Carl Huter: Innere Erschließung einer höheren geistigen Welt - Part 3
 
Bild links: Der gute Menschenkenner Nr. 84. 1940
Fortsetzung

Hildesheim, Berlin, Leipzig, Dresden, die vier Bildungsstätten und ihre Einwirkungen auf Carl Huter in seinem Jünglingsalter.

Die herrliche Stadt Hildesheim mit ihrer romantischen Umgebung übte auf mich einen nachhaltigen Einfluß aus. So ist diese Lehrzeit eine gute für mich gewesen. Ein rechtschaffenes braves Bürgertum mit gutem Verstand bewohnt dieses Städtchen. Leider ist der Schnaps und sonstige Alkoholgenuß dort mehr als verbreitet. Eine rechte innere Befriedigung fand ich jedoch in dieser Zeit nicht, wenngleich ich mich mit meinem Schicksal halbwegs abfand. Mein leidenschaftlicher Sinn für Kunst und Wissenschaft trieb mich bald, nachdem ich die Lehre beendet hatte, auf die Wanderschaft. Ich lernte Berlin, den Harz, verschiedene Städte in Sachsen kennen. Eine Wonne war mir das Wandern in den Berliner Gemäldegalerien, die Kenntnisnahme der herrlichen  Kunstschätze Dresdens. Eine schöne Zeit verlebte ich in Zwickau und mittweida unter lieben guten Menschen. Das Meiste lernte ich in Dresden und Leipzig, in letzterer Stadt durch den Besuch wissenschaftlicher Vorträge, durch Bekanntwerden mit dem Verein für harmonische Philosophie, sowie mit Künstler-, Gelehrten und Studentenkreisen. In Dresden gab ich mich dem Studium der schönen Künste hin. In der Königlichen Bibliothek dortselbst studierte ich eifrig alle erdenklichen Werke über Psychologie, Philosophie, Kunstgeschichte, Phrenologie, Mimik und Physiognomik. Hier fand ich Gelegenheit, meine künstlerische Natur auszubilden, während Leipzig besonders auf meine wissenschaftliche Weiterbildung einwirkte. Beide Städte boten mir zusammen so unendlich viel Anregung, wie es Berlin nicht zu tun schien, obwohl ich auch diese Stadt sehr lieb gewonnen hatte. Berlin zersplittert zu sehr; ich wurde dort sogar eine Zeit lang Materialist und Atheist. Sucht nach Verdienst, Genuß, Oberflächlichkeit, Spöttelei, aber auch Gewandtheit, Schneidigkeit, zuweilen auch Gemütlichkeit, das sind die hervorspringendsten Eigenschaften Berlins. Ebenso typisch für die meisten Menschen Berlins ist die Verneinung aller tiefphilosophischen und idealen Bestrebungen durch Frechheit und Unsittlichkeit, Schwindel und Leichtfertigkeit oder steife unnatürliche Art. Das stieß mich ab; aber um einen Menschen gewitzigt und lebensgewandt zu machen, dazu ist Berlin wohl geeignet.

Eine edle Jüdin als treue Freundin in Berlin, und ihr magischer Einfluß zur Entwicklung des Fernfühlens.

Ich studierte das Berliner Leben und Treiben bei Tag und Nacht, Lumpen, Verbrecher, Gauner und Erwerbstalente. Auch edle Naturen sind in Berlin zu finden. Jedoch war mit die Berliner Atmosphäre auf die Dauer nicht zuträglich, ich fühlte mich in ihr nicht wohl. Außerordentlich hat mir dort das Soldatenwesen und die Manneszucht des Militärs imponiert. Überhaupt das Militär, der Hof, die großen politischen Köpfe und Generale waren immer imponierende Gestalten, die ich liebgewann. Auch Oper, Schauspiel, Ballet, Kunstsammlungen stehen auf einer Höhe, von der sie nachhaltig, idealisierend wirken können und einem teilweise das wiedergeben können, was das sonstige Berliner Leben nimmt, resp. wodurch Berlin materialisierend, abstoßend und verflachend wirkt. Mein Herzenswunsch, in Berlin die Kunstakademie zu besuchen, blieb wegen Mangel an pekuniären Mitteln, unerfüllt. Die Tochter eines Rabiners faßte eine auffallend tiefe Liebe zu mir, die ich jedoch nicht so zu erwidern wagte, daß mich eine Heirat verpflichtet hätte, da ich noch zu jung und zu sehr von wissenschaftlichen und künstlerischen Idealen erfüllt war. Durch dieses vortreffliche Mädchen lernte ich sehr achtenswerte Charaktereigenschaften der jüdischen Rasse kennen, wodurch mir fortan viele Vorurteile gegen das Judentum genommen wurden. Bei diesem edlen Freundschaftsverhältnis haben sich bei mir die ersten bedeutenden Fernwirkungen von Gedankenübertragungen und Hellfühlvorgängen bekundet.

Als Sänger an der Leipziger Oper und meine musikalische Fortbildung.

Von Berlin ging ich nach Leipzig. Hier entdeckte man bei mir eine gute Stimme; ich fand Gönner und erhielt freien Gesangunterricht. Ich wirkte in Oper und Schauspiel mit, erhielt Freikarten zu den Gewandhauskonzerten und Opernvorstellungen. Dadurch lernte ich Musik- und Theaterleben näher kennen. Leider verlor ich die Kraft meiner Stimme in der Höhenlage, und so blieb auch dieser Wunsch, Opernsänger zu werden, unerfüllt.

Carl Huter lernt in Leipzig alle neueren Reformbewegungen und ihre Führer kennen.

In Leipzig lernte ich die verschiedenartigsten und interessantesten Menschen kennen. Diese Stadt hat, ohne besondere architektonische oder Schönheiten der Natur zu besitzen, doch etwas ungemein Fesselndes durch das impulsive geistige Leben, das sich hier stärker konzentriert als in irgendeiner anderen Stadt. Alle erdenklichen Reformbewegungen waren in Leipzig anzutreffen. Diese Stadt gibt reichlich Gelegenheit zur Aneignung einer vielseitigen kosmopolitischen Bildung.

Dresden mit seinen Kunstschätzen, Prachtbauten, Sammlungen und Naturschönheiten gibt einem viel in idealer Hinsicht, es regt die ästhetischen und künstlerischen Gefühle an wie keine zweite Stadt Deutschlands. In diesen beiden Städten habe ich mir mein Wissen besonders erworben, hier hat jeder Gelegenheit, sich aus eigner Kraft zum Gelehrten, Künstler oder Schriftsteller auszubilden. In Leipzig lernte ich auch die sozialen, vegetarischen, naturheilkundlichen und spiritualistischen Lehren und Bestrebungen kennen.

Prof. Dr. Cyriax, Buchhändler Besser, Porträtmaler Matern wurden mein Freund und Gönner. Letzterem verdanke ich eingehende Schulung in der Porträtmalerei, den beiden ersteren das gründliche Studium des Spiritualismus.

Tiefe Not, Hunger und Entbehrung in Leipzig.

Durch meinen Wissenseifer, durch ungünstige Erwerbsverhältnisse kam ich leider in eine Notlage, wie ich sie bisher noch nie hatte kennen gelernt. Wochenlang hatte ich kaum trocken Brot zu essen, es schien, als sollte ich in Not und Elend zugrunde gehen. Von Haus erhielt ich keine Unterstützung; Arbeit und Verdienst war nirgends zu bekommen. So brachte mich diese Notlage eines Tages fast zur Verzweiflung. Ich wohnte im Brühl in einem alten Haus fünf Treppen hoch, bei Leuten, die selbst kaum zu essen hatten. Uhr, Ring, selbst das letzte entbehrliche Kleidungstück waren längs versetzt. Zum Almosenbitten war ich zu stolz. Ein Brief von zu Hause nahm mir fast allen Glauben an die Menschheit. Meine Mutter beantwortete meine Bitte um Unterstützung abschlägig mit dem Bemerken: „Junge Hunde müssen beißen lernen.“ Mag dieser Grundsatz auch nicht schlecht gemeint sein, so war er hier doch falsch angewandt. In einer Großstadt ist es im Winter oft unmöglich, Arbeit zu erlangen. Tausende von Menschenleben gehen da, das habe ich erfahren, jährlich in Armut und Hunger zugrunde. In dieser tiefsten Not betete ich oft stundenlang inbrünstig zu Gott, er möge mir helfen. Darauf verging mir Hunger, Sorge und Schwäche des Körpers.

Carl Huter hatte sich selbst aufgegeben und war in Unglauben verfallen. Als er in tiefster Verzweiflung ist, erscheinen ihm zwei Engel, die ihn trösten und ihm wichtige Dinge über sein Lebensschicksal verkünden.

Eines Tages setzte ich mich auch wieder an den Tisch meines Dachstübchens, und es überkam mich ein trostreiches Kraftgefühl. Ich stützte den Kopf in beide Hände und rief zum Himmel, warum ich solchen Hunger, solche Armut erdulden müßte, warum ich kein Gymnasium hätte besuchen und in Leipzig hätte studieren können. Da plötzlich erschien mir zu beiden Seiten meines Kopfes zwei wunderbare Engelgesichter von himmlischer Schönheit. Der Engel rechts von mir sprach: Du lieber Jüngling, verzage nicht, diese harte Schule des Lebens mußtest du gehen, um geistig groß zu werden, du mußtest Armut, Hunger, Elend kennen lernen, um erfahrungs- und kenntnisreich auch in diesen Seiten des Lebens zu werden, damit du dich später mit ganzem Herzen der Armen annehmen kannst. Murre auch nicht, daß du kein Gymnasium und keine Universität besucht hast, das sollte nicht sein, denn du wärest dann nicht das geworden, was du so geworden bist. Gerade darum wirst du ein König des Geistes werden, und niemand in der Welt, der noch so viel gelehrte Bildung genossen hat, wird dir gleichkommen. Du mußt das tiefste Leid kennen lernen, um zu höchsten geistigen Entwicklung gelangen zu können.“

„Also gibt es doch eine geistige Welt!“, rief ich aus. Ich verzweifelte fast und glaubte nicht mehr dran, aber nun sehe ich es. Da sprach der andre Engel zu mir: „Du wirst hier in Leipzig noch mehr von der geistigen Welt erfahren, du wirst weder Materialist bleiben, noch zu deinem Kirchenglauben zurückkehren, obwohl du jetzt in der Not wieder beten gelernt hast. Suche aber Gelegenheit, den Spiritualismus kennen zu lernen, durch ihn wirst du mit vielen befruchtenden Wahrheiten bekannt werden. Schreibe heute noch an deinen Onkel, er wird dir etwas Geld schicken, dann kräftige deinen Körper, gehe in diesen Tagen aus und sieh dich nach Arbeit um, du wirst in einem Haus an der Pleiße Stellung und Verdienst finden.“

Eine glückliche Wendung, Arbeit, Verdienst und ein guter braver Freund.

Beide Engel segneten mich darauf und verließen mich. Ich trat ans Fenster und dankte Gott für diese Sendung seiner Engel. Dann tat ich, wie mir befohlen war und schrieb an meinen Onkel Ferdinand. Am selben Tage ging ich noch die bezeichnete Straße entlang, trat in ein neuerbautes Haus, das an der Pleiße gegenüber dem Schloß lag und dem Bankier Meyer gehörte. Dort fragte ich nach Arbeit und erhielt sie. Ein Dekorationsmalergeschäft aus Berlin hatte hier die Arbeiten übernommen; der Werkführer hatte alles zum Beginn derselben vorbereitet, und am nächsten Tag wurde ich als Dekorationsmaler fest angestellt. Nach wenigen Tagen erhielt ich auch ein Darlehen von meinem Onkel; nun konnte ich meine Sachen auf dem Pfandhaus wieder einlösen und endlich wieder warmes Mittagbrot essen. - Mein Magen schien durch den wochenlangen Hunger eingeschrumpft zu sein; er nahm anfangs nur wenig zu sich, mein Körper war monatelang noch krank und schwach. Doch allmählich kam ich wieder zu Kräften. Ich hatte guten Verdienst, angenehme Arbeit und einen braven Arbeitskollegen. Dieser war mir in jeder Hinsicht sympathisch; er war ein lebenslustiger, doch ideal gesinnter Berliner Maler, ein Mensch, wie er in Berlin wohl nur selten zu finden ist.

Vom Spiritualismus wollten meine Kollegen freilich nichts wissen. Der Werkführer war ein ganzer Materialist; mein Kamerad war gerade kein Spötter, aber er verhielt sich skeptisch, gab wohl die Möglichkeit der Existenz einer geistigen Welt zu und philosophierte auch gern mit mir darüber. Ich aber suchte die spiritistischen Kreise auf und ließ mich im Verein für harmonische Philosophie als Mitglied aufnehmen.


XII. Kapitel.

Meine Erfahrungen in der spiristischen Bewegung in Leipzig und meine erste Beiwohnung einer spiritistischen Materialisationssitzung bei dem Medium Frau Valeska Töpfer in Leipzig.

Im Verein für harmonische Philosophie in Leipzig lernte ich eine Anzahl interessanter und sympathischer Menschen kennen. Jede Woche fand ein öffentlicher Vortrag des Dr. Cyriax statt. Diese Vorträge waren belehrend und unterhaltend. Sie behandelten vorzugsweise ethische, religiöse und spiritualistische Fragen. Gewissermaßen ersetzten sie den sonntäglichen Gottesdienst. Unter den Zuhörern fand man Personen aller Gesellschaftsklassen vertreten, Studenten, Rentner, Kaufleute, Handwerker, Arbeiter, Gelehrte, Künstler und Personen von hohem Ansehen. Dieser Verein wollte den Mitgliedern auch Gelegenheit geben, den Sitzungen von Medien beizuwohnen.

Erste Beiwohnung einer spiritualistischen Sitzung bei dem Medium Valeska Töpfer in Leipzig.

Die erste dieser Sitzungen, der auch ich beiwohnte, war die der Frau Töpfer. Die Sitzung fand in der Wohnung derselben statt, in den Tagen, in welchen der erste Kongreß aller Spiritualisten Deutschlands in Leipzig abgehalten wurde. Am Sitzungsabend mochten ungefähr zwanzig Personen anwesend sein. Im Hauptzimmer der Wohnung Frau Töpfers befand sich rechts vom Türeingang ein dunkler Vorhang, von der einen Wand bis zur andern gezogen. Hinter demselben konnte eine Person sitzen und vielleicht drei daneben stehen. In der Ecke, in der Mitte des abgetrennten Raumes befand sich ein Stuhl, auf dem Frau Töpfer Platz nahm. Vor der Sitzung wurde an die auf zwei Reihen Stühlen platzierten Anwesenden eine Ansprache gehalten, ein frommes Lied gesungen und, ich glaube, auch gebetet. Es war ein feierlicher Akt. Die Teilnehmer der Sitzung, die meist aus Männern, nur ungefähr zum dritten Teil aus Frauen bestanden, machten alle ienen sehr günstigen Eindruck, ihnen lag die vielleicht verschriene Blindgläubigkeit fern. Ich selbst hatte den zweiten Platz auf der vorderen Reihe, links von der Wand, 1 1/2 m von dem Vorhang entfernt, inne. -

Darlegung wichtiger spiritualistischer Lehren über Medien und geistige Manifestationen.

Bevor ich die Begebenheit dieser Sitzung näher schildere, will ich kurz einige Hauptlehren über Medien darlegen.

1. Nach den Lehren des Spiritualismus können sich die Geister Verstorbener durch sogenannte Medien bekunden oder offenbaren.

2. Sensible Personen können von Magnetiseuren zu Medien ausgebildet werden.

3. Ein Medium fällt in einen abnormen Schlafzustand, bei dem man drei Teile unterscheidet: Halbschlaf, Tiefschlaf, Hochschlaf.

Der Halbschlaf ist dem leichten Normalschlaf ähnlich, den man mit Schlummer bezeichnet. Ein Zustand, in dem man fast schläft und doch noch halb wach ist, bei welchem die äußeren Sinne für besondere Geräusche, Lichteffekte oder andre starke Reize den Verkehr zwischen Außen- und Innenwelt vermitteln. Äußere und innere Sinne sind in diesem Zustande schlaff, passiv, ohne Aufmerksamkeit, gewissermaßen interesselos für die äußeren Vorgänge.

Abnorme Schlafzustände eines spiritistischen Mediums.

Der Tiefschlaf ist dem normalen festen Schlaf ähnlich, bei dem die äußeren Sinne nicht mehr imstande sind, irgend etwas von der Außenwelt aufzunehmen; das geistige Leben scheint wie abgestorben; nur Atmung, Blutumlauf, Verdauung gehen noch regelmäßig vonstatten. In diesem Tiefschlafzustande sollen sich angerufene Geister dem Medium nähern, die Lebenskraft des Mediums teilweise benutzen, um sich den Anwesenden kundzugeben. Von solchen Kundgebungen fremder Intelligenzen, die vermittels des Mediums wirken, weiß diese selbst nachher nichts.

Endlich gibt es noch den Hochschlaf. In diesem Zustande ist das Medium durch absolute Ruhe und Inaktivität der äußeren Sinnesorgane der Außenwelt noch tiefer verschlossen. Jedoch zeigt das Innenleben ein ganz eigenartiges Wachbewußtsein, das völlig von dem normalen Bewußtsein abweicht. Es ist ein zweites, ganz neues Bewußtsein, das uns wahre Wunder enthüllt, alle Naturgesetzlichkeit aufzuheben scheint. Im Hochschlaf wird das Medium hellsehend, fernsehend, in die Zukunft vorausschauend, in die Vergangenheit zurückschauend. Blutlauf, Atmung, Verdauung, Körperwärme, die im Tiefschlaf normal sind, sind im Hochschlaf ungewöhnlich in ihrer Tätigkeit herabgesetzt. Was uns ein Medium im Hochschlaf bekunden kann, genügt allein schon, ein Doppelleben unseres Geistes annehmen und der materialistischen Weltanschauung entsagen zu müssen.

Bei einem Medium kann ein Geistwesen der jenseitigen Welt genau solche Willensäußerungen und Handlungen vornehmen, wie es e in Hypnotiseur bei seinem Medium tut. Das hypnotische Medium ist willenloses Werkzeug des Hypnotiseurs; das spiritistische Medium ist willenloses Werkzeug der Geister solcher Menschen, die uns lebend bekannt oder auch völlig unbekannt waren.

Die drei bekanntesten Formen der Offenbarungen von Geistern durch Schlafmedien: 1. physikalische Wunder, 2. Transfigurationswunder und 3. Materialisationen.

Diese Geister können sich bekunden

1. durch physikalische Wunder,

2. durch Transfigurationen,

3. durch Materialisationen.

Bei physikalischen Wundern gebraucht der fremde Geist Lebenskraft des Mediums, um außerhalb desselben Klopftöne, Geräusche, Heben von schweren Gegenständen, Luftbewegungen, Umwerfen von Tischen und Stühlen, Spielen von Musikinstrumenten, Aufschürzung von versiegelten Knoten, chemische und physikalische Veränderungen der Materie vorzunehmen. Ein Medium, das von Geistern besonders in dieser Weise benutzt wird, nennt man physikalisches Medium. Im Leipziger Verein für harmonische Philosophie hatte ich erfahren, daß das Medium Slaede, mit dem Professor Zöllner in Leipzig erfolgreich experimentierte, sowie das Medium Bastion, das später angeblich in Wien entlarvt sein sollte, schließlich das Medium Bernhard Schraps in Mülsen bei Zwickau hervorragende physikalische Medien seien.

Frau Töpfer in Leipzig und Frau Demmler in Braunschweig sollten bedeutende Transfigurations- und Materialisationsmedien sein.

Ein Transfigurationsmedium ist ein solches, durch das Geister sprechen, schreiben, Handlungen aufführen, ganz nach ihrem Charakter und Willen. Transfigurationsmedien machen auf Nichteingeweihte, besonders auf Skeptiker den Eindruck, als ob sie selber mit eigenem Wissen und Willen dergleichen Dinge tun, um absichtlich die Anwesenden zu täuschen und ihnen vorzuschwindeln, daß Geister durch sie wirkten.

Dieses sind die Unglücklichen, die von unwissenden, rohen Menschen „entlarvt“ werden, wie z.B. das Medium Bastion. Richter, die über solche Medien abzuurteilen haben, beschuldigen gewöhnlich die Leute des Betruges, weil sie selbst wirklich spiritualistischen Vorgängen fernstehen.

Ich will hier ein Beispiel anführen.

Ein Medium liegt in tiefstem Schlaf. Plötzlich wird es scheinbar wach, steht auf und sagt: „Ich bin der Geist Goethes, der zu euch spricht.“ Hierbei bekommt das Medium Augen, Gesicht, Körperhaltung, im Ausdruck ganz den Charakter Goethes, wie wir ihn nach den Bildern kennen. Auch der Stil der Rede und der Tonfall der Worte ist gleich dem Goethes. Dann spricht das Medium in dieser Weise einige Zeit, setzt sich dann zurück, sinkt im Stuhl zusammen; Augen, Muskeln erschlaffen, und tiefer Schlaf ist wieder eingekehrt. In solchem Fall sagte der überzeugte Spiritist, der Geist Goethes hat wirklich zu uns gesprochen. Der kritische Spiritist sagt, wahrscheinlich hat nicht der Geist Goethes, sondern irgend ein anderer Geist zu uns geredet, der sich als Goethes Geist ausgab. Der Skeptiker und Materialist, der etwas tiefer in die Philosophie eingedrungen ist, glaubt nicht, daß ein Geist durch das Medium gesprochen hat, sondern nimmt an, das Medium befinde sich während dieser Schlafunterbrechung in einer Art krankhaften Schlafzustandes. Es sei für sein Tun nicht verantwortlich, sei geistig nicht normal, habe im Traum jedenfalls die Einbildung bekommen, Goethes Geist zu sein und rede nun als solcher. Nur der böswillige Skeptiker und Materialist sagt, das Medium habe geschwindelt, es sei wach gewesen, das es geredet und die Augen offen gehabt hätte. Alles sei Betrug. Wehe aber, wenn ein solches Medium noch Kleider, Puder, Schminke usw. gebraucht, um auch den Charakter Goetehs möglichst äußerlich zu markieren, dann glaubt der böswillige Entlarver unwiderlegbare Beweise für den wohlüberlegten Betrug zu haben. Wenn z.B. ein solches Medium, das von latainischer oder griechischer Sprache keine Ahnung hat, in diesem Zustande einen gewandten Vortrag in einer solchen Sprache hält, dann meint der Entlarver, derselbe sei vorher einstudiert worden. Darum werden solche Transfigurationsmedien, obgleich wie wirklich solche sind, so häufig scheinbar entlarvt und verurteilt.

Besser sind daher die Materialisationsmedien daran. Diese befinden sich während der ganzen Sitzung in tiefstem Schlaf, und während desselben erscheinen ganz fremde materialisierte Gestalten, Männer, Frauen, Kinder, auch Blumen, Gegenstände u. dergl. Die Geistergestalten sprechen auch meist einige Worte und geben sich näher zu erkennen, besonders wenn sie Verwandte oder Bekannte unter den Anwesenden haben. Solche Materialisationserscheinungen sind am überzeugendsten, selbst der böswilligste Entlarver kann nichts dagegen sagen, höchstens die gröbsten Unwahrheiten verbreiten.

Soweit war ich mit den Lehren und Theorien des Spiritualismus vertraut. Auch wußte ich, daß Dunkelheit oder wenigstens Halbdunkel, Harmonie zwischen den Anwesenden und wohlwollende Gesinnung gegen das Medium während der Sitzung förderlich, dagegen helles Licht, böse Gedanken gegen das Medium oder sonst störende Handlungen und Geräusche bei der Entstehung des Schlafes sowohl als bei den wunderbaren Erscheinungen störend seien.

Daher fand ich es ganz in der Ordnung, als die Teilnehmer kurz vor der Sitzung gebeten wurden, rechts und links ihre Hände zu berühren und eine harmonische, feierliche Stimmung anzunehmen. Auch möge man nicht ungeduldig sein, wenn nicht sofort nach dem Einschlafen des Mediums Erscheinungen kämen, man sei auf das Wohlwollen der Geister angewiesen und  könne nicht fordern oder befehlen, auch das Medium könne keinerlei Einfluß ausüben, sondern sei völlig bewußt und willenlos im Schlafe. Auch das Auslöschen des Zimmerlichts erschien mir selbstverständlich, um zu schnellen Resultaten zu gelangen.

Nachdem sich das Medium, Frau Töpfer, auf den Stuhl hinter dem Vorhang gesetzt hatte, verfiel sie in Trance oder Schlaf. Darauf wurde der Vorhang zugezogen. Nach einiger Zeit wurde von dem Zirkelleiter gefragt, ob das Medium fest schliefe, was mit ja beantwortet wurde. Ferner wurde gefragt, ob Geister anwesend seien, was damit beantwortet wurde, es seien welche in der Nähe, es würden während dieser Sitzung Transfigurationen und Materialisationen stattfinden. Ungefähr 10 bis 15 Minuten saßen wir ruhig und beobachtend da, dann bewegte sich oben von der Zimmerdecke herab, ungefähr 1 m von dem Vorhang entfernt, eine lichtgraue Wolke, die sich immer tiefer senkte und immer mehr verdichtete. Als man fragte, was das sei, sagte man, es sei ein Schleier. Dieser Schleier wurde von einem Teilnehmer aus der Luft fortgenommen und von allen besichtigt. Es war ein sehr feines, durchsichtiges, weißes Gewebe. Von diesem Schleier durfte sich jeder ein Stück abreißen und in der Hand behalten; allmählich aber lösten sich die Stücke in den Händen auf. Dies war ein ganz rätselhafter Vorgang, der mir heiligen Respekt einflößte.

Die Erscheinung einer materialisierten Geistgestalt bei dem Medium Frau Töpfer.

Nach einiger Zeit sollen sich nach Aussage einiger Anwesenden an der Seite des Vorhangs, die ich nicht genau beobachten konnte, eine Kindergestalt und die Gestalt eines alten Mannes für wenige Sekunden gezeigt haben. Als wir darauf aufmerksam gemacht worden, waren dieselben schon wieder verschwunden. Ebenfalls hat man dort die  Gestalt einer alten Frau bemerkt, die ich aber auch nicht gesehen habe. Dafür hatte ich das Glück, außer einigen Transfigurationen, z.B. das Hervortreten der Frau Töpfer vor den Vorhang, mit einem leuchtenden Diadem auf dem Kopfe und Blumen in den Händen, die materialisierte Gestalt eines blühenden jungen Mädchens zu erblicken. Über diese Erscheinung war ich völlig verblüfft. Ich beobachtete die Figur genau und scharf, von oben bis unten, in allen Umrissen und Einzelteilen. Sie hatte ein weißes Kleid an, ähnlich einem Brautkleid und trug leichte Brautschuhe. Das Gesicht war verschwommen in Ausdruck und Formen. Sie hatte lang herabfallendes Haar. Auf dem Kopfe hatte sei einen leuchtenden Diamantschmuck. Ich bat diese Erscheinung, die unmittelbar vor mir stand, sich mir soweit zu nähern, daß ich sie berühren könne. Dies geschah. Ich fragte sie dann, ob sie wirklich ein materialisierter Geist sei, was sie bejahte. Ich wechselte mit dieser Geistgestalt noch mehrere Fragen und Antworten. Schließlich bat ich sie, ob ich sie auf ihre Stoffdichtigkeit, Gliederbau, Körperbau usw. hin untersuchen dürfe.  Das machte sie anfangs beschämt; denn sie trat einige Schritte zurück; ich bat sie aber nochmals, es sei mir eine ernste, heilige Sache, ich wolle mich mit tiefem Ernst von der Wahrheit überzeugen, um später damit der Wissenschaft dienen zu können. Der jungfräuliche Geist schien sich darauf einige Augenblicke zu besinnen und beobachtete mich scharf mit seinen funkelnden Augen. Dann trat die Gestalt wieder bescheiden näher und sagte, da ich von heiligem Ernst für die Wahrheit erfüllt sei, so wolle sie mir gestatten, mich völlig von dem Vorhandensein einer geistigen Welt zu überzeugen, und ebenfalls sollte ich erkennen, daß sie nicht das Medium, irgendeine visionäre Gestalt oder ein künstliche Puppe sei, sondern ein mit Leib und Seele in Menschengestalt verkörperter wirklicher Geist, der sich mit Hilfe des schlafenden Mediums auf einige Minuten materialisiert habe. Ich fragte nun wie lange, darauf antowrtete sie, fünf bis acht Minuten. Darauf erkundigte ich mich nach ihrem Namen und Wohnort, doch wurde mir die Antwort verweigert mit der Begründung, daß dies zu wissen für mich zwecklos sei.

Ich bemerke noch, daß diese Erscheinung selber in sanften, allen Anwesenden vernehmlichen Worten zu mir sprach. Ich faßte sie nun an den rechten Oberarm, Schulter, Unterarm, Hand und Finger, fühlte den Körper. Als ich aber in die Nähe der Brüste kam und dieselben berühren wollte, trat der Geist zurück und bat, Gesicht, Brüste und Leib nicht zu berühren, das Betasten der anderen Körperteile gestattete sie mir. Darauf faßte ich noch ihre Füße an, schlug mein rechtes Bein um ihr linkes und fühlte alles wie Fleisch und Blut angenehm mäßig warm. Darauf sagte mir der Geist, ich hätte mich nun überzeugt, daß der Körper materialisiert sei; nun wolle sie sich unter meiner Berührung etwas entmaterialisieren. In der Tat schwand auf wenige Minuten alles Körperliche der Gestalt, ich fühlte durch den Arm, die Hüften, die Beine hindurch sozusagen wie durch einen dichten hellgrauen Nebel. Auf den ersten Augenblick war ich fas  erschrocken. Dies machte mir den tiefsten Eindruck von allem, was ich an jenem Abend gesehen habe. Dann nahm die Nebelgestalt wieder körperliche Verdichtung an; ich fühlte wieder Arme, Beine, Figur völlig normal und fest, mit schönen Muskelformen, wie bei lebenden Menschen. Dann trat die Gestalt etwas rechts von mir zu einer Dame und ließ ihren Arm und ihre Hand betasten. Darauf sagte sie, nun müsse sie sich wieder auflösen, sonst würde das Medium überanstrengt, was sie vermeiden wolle. Sie freue sich aber, solchen harmonischen Zirkel zu sehen und ermahnte uns, in der Erforschung dieses neuen Gebietes fortzufahren, das uns die geistige Welt erschließe. Dann reichte sie uns zum Schluß einige Blumen, die sich in einem Blumenkorbe in ihrer linken Hand materialisiert hatten. Sie sagte gleich, die Blumen würden sich nach kurzer Zeit wieder auflösen, da sie nur kurze zeitliche Dauer haben könnten. Wir dankten alle herzlich, das liebe Wesen reichte mit noch einmal die Hand und verschwand. Die Blumen lösten sich bald in meiner Hand und in den Händen der anderen Anwesenden wieder auf.

Die Materialisierung meiner Lieblingsblumen.

Hinzufügen will ich noch, daß ich fragte, ob der gute Geist nicht imstande wäre, meine Lieblingsblumen, nämlich Moosrosen, Maiglöckchen und Vergißmeinnicht, zu materialisieren. Dies wurde bejaht und geschah wirklich. Alle Teilnehmer waren sichtlich tief ergriffen und von dem Geschehen völlig befriedigt.

Der Zirkelleiter sagte darauf, lange dürfe die Sitzung nicht mehr andauern, damit das Medium nicht zu sehr erschöpft würde. Wir möchten uns einige Minuten ruhig verhalten, dann könne einer oder der andere noch einige Fragen an das Medium oder an einen Geist stellen. Wir verhielten und ruhig und reichten uns gegenseitig die Hände zur Sammlung und Kräftigung des Mediums. Dann wurde diese gefragt, ob wir noch einige Fragen stellen dürften, was mit schwacher Stimme beantwortet wurde. Man zog den Vorhang auf. Frau Töpfer saß schlafend, scheinbar ermattet, auf dem Stuhle. Sie bat, die Sitzung nicht mehr zu lange auszudehnen. Darauf zog man den Vorhang wieder zu und das Fragen begann. Verschiedene fragten nach geliebten Personen, die irdisch längst verstorben waren. Eine Mutter erkundigte sich nach ihrem Sohn, ein Herr nach seiner seligen Frau. Alle erhielten befriedigende Antworten. Die Betreffenden erklärten nach der Sitzung, es seien Fragen gewesen, die das Medium nicht hätte beantworten können.

Carl Huter hört auf Wunsch das laute vernehmliche Rufen der Stimme seines seligen, verstorbenen Vaters am Schluß der Stitzung bei dem Medium Frau Töpfer.

Dann fragte ich, ob nicht mein seliger Vater zu mir sprechen könne, ich hätte so gern erfahren, wie es ihm ginge. Darauf antwortete eine Stimme, der Geist meines Vaters sei weit weg, es sei ihm schwer, sich zu nähern und zu bekunden, jedoch wolle er es versuchen. Nach wenigen Augenblicken erscholl hinter dem Vorhang eine männliche Stimme, die laut und vernehmlich rief: „Heinrich, Heinrich.“ Ich war darüber ganz erstaunt; denn keiner der Anwesenden, auch nicht das Medium, wußten etwas von meinem Vater und seinem Rufnamen Heinrich. Die Stimme war, soweit ich mich der Stimme meines Vaters erinnern kann, derselben sehr ähnlich. Ich fragte weiter, ob sich mein Vater nicht mehr bekunden könne, was aber verneint wurde, da das Medium zu erschöpft sei und Ruhe brauche. Ich dankte darauf und die Sitzung wurde beendet. Frau Töpfer wurde von einem Manne wach magnetisiert. Jeder drückte ihr die Hand und dankte für die glückliche Sitzung. Sie fühlte sich abgespannt, bat um frisches Wasser und zog sich dann in ein anderes Zimmer zurück, um vollständige Ruhe zu haben. Einer der Anwesenden bat dann um freiwillige Gaben für das Medium. Meiner Schätzung nach kamen ungefähr 50-70 Mark zusammen, eine Summe, die mir für alles Gehörte und Gesehene viel zu gering erschien. Wäre ich ein reicher Mann gewesen, hätte ich dem Medium gleich einige tausend Mark geschenkt. Ich finde, Medien können gar nicht genug bezahlt werden; man sollte sie lieben und ehren, sie und ihre Familie vom Staat aus sicherstellen und mit besonderen Ehren auszeichnen. Ich erfuhr, daß Medien in drei bis fünf Jahren ihre Kräfte verbrauchen; dann körperlich und geistig so geschwächt seien, daß sie fast arbeitsunfähig wären und vieler liebevoller Pflege bedürften, wenn man sie am Leben erhalten wolle.

Mir ist jener erste glückliche Abend bei einem echten spiritualistischen Medium unvergeßlich.

Bemerken möchte ich noch, daß das Zimmer während der ganzen Sitzung niemals ganz finster war, sondern entweder brannte die Lampe ganz niedrig, oder es drang von den Straßenlaternen und vom hellgestirnten Himmel soviel Helligkeit herein, daß wir uns selbst gegenseitig im Dämmerlicht ebensogut beobachten konnten, wie jede fremdgeistige Erscheinung. Hätte man das Licht nicht ausgelöscht, wäre eine geistige Materialisation nicht möglich gewesen.

Als ich spät gegen 12 1/2 Uhr in mein Dachstübchen, in dem ich die Erscheinung der Engel gehabt hatte, zurückkehrte, konnte ich noch nicht einschlafen, sondern dachte noch lebhaft über alles nach. Dann sagte ich laut, wenn ich doch noch einmal die liebe Stimme meines Vaters hören könnte. Darauf rief dieselbe Stimme, die ich in der Sitzung gehört hatte, in meinem Zimmer: „Heinrich, Heinrich“, worüber  ich sehr erschrak. Das war der letzte tiefe Eindruck an jenem Abend. Lange Zeit lag ich noch wach und empfahl mich im Gebet meinen Schutzengeln.

Das trübe Ende dieser braven Frau Töpfer infolge Verkennung und Verfolgung durch unwissende böse Menschen.

Was aber geschah mit Frau Töpfer, der ich und viele andere so viel verdankten? - Zehn Jahre später ungefähr hörte ich, Frau Töpfer sei entlarvt. Ich mußte über diese Dummheit der Menschen lachen; denn es war mir klar, daß die ehrbare Frau nicht entlarvt, sondern von dummen, rohen Menschen vergewaltigt worden sei, die nichts von Medien verstehen und die den Spiritualismus nicht begreifen können. Die Entlarver der Frau Töpfer sollen jüdische Händler gewesen sein. Merkwürdig, daß alle Medienentlarver Juden sind, entweder jüdische Gelehrte oder jüdische Ärzte, Rechtsanwälte oder Händler. Über die arme Frau Töpfer aber mußte ich weinen, daß sie zum Dank für ihr edles Tun solchem grausamen Schicksal anheimgefallen ist.

Oder sollte Frau Töpfer wirklich später vielleicht aus bitterer Not, um Nahrung für ihre Kinder zu haben, dazu getrieben worden sein; noch Sitzungen abzuhalten, als ihre Kraft schon längst erloschen war? Fünf Jahre soll die mediumistische Kraft ja nur andauern, dann soll sie schwinden. Nun, dann blutet mir das Herz um so mehr, daß man solche gottbegnadeten, heiligen Personen dem Elend preisgibt, wodurch diese gezwungen sind, um ihr Leben zu fristen, Unrecht zu tun. Warum unterstützt man sie nicht reichlich? - Wahrlich, die wenigen Mark, die z.B. in der Sitzung, der ich beiwohnte, zusammenkamen, sind nicht der verdiente Lohn. Darum, gute Menchen, tretet zusammen, und sorgt dauernd für solche Medien, wie Frau Töpfer und viele andere es waren, damit sie niemals Not leiden brauchen. Das ist mein Aufruf.


XIII. Kapitel.

Beiwohnung einer Sitzung des Mediums Emil Schraps aus Mülsen bei Zwickau.

Mit dem Vorsitzenden des Vereins für harmonische Philosophie, Verlagsbuchhändler Wilhelm Besser, wurde ich befreundet. Bald war ich auch der Liebling des geistigen Leiters dieses Vereins, des Dr. Cyriax, von dem ich öfter eingeladen wurde.

Buchhändler Wilhelm Besser in Leipzig, ein edler Freund und Förderer der spiritualistischen Bewegung in Deutschland.

Einen weniger günstigen Eindruck machte auf mich das Vorstandsmitglied, Konsul Sellin. Dieser Herr war wohl ein eifriger Vertreter der spiritistischen Bewegung, aber seine übergroße Nase und das hartknochige Gesicht zeugten von wenig Harmonie. Mein physiognomischer Scharfblick hat sich dann auch später bewahrheitet. - Dem ausgezeichneten Herrn Besser ist man später mit Undank begegnet, so daß er den Vorsitz niederlegte, nachdem er für die spiritistische Sache viele Tausende geopfert hatte. Besser hatte wie ein guter Geist über dem Ganzen gewaltet; nachdem er sich zurückgezogen hatte, war dem ganzen Verein der Segen genommen.

Dr. Cyriax, der erste spiritualistische Lehrer und Apostel in Deutschland.

Streit und Zersplitterung griffen Platz; selbst Dr. Cyriax siedelte später nach Berlin über. Der Verein löste sich auf, und als ihm einige Jahre später ein Vermächtnis von 100.000 Mark zufiel, konnte die Erbschaft nicht angetreten werden, weil der Verein gar nicht mehr existierte. - 

Das große Medium Stade und Professor Zöllner, usw.

Kurz vor meinem Bekanntwerden mit der spiritistischen Bewegung in Leipzig war der große Astrophysiker, Professor Zöllner, gestorben, der mit dem amerikanischen Medium Slade so ausgezeichnete Experimente vorgenommen hatte. Zöllner suchte die Erscheinungen durch seine Hypnose von der vierten Raumdimension zu erklären. 

Professor Fechner, der letzte große deutsche Philosoph, ein überzeugter Spiritualist.

Außer Zöllner stand damals der Nestor der Leipziger Universität, Professor Fechner, dem Spiritismus sympathisch gegenüber. Dieser alte Herr hielt sich aber offiziell der spiritistischen Bewegung fern, da er sich nicht mehr jung und kampfesfroh genug fühlte, um noch nach außen hin für den Spiritualismus einzutreten.

Die ersten spiritualistischen Lehrschriften von Baron von Hellenbach, Staatsrat Aksakow, dem Physiker Crooks, dem Seher Davis und dem Philosophen Carl Du Prel.

Sehr empfohlen wurden durch den Verein die ersten spiritualistischen Lehrschriften von Baron von Hellenbach, dem russischen Staatsrat Aksakow, dem Physiker Crooks, dem Seher Davis und dem Philosophen Du Prel.

Außer Frau Töpfer war in Leipzig noch Emil Schraps als Medium sehr geschätzt. Ich betrachte es daher als ein Glück, daß ich durch Dr. Cyrias`Vermittlung Gelegenheit bekam, auch dieses Medium kennenzulernen. Schraps war seinerzeit angeklagt wegen groben Unfugs oder Betrugs, genau weiß ich´s nicht mehr. Kurz, er wurde vom Landgericht Leipzig verurteilt. Gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt und die Sache ging bis zum Reichsgericht.

Kirchentheologen und Naturwissenschaftler als Verbündete im Kampfe gegen die spiritistischen Lehren.

Ehe sich nun das Reichsgericht mit dem Fall Schraps beschäftigte, wurde unter der Hand eine Sitzung in Leipzig abgehalten, woran Gelehrte, Juristen, Kriminalisten, Ärzte und Untersuchungsbeamte teilnahmen, bei der auch ich zugegen war. Diese Sitzung wurde streng geheimgehalten. Am andern Tage hielt Schraps, der von seinem Bruder, dem Fabrikanten Schraps, begleitet war, die berühmte Sitzung vor 13 Gerichtsräten des Deutschen Reichsgerichts ab, an der auch noch einige Gelehrte, Ärzte und Regierungsvertreter teilnahmen. Diese Reichsgerichtsprüfung des Falles Schraps, die zur Freisprechung des Schraps führte, hat Herr Fabrikant Heckner in der Broschüre „Die Wahrheit“ ausführlich behandelt. Obwohl Schraps von den Behörden als echtes Medium anerkannt werden mußte, hat man die Sache seitens der Regierungen und der Presse totgeschwiegen; denn die Kirchentheologen ereiferten sich in Bestürmungen der Regierung, indem sie vorgaben, der Spiritismus sei eine Gefahr für die Kirche, er mache die Gläubigen abtrünnig. Die Materialisten verhöhnten den Spiritismus als Aberglauben und die Medien als Schwindler. Diese Ungerechtigkeit hat der Spiritismus erfahren müssen, solange es in Deutschland eine spiritistische Bewegung gibt, und heute, nach fast zwanzig Jahren, hört man noch dieselben Verdächtigungen. Gerechtigkeit ist ihm bis jetzt nicht widerfahren.

Eine Sitzung mit dem Medium Emil Schraps.

Ich war also bei der Vorsitzung des Emil Schraps am Abend vor der Hauptsitzung vor dem Reichsgericht zugegen. Dieselbe fand in einer Privatwohnung statt. Es nahmen ungefähr zehn Personen daran teil. Das Zimmer, in dem die Sitzung stattfand, und die angrenzenden Räume wurden vorher sorgfältig untersucht. Die Sitzung wurde von Schraps freiwillig gegeben, um den Polizei- und sonstigen Strafrechtsbeamten Gelegenheit zu geben, sich von der Echtheit der Mediumschaft und der wunderbaren spiritistischen Erscheinungen zu überzeugen. Es waren also an diesem Abend außer dem Bruder des Mediums lauter Skeptiker und kritische Personen anwesend. Ich selbst war, obgleich ich mich in der Sitzung bei Frau Töpfer und durch eigene Erlebnisse längst von der Wahrheit des mediumistischen Spiritismus überzeugt hatte, doch durch allerlei neue auftauchende Theorien schwankend geworden. 

Schon früher hatte Carl Huter vermutet, daß seine okkulten Selbsterlebnisse und alle Erlebnisse dieser Art durch wunderbare, im Menschen selbst liegende psychische Lebenskräfte verursacht werden könnten. Diese Lehre trat nun von außen an ihn heran und machte ihn aufs neue schwankend in dem Glauben an die geistige Welt.

Obwohl ich also glaubte, daß es eine geistige Welt gibt und jenseitige Intelligenzen auf das Diesseits einwirken können, hatte doch besonders die Lehre von den unbekannten Kräften der Psyche wieder Bedenken in mir erregt. Diese Lehre nimmt an, daß es keine übersinnliche geistige Welt und kein Fortleben nach dem Tode gibt; sie erkennt sämtliche rätselhaften Erscheinungen der Medien unumwunden an, erklärt sie aber dahin, daß die Lebenskraft ein Doppelbewußtsein, Doppelempfinden und eine Doppelkraft habe, einmal das Normale, dann das Außergewöhnliche. Dieses Außergewöhnliche sei uns noch nicht bekannt. Es seien aber Kräfte im Menschen, die nur an den lebenden Körper gebunden seien und mit dem Tode aufhörten, die aber aus sich mit physischen und psychischen Eigenschaften und Energieformen wirken könnten, und dann alle jene uns unbekannten wunderbaren Kräfte und Erscheinungen erklärlich machten, die von den Anhängern des Spiritismus irrtümlich auf Geistwesen zurückgeführt werden.

Die Anhänger dieser Richtung nannten sich Animisten oder Psychisten. Obgleich solche Argumente viel für sich hatten, konnten sie mir doch nicht meine spiritualistische Überzeugung rauben, nur Zweifel, Mißtrauen und kritisches Denken erwecken. So kam es, daß ich an jenem Abend dennoch in gewissem Sinne ebenso wie die anderen Anwesenden Skeptiker war. Dies anderen Teilnehmer schienen aber nicht nur kritisch, sondern auch ungläubig zu sein, daher wurde vorher eine so genaue Untersuchung der Räume vorgenommen, ob nicht etwa Spiegel, Apparate oder sonstige Instrumente angebracht seien wie bei Zauberkünstlern, die Geistererscheinungen und Wunder vortäuschen. Danach wurde das Medium Schraps durch Entkleidung und Ankleidung genau untersucht. Zwei anwesende Ärzte prüften darauf den Puls und die Körperwärme des Mediums. Alles, auch der geistige Zustand des Mediums, wurde als normal befunden.

Darauf setzte sich das Medium auf einen Stuhl in der Türöffnung zum angrenzenden Zimmer. Die Tür war ausgehängt und lehnte links vom Medium an der Wand, vor derselben stand der ältere Bruder des Emil Schraps, der diesen durch magnetisches Bestreichen in Trance bringen mußte. Das Medium wurde auf dem Stuhl festgebunden, die Knoten versiegelt, und der Bruder brachte nun das Medium in Schlaf. Darauf wurde der dunkle Vorhang zugezogen und das Licht etwas gedämpft, um schnellere Resultate zu erzielen. Vor der Einschläferung erklärte der Bruder des Schraps, also der Medium-Magnetiseur, daß das Medium am besten von seinem Magnetiseur in Schlaf zu bringen sei, ferner, daß Ruhe und gedämpftes Licht für die Entwicklung der Phänomene am günstigsten seien. Auch die Absperrung des Mediums durch einen Vorhang sei notwendig, um die mediumale Kraft nicht durch die magnetischen Wirkungen der Anwesenden zu zerstreuen. Schließlich erklärte er die drei bekannten Schlafzustände, Halbschlaf, Tiefschlaf, Hochschlaf. Dann stellte er sich und das Medium für die fortwährende Kontrolle zur Untersuchung in den Zwischen pausen zur Verfügung. Er erbat sich, ihm die Leitung und Beeinflussung des Mediums in der Sitzung zu überlassen, um zu günstigen Resultaten zu gelangen. Von dem Weiteren könne sich jeder durch eigene kritische Untersuchungen überzeugen.

Einwandfreie kritische Untersuchungen des Mediums Schraps vor während und nach der Sitzung durch Ärzte, Gelehrte und juristische Personen.

Nachdem das Medium im Schlaf war, wurde der Halbschlaf in seinen Symptomen von zwei Ärzten untersucht. Der Tiefschlaf wurde ebenfalls von allen Anwesenden geprüft. Nachdem nun der Vorhang zugezogen war, fragte der Magnetiseur laut und vernehmlich: „Sind jetzt Geister da, dann bitte tut euch kund!“ Sofort erschien eine übermenschlich große Hand auf der angelehnten Zimmeertür, schlug gewaltig auf die obere Türfüllung und verschwand.

Das Medium schlief in seinen Fesseln, der Magnetiseur stand ruhig mit herabhängenden Armen vor der Tür; alle anderen Personen hatten sich halbkreisförmig, zwei Schritt vom Vorhang entfernt, placiert und sich zur gegenseitigen Kontrolle die Hände gereicht, damit niemand annehmen konnte, es sei einer der Teilnehmer vielleicht mit dem Medium im Bunde und mache täuschend Taschenspielerstücke vor. Diese erste Erscheinung der gewaltigen Hand mit dem nervenerschütternden Schlag auf die Tür erregte großes Erstaunen, aber auch doppelte Anstrengung zu kritischem Beobachten. Dann hörte man Klopftöne an den Wänden des Zimmers, verschiedene kleinere Hände wurden sichtbar und verschwanden. Die Luft des Zimmers bewegte sich rauschend. darauf fragte der Magnetiseur, ob die Geister gestatten, daß die Anwesenden das Medium sähen, was mit drei gewaltigen Faustschlägen gegen die Tür bejaht wurde. Der Vorhang wurde aufgezogen und siehe, das Medium saß noch immer an Händen und Füßen gefesselt im tiefsten Schlafe da. Jetzt setzten wir uns alle wieder auf unsere Plätze. Der Vorhang wurde zugezogen und schwere Gegenstände davor auf den Fußboden gelegt, auch eine Spieluhr, eine Zither, eine Gitarre und verschiedene Glasröhren.

Nachdem gebeten worden war, das Licht noch etwas gedämpfter zu machen, sahen wir, wie Hände die Glasröhren aufnahmen; diese wurden hellleuchtend. Dann wurden die Röhren zu Dutzenden von Malen schnell durch den Vorhang hin und her gestoßen, ohne daß derselbe verletzt worden wäre.

Als noch weitere Lichterscheinungen kamen, wurde das Zimmer zu genauerer Beobachtung ganz dunkel gemacht. Dann wurde die Spieluhr von einer materialisierten Hand aufgezogen und im Zimmer herumgetragen. Bald spielte sie am Fußboden, bald an der Decke, an der Wand, bald hinter, bald vor uns, bis sie abgelaufen und auf ihren Platz gestellt war, Da wurde schnell Licht gemacht und der Vorhang aufgezogen, das Medium untersucht; es schlief sehr fest, Puls und Atem waren jetzt kaum mehr bemerkbar, die Körperwärme hatte abgenommen, das Gesicht sah bleich und eingefallen aus. Verschiedene empfindliche Stellen des Körpers wurden mit Nadeln durchstochen; das Medium rührte sich nicht, es war wie tot. Der Vorhang war unversehrt. Alle war noch festgesiegelt und gebunden wie zuvor. Der Magnetiseur erklärte us, das Medium sei jetzt im Begriff, in den Hochschlaf überzugehen. In diesem Zustande könnten die Geister ganz rätselhafte Transfigurationen mit der Person des Mediums vornehmen, nämlich es aus seinen Banden entfesseln, seine Körperschwere aufheben und es in der Luft frei schwebend machen. Diese Phänomene wurden als Schluß der Sitzung gewünscht, vorher aber kam man überein, zu bitten, daß die soeben in der Dunkelheit beobachteten Erscheinungen nochmals bei gedämpftem Lampenlicht ausgeführt werden möchten, was von den Geistern bewilligt wurde.

Überzeugende Manifestation beim Medium Emil Schraps.

Abermals wurde nun die Spieluhr vor aller Augen auf dem Fußboden von zwei materialisierten Händen aufgezogen und in alle Winkel des Zimmers getragen. Jetzt bat ich, ob der Geist die Uhr nicht mitten im Halbkreis vor uns schweben lassen könne, damit jeder mit den Händen prüfen könne, daß die Uhr schwebe ohne irgendeine Verbindung mit Drähten oder sonstigen mechanischen Apparaten. Meine Bitte wurde erfüllt. Die Spieluhr schwebte dicht vor und, und alle überzeugten sich, daß sie ohne irgendeine Verbindung war. Nachdem die Uhr abgelaufen war, wurde sie wieder auf ihren Platz gestellt. Dieses Phänomen schien auf alle Anwesenden einen tiefen überzeugenden Eindruck gemacht zu haben. Nur ein Herr, der rechts neben mir saß, machte eine für die Geister beleidigende Bemerkung. Sofort wurde die Gitarre von unsichtbaren Händen erhoben und mit derselben ein recht unsanfter, kräftig hörbarer Schlag auf den Kopf des Spötters versetzt. Dieser Denkzettel flößte auch diesem letzten Skeptiker einen gewaltigen Respekt ein. Einige der Anwesenden fragten nun besorgt, ob öfters derartige Schläge ausgeteilt würden und ob Verletzungen vorkämen. Der Magnetiseur Schraps verneinte dies und sagte, es sei dies das erstemal, daß er beobachtet habe, wie ein Geistwesen einen Skeptiker unsanft berühre. Er fragte die Geister, warum sie dies getan hätten, erhielt aber keine Antwort.


Levitating Stone
(Hinzugefügt)


Erstellt 1994 und September 2006. Update 21. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm
Innere Erschließung einer höheren geistigen Welt aufgrund selbsterlebter Tatsachen