Carl Huter: Innere Erschließung einer höheren geistigen Welt - Part 4
 
Bild links: Der gute Menschenkenner Nr. 84. 1940
Fortsetzung

Letzte Zweifel an der Echtheit des Experimentalspiritualismus wurden durch die beobachteten Tatsachen beim Medium Schraps beseitigt. Carl Huter wurde überzeugter Spiritualist.

Darauf bat ich, ob ich eine Frage stellen dürfe, was mir gewährt wurde. Ich sagte ungefähr folgendes: „Liebe, gute Geister, ich habe den Spiritismus studiert, manches erlebt und gesehen; nun wird aber neuerdings von einigen Männern der Wissenschaft behauptet, diese wunderbaren Erscheinungen würden nicht von Intelligenzen der jenseitigen Welt bewirkt, sondern von der eigenen Psyche des Mediums. Dieses soll animalische Kräfte außerhalb seines Körpers entwickeln können, und das habe den Anschein, als seien es Wirkungen anderer Geister. Nun stehe ich im Zweifel, ob diese Argumente richtig sind.

Zwiegespräch mit einem Geiste über Animismus, Psychismus und Spiritismus.

Ich würde Euch, lieben Geister, mein Lebenlang dankbar sein, und mich nie mehr von dieser bestechlichen Theorie irreführen lassen, wenn ihr mir heute abend erklärt, daß ihr wirklich nicht psychische Kräfte des Mediums seid, sondern wirkliche Geister, selbständige Individualitäten, die nur die Kraft des Mediums gebrauchen, um sich zu bekunden.“ Hierauf antwortete eine Geisterstimme: „Lieber Bruder, sei überzeugte, es sind selbständige Geister, die heute abend diese Erscheinungen hervorgerufen haben, und nicht die Psyche des Mediums. Das Medium weiß von allem Vorgekommenen nichts, es ist nur das Werkzeug der Geister.“

Das von Geisterhand geknotete Taschentuch als Pfand der Wahrheit für die Echtheit spiritualistischer Manifestationen bei der Sitzung des Mediums E. Schraps.

Darauf dankte ich und erbat mir ein Pfand für die Wahrheit dieser Aussage. Ich zog mein Taschentuch aus der Tasche und sagte: „Liebe Geister, wenn ihr in dies mein Taschentuch, daß ich vor aller Augen in der Hand halte, einen Knoten macht, so will ich von Stund an überzeugter Spiritualist sein und mich niemals wieder durch falsche Hypothesen an der Wahrheit des Spiritualismus irremachen lassen. Dann will ich unerschütterlich glauben, daß es ein Fortleben nach dem Tode, eine höhere geistige Welt, eine geistige Entwicklung und Geister gibt, die sich dem Diesseits auf wunderbare Weise mitteilen und selbst zeitliche Veränderungen der Materie vornehmen können, ebenso wie sie vermögen in unser Schicksal schützend, führend und leitend einzugreifen.“ Darauf antwortete eine Geisterstimme wieder allen vernehmlich: „Lieber Bruder, wir schätzen dein ernstes, heiliges Streben nach Wahrheit, und wir verzeihen dir gern dein zweifelnden und kritischen Gedanken; wirf dein Taschentuch auf die Erde vor den Vorhang; wir werden vor deinen Augen einen Knoten hineinschürzen, und das möge dir fortan das Pfand der Wahrheit sein, daß es eine geistige Welt gibt. Lehre und verbreite diese Lehre und sei gesegnet.“ Ich warf mein Taschentuch auf die Erde, schnell wurde es von zwei Geisterhänden aufgehoben, vor aller Augen ein Knoten hineingeschürzt und mir vor die Brust geworfen. Hocherfreut dankte ich für diese Pfand. Nachher wurde das Taschentuch von allen Anwesenden besichtigt, ich erbat mir aber, daß niemand den Knoten löste. Seitdem bin ich überzeugter Spiritist. Ich habe das Taschentuch mit dem Knoten bis heute aufbewahrt als Pfand der Wahrheit aus einer anderen Welt. Es gilt mir heilig und damit zugleich der Spiritualismus, den ich seitdem für alle Zeit vertrete *)

*) Huter ist des öfteren nach seinen Vorträgen öffentlich gefragt worden, wie er zum Spiritismus stünde. Der Spiritismus stand in Acht und Bann, und die Fragesteller mögen vielleicht beabsichtigt haben, dem Vortragenden seinen Erfolg zu vernichten. Einerlei, Huter trat stets für die Wahrheit des Spiritualismus ein, unbekümmert um die materiellen Folgen.

An jenem Abend wurde noch eine Zither von Geisterhänden gespielt und zum Schluß das Medium entfesselt, wobei Stricke und Siegel unversehrt blieben. Das Medium schwebte jedem sichtbar in der Luft, im tiefsten Hochschlaf. Dann wurde der Vorhang wieder zugezogen und der Magnetiseur Schraps bat, die Sitzung beenden zu dürfen, da das Medium erschöpft sei und nicht mehr angestrengt werden dürfe, sonst leide seine Gesundheit. Alle waren einverstanden. Der Vorhang wurde wieder geöffnet und das Medium saß wieder gefesselt schlafend auf seinem Stuhl. Nochmals wurden Fesseln und Medium genau untersucht, und niemand zweifelte mehr an der Echtheit des Mediums. Am anderen Tage wurde, wie schon erwähnt, die Ehrenhaftigkeit des Emil und Bernhard Schraps auch von dem Reichsgericht festgestellt. Trotzdem wagte man nicht, offiziell für den Spiritualismus einzutreten. Man hielt das im Staatsinteresse nicht für opportun.

Des mutigen Fabrikanten Heckners Broschüre „Die Wahrheit“, eine berechtigte Kampfesschrift für den Spiritualismus.

Erst durch die schon erwähnte Broschüre des Fabrikanten Heckner, „Die Wahrheit“, kam die Sache an die Öffentlichkeit. Derselbe setzte 1000 Mark Belohnung demjenigen aus, der dieselben Erscheinungen wie beim Medium Schraps auf natürlichem Wege, mit Apparaten und ohne Hilfe der Geister hervorbringen könne. Seitdem haben die Zeitungen wieder einen ehrabschneidenden Artikel nach dem anderen über Schraps und den Spiritismus gebracht; und die betörte Menschheit hat die Lügen geglaubt. Seit der Zeit zogen zahlreiche Gauner und Schwindler durch die Lande, haben bewußt oder unbewußt die Wahrheit entstellt, und als Antispiritisten Berge Geld verdient, mit der Lüge, so wie sie angeblich Gedanken läsen, Geister erscheine ließen, sich von Fesseln befreiten, mit Hilfe von Spiegeln, Apparaten, Tricks und Täuschungsspielen, so machten es auch die Medien und fänden noch immer Dumme, die glaubten, das würde von Geistern bewirkt.

Ein Schlachtergeselle, unter dem Namen Cumberland, ein antispiritistischer Schwindler, täuschte mit Hilfe hoher Gönner die Welt über die spirualistischen Wahrheiten.

Der erste dieser großen Gauner war der ehemalige Schlachtergeselle aus England, der unter dem Namen Mr. Stuart Cumberland, von Wien aus als Antispiritist protegiert, durch die Lande zog und alle ernsten Forscher und echten Medien, die dem Spiritismus huldigten, beleidigte.

Ein jüdischer Händler tritt unter dem Namen Bellini im Hamburger Konventgarten auf und verleumdet offensichtlich das Medium Schraps.

Der Mann fand zuerst in Hamburg einen Nachfolger in einem schlauen jüdischen Händler, der sich den Namen Gedankenleser Bellini beilegte und im großen Saale des Konventgarten seine Vorstellung gab, zu der er Bernhard Schraps und Heckner öffentlich eingeladen hatte, wohl um sich die 1000 Mark zu verdienen. Beide Eingeladenen waren aber zu diesem Gaunerabend nicht erschienen, da ihnen der Spiritismus zu heilig war. Heckner hatte jedoch einen Vertreter gesandt, in dem ich sofort Herrn Zenker, den ich bei der Sitzung der Frau Töpfer gesehen hatte, wiedererkannte. Ich hielt mich zu der Zeit zwecks Studium der spiritistischen Bewegung in Hamburg auf. Dieser brave Mann sprach gleich einige ruhige Worte, wurde aber von bezahltem Pöbel niedergeschrien. Der Gauner log und schwindelte nun unter Hurra- und Bravorufen dem Publikum weiter seine Sachen vor.

Die Welt will von anitspiristischen Gaunern betrogen sein, wogegen auch der Kampf des mutigen Spiritisten Zenker erfolglos ist.

Ich schüttelte den Kopf und dachte an den Spruch an dem Knochenhaueramthause in Hildesheim: „Die Welt, die will belogen sein!“ Sie ist auch für die Wahrheit des Spiritismus noch nicht reif, und daß sie es auch so bald noch nicht wird, dafür sorgen schon Jude, Pfaffe und Zeitungsschreiber hinlänglich. - Die Begrüßung des Herrn Zenker an jenem Abend war mir eine große Freude; denn unter den tausenden Menschen fanden sich kaum drei, die sich Herrn Zenker und mir anschlossen.


XIV. Kapitel.

Die spiritistische Bewegung in Hamburg und meine Reisen durch Schleswig-Holstein, Braunschweig und Hannover unter dem Pseudony Lirani Cherubini.

Im Herbst des Jahrs 1884, als ich in Hamburg die ersten Anfänge der spiritistischen Bewegung studierte, fand ich leider keine Gelegenheit, das dort bekannte Medium Betty Tamke kennenzulernen. Die Führer der Hamburger Bewegung waren damals Oberlehrer Professor Dr. Sellin, Bruder des Konsuls Sellin in Leipzig, und ein Sprachlehrer Hermann. Ein sehr tiefes Verständnis für allgemeine philisophische Fragen fand ich bei einem älteren hochintelligenten Handwerker, einem Tischler in einer Pianofabrik. Dieser Mann war damals geistig der bedeutendste Vertreter der spiritistischen Bewegung in Hamburg. Er verband tiefe Denkkraft mit weiser Kritik, Menschenfreundlichkeit und hoher Moralanschauung. Dagegen schienen mir Sellin und Hermann etwas übereifrige Anhänger der spiritistischen Lehren zu sein. Das freche Auftreten des Cumberland in Wien, des antispiritistischen Bellini in Hamburg gegen das mir so gut bekannte Medium Schraps, sowie die spiritistischen Wahrheiten bewogen mich, diesen Lügnern mit den gleichen Waffen beizukommen. Ich legte mit den Künstlernamen Lirani Cherubini bei, reiste nach Kiel, um von dort aus als Psychologe, Anti-Antispiritist und Gedankenleser dem Publikum die Gaukeleien der Antispiritisten und sogenannten Gedankenleser experimentell und erklärend aufzudecken, zugleich aber auch, um dem Spiritismus die Ehre zu retten, daß er eine hohe und heilige Lehre sei, die sich auf ernste Tatsachen stützt.

Was mich bewog, als Apostel der neuen Geistlehre Norddeutschland zu bereisen.

Mein psychologisches Talent, mein physiognomisches Wissen, meine Erfarhungen mit echten Medien und hervorragenden Vertretern des Spiritualismus schien mir Grund genug zu sein, als Vorkämpfer der spiritistischen Wahrheiten im Norden Deutschlands auftreten zu dürfen.

Im Hotel Germania in Kiel veranstaltete ich die erste Privatsoiree und hatte dazu die Staats-, Militär- und Stadtbehörden, die Universitätsprofessoren und Vertreter der Burschen- und Landsmannschaften persönlich eingeladen. Auch bei Sr. Hoheit, dem Prinzen Heinrich, war ich und wurde von seinem Adjutanten, dem Freiherrn von Seckendorf, empfangen. Leider war Prinz Heinrich nicht anwesend. Mein Plan war, eventuell durch die Vermittlung von Prinz Heinrich an den Berliner Hof zu kommen und dort eine Gegenströmung gegen den antispiritistischen Schwindel hervorzurufen. Der Antispiritismus hätte niemals solche breite Wellen schlagen dürfen, wie er es bereits getan hatte. Damals schaute ich voraus, was für furchtbare Verheerungen der so mächtig begünstigte Antispiritismus im deutschen Volk anrichten würde. Dem wollte ich die Spitze abbrechen. Kein Mann in ganz Deutschland schien damals den Mut zu haben, gegen diese drohende Modekrankheit vorzugehen. Ich aber als Jüngling von 23. Jahren faßte den kühnen Entschluß, wenn es ein mußte, selbst unter der Flagge des Antispiritismus, die edlen Wahrheiten des Spiritualismus zu retten, um damit meinem Vaterlande einen wichtigen Dienst zu leisten. Jedoch war das, was ich erstrebte, wahrscheinlich noch nicht von der Vorsehung beschlossen; denn Prinz Heinrich lernte ich nicht kennen, und viele Widerwärtigkeiten traten mir in den Weg.

Meine ersten gelungenen Experimente im Gedankenlesen bei Professoren der Kieler Universität.

Der erste Abend im Hotel Germania verlief gut. Fast alle Experimente des Gedankenlesens gelangen. Nur das Auffinden einer Nadel bei dem anwesenden Oberbürgermeister gelang nicht. Die Experimente mit mehreren Marineoffizieren, mit Professor Klaus Groth und dem damaligen Rektor der Universität, Professor Ladenburg, gelangen vorzüglich. Die Zeitungen brachten gute Berichte; und am selben Abend lernte ich mehrere eifrige Anhänger aus den Studenten- und Lehrerkreisen kennen. Von den Gelehrten schloß sich nur Klaus Groth mit warmer Begeisterung an. Die übrigen Herrschaften verhielten sich sehr reserviert, was denen zum guten Ton gehört, abwartend, bis mir vielleicht höheren Orts die Gunst leuchten würde.

Gleich darauf veranstaltete ich im Wriedt-Etablissement einen großen Volksabend, bei dem die Kapelle der Kaiserlichen Marinedivision zu Kiel mitwirkte. Der Saal war ziemlich gut besucht, die Experimente gelangen gut, bis auf den Schluß, das Befreien aus versiegelten Banden im Kabinett. Der alte mich bedienende Lohndiener, ein Schneidermeister aus Kiel, beging die Ungeschicklichkeit, das ganze Kabinett fast einzurennen und umzustoßen, weil er meinen Befehl gerade entgegengesetzt ausführte. Der Mann fiel hin und ein Riesengelächter ging durch den Saal. Ich brachte das Publikum schnell wieder in ernste Stimmung, doch einige rohe Galeriejünger störten den Schluß durch ihr Getrampel. - Auch über diesen zweiten Abend wurde gut berichtet, besonders von dem Kieler Tageblatt. Leider brachte die Kieler Zeitung nicht dasselbe günstige Urteil, scheinbar darum, weil ich in der Schlußrede dem Spiritismus gerecht zu werden suchte. Das war dem freisinnigen, materialistischen Blatte nicht genehm. Ich ging persönlich zu dem Chefredakteur, experimentierte mit ihm sehr glücklich, und er versprach, beim nächsten Vortrage meine Leistungen zu würdigen. Dieser nächste Vortrag fand im Verein medizinischer Studenten in Kiel statt. Zwei Herren, ein Zoologe, Dr. N. aus Meinigen, und ein Kandidat der Medizin, Herr Maak aus Hamburg, interessierten sich lebhaft für meine Experimente und unterstützten meine Bestrebungen mit warmem Herzen. Besonders hat sich Maak seit jener Zeit ernstlich mit okkulten Fragen beschäftigt und später als praktischer Arzt in Hamburg versucht, eine Wissenschaft zu begründen, die er Xenologie nannte.

Mein aufopfernder Kampf gegen fremde Gaukler im deutschen Vaterlande im Interesse der spiritualistischen Wahrheit.

An jenem Abend setzte Herr Maak ein Protokoll auf, das von mehreren Anwesenden beglaubigt wurde. Außer diesen beiden Herren sind mir von Kiel her noch zwei ausgezeichnete Herren in Erinnerung geblieben, die mit warmer Sympathie auf meiner Seite standen. Der eine war ein älterer Lehrer und Berichterstatter für zahlreiche Provinzialblätter von Schleswig-Holstein. Von diesem Herrn wurde ich veranlaßt, meine Vorträge statt in Kiel in den Provinzialstädten zu halten, denen er gute Berichte übersandt hatte. Als ich zum zweiten Male vergeblich versuchte, den Prinzen Heinrich anzutreffen, war kurz vorher ein böhmischer Taschenspieler zu einer Privat-Soiree vorgelassen worden, ein Man, der am Spiritismus nicht Gutes ließ. Es lag also augenscheinlich kein Bedürfnis vor, meinen Ausführungen noch weiteres Interesse entgegenzubringen. So mußte ich erleben, daß mir in Wien und Berlin der englische Gaukler Stuart Cumberland zuvorkam und in Kiel ein böhmischer Taschenspieler einen deutschen Prinzen unterhalten durfte, wodurch mir der Weg nach oben abgeschnitten war. Darauf wandte ich mich kurz entschlossen in die Provinzialsstädte, besuchte Eckernförde, Husum, Flensburg und hatte besonders in letzterer Stadt einen glänzenden Erfolg. Von dort begab ich mich nach Schleswig, wo mich der Verein „Museum“ engagierte und mir ein Dr. med. Witt ein gutes Anerkennungsschreiben widmete. Nun begab ich mich nach Rendsburg, Heide und Lübeck. Hier in Lübeck war kein Saal frei, darum ging ich sofort nach Braunschweig, wo ich im Hotel d`Angleterre einen Vortragsabend veranstaltete. Nachdem ich dann noch Düsseldorf besucht hatte, reiste ich nach Hannover zurück und trat hier mit dem Besitzer des großen Konzerthaussaals in Verhandlung.

Anfang Januar hatte auch Cumberland seine Ankunft in Hannover gemeldet. Hier beabsichtigte ich nun, diesen Antispiritisten zu stellen und eine Gegenvorstellung gegen ihn anzuberaumen, um ihn zu entlarven und den Spiritismus zu retten. Leider fand ich seitens des Besitzers des Konzerthauses keine Entgegenkommen. Die sonstigen maßgebenden Kreise sympathisierten wohl mit meinen Plänen, wollten aber nicht das Risiko der Unkosten übernehmen. Ich selbst hatte durch die letzten Reisen viel Unkosten gehabt, so war ich nicht in der Lage, meinen Plan in Hannover zur Ausführung zu bringen. Ich sah, daß nicht nur Mut und Gewandtheit, sondern auch Gunst und Geld zur Durchführung großer Pläne nötig ist.

Da nun damals alle Welt ihre Gunst den antispiritistischen Lügengrößen zuwandte, so sah ich voraus, daß ich vergeblich gegen diesen breiten Strom anschwimmen würde. Die Höfe in Wien und Berlin und die Presse hatten zu viel Gunst an die Antispiritisten verschwendet. Die Kreise waren aber auch nur geschoben wurden, einmal von der materialistisch gesinnten Medizin mit der Großfinanz, andernteils von den kurzsichtigen Kirchentheologen. Beide Parteien glauben, im Spiritismus eine Gefahr für ihre Weltanschauung zu erblicken, daß auch mit Recht; denn der Spiritualismus beseitgt manche Irrtümer. Darum aber, weil er die Wahrheit bringt, wird er so bekämpft; und damals war noch nicht die Zeit gekommen, um für diese Lehre in weiten Kreisen die Bahn zu brechen. Darum reiste ich in meine Heimat nach Heinde, studierte und malte fleißig, und siedelt im Herbst 1885 nach Hildesheim über.


XV. Kapitel.

Die Schule des praktischen Lebens.

Mein Schönheitsideal, meine Liebe, Entsagung und schwerste Krankheit.

Die traurige Erfahrungen, die ich mit den Menschen in Bezug auf Bildung und geistige Fortentwicklung gesammelt hatte, gaben mir Anlaß, über vieles nachzudenken und mit einem gewissen inneren Stolz und Weltverachtung das Leben und Treiben der Menge anzusehen. Denn die Wahrheit und der Edelsinn werden verkannt und verdammt, Lug und Trug glorifiziert. Ich fragte mich, ob es nicht vielleicht weit besser wäre, sich gar nicht um die Welt zu kümmern, sich selbst genug zu sein, statt den betörten Menschen seine ganze Kraft zu opfern? Ist es nicht klüger, sich eine feste Existenz, ein glückliches Heim zu schaffen, an seiner geistigen Entwicklung zu arbeiten, statt die Menschen aufklären zu wollen, die doch gar nicht für eine Aufklärung empfänglich sind?

Ich hatte in meiner eigenen Entwicklung vier Wandlungen durchgemacht. Einmal war ich von meinem frommen evangelisch-lutherischen Kirchenglauben der Heimat zur materialistischen Weltanschauung Berlins gekommen. Von dieser gelangte ich in Dresden zur Schönheitsphilosophie und endlich in Leipzig zum Spiritualismus. Nun begann für mich die Zeit, in der ich alle als gut erkannten Wahrheiten zusammenfaßte. Damit kam ich zur fünften Stufe meiner geistigen Entwicklung, zu meiner inneren Schönheitsreligion. Nach dieser suchte ich nun meine Leben zu gestalten.

Weitere Versuche der eigenen körperlichen und geistigen Ausbildung zur ethischen Schönheit.

Mancherlei okkulte Erscheinungen habe ich beobachtet und untersucht. Jedoch das Interesse für die sichtbare Schönheit und für das reale Leben wurde immer stärker. Vor allen Schönheiten in Natur und Kunst schwebte mir aber das Ideal der menschlichen Schönheit vor Augen. Mein Streben ging dahin, aus mir einen körperlich und seelisch vollkommen schönen Mann zu bilden, dann so lange zu suchen, bis ich ein vollkommen schönes Weib gefunden hätte, um mit dieser einen Bund fürs Leben zu schließen. Meine Selbsterziehung war fortan in jeder Weise auf die Pflege und Ausbildung aller körperlichen Kräfte und Organe und aller geistigen Anlagen gerichtet und dieses war mir von nun an das Hauptziel meiner Tätigkeit. 

Meine Niederlassung in Hildesheim als Porträtmaler und Zeichenlehrer und die Aussöhnung mit meinen Pflegeeltern.

Ein Herz- und Magenleiden, wohl noch Folgen früherer gesundheitserschütternder Erlebnisse und anstrengendster Geistesarbeit, störten und hinderten leider anfangs den guten Erfolg. Doch in der lieben Heimat mit der herrlichen Harzluft und dem kräftigenden Erdboden gelang es mir, nach neun Monaten das Leiden zu überwinden. In Hildesheim ließ ich mich darauf als Porträtmaler und Zeichenlehrer nieder. Auch erhielt ich hier die volle Gunst meiner Pflegeeltern wieder. Was sie vorher an Unterstützung hatten fehlen lassen, das suchten sie jetzt durch Vorstreckung eines kleinen Kapitals wieder gutzumachen, damit ich mir eine selbständige Existenz gründen konnte. Bald wurde ich als Zeichenlehrer an einer Mädchenschule angestellt. Doch kurz vor Antritt dieser Stellung beeinflußte  der evangelische Pastor, der an dieser Schule schon seit Jahren den Religionsunterricht erteilte, die Institutsvorsteherin, mich wegen meiner körperlichen Schönheit von der Stelle zu entbinden, da für die größeren jungen Mädchen der Schule daraus eine große Gefahr entstehen würde.

So wie das Volk sind die herrschenden Kreise für die Aufnahme der spiritualistischen Wahrheiten noch nicht reif, so noch viel weniger für die Lehren von der idealen Kunst und ethischen Schönheit.

So wurde meine ethisch-ästhetische Selbsterziehung von diesem Kirchentheologen, statt gewürdigt zu werden, als Gefahr hingestellt. Mich beleidigte dies derart, daß ich freiwillig auf die Stellung verzichtete, um diesen Pastor fernerhin allein unter den jungen Damen der Schule glänzen zu lassen. Ich mit meiner klassischen Kunstbildung und apollonischen Jugendschönheit schien diesem Dunkelmann eine allzu gefährliche Konkurrenz zu sein. Gewiß hätte mein Einfluß das Interesse der jungen Mädchen für ihn abgeschwächt. Jedenfalls setzte der Mann scheinen Willen durch; statt meiner wurde eine Zeichenlehrerin engagiert. Die Macht der Finsternis mit ihren Lügen und eigensüchtigen Trieben hatte gesiegt. Ich aber dachte, meine Zeit und Stunde ist noch nicht gekommen, aber sie wird kommen; das Licht meiner Weltanschauung wird siegen. Diese meine Weltanschauung baute ich nun immer mehr aus und suchte mich immer mehr von den hergebrachten, eingepflanzten Kirchenlehren zu befreien. Beides war für mich eine sehr schwere Arbeit; denn ich hing noch sehr an den ethischen und religiösen Lehren. Ich hatte noch keinen genügend festen Boden unter den Füßen, um darauf meine neue Ethik und Religion aufzubauen. Ich wollte nicht das Kleinste der ‚Religion und Ethik missen, soweit sie mir gut erschienen. Ich wollte sie nur von allen Irrtümern befreien und Neues und Besseres hinzufügen. Indem ich den dogmatischen Ballas der Kirche beseitigte, wollte ich aber ethisch nicht fallen, sondern steigen. Daher mußte ich oft um eine Idee wochen-, ja monatelang ringen, ehe ich sie als gut anerkannt oder überwunden hatte. Dabei ging ich stets gewissenhaft vor; denn es handelte sich hier um die feinsten religiösen, wissenschaftlichen, philosophischen und ethischen Fragen.

Daneben mußte ich mir noch praktischen Erwerb suchen. So kam es, daß ich nach vier Richtungen hin tätig war, als Selbsterzieher, als Forscher und Pfadfinder der Wahrheit, als Künstler und als praktischer Erwerbsmann. Ein Jahr wohnte ich im Haus der Witwe Propfe, bis Oktober 1886, vorzugsweise mit Kunst und Studium beschäftigt. Leider fand ich aber als Künstler nicht genug Arbeit, so mußte ich, um mein Leben zu fristen, wieder ins Handwerk herabsteigen und ein Dekorationsmalergeschäft anfangen. Schwere Zeiten hatte ich wieder durchzumachen. Ich siedelte in eine Dachwohnung bei einem Schlossermeister über, inmitten der Stadt, der besseren Geschäftslage wegen.

Aufs neue durch edles Streben ins Elend herabgesunken, kennt die eigene Mutter kein Erbarmen. Ein edler Freund hilft.

Ich bewarb mich um handwerksmäßige Arbeit; doch trotz alles Suchens und Empfehlens war der Verdienst sehr kümmerlich. Wieder lernte ich Not, Hunger, Frost und Elend kennen. Doch ich hielt aus. Nur eins vergesse ich aus jener Zeit nicht. Da die dünnen Decken und all mein übriges zeug in den harten Winternächten nicht zur Erwärmung meines Körpers ausreichten, bat ich meine Mutter, mir ein Bett zu leihen oder Bürgschaft zu leisten für ein Bett, das ich mir kaufen und allmählich abzahlen wollte. Es handelte sich um 60-70 Mark. Dies lehnte meine Mutter ab. Niemand wollte mir aber auf ein Bett Kredit geben. Ein edelgesinnter Mann, Restaurator Heinrich Krüger, der in meiner Nähe wohnte, nahm mich gegen Versprechung späterer Abzahlungen in Pension. Mit unendlicher Dankbarkeit denke ich an den Mann zurück. Im Frühling konnte ich seine Rechnung begleichen, da ich nun Arbeit und Verdienst fand. Durch unermüdlichen Fleiß und Sparsamkeit errang ich mir allmählich eine kümmerliche Existenz. Diese Jahre waren schwer für mich, aber ich lernte mit Geld, Zeit und Arbeitskraft richtig wirtschaften, wodurch in mir Seiten angeregt wurden, die früher sehr vernachlässigt worden waren.

Die Minderwertigkeit der Charakter- u. Geistbildung der gebildeten Stände u. die produzierenden Menschen als das bessere Element.

Ich mußte lernen, daß den vollkommenen Menschen nicht die idealen Triebkräfte allein ausmachen, sondern daß dazu die realen Energien ergänzend hinzutreten müssen. Ich begriff nun, wie einseitig auch andere ideal geschulte Menschen, sowie die höhere Beamtenklasse und reiche Leute sein müssen, die niemals ganz arm ins Leben geschleudert wurden, um sich mit eigener Lebens- und Muskelkraft eine selbständige Existenz zu gründen. Mir erschienen diese Art Menschen in ihrer Bildung fortan einseitig minderwertig, und ich bekam eine hohe Achtung vor allen produzierenden Ständen, vor tüchtigen Arbeitern, Handwerkern, Kaufleuten, Industriellen usw.

Meine erste unglückliche Jugendliebe, mein Ideal weiblicher Schönheit und Charakterbeanlagung.

Als ich mir auf diese Weise nach einigen Jahren die Grundlagen einer wenn auch nur mäßig auskömmlichen Existenz geschaffen hatte, machte ich im Frühling des Jahres 1888 eine Reise nach Braunschweig. Auf der zweiten Bahnstation nach Hildesheim, in Derneburg, stieg ein wunderschönes Mädchen mit ihrer Freundin in die Bahn, die von Braunschweig nach Bockenem und Seesen fährt. Vom ersten Augenblick an, als ich Gesicht und Gestalt dieses Mädchen sah, war ich überrascht von der seltenen Schönheit; und mein ganzes Streben und Suchen nach einem weiblichen Wesen, das meinen idealen Schönheitsvorstellungen entsprach, schien in diesem Wesen Leben und Gestalt angenommen zu haben. Ich reiste ihr nach, erkundigte mich nach ihr und erfuhr, daß sie eine reiche Bauerntochter aus Bönien bei Bockenem sei. Ich hatte nun fortan den heißesten Wunsch, dieses herrliche Mädchen kennenzulernen; doch bot sich nicht eher Gelegenheit dazu, als am zweiten Pfingsttag 1888, als in Bad Salzdetfurth Konzert und abends Ball im Kursaal stattfand. Hier machte ich zugleich die Beobachtung, daß dieses junge Mädchen schon einen Verehrer hatte, einen Kandidaten der Theologie. Als ich das schöne Mädchen zum Tanzen aufforderte, willigte sie ein, ich war glücklich. Sie schien sich auch für mich zu interessieren; denn sie beobachtete mich in den Zwischenpausen immer mit ihren großen blauen Augen. Immer wieder forderte ich sie im voraus zum Tanzen auf, immer nahm sie es an und lehnte andere Tänzer ab. Das genügte mir, ihrer Sympathie sicher zu sein; als sie mich aber selber zum Besuch des Bockenemer Schützenfestes einlud, auf dem auch sie erscheinen würde, da hielt ich mich für den Glücklichsten der Sterblichen. Ich hatte mein Ideal gefunden, das ich jahrelang gesucht hatte, und alle Liebe und Begeisterung konzentrierte ich auf dieses herrliche Mädchen. Keine Stunde am Tage verging, kein Traum der Nach zog ohne das Bild des geliebten Mädchens vorüber. Jedoch war es das Traurige meiner Lage, daß ich derart von Erwerbssorgen angespannt war, daß ich nicht imstande war, mich weiter dem geliebten Wesen zu nähern und ihr meine Liebe zu erklären.

Auch schon mir jeder Annäherungsversuch aussichtslos, da die reichen Bauern jener Gegend ein unüberwindbares Standesbewußtsein haben, das ihnen verbietet, ihre Tochter mit armen Männern zu verloben und wären es auch noch so hohe Geistesfürsten. In jener Zeit aber, da ich das Handwerk wieder ergriffen hatte, um mir eine Existenz zu gründen, konnte noch niemand wissen, welche künstlerische und wissenschaftliche Kraft sich in mir verbarg. Diese Sorge, verkannt zu werden, war es, die mich verzehrte, die mir alle Zukunft trübte, die mich seelisch krank machte. Als sich das geliebte Mädchen im Jahre 1889 mit dem Kandidaten der Theologie verlobte, überkam mich ein unsagbares Seelenleid.

Gegen wahre Liebe die konventionelle Heirat, das ist der Lauf der törichten Welt mit ihrer mangelnden Menschenkenntnis und Würdigung der Menschenwerte.

In meiner größten Verzweiflung faßte ich den Entschluß, sie noch einmal einige Wochen vor ihrer Hochzeit aufzusuchen, sie zu sehen und zu sprechen. Das führte ich auch aus. Ich sah das Mädchen vor ihrem Hause unter einem Lindenbaum stehen, stolz wie eine Königin in ihrem edlen Selbstbewußtsein, edel und schön in Gestalt und Kleidung, wie eine Göttin. Ich war tief ergriffen; sie schien es nicht minder zu sein, als sie mich erblickte. Wir gingen in ihre große Wohnstube, waren allein und sahen uns in die Augen. Wir sprachen wenig, wir waren starr vor Bewunderung, denn wir gehörten ja geistig und körperlich allein durch unsere Schönheit zusammen. Niemand war da, der schöner war als sie, niemand, der schöner war als ich. Das verstanden wir beide. Auch unsere Charaktere paßten zusammen, unsere Anlagen und Geisteskräfte harmonierten und ergänzten sich. Unsere magnetischen Kräfte schienen sich gegenseitig auszulösen. Ich fühlte das unüberwindliche Gesetz der gewaltigen Harmonie der Seelen. Dies Wesen besitzen oder Wahnsinn und Tod; das kam mir zum Bewußtsein. Die Worte, die wir wechselten, waren bedeutungslos, nur konventionelle Phrasen. Nur war wir uns einander waren, was wir gegenseitig fühlten, das war Wahrheit. Doch keiner wagte den Bann zu brechen, sich auszusprechen, obwohl unsere Augen sagten, wie wir fühlten. Sie glaubte, sich als Verlobte so geben zu müssen, daß kein Tadel sie traf. Ich glaubte, mich wegen meiner Ärmlichkeit bezwingen zu müssen und ihre Kraft zu erproben, ob sie mit ihrem Gewissen noch von ihrem Verlobten zurückkonnte und einen armen Künstler, der aber mit allmächtigen Plänen für die Zukunft erfüllt war, heiraten würde.

Wir beide waren zu sehr das Produkt der Verhältnisse, waren noch nicht genug das, um das Höchste zu leisten, nämlich die Verhältnisse zu brechen und die innere göttliche Natur sich frei entfalten zu lassen. Wir nahmen konventionell Abschied. Als ich aber das Haus verlassen hatte, sang das geliebte Mädchen freudejauchzende Lieder. Fast wollte ich umkehren; doch meine innere Natur war zu stolz. Ich ging fort und ergab mich dem Schicksal. Nach wenigen Wochen war dies einzig geliebte Mädchen die Frau eines Dorfpastors. Ich hörte noch oft von ihr, da ich mit ihrem Schwager, einem Tischlermeister in Hildesheim, befreundet wurde. Von ihm erfuhr ich, daß sie am selben Tage, an dem ich ihr meinen Abschiedsbesuch gemacht hatte, ihrem Verlobten einen Absagebrief geschrieben und die Schneiderin, die ihre Kleider machte, sofort abbestellt hatte. Warum? - Nun, mir war es klar. Auch als sie verheiratet war, hat sie noch schwere Seelenkämpfe durchgemacht, sie wollte fort in die Heimat, in die Welt. War es bei ihr auch die Liebe?

Die Seelenqualen der unbefriedigten Liebe führten zu einer tödlichen Krankheit des Körpers, aber auch zur höchsten geistigen Entwicklung.

Nun sie hat diese Liebe bezwungen; sie trug ihr Schicksal, ich das meinige. Seelisch vereint, körperlich getrennt. Entsagen, nicht besitzen, war mein Los. Ich erkrankte darauf schwer an Halskrebs, die Folge dieser unglücklichen, nie befriedigten Liebe. Ich mußte unsagbar leiden. Tausendmal bat ich den Himmel, mich von diesem Leiden zu erlösen. Tausendmal fragte ich meine Schutzgeister, warum ich so entsetzlich leiden müßte. Als mich ein schweres Lungenleiden ergriff, glaubte ich, meiner Auflösung sicher zu sein; doch ich wurde gebessert. Mein Geschäft verkaufte ich darauf, obgleich es sich nun nach einigen Jahren gut entwickelt hatte. Aber ich mochte von der Gegend nichts mehr sehen, um nicht immer an das Leid erinnert zu werden, das ich erfahren hatte. Doch diese körperlichen und seelischen Schmerzen haben mein Nervensystem wunderbar verfeinert. In Wolfenbüttel fand ich in meiner lieben Kunst schon einige Aufträge. Ich siedelte nach dorthin über, dann nach Braunschweig. Doch schon seit zwei Jahren war ich leidend. Keiner der Ärzte hatte mit gehofen. Ein Braunschweiger Arzt stellte bei mir Halskrebs fest. Sollte ich nun, da ich als Künstler auskömmlichen Verdienst gefunden hatte, doch zugrunde gehen? - Vielleicht war das Leiden durch das verzweifelte Herbeiwünschen des Todes entstanden, vielleicht dachte ich, wird es geheilt durch verzweifelte Anstrengung des Willens zum Leben. Leben wollte ich nun auf jeden Fall, nicht um zu heiraten, auch nicht um Künstler zu bleiben, nein, um meine neue Weltanschauung zu verbreiten.


XVI. Kapitel.

Die eigene Kraft des Willens über Leben und Tod und die Willenskraft höherer Geister, welche in die Geschicke der Menschen eingreifen können.

Die erste Probe, wie man mit Willen und Idee, Krankheit und Tod überwindet, machte ich in Wolfenbüttel. Zur Zeit, als in Hamburg die Cholera herrschte, reiste ich eines Tages von Hannover über Braunschweig nach Hause. In meinem Coupé saß eine ältere Hamburgerin, die von ihren an Cholera gestorbenen Verwandten erzählte. In Braunschweig stieg sie aus, um dort so lange zu bleiben, bis die Epidemie vorüber war.

Eine Choleraerkrankung und die letzten Studien an meinen Gesichtszügen vor dem nahenden Tod.

Abends in Wolfenbüttel angekommen, fühlte ich mich sehr unwohl, ich schlief unruhig. Gegen 4 Uhr morgens erwachte ich mit Frost und Leibschmerzen und bekam Brechdurchfall. Plötzlich überkam mich ein Gefühl, als ob alle Kräfte schwinden wollten und ich nahe dem Tode stände. Da ich parterre wohnte, schleppte ich mich eine Treppe herauf zu meiner Wirtin, klopfte an ihr Schlafgemach und bat um freundliche Hilfe und etwas heißen Tee. Beim Hinuntergehen brach ich auf dem Hausflur zusammen. Jetzt fiel mir ein, daß ich vielleicht von der Hamburgerin angesteckt war. Sofort sah ich in meinen Taschenspiegel und beobachtete meine Gesichtszüge, um zu sehen, wie sich dieselben bei einer solchen Krankheit verändern. Nur mit größter Anstrengung gelang es mir, mich genau zu beobachten. Alle Gesichtsmuskeln waren völlig schlaff, die Haut ganz grau, selbst das Weiße im Auge erschien grau. Über dies Aussehen war ich entsetzt; denn ich sah in das Angesicht eines Sterbenden. Mit der Bitte zu Gott, mich dies überwinden zu lassen, verlor ich das Bewußtsein. Als ich aufwachte, lag ich in meinem Bett und meine Aufwartefrau war bei mir. Ich bat sie, etwas bei mir zu bleiben und mich anzuhören; denn ich fühlte mich dem Tode nahe und wolle noch einige Bestimmungen treffen. Mit schwacher Stimme teilte ich ihr von meinen Verwandten mit, von meinen Manuskripten, die ich gern gedruckt haben wollte, und machte über meine kleine Habe die letzten testamentarischen Bestimmungen. Der herbeigeholte Arzt verschrieb mir etwas Medizin, konstatierte aber nur einfachen Durchfall. Von der vermeintlichen Cholerainfektion sagte ich ihm nichts.

Das magische Hellgefühl zur Auffindung und Anwendung der richtigen Heilmittel. Mein Wille zum Leben besiegte den Tod.

Ich bat meine Aufwartefrau, mir heißen Pfefferminztee und einen warmen Leibumschlag zu machen. Das tat Wunder. Vorher verfiel ich alle Augenblicke in einen Kollapszustand. Ließ ich mich gehen, so war es, als schwände der letzte Rest meiner Kräfte, aber dann spannte ich alle Kräfte an, mit dem festen Willen, am Leben zu bleiben. Dabei dachte ich an meine Werke, die ich später herausgeben wollte und zu denen ich schon die Grundzüge niedergelegt hatte. So erhielt ich mich sozusagen mit meinem Willen am Leben, und vorausschauend hatte ich auch die rechten Heilmittel gefunden. Der Tee tat mir wundersam wohl, und die feuchte Wärme auf dem Körper unterstützte die Heilwirkung. Nach wenigen Stunden konnte ich schon ein Glas Rotwein und belegtes Weißbrot zu mir nehmen. Gegen Mittag stand ich auf. Am selben Tage wurde auch der Verkauf meines Geschäfts festgemacht, und wenige Tage darauf reiste ich nach Hildesheim, um meinem Nachfolger das Inventar zu übergeben und den Kaufvertrag notariell beglaubigen zu lassen. Darauf siedelte ich nach Braunschweig über. Zur Pflege meiner Gesundheit suchte ich eine gebildete Wirtschafterin für mich mit eigenem Hausstand, die sich in der Tochter eines Bremer Arztes fand. Diese veranlaßte mich, in Bremen einen Spezialisten wegen meines Halsleidens aufzusuchen. Darum reiste ich nach Bremen zu einem Onkel  und gab mich bei Dr. Schäffer in Behandlung. Dieser nahm verschiedene Operationen vor und brachte dadurch das Leiden zum Stillstand. Vorher war mir dies von dem Medium Frau Demmler in Braunschweig vorausgesagt worden. In Trance sagte mir diese Frau, daß ich kein Lungen-, sondern nur noch ein Halsleiden hätte, das, obwohl es unheilbar erschiene, doch geheilt werden würde. Ebenfalls nannte sie mir auch Bremen als meinen zukünftigen Aufenthaltsort, obgleich ich damals noch nicht ahnte, daß ich dorthin käme. Aus Wolfenbüttel sind mir auch noch zwei eifrige Spiritisten in guter Erinnerung. Herr Hecker, der Besitzer des dortigen Kreisblattes, und Herr Zenker, dem das Hotel zum Deutschen Hause gehörte.

Gute Verwandte, Pflegerin und Arzt in Bremen trugen zur Besserung meines scheinbar unheilbaren Krebsleidens bei.

Im Herbst 1892 war ich also nach Bremen übergesiedelt. Während ich, wie schon erwähnt, anfangs bei meinem Onkel wohnte, wurde mir tagsüber von meiner Pflegerin und Wirtschafterin, Fräulein Auguste Neander, die sorgfältigste Pflege zuteil. Dr. Schäffer nahm mich täglich einmal in Behandlung. Das noch immer auftretende Fieber zwang mich zu absoluter Ruhe. Ich durfte wenig studieren und zeichnen. Da ich jedoch für Weihnachten noch mehrere Aufträge auszuführen hatte, suchte ich Mittel und Wege, fieberfrei zu werden. Eines Tages erblickte ich in einem Schaufenster das Werk „Die neue Heilwissenschaft“ von Louis Kuhne und kaufte es mir. Ich studierte den Inhalt, der mir Vertrauen einflößte. Daraufhin wandte ich das Reibebad an, das mir sehr gut half; bald war ich fieberfrei. Die ausgezeichnete Pflege, die reizende Unterhaltung und das feingebildete Wesen meiner Pflegerin trugen auch viel zu meiner Besserung bei.

Meine Verlobung mit meiner Pflegerin und die nächtliche Erscheinung eines Geistes, welcher mich vor der Heirat warnt, mir Ratschläge erteilt und meine Zukunft voraussagt.

Ich wurde eng mit ihr befreundet und verlobte mich schließlich mit ihr. Wir teilten den Verwandten und besonders ihrem Bruder, der in Petersburg lebte, und ihr Vermögen verwaltete, von dessen Zinsen meine Freundin lebte, die Verlobung mit, mit der Erklärung, daß wir bald zu heiraten beabsichtigten. Alle Verwandten schienen einverstanden zu sein. Doch kurz darauf hatte ich Erscheinung ein eigentümliches Erlebnis. Mitten in der Nacht wurde ich im Schlaf aufgeweckt und sah einen Mann vor mir stehen. Ich schlief damals allein in einem Zimmer bei meinem Onkel. Dieser Mann war ein verkörperter Geist, eine knochige, muskulöse Erscheinung von etwas über mittlerer Größe, ein Bewegungsnaturell. Derselbe redete energisch auf mich ein, die Verlobung aufzugeben mit der Begründung, daß meine Verlobte nicht die rechte Frau für mich sei. Ich erwiderte, dieses glaubte ich doch wohl; denn sie habe mich ausgezeichnet gepflegt, und zum Dank wolle ich sie heiraten. Der Geist erwiderte, daß dulde er nicht und machte eine zornige Gebärde mit einem starken Knüttel, worüber ich erschrak. Ich fragte ihn, warum er denn so sehr dagegen wäre. Man sollte doch meinen, die Geister würden meine Dankbarkeit wertschätzen; dann hätte ich lieber die Dame gar nicht kennenlernen sollen. Der Geist antwortete, das hätte so sein müssen, sonst wäre ich nicht gesund geworden. Die Dame sei nur ein Werkzeug in höheren Händen. Ich würde bei derselben solange bleiben, bis ich ziemlich gesund wäre. Dann solle ich in meine Heimat zurückkehren, wieder Reisen machen, um Porträtaufträge zu erhalten und daneben Vorträge halten. Zwischen Heimat und Harzgebirge, in der Nähe von Goslar, würden mir die Geister etwas zuführen, wodurch ich in eine ganz andere Berufstätigkeit kommen würde. Vorher sollte ich durch Nachkur mit Naturheilmethode in Hannover, sowie durch monatelange Harzreisen meine Gesundheit weiter kräftigen. Ich solle in Hannover an meiner Wissenschaft arbeiten und Lehrstunden darin geben. Später würde ich in Hannover Leiter einer Heilanstalt werden und mich bald darauf verheiraten. „So“, sagte ich, „dann soll ich meine Braut Auguste nicht heiraten? Das wäre doch ein großes Unrecht, sie wieder zu verlassen“, worauf der Mann sehr zornig wurde und sagte: „Nein, du sollst sie nicht haben, für dich ist eine andere bestimmt“. Ich sagte darauf, wo ich denn meine zukünftige Frau kennenlernen würde, wie alt sie sei, wie sie aussähe, schwarz oder blond, wieviel Vermögen sie habe, ob sie gebildet sei und einen guten Charakter habe. Darauf führte mich der Mann im Geiste durch einen schönen Wald. Als ich aus dem Wald trat, sah ich ein wunderschönes Tal. „In diesem Orte“, sagte er, „wirst du dich mit deiner zukünftigen Frau verloben. Hier wirst du sie lieben und wertschätzen lernen. Sie hat ein kleines Vermögen, womit ihr euch ein Haus mit Garten erwerben und eine Existenz gründen werdet. Deine Zukünftige hat einen guten Charakter; sie ist gut wie ein Engel. Du mußt wohl noch vieles Schwere durchmachen, aber das muß sein. Du sollst dermaleinst Großes im Leben vollbringen und sollst geführt werden.“

„Ach“, sagte ich, „warum ist es denn noch nicht zu Ende mit allem Leid, wann soll ich nur zur Ruhe kommen? Warum muß ich so viel durchmachen?“ Der Geist antwortete mir: „damit du zur höchsten geistigen Entwicklung gelangst. Später wirst du noch gesund und in ruhige Verhältnisse kommen.“ Ich aber meinte, das sei mir zu langweilig, ich wolle bald heiraten, und zwar Auguste und wolle einmal sehen, ob ich meinen Willen nicht durchsetzen könnte. Wir Menschen hätten auch einen Willen, und morgen wollte ich alles Auguste erzählen und uns dann gleich aufbieten lassen, das könne dann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Wir wollen nun erst recht heiraten... 

Geister können in die Geschicke der Menschen eingreifen, wenn sie es wollen, wogegen unser Wille machtlos.

Darauf drohte mir der Geist und sagte, er wolle mir beweisen, daß die Geister Macht über uns hätten und in die Geschicke der Menschen eingreifen könnten. Als ich ihn fragte, ob er mein Schutzgeist sei, sagte er, das nicht, aber er sei beordert, mich und mein Schicksal in nächster Zeit zu führen. Ich sagte, wo denn der Wille des Menschen bliebe, wenn die Geister diesen Willen durchkreuzen könnten; dann gäbe es ja keinen Willen; ich glaubte nicht, daß wir Spielball der Geister wären. Darauf gab  er mir zur Antwort: „Der Mensch hat nur einen bedingten Willen; und auserwählten Menschen werden von Geistern geführt. Zwar könnten diese nichts gegen den Willen des Betreffenden tun, wenn der Wille stark sei, aber dann würden sie auf andere ihnen gefügige Menschen einwirken, und somit das Schicksal indirekt nach ihrem Willen gestalten.“ Auf meine Frage, wie er´s denn bei mir anfangen wollte, sagte er, daß er auf den Bruder meiner Braut wirken würde, damit er das Vermögen nicht herausgäbe und daß sie sogar keine Zinsen mehr bekäme, solange ich mit ihr verlobt wäre. Dann würden wir es aufgeben, und besonders Auguste würde nicht ohne den Besitz ihres Vermögens heiraten. Ich bezweifelte das und sagte: „Ich kann das nicht glauben, ich will´s nun doch durchzusetzen versuchen, und will abwarten, wer recht behält, ich oder du.“ Darauf sprach der Geist: „Ich werde dir beweisen, was ich will und kann.“ „Gut,“ sagte ich, „wenn du nun wirklich deinen Willen durchsetzt, dann will ich mich fügen und mein Schicksal in die Hände meines Schutzgeistes, meines seligen Vaters, meiner Großmutter und des höchsten Gottes legen und will vertrauen. Aber wie soll ich denn meine Zukunft gestalten, werde ich noch einmal reich oder wohlhabend? Bekomme ich Kinder? Der Geist antwortete: „Du bekommst Kinder, gelangst langsam zu mäßigem Wohlstande, so daß du später vor Not geschützt bist.“ Ich sagte darauf, wenn ich später ein größeres Barvermögen und ein schönes Landhaus mit Garten hätte, dann wäre ich zufrieden, dann hätte ich eine feste Einnahme an Zinsen und würde etwas dazu verdienen. Der Geist antwortete: „Du wirst mit der Heirat deiner für dich bestimmten Frau ungefähr etwas über 3000 Taler Mitgift bekommen. In sechs bis acht Jahren nach der Heirat wirst du in den Besitz von 7000 Talern kommen. Du wirst ein größeres Unternehmen gründen und nachdem du dies einige Jahre geführt hast, wirst du ein Vermögen und ein schönes Landhaus haben. Du wirst dann Werke herausgeben, Vorträge halten, oft reisen und deine neuen Wahrheiten verbreiten. Du wirst in dieser Tätigkeit Befriedigung finden und eine große Mission erfüllen und sollst noch Anerkennung finden, und Segen wird auf deinem Wirken ruhen. Du wirst eine neue geistige Bewegung ins Leben rufen, deren Anfänge dich noch bei Lebzeiten befriedigen werden, die aber nach deinem Tode, und zwar schon nach zweihundert Jahren, weltbewegend geworden sein wird; und dein Name, deine Lehre und deine Erdenmission werden von allen Völkern der Erde gepriesen werden!“ - Damit verschwand der Geist. Ich hatte mich wohl eine halbe Stunde mit ihm unterhalten und war ganz aufgeregt geworden. Ich stand aus dem Bette auf, machte Licht, ging hinaus und rief meine Tante. Mein Onkel, welcher Eisenbahnbeamter war, hatte gerade Nachtdienst und war daher abwesend. Meiner Tante teilte ich diese Erscheinung und einiges von dem Zwiegespräch mit. Dieselbe war erstaunt darüber, meinte aber, es sei wohl nur ein Traum gewesen. Es war dies gegen vier Uhr morgens, Anfang November 1892. Als mein Onkel nach Hause kam, erzählte ich es ihm auch. Dann ging ich zu meiner Verlobten, Ich war den ganzen Tag ernst und traurig, bis gegen Abend, als sie energisch in mich drang, warum ich so eigentlich verstimmt sei. Ich erzählte ihr dann von meinem Erlebnis in der vergangenen Nacht. Sie war höchst entrüstet, wie ich an solchen dummen Spiritismus glauben könne. Es gäbe keine Geister, meinte sie, es sei nur ein dummer Traum gewesen.  „Nun, Auguste,“ sagte ich, „ich will ja auch nicht so, wie der Geist will, ich heirate dich, sonst hätte ich mich nicht mit dir verlobt. Wir wollen gleich heute noch zum Standesamt gehen und das Aufgebot bestellen; dann wollen wir einmal sehen, ob ich meine Absicht nicht durchsetzen kann; sobald du dein Vermögen hast, heiraten wir;  und erhälst du es nicht, dann heirate ich dich trotzdem; dann bekommst du deine Zinsen und bis auch vor Not geschützt.“ „Nein,“ sagte Auguste, „wenn ich mich verheirate, will ich auch mein Vermögen haben. Meine Schwester hat es auch bekommen. Ein Künstler kann eine Frau ohne Vermögen nicht heiraten. Du hast soviel Not und Elend im Leben kennengelernt; ich will nur deine Frau werden, wenn ich dich künftig pflegen kann und vor Not gesichert weiß. Du bist auch kränklich und man weiß nicht, ob du ganz gesund wirst und für eine Familie alles aufbringen kannst. Du sollst dich nicht mehr so abstürzen um Arbeit, du sollst es von nun an gut haben.“ Ich sprach: „Du gutes, edles Mädchen, du meinst es so gut, du hast ja recht, aber es gibt höhere Mächte. Sollten unsere Pläne durchkreuzt werden, dann wollen wir uns fügen, und wir wollen treue Freundschaft bewahren, das wird uns doch die Vorsehung wohl gestatten.“ Wir gingen darauf noch am selben Nachmittag zum Standesamt in Bremen und gaben das Aufgebot auf.

***

Auguste schrieb darauf schon am anderen Tage nach Petersburg, teilte das Aufgebot mit und bat um Übersendung ihres Vermögens, damit sie sich davon etwas zur Aussteuer nehmen könne. Sie erhielt aber von Stund an keine Antwort mehr. Ihre monatlichen Zinsen wurden ihr ebenfalls nicht eingeschickt. Sie sandte darauf einen eingeschriebenen Brief an ihren Bruder; aber auch dieser wurde nicht beantwortet. Jetzt sandte sie Eilbriefe, Depeschen mit bezahlter Rückantwort; aber alle Mühe war erfolglos.

Im Hellsehen sah ich, wie der erschienene Geist auf den Bruder meiner Verlobten einwirkte nach seinem Willen, wie er prophezeit hatte.

Eines Nachts hatte ich dann das zweite Gesicht. Ich sah, wie der Bruder meiner Verlobten im Begriff war, das Geld und die Papiere dem Schreibpult in seinem Kontor zu entnehmen. Ich sah genau die Figur und Gestalt dieses Mannes, wie er den Pultdeckel rechtsseitig aufklappte, nachdenklich die Papiere ergriff und herausnahm. Dann aber sah ich den bekannten Geist hinter ihm stehen, der auf Gehirn, Arm und Rückenmark des Herrn seinen Willen übertrug und denselben dermaßen beeinflußte, daß er das Geld wieder fortlegte und fest entschlossen war, nichts an seine Schwester einzusenden, absolut nichts mehr von sich hören zu lassen. Jetzt begriff ich die Prophezeiung des Geistes, daß Geister auf Menschen ihre Gedanken übertragen, sie nach ihrem Willen beeinflussen können; ich hatte es nun gesehen. Ich erzählte dies Gesicht meiner Braut, aber sie zweifelte, glaubte nicht daran. - Sie bombardierte ihren reichen Bruder weiter mit Depeschen und Briefen. Sie war entrüstet, daß dieser mehrfache Millionär ihr nicht ihre zwanzigtausend Mark auszahlen wollte, obgleich sie doch lange großjährig war. Endlich gab sie ihre Hoffnungen auf, direkt bei ihrem Bruder etwas zu erreichen. Sie wandte sich an ihre reiche Tante in England, eine Dame, die ebenfalls über Millionen verfügte und ihr in der Jugend einmal versprochen hatte, wenn Auguste sich verheirate, wolle sie ihr eine kleine Beihilfe zu ihrer Aussteuer geben, und in jeder Notlage des Lebens möchte Auguste sich an sie wenden, sie würde mit Rat und Tat helfend eingreifen. Diese reiche Tante war mit der Kaiserin Friedrich befreundet und hatte in Neapel eine Kunstgewerbe- und Industrieschule errichten lassen, um armen italienischen Kindern Gelegenheit zu geben, etwas zu lernen, wodurch sie sich mit redlicher Arbeit etwas verdienen könnten. Sie wollte das schöne Italien industriell heben und die Armut und Bettelei besonders in Neapel einschränken. Diese Dame, so erzählte mir Auguste, sei überaus intelligent und wohltätig und habe schon viele Stiftungen gemacht. Sie besäße großen Einfluß bei ihrem Bruder und bei angesehenen reichen Leuten in England. Auguste hoffte, sie würde mich durch Empfehlungen in ihren Bekanntenkreisen als Porträtmaler einführen. In diesem Sinne schrieb Auguste denn einen langen schönen Brief an diese edle Dame.



Levitating Stone
(Hinzugefügt)


Erstellt 1994 und September 2006. Update 21. März 2007.
© Medical-Manager Wolfgang Timm
Fortsetzung

Die  Kronen symbolisieren die höhere Natur in jedem Menschen, sein individueller potentieller innerer Adel. Jedermann ist verpflichtet seinen inneren Adel nach Albrecht Dürer und Carl Huter zu heben.
Bearbeitung: Medical-Manager Wolfgang Timm
Innere Erschließung einer höheren geistigen Welt aufgrund selbsterlebter Tatsachen