nach, während ich die Vorbereitungen für die Nacht machte, und das Schicksal der Familie tat mir in der Seele weh, hatte doch diese schon sowieso sehr viel dulden und ertragen müssen, ehe Graf Ernst durch den Schiedsspruch des Reichsgerichts Regent von Lippe geworden war. Nun wäre ihr endlich der wohlverdiente Frieden zu gönnen gewesen; denn nach meinem Dafürhalten ist der Biesterfelder Linie durch den Schiedsspruch zu ihrem Recht verholfen worden. Jetzt, nachdem endlich das Recht gesiegt hatte, sollte noch weiter gewählt werden? Ja, dachte ich, leben wir denn eigentlich in Deutschland, dessen Bewohnern von uralten Zeiten her der große Rechtssinn nachgerühmt wurde, oder ist eine derartige Korruption und Entartung eingetreten, daß nicht nur bei dem  einfachen Volke das Recht in erschreckend zunehmendem Maße gebeugt wird, sondern sich diese Rechtsverdrehung sogar bis auf die ersten herrschenden Stände erstreckt, nachdem ein hochachtbarer deutscher König dem guten Recht zum Siege verhofen hatte? Wer mag es wagen, jetzt noch das Heiligste, was ein Volk bewegt und ehrt und mächtig hält, das Recht, dem wieder zu entreißen, dem es zugesprochen ist? O wie furchtbar! Sollte es den Schlangen im Menschengestalt wirklich gelingen, mit Hilfe eines professionellen, akademischen Rechtsverdrehers das Recht wieder auf den Kopf zu stellen? Ja, dachte ich, die Gegenparteien sind vielleicht wirklich in dem guten Glauben befangen, ihre Rechte seien durch diesen Schiedsspruch gekürzt. Also diesen ist zu verzeihen; irren ist menschlich. Aber wie kommt eine ganze Rotte unverständiger Menschen dazu, das Recht zu verhetzen, und wie kommen Juristen dazu, das Recht nicht nur zu bezweifeln, sondern hart zu bekämpfen? - Dann dachte ich: Heutzutage liegt die Macht nicht mehr in den Händen der regierenden Fürsten, sondern in den Händen der juristischen und anderer akademischer Schulgelehrten und der Presse. Ist es in der medizinischen Wissenschaft nicht geradeso? Eine Afterwissenschaft macht sich zum Teil an den Hochschulen breit, die für Fürsten und Völker eine drohende Gefahr geworden ist. Dann dachte ich an mein liebes engeres Vaterland, an das einstmalige Königreich Hannover. Wie ist doch dort durch Macht das Recht gebrochen worden. Der gerechte König Georg, der sich strikt an die Neutralitätsparagraphen der Bundesverfassung hielt, mußte zum Dank dafür den Sturz seines Hauses und die Auflösung des Hannoverschen Königsreichs erleben. Wie wurde mit Hessen verfahren und mit welchem Recht? Kein König Wilhelm, glaube ich, kann das je gewollt haben. Nein, ein Jurist und Diplomat war es, der damalige Minister Bismarck, der, wohl aus größeren, mir nicht bekannten Gesichtspunkten, es für gut hielt, das Recht so zu drehen,  wie es heute besteht. Ich will annehmen, Bismarck hat in einer Art heiliger Schwärmerei gelebt, er glaubte, es müßten Opfer gebracht werden und seien sie noch so sehr gegen die heiligsten Gefühle, Traditionen und Herkommen, wenn nur etwas Größeres und Besseres dafür geschaffen würde. Ja, also immerhin noch ein Grund zur Entschuldigung von Bismarcks Taten; aber welcher Grund liegt vor, in Lippe das Recht einer eingebildeten größeren Sache zu opfern? Ich konnte keinen finden. Ach, arme Regentenfamilie, dachte ich, was mußt du wohl noch alles durchmachen und unschuldig tragen! Der schmutzige Geldspekulant gibt als Grund an, die Biesterfelder seien nicht reich genug, darum paßten sie nicht zu Regenten in Lippe. Der juristische Legitimationsschnupperer will ihnen den Vorwurf machen, die Voreltern der Gräfin stammten aus bürgerlicher Familie, darum seien die Kinder nicht thronfolgefähig. Ja, ist es denn eine Schande, wenn ein Fürst eine Bürgerliche heiratet? Es werden doch große Staaten von bürgerlichen Präsidenten regiert; außerdem haben die Mehrzahl deutscher Fürsten bürgerliches Blut in ihren Adern. Wie unreif wäre wohl das deutsche Volk, wie wenig Bürgerstolz hätte es, wenn es sich diesen Vorwurf gefallen ließe. Waren denn nicht eine große Anzahl von Adligen, auch wohl einige Fürsten in Deutschland, die Nachkommen des wendischen und fränkischen Adels, der oft von Bauern, Zöllnern und Landvögten herstammte? Wurde nicht der altdeutsche Uradel von Karl dem Großen gestürzt und zu Bürgerlichen degradiert? Außerdem hat doch der Grafregent vor Eingehung der Ehe die Erlaubnis des damaligen Chefs des Hauses nachgesucht; ferner stammt die Gräfin väterlicherseits aus altdeutschem Adel, dem von Wartensleben? Diese beiden Punkte allein sind maßgebend für die hergebrachten Rechtstraditionen, und auf Grund dieser Tatsachen ist dem Grafen Ernst zu Biesterfeld sein Recht geworden und ebenfalls auch - ja, das ist eben die Frage, es ist nur ihm geworden. Das Schiedsgericht hat die Frage offen gelassen, ob den Söhnen auch das gleiche Recht zuteil wird. Nun sucht man hier einen Haken einzuschlagen, um diesen das Recht zu verkümmern. Hier steht´s´ja geschrieben in den Blättern, dieses sei noch lange nicht entschieden.

Gedanken über Recht und Rechtsverdrehung in Deutschland und Besorgnisse über die eigenes Zukunft.

Wie wird das noch werden, dachte ich; es geht dich ja allerdings nichts an, Prinz Adolf ist ja auch ein guter Mensch, aber das Rechtsgefühl, die Teilnahme ist doch nun einmal so stark bei mir, daß ich von alle diesem ergriffen bin; ich fühle es der Regentenfamilie nach, ich sehe ihr Unglück schon kommen. Seitdem Bismarck in Deutschland den Grundsatz einführte: „Macht geht vor Recht!“, seitdem wird der Mächtige noch sehr oft ausgiebig davon Gebrauch machen. Dann dachte ich an mich, wie es mir wohl gehen würde. Wirst du hier ruhig und in Frieden wohnen bleiben oder werden die Mediziner nicht auch ihre Vormacht benutzen und das Recht, dein Recht, verdrehen, daß man dein Pensionat mit Kurbad, in dem so viele Kranke Heilung und Erholung finden, als Krankenanstalt auslegt, und obwohl du die Genehmigung vom Magistrat hast, dir Schwierigkeiten, ja dir vielleicht deine Praxis unmöglich machen wird? Mit welchen Strafparagraphen der Gewerbeordnung werden sie einzuhaken versuchen, sobald sie deine Konkurenz fühlen, und zu welchen Mitteln werden sie greifen, wenn du um Konzession bei der Regierung nachsuchen willst? Welch wunderbares Geschick, wie schon gesagt, daß am Tage des Einzugs des Grafregenten, am 17. Juli 1898, auch meine Anstalt eröffnet wurde. Oftmals liegt, wenn sich zwei wichtige Ereignisse an einem Zeitpunkt vollziehen, ein gleiches Geschick über beiden. Hat das Regentenhaus kein Glück hier, so hast du es auch nicht, darum dachte ich mit Sorge an die Zukunft und dachte an eine harte Vergangenheit zurück, in der ich schon so reichlich mit allen möglichen Widerwärtigkeiten des Lebens gekämpft. Wann wirst du mit deiner Familie wohl endlich einmals Frieden finden, kein Unrecht mehr erfahren? Das Glück wollen wir uns dann schon selber gründen. Doch wie Gott will, dachte ich, wir müssen alles annehmen wie es kommt, damit will ich mich trösten, damit kann sich auch die Regentenfamilie trösten. Wer immer recht und gut gelebt, nach dem Besten gestrebt hat, der hat seine Pflicht getan und kann alles ertragen, was das Leben auch schicken mag. Wenn es schlimm wird, dann sucht man neue Kraft im Gebet. Auch den heutigen Tag will ich mit der Bitte schließen: Gott und alle guten Geister, die um mich sind, mögen alles zum Besten wenden, das wünsche ich auch dem Hause unseres Regenten.

Plötzliches Hellwerden im dunklen Zimmer und meine Untersuchung, ob Sinnestäuschung oder wirkliches Licht.

Also, von diesen Gedanken erfüllt, ging ich auf den schon erwähnten Platz, um die Kleider abzulegen. Da wurde es plötzlich um mich her hell. Ich erschrak, da ich nirgends eine Lichtquelle wahrnehmen konnte, beruhigte mich aber schnell, in der Meinung, ich habe es mit einer Sinnestäuschung zu tun. Jetzt faßte ich mich zu scharfer Beobachtung und Untersuchung und gewahrte in ungefährer Entfernung von 2 m, im Kreisviertel von der Zimmerdecke ab, wo ich stand, das betreffende Licht, in Dunkelheit sanft übergehend, nach mir zu heller werden. Da ich ferner von diesem 2 m umfassenden Kreisviertel alles klar und deutlich sehen konnte, obwohl sonst tiefste Finstenris herrschte, kam ich zu der Überzeugung, daß eine Halluzination ganz ausgeschlossen war, und diese Lichterscheinung eine völlig objektive, von außen herkommende sei. Ich vergewisserte mich dessen zu wiederholten Malen, sah die Farben der Tapete, die Zeichnung der Türmaserungen, die Holzadern des gefirnißten Fußbodens usw. Ich forschte weiter, ob ich noch mehr, vielleicht Fasern und Staubkörnchen, erkennen könne. Dabei neigte ich den Oberkörper links seitwärts nach vorn und gewahrte tatsächlich, ebenso scharf wie bei hellstem Tageslicht, alle möglichen Kleinigkeiten, Staubkörner, Teppichfasern usw. Ich war nicht  wenig erstaunt, als ich auf dem Fußboden einen klar abgegrenzten Schlagschatten von meinem geneigten Oberkörper erblickte. Jetzt wußte ich, daß weder Halluzination noch irgendeine andere Einbildung vorlag. Ich richtete mich wieder gerade auf, ohne meinen Platz zu verlassen, und fühlte jetzt auf der rechten Seite des oberen Hinterkopfes in ungefährer Größe eines Fünfmarkstückes eine sehr wohltuende warme Einstrahlung, die den Körper durch und durch erwärmte, ihn belebte und das ganze Empfinden harmonisch oder angenehm zu stimmen schien. Jetzt war ich sicher, daß über mir die Lichtquelle sein mußte; denn einmal ließ der Schlagschatten und zweitens diese fühlbare Einstrahlung von oben mit Bestimmtheit darauf schließen.

Das Schauen der Glückssonne über meinem Hause und meinem Haupte.

Ich blickte nach oben und sah da, wo der gemalte Deckenfries im rechten Winkel zusammenlief, eine wunderbar hellstrahlende Lichtscheibe in der Größe, in der unsere natürliche Sonne erscheint. Dieses Licht hatte ich noch nie gesehen; es schien vom Himmel, durch Dach und Zimmerdecke zu kommen. Diese Lichterscheinung war von unbeschreiblich mildem Strahlenglanz, heller und lichter, besonders reiner und weißlicher als unsere natürliche Sonne, von der Farbe des elektrischen Bogenlichts, nur mit dem Unterschiede, daß dieses hart und blendend wirkt und jenes Licht wunderbar weich und warm war, ungefähr so wie der Hauch eines gesunden, wohlwollenden und edlen Menschen, nur noch viel stärker und intensiver an Kraft. Jetzt überkam mich das Gefühl, als wenn ich etwas Heiligem, einer hohen himmlischen Offenbarung gegenüberstand. Ich ließ daher diese Sonne ruhig einige Zeit auf mich wirken, da sie alle Spuren von frostiger Kälte, an denen ich den ganzen Tag gelitten hatte, völlig verschwinden machte und mich erwärmte, als wenn man zu kalter Winterszeit ein Glas Glühwein schlürft. Ich hatte den lebhaften Wunsch, bei diesem Ereignis Zeugen zu haben. Könnte doch dieses Licht photographiert werden, dachte ich, schade, daß kein Momentphotograph hier ist. Ich war schon im Begriff, meine in der angrenzenden Kammer schlafenden Frau zu wecken, damit sie auch die anderen Leute im Hause weckte und herbeiholte, um dieses Schauspiel zu sehen, als mir der Gedanke durch den Kopf schoß, daß solche Erscheinungen eventuell durch Rufen und Lärmen gestört und aufgelöst werden könnten. Daran war mir aber nicht gelegen, vielmehr erwartete ich, noch mehr zu schauen. Ich mußte mich woho oder übel entschließen, auf Zeugen zu verzichten mit dem traurigen Gedanken: Wenn du das, was du hier jetzt erlebst, fremden Leuten erzählst, so glauben sie dir einfach nicht. Es werden höchstens deine Frau und die wenigen Bekannten, die dich in deiner Wahrhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit seit Jahren genau und gründlich kennen, deinen Worten Vertrauen schenken. Schließlich tröstete ich mich mit dem Gedanken, deine Nächststehenden werden es dir aufs Wort glauben, und vielleicht liegt gar ein Grund vor, es den Fernstehenden plausibel zu machen, vielleicht ist diese ganze Mitteilung, die unbedingt aus einer höheren Welt stammt, auch nur für dich ganz allein bestimmt; also darum abwarten und die Dinge, die noch kommen werden, ruhig und scharf beobachten.

Die Erscheinung einer wunderschönen lichten Engelsgestalt und ihre Weissagungen und Segnungen am 11. Februar, abends 11 1/2-12 Uhr 1898.

Kaum hatte ich diesen Gedanken beendigt, als es an meiner ganzen linken Körperseite, bei den Schultern anfangend, noch lichter und wärmer wurde, als an meinem übrigen Körper, jedoch nicht ebenso warm wie auf der Stelle des rechten Hinterkopfes, wo mir die Sonnenstrahlen hinein brannten oder, besser gesagt, strahlten. Ich sah mich halbseits um und dachte, jetzt stehts du ja wie in einem Kreuzfeuer, was mag hieraus wohl werden. Ich gewahrte, wie sich an der oberen Hälfte der Zimmertür eine lichte Engelsgestalt langsam entwickelte. Es schien mir ein weibliches Wesen zu sein. Dieses neigte sich mitseinem wunderbaren lichten Lockenhaupte zu mir bis an meine linke Schulter herab und versuchte etwas zu sagen. Mehrere Male machte sie Ansätze zum Sprechen, aber jedesmal war es, als wollte sich ihre Gestalt wieder auflösen. Schließlich schien die Gestalt fester und kerniger geworden zu sein, so daß die Materialisation auf längere Zeit haltbar wurde. Jetzt sprach sie mit einer hauchenden Stimme. Den Anfang der Rede konnte ich nicht genau verstehen; dann aber wurden die Worte klarer. Der Engel sprach: „Verhalte dich ruhig, mein Lieber, höre, was ich dir jetzt sage. Sei fernerhin wegen deiner Zukunft ohne Furcht und Sorge, zage nicht mehr; denn du stehst unter einer wunderbaren Führung. Du hast viel Unangenehmes im Leben erfahren, aber die guten Geister sind mit dir und deine Zukunft und die deiner Familie wird sich glücklich gestalten. Über deinem Hause und auch über dem des Grafen Ernst strahlt die Sonne des Glücks.“ Hier folgte eine lange Prophezeiung, die ich gleich nachher in mein Tagebuch niederschrieb, da sie aber mehr private als allgemeine Interessen berührt, will ich sie vorläufig hier nicht veröffentlichen. Auch über die Familie des Grafen Ernst wurde mir eine Prophezeiung mitgeteilt, die ich hier aber ebenfalls nicht wiedergeben mag. Nur eins will ich hier verraten. Trotz des heiligen Ernstes, der mich in diesen Augenblicken erüllte, konnte ich doch nicht die zweifelnde Frage an diesen Lichtgeist unterdrücken: „Gibt es denn wirklich eine Sonne des Glückes? Ich glaubte, das sei nur ein Aberglaube, da ich so etwas nur von Wahrsagerinnen gehört habe.“ Diese Frage wurde mir mit einem ausdrücklichen „Ja“ beantwortet, und ich wurde auf die über meinem Haupte strahlende Sonne hingewiesen. Ferner will ich hier mitteilen, da es wohl von allgemeinem Interesse ist, daß der gute Geist mir klar und deutlich sagte: „Die Nachkommen des Grafen Ernst werden als ebenbürtig anerkannt werden. Zunächst wird beim Lippischen Landtage ein Regentschaftsgesetz zugunsten der Söhne des Grafregenten entscheiden. Diese werden später, trotz Anfechtungen und Kämpfe, von den deutschen Bundesfürsten als thronfolgefähig anerkannt werden.“ Auf meine Frage: „Ist das gewiß, obgleich es doch jetzt so trübe für diese Familie aussieht?“, erhielt ich die Antwort: „Ja, das ist gewiß. Wo die Sonne des Glückes strahlt, da ist alle menschliche Gewalt, die dagegen kämpft, ohnmächtig. Gegen diese höhere geistige Macht kämpft jede menschliche Intrige vergeblich.“ Ich fragte nun, ob denn Kaiser Wilhelm I. bei seinem rätselhaft vielen Glück auch einen höheren Beistand gehabt hätte. Der Lichtgeist bejahte dies. Es wäre nicht zum geringsten Teile dem hohen edlen Geiste der Königin Luise zu verdanken gewesen. Ohne höheren Beistand hätte Kaiser Wilhelm nicht diese Erfolge gehabt. Es wäre ein Irrtum, sie auf Bismarcks Konto zu schreiben. Gerade darum, weil auf der Gründung des neuen Deutschen Reiches noch dauernder Segen ruhe, müsse die Lippische Erbfolgefrage in dem Sinne gelöst werden, wie die Geister es wollten, also zugunsten des Biesterfelder Hauses. Eine Lösung im entgegengesetzten Sinne würde Unglück für das ganze Reich zur Folge haben. Außerdem sei dieses Haus auch des Glückes völlig würdig, was ihnen von oben beschieden sei, usw. „Du aber“, fuhr der Geist fort, „wirst schon am 22. Februar d. J. zum Schlosse gerufen werden, um vor der gräflichen Familie einen Vortrag zu halten.“ Dies waren die letzten Worte des Lichtgeistes. Darauf löste sich die Gestalt langsam auf, das Licht um mich her wurde matter, die Sonne verschwand über mir, und in wenigen Sekunden lag alles um mich her wieder in tiefster nacht und Dunkelheit.

In mir war es aber hell geblieben. Unbeschreiblich selig, so zufrieden und beruhigt fühlte ich mich, daß ich nicht einmal Lust verspürte, meine Frau zu wecken. Eine Weile blieb ich noch auf und ließ die gehabten Eindrücke in mir fortwirken; dann legte ich mich mit Dankgebet zur ruhe. Am andern Morgen schlief ich länger als sonst, gegen Mittag erzählte ich die Erlebnisse meiner Frau, einige Zeit später einigen Bekannten. Die Prophezeiung der Erbfolge berichtete ich jedoch nur nach dem Versprechen der Verschwiegenheit, bis sich alles realisiert hätte. Ich teilte es aus dem Grund wenigen Bekannten mit, um dann, wenn ich die Erlebnisse jenes Abends veröffentlichen würde, einige Zeugen zu haben, denen ich die Prophezeiung mitgeteilt habe zu einer Zeit, in der noch keiner die Erfüllung derselben für möglich hielt.

Die erste Erfüllung der Weissagung des Engels war mein Vortrag am 22. Februar 1898 auf dem Residenz-schloß.

Ohne mein Zutun, sondern lediglich aus freier Initiative, wurde ich einige Tage nach dieser wunderbaren Prophezeiung zum Vortrage auf das Schloß befohlen. Zuerst sollte ich am Sonntagmorgen früh, dem 19. Februar, zum Vortrag kommen. Dann erschien gegen Mittag der Lakai noch einmal und bestellte mich zum Montag, dem 20. Februar, abens 8 Uhr. Endlich erschien abends der Lakai vom Hofmarschallamt und bestellte  mich auf Mittwoch, den 22. Februar, zum Vortrag. Von der Erscheinung hatte niemand bisher erfahren. Am 22. Februar habe ich also tatsächlich einen Vortrag auf dem Detmolder Residenzschlosse gehalten vor Sr. Durchlaucht dem Grafregenten nebst Familie und anderen hohen Herrschaften. Der Vortrag wurde gut aufgenommen, wofür mir die begeisterten Kundgebungen aus den Reihen der Anwesenden ein Beweis waren. Auch der Grafregent empfing und entließ mich mit warmem Händedruck und herzlichen Worten.

Detmold Schloß
(Hinzugefügt)

Mein Vortrag behandelte praktische Psychologie, auf den Grundlagen meiner neuen Physiognomik und Lebenslehre, also Feststellung von Charakter-, Neigungs-, Krankheitsanlagen, sowie Lebens- und Reaktionskraft der verschiedenen Personen nebst Angabe der geeigneten Heilmittel.

Mein Zwiegespräch mit dem Grafregenten von Lippe über Spiritismus am Schlusse meines Vortrages.

Interessant war am Schluß des Vortrags die Frage des Regenten: „Sie sind wohl Materialist, da Sie alle geistigen Anlagen aus dem Körperäußern erkennen?“ Ich antwortete: „Selbstverständlich erkenne ich die volle Bedeutung der Materie an, sie gilt mir mehr als ein bloßes Anhängsel des Geistes. Materialist im landläufigen modernen Sinne bin ich jedoch nicht; ich bin vielmehr Idealist, allerdings auf gesunder materieller Grundlage.“ „So,“ erhielt ich zur Antwort, „Sie sind doch nicht etwa gar Spiritist? Na, an den Schwindel glauben Sie doch wohl nicht!“ Darauf erwiderte ich: „Erlaucht, es gibt im Spiritismus einen Kern Wahrheit, der ist es wert, daß man ihn aus dem Wust von Aberglauben, Irrtum, Zweifeln und Skepsis herausschält. Ich spreche aus Erfahrung.“ Grafregent: „Sollte das wohl möglich sein? Ich glaube nicht an den Spiritismus.“ „Jawohl,“ antwortete ich, „ich spreche aus heiligster Überzeugung.“ - Allgemeines Staunen. - Damit war der erste Vortrag beendet.

Mein zweiter Vortrag auf dem Detmolder Residenzschloß am Abend des 5. März 1898. Thema Magnetismus und Helioda, mit Experimenten.

Einige Zeit darauf, am 5. März, wurde ich zum zweiten Vortrag eingeladen. Dies kam mir ganz unerwartet, so daß ich mich gar nicht vorbereiten konnte. Außerdem saß ich tief in meinen wissenschaftlichen Arbeiten und war total abgearbeitet und gewissermaßen erschöpft. Als ich an diesem Abend den Schloßsaal betrat, sah ich, daß der Kreis der Zuhörer noch bedeutend größer war, als am ersten Vortragsabend. Die Damen waren weiß gekleidet, die Herren in Gala. Se. Exzellenz der Staatsminister, der Kammerpräsident, die Kammerherrn, der Lippische Flügeladjutant und andere waren zugegen. Schade, dachte ich, daß der Vortrag nicht früher bestellt wurde, ich hätte mich besser darauf vorbereiten und über meine Erfahrungen im Spiritismus sprechen können.

Nähere Erklärungen über Magnetismus, Od, Helioda und Suggestion.

Ich wählte nun das Thema: „Die sinnlichen und mystischen Seiten des menschlichen Seelenlebens. Erklärung der Erscheinungen beim Hypnotismus, Magnetismus und bei der Suggestion, meine Entdeckung der Helioda und der magnetischen Energie, als Grundlagen einer neuen Weltanschauung.“ An mehreren mitgebrachten Bildern machte ich klar, wie die Ausstrahlung der Helioda, die man fälschlich als Vitalelektrizität oder Magnetismus bezeichnet, photographiert worden sind und wie diese ausstrahlende Kraft bei Krnkheiten zur Kräftigung geschwächter Körper das beste mir bekannte Heilmittel sei. Die Helioda ist Nervenkraft und Lebenslicht und nicht, wie irrtümlich angenommen wird, Magnetismus des Blutes. Magnetismus ist eine anziehende und konzentrierende Kraft, also ganz entgegengesetzt von der Kraft, die sich durch Ausstrahlungen kennzeichnet. An verschiedenen mitgebrachten Magneten legte ich die Beweise hierfür durch Experimente klar. Dann ging ich im Kreise herum und hielt die gestreckten Finger in die Nähe verschiedener Personen, ohne dieselben zu berühren, in einer Entfernung von 10 cm bis zu 5 m, um den Beweis zu erbringen, daß jeder, der dafür empfänglich sei, die Ausstrahlung der Helioda wahrnehmen könnte. Hierbei kam die von mir immer bestätigte Tatsache zutage, daß nicht jede Person für die Helioda empfänglich ist und daß die verschiedenen Personen die Ausstrahlung verschieden fühlen. So habe ich denn analog, auch bei den verschiedenen Kranken verschiedene Erfolge damit erzielt, bei manchen blieben diese ganz aus. Auf die Frage, ob hierbei nicht etwa auch die Einbildung eine Rolle spiele, antworteten sofort einige Anwesende, das sei ganz ausgeschlossen, da sie deutlich die Strahlungen aus meinen Fingerspitzen an den jeweiligen Körperstellen wahrnähmen, auf die ich meine Hände gerichtet hätte. Ich erklärte dann, daß diese Kraft diejenige sei, mit der die heiligen Männer der Bibel durch Segnen und Handauflegen Wunderheilungen vollbrachten und die die gleichen Heilerfolge nachweislich erzielt hätten, wie ich, nur benannten sie diese Kraft, statt Heillicht oder Helioda, Heilige-Geist-Wirkungen. Die Lehre über Heilmagnetismus neuerer zeit habe nicht Klarheit über diese Kraft gebracht. Magnetismus sei mehr das, wocurch bedeutende Hypnotiseure geiwrkt haben, z.B. Hansen, Gerling und der Gedankenleser Cumberland, welche teils durch Einschläferung, teils durch Wachsuggestion einen fast magisch-magnetischen Einfluß auf ihre Medien ausgeübt haben. Bei der Heliodaübertragung bleibt der Empfangende intellektuell klar, sein Denken und Empfinden wird sogar heller und gesammelter, feiner und intensiver, ganz entgegen dem Einfluß des hypnotischen Magnetismus, bei dem das Gegenteil der Fall ist. Bei der Anwendung als Heilmittel trete ich nur in wenigen Fällen für den hypnotischen Magnetimus ein, in den meisten Fällen aber für die Helioda. Der Hypnotismus hat schon oft geschadet, die Helioda noch nie. Diese kann dem Kranken nur nützen; den Heliodaseur, welcher diese Kraft abgibt, schwächt es allerdings, darum heliodasiere ich nur in den dringendsten Fällen *), wenn jedes andere Mittel, wie Massage, Wasseranwendungen, Diät-, Luft-, Licht-, Wärme- und Bewegungskuren, versagen.

*) Das Reichenbachsche Od, das ich ursprünglich mit Helioda identisch hielt, ist eine Kraft für sich, welche zwischen Magnetismus und Helioda liegt. Näheres darüber in meinen Spezialwerken.

Auf die Frage, ob dies denn mit dem Spiritismus in Verbindung stände, antwortete ich: „Zunächst wohl nicht; denn hier haben wir es mit einer Kraftübertragung von Mensch zu Mensch in vollwachem Zustande zu tun, Ursache und Wirkung liegen klar und deutlich vor uns. Bei dem Spiritismus kommt man aber auf das Gebiet der Mystik, auf dem uns viele Rätsel ungelöst bleiben. Dort wirken nicht Menschen, sondern Engel oder Geister direkt durch ein tiefschlafendes Medium und treten in Erscheinung und rätselhafte Wirksamkeit. Wahrscheinlich ist aber die Helioda die Kraft, welche den geistigen Intelligenzen hierbei zur Vermittlung dient, Bestimmtes weiß man jedoch nicht darüber. Wenn ich nun in meinem ersten Vortrage die materiellen Seiten des Menschen, seinen körperlichen Ausdruck behandelt habe, so will ich heute Abend von der verborgenen Kraft der Helioda ein Bild geben, die wir nicht sehen, wohl aber fühlen können, auf welcher die eigentliche Sympathie, Antipathie und Interesseslosigkeit verschiedener Menschen gegeneinander ganz unbewußt beruht. Bei einigen Individuen hat man die Heliodastrahlen photographiert. In meinem Werk „Deie neueste Heilwissenschaft“ habe ich Näheres hierüber dargelegt. - In meinem nächsten Vortrag will ich die mystischen Seiten des menschlichen Seelenlebens, also besonders den Spiritismus behandeln.“ Nachdem ich noch einige Erklärungen gegeben hatte, z.B. wie man im Gesichtsausdruck, in der Augeniris, Körperhaltung usw. die verschiedenen psychischen Neigungen und Krankheiten erkennen kann, schloß ich den Vortrag wegen der vorgerückten Stunde, und Se. Erlaucht der Grafregent meinte: „Nächstes Mal wird uns Herr Huter mal einige spiritistische Experimente vormachen.“ Damit verabschiedete sich der hohe Herr und wurde, da er lahm ist, in einem Rollstuhl fortgefahren. Vorher betonte ich aber noch ausdrücklich, ich könne keine spiritistischen Experimente vormachen; denn zu den echten gehöre ein Medium, zu den unechten ein Taschenspieler, zu beiden aber fehle mir jegliches Talent. Wohl aber wolle ich über meine Erfahrungen und Erlebnisses im Spiritismus sprechen und meine neue Weltanschauung darlegen, nach deren Theorien eine Lösung dieser Rätsel auf naturwissenschaftlicher Grundlage gelingen würde.

Nach Schluß des Vortrages, als der Regent schon fort war, wurde ich mit allerlei Fragen bestürmt, wie z.B.: „Glauben Sie denn wirklich an den Spiritismus, haben Sie denn schon wirkliche Geistererscheinungen gesehen? Wir sind wirklich gespannt, was Sie uns im nächsten Vortrag darüber erzählen werden.“ „Glauben,“ sagte ich, „ich glaube schon längst nicht mehr; ich weiß, ich bin überzeugt, daß es Geister gibt, die sich uns offenbaren können. Erst neulich habe ich ohne Medium eine wunderbare Erscheinung in meiner eigenen Wohnung gesehen und Mitteilungen erhalten, die ich zu veröffentlichen noch nicht für zeitgemäß halte, aber Sie alle sollen später davon erfahren. Über meine Erfahrungen mit spiritistischen Medien will ich Ihnen aber heut Abend noch ein Beispiel anführen.“ Darauf erzählte ich den Fall mit dem Medium Emil Schraps aus Mülsen bei Zwickau, welcher seiner Zeit wegen Betrugs angeklagt und vom Leipziger Landgericht freigesprochen wurde, weil die spiritistischen Phänomene, welche sich vollzogen, nachdem das Medium im Tiefschlaf lag von Ärzten und sonstigen Sachverstädnigen anerkannt wurden. Auch vom Deutschen Reichsgericht sind bekanntlich die Phänomene bei Schraps als echt anerkannt, worüber die Hecknersche Broschüre „Die Wahrheit“ berichtet, zu beziehen von der Hecknerschen Buchdruckerrei des Wolfenbüttlers Kreisblattes.



XXII. Kapitel.

Neue Schicksalsschläge in Detmold. Mein Kampf mit Medizinern, Naturheilmenschen, Verbrechern und Gerichten, bis zu den glänzendsten Anerkennungen großer Ärzte.

Die Gunst des Hofes hatte mir Mitglieder des Adels und angesehene Personen als Patienten verschaftt. Selbst der Prinz Carl zu Salms-Horstmar war zu mir gekommen, als er zu Besuch am Detmolder Hofe weilte.

Die überraschende Charakterbeurteilung eines unbekannten Mannes in meinem Hause, welcher sich als Prinz Carl zu Salms-Horstmar hinterher vorstellte u. ein Förderer und Gönner meiner Lehre zu werden versprach.

Erstellte sich als Baron vor, ich kannte den Herrn nicht; er wünschte beurteilt zu werden. Das Urteil fiel zu seiner *Überraschung derart zutreffend aus, daß er in die Worte ausbrach: „Sie gottbegnadeter Mann, was ich tun kann, um Sie bekannt zu machen und Ihre Wissenschaft zu verbreiten, das werde ich nicht unterlassen. Haben Sie einen Wunsch?“ Ich sagte ihm, ich wünsche später einmal von ihm in Berlin am Kaiserhof, sowie an anderen ihm nahestehenden Fürstenhöfen eingeführt zu werden, damit ich dort durch Lehrvorträge wirken könne. Dieses hat mir der durchlauchte Prinz versprochen. Ich sagte, noch sei meine Zeit nicht gekommen, erst wolle ich noch meine Werke vollenden. Vielleicht sei ich in fünf Jahren soweit, daß ich mich diesbezüglich an ihn wenden könne. „Jede Zeit und Stunde sind Sie mir willkommen,“ sagte mein Gönner.

Das Urteil, das ich über ihn abgab, war folgendes: „Sie sind aus altem Adelsgeschlecht, das früher einmal regiert hat. Sie haben Fähigkeiten zum Hypnotisieren, haben großes Interesse daran, Verbrecher zu bekehren und suchen hierbei Ihr hypnotisches Taent zu betätigen. Schließlich haben Sie Interesse für Psycho-Physiognomik, sind ein sehr religiöser und gottesgläubiger Mann, der für die Religion alle erdenklichen Opfer bringen kann.“ Alles bestätigte der Mann mit eigenen Aussagen, Belegen und Erzählungen aus seinem Leben und stellte sich dann erst als Prinz zu Salms-Horstmar vor, der zur Zeit zu Besuch auf dem Residenzschlosse weile.

Levitating Stone
(Hinzugefügt)
Die Gründung des Huterischen Bundes und mein Verkehr mit höheren Mächten.

Die Erfahrungen in der Naturheilbewegung haben mich und meine Freunde bewogen, aus dieser Bewegung auszutreten. Dies wurde die Ursache zur Gründung des Huterischen Bundes, der seit seinem Bestehen blüht und gedeiht. Viele, die diese Kämpfe mit beobachtet haben, sagen, meiner Klugheit und Tatkraft habe ich die Siege zu verdanken. - Ich meine aber, ohne Führung und Beistand von oben wäre ich in diesem furchtbaren Kampfe zugrund gegangen. Das ist meine feste Überzeugung. Nicht allein durch mich, sondern durch Mithilfe von oben habe ich gesiegt.


Erstellt 1994 und September 2006. Update 21. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben. Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm
Innere Erschließung einer höheren geistigen Welt aufgrund selbsterlebter Tatsachen